Kapitel 22 - Chaos

Man hätte denken können, dass die rettende Ankunft auf Berk den geschlagenen Reitern Ruhe brachte, doch es war genau anders herum. Nachdem die große Drachenschar so niedergeschlagen zurückgekehrt war und die Verletzten versorgt wurden, blieb es nicht lange ein Geheimnis, was der Gruppe zugestoßen war und das ganze Dorf befand sich in Aufruhr.

Unter Ohnezahns Abwesenheit jagten die reiterlosen Drachen über die Insel und als wäre das nicht genug für die geschäftige Insel, stürmten die Reiter von einer Hütte zur anderen und brachen vor lauter Sorge und Erleichterung in Tränen aus, sobald wieder jemand zu Bewusstsein gekommen war. Duzende Male wiederholten sie die Ereignisse auf der zersplitterten Insel und versuchten sich einen Reim daraus zu machen. Mit jedem Reiter oder Schüler, der wieder zu sich kam, fand eine neue Krisensitzung statt, in der Hoffnung, dass sie sich an ein weiteres Detail erinnern konnten.

Allerdings wurden sie jedes weitere Mal aufs Neue enttäuscht, der fremde Drache verfügte scheinbar über solch eine Kraft, dass alle gleichzeitig ihr Bewusstsein verloren hatten. Was mit Hicks und Viggo passiert war, konnte sich keiner erklären, Fischbein erinnerte sich nämlich daran, dass die beiden im Auge der Druckwelle unbetroffen gewesen waren, bevor er selbst überwältigt wurde. Es wusste auch niemand, wo die übrigen Drachen hingeflogen waren, die Suchtrupps kamen alle mit leeren Händen zurück. Fischbein vermutete, dass sie versuchten ihrem Alpha zu folgen, doch sie waren sicherlich nicht unbetroffen von dem Effekt des Angriffes. Ob sie ihn oder die Reiter sie jemals finden würden war ungewiss.

Nur die allgemeine Ratlosigkeit verband das ganze Volk, sowie der erbarmungslose Hass auf Viggo Grimborn. Astrid hatte ihn in den Drachenhangar sperren lassen und sich danach mit Hicks und Valka zurückgezogen. Selbst nachdem die betroffenen Drachen sich wieder von ihrem Schwindel erholt hatten, waren er und Viggo nicht aufgewacht. Seit Stunden schon schrien die Bewohner nach Antworten, während die erschöpften Reiter auf ihren Plattformen saßen und verloren in die Luft sahen.

Auch Maila saß wortlos da, an Mondblüte gelehnt neben Fiona und Sandsturm und beobachtete die vorbeiziehenden Wolken. Noch nie hatte sie ein Volk so hoffnungslos erlebt. Immerhin war es ihnen nicht entgangen, wie zweiduzend Drachen bewusstlose, völlig erschöpfte Reiter und Drachen nach Hause gebracht hatten. Hicks hatte ihnen zudem nie genau erklärt wo sie hinflogen und aufgrund des Notfeuersystems hatte Astrid einen Krieg erklärt. Maila verstand die Bewohner, doch hatten die Reiter keine Antworten. Sie wussten nicht wo ihr Alpha war. Sie wussten nicht was passiert war. Sie wussten nicht, was noch kommen würde. Hicks war noch immer ohnmächtig und sie hatten einen alten Feind auf der Insel.

Die Hoffnungslosigkeit und Angst hing über der Insel wie eine dunkle Wolke, niemand wusste, was sie tun sollten. Sie hatten keine Anhaltspunkte und - Auf einmal hörte sie ein lautes Knirschen und schreckte hoch. Doch es war nur eine weitere Reihe Häuser, die geräuschvoll zusammenbrach. Sofort war Wolkenspringer zur Stelle und vertrieb die wilden Drachen, doch die Häuser waren nicht mehr zu retten. Krachend fielen sie ins Meer herab und Drachen stoben in alle Richtungen. Der Tag näherte sich dem Abend und es war bereits das zehnte Mal, dass irgendwo etwas zusammenbrach. Maila wurde erst bewusst wie sehr dieser Stamm auf Hicks und Ohnezahn angewiesen war und seufzte erneut. Ja, sie hatten ein großes Problem. Sie wusste was Viggo einem Stamm antun konnte, sie hatte es selbst erlebt. Doch das, was hier passierte übersteig ihre Vorstellungskraft.

Sie beobachtete Wolkenspringer noch eine Weile, wie er versuchte den Schwarm zusammenzuhalten, bis unten auf den Straßen plötzlich die Rufe verstummten. Die beiden Mädchen sahen sich überrascht an. Die Dorfbewohner schrien bereits seit Stunden nach ihrem Anführer, sodass sie es bereits völlig ausgeblendet hatte. Neugierig sahen sie über den Rand der Plattform hinaus und erkannten Hicks und Astrid, wie sie begleitet von Valka aus ihrem Haus herauskamen. Die blonde Wikingerin stützte ihren Mann und die ganze Insel schien ehrfürchtig den Atmen anzuhalten. Überall ließen die Drachen sich schweigend nieder und alle Augen waren auf das Oberhauptpaar gerichtet. Es war so leiße geworden, dass man wieder das Rauschen des Meeres hören konnte und Maila erschauderte unter Hicks Einfluss auf seinen Stamm.

"Hört zu!" erklärte er schwach und Astrid nickte ihm unterstützend zu. "Ich weiß, ihr wollt Antworten. Und die sollt ihr bekommen", er seufzte und Maila und Fiona wechselten erneut einen besorgten Blick, "Ohnezahn ist fort. Ich weiß nicht wo", verkündete er bestimmt und die Menge atmete schockiert auf. "Und wir wissen, was das für unser Dorf bedeutet", er machte eine Pause und sah resigniert über die Bewohner. Er klang niedergeschlagen, sprach leise und erschöpft. Das Leuchten in seinen Augen war verschwunden und er wirkte fruchtbar verletzt. "Ich würde euch gerne etwas positives erzählen, aber leider habe ich im Moment nichts. Wir wurden erneut von Viggo Grimborn verraten und diesmal hat es uns tief getroffen. Er hatte Hilfe von einem neuen, mächtigen Drachen und vielleicht auch einem starken Heer hinter sich, ich weiß es nicht. Aber nachdem sie alle unsere Reiter ausgeschalten haben ist der Drache mit Ohnezahn verschwunden. Der zweite Angriff, um die anderen Drachen abzuschütteln hat auch mich und Viggo getroffen und ich - ich weiß nicht, was mit ihnen passiert ist -"

"Aber," fiel Astrid ihm ins Wort und nickte entschlossen. "Das ist nicht das Ende. Wir sind Berkianer. Wir haben schon alles mögliche durchgestanden. Und das werden wir wieder! Viggo ist bei uns! Und sobald er wach ist wird er was zu hören bekommen, dass könnt ihr mir glauben!" rief sie und zustimmendes Raunen ging durch die Menge. "Erinnert euch daran, dass wir Ohnezahn schon einmal verloren haben. Wir sind immer noch hier! Wir haben diese Herausforderung bezwungen! Und wir sind stärker denn je! Man kann uns nichts entgegen setzen, sobald wir von Viggo wissen, wo Ohnezahn ist, holen wir ihn zurück!" Jubel ertönte und Maila lächelte stumm. Hicks und Astrid waren ein perfektes Team. Sie wusste was sie jetzt brauchten. Einen Plan, einen Hoffnungsschimmer. Hicks konnte ihnen den nicht geben, aber Astrid konnte es.

"Vielleicht wurden wir geschlagen, aber das heißt nicht, dass wir verloren haben! Man verliert eine Schlacht, aber gewinnt den Krieg!" schrie die abschließend und plötzlich kam wieder Leben in die Insel zurück. Jubelnd und schreiend fanden sie ihre Energie wieder und Hicks lächelte ebenfalls schwach. Wolkenspringer war auf ihrem Haus gelandet und stieß ebenfalls einen lauten Ruf aus, auf den auch die anderen Drachen antworteten.

"Heißt das -?" fragte Hicks überrascht und sah seine Mutter an, die stolz zu ihrem Partner aufsah. "Ja, er bittet um die Führung des Rudels, bis ihr Anführer zurück ist", erklärte sie und Hicks sah ebenfalls zu dem großen Drachen auf. Den Kopf schief gelegt sah er zum Oberhaupt von Berk hinab und Hicks senkte zustimmend den Kopf. Aufgeregtes murmeln ging durch die Menge, bis Sturmpfeil sich krächzend in die Luft erhob und auffordernd zu den anderen Drachen sah. Hackenzahn, Fleichklops, Kotz und Würg und all die anderen Reiterdrachen folgten ihr, bis sich bald alle Drachen von Berk zu ihrem neuen Alpha bekannt hatten.

Astrid und Valka grinsten und die Menge jubelte, nur Hicks verzog das Gesicht. Er wollte sich gerade abwenden, da hielt Astrid ihn zurück. "Hicks... dir ist klar, dass niemand hier versucht, Ohnezahn zu ersetzen oder? Es ist -" "Das beste für das Dorf - ja. Ja ich weiß, du klingst genau wie mein Vater", murmelte er und sie sah ihn traurig an. "Ich weiß, dass du eine ganz eigene Art hast, den Stamm zu führen, aber versuch es, nur dieses mal. Bitte?" Geschlagen nickte er und grinste schief. "Danke, Astrid - aber es fühlt sich trotzdem nicht richtig an." -"Das verstehe ich, keine Sorge. Es ist nur solange, bis er zurück ist."

Sie beide wussten, das es das richtige war, die Bewohner und auch ihre Reiter hatten ihre Zuversicht und ihr Vertrauen zurückgewonnen, denn während sich die Menge langsam wieder auflöste bleib das Gefühl von Hoffnung und Stolz zurück.

"Hicks, was willst du tun? Wir brauchen einen Plan, um alle beieinander zu halten", fragte Astrid vorsichtig und Verbitterung machte sich auf seinem Gesicht breit. "Wir werden Berk umgehend mit Viggo verlassen, ich kann diese Insel nicht zum Ziel machen", erklärte er eindringlich und Astrid sah ihn entgeistert an. "Hicks?!" - "Viggo kam noch nie allein. Du kennst ihn. Du sagst es selbst immer, je größer wir werden, desto größer werden wir auch als als Ziel. Jetzt ist Ohnezahn- Und - Und wenn dieser Drache hierhin zurück kommt...." - "Hicks, du bringst sie alle damit nur in Gefahr! Ohnezahn-" "Ist weg! Ja! Und das ist das Problem! Ich kann sie nicht beschützen. Drago haben wir nur besiegt, weil -" "weil du genial bist Hicks! Rede dir nicht ein, dass Ohnezahn Drago allein besiegt hat", sie keuchte kopfschüttelnd, fassungslos von seiner Hoffnungslosigkeit, "Ohnezahn ist flugunfähig, Hicks. Ohne dich schafft er nichts davon", redete sie weiter und sah ihn aufmunternd an.

Doch sein Ausdruck verdunkelte sich nur weiter und er nickte verbittert. "Ja, ja du sagt es. Er schafft es nicht. Nicht allein. Astrid, ich habe ihn allein gelassen! Wie -" frustriert wandte er sich ab, seine Stimme zitterte, "Er hätte diesen Drachen besiegen können. Aber auf einer zerklüfteten Insel ohne zu fliegen? Er hatte keine Chance. Und wo war ich? Fliehen kann er auch nicht, weil er nicht alleine da raus kommt!" - "Hicks, ich..." versuchte Astrid es erneut und lief ihm hinterher, als er einfach wortlos in das Haus zurückkehrte. "Hicks!" Zischend drehte er sich um und die blonde Wikingerin schüttelte traurig den Kopf, sobald sie seinen niedergeschlagenen Ausdruck sah.

"Hicks. Bitte. Mal die Welt nicht schwarz. Dein Vater, er hat dir diese Insel, dieses Volk, dieses - dieses Vermächtnis in die Hand gelegt. Nicht Ohnezahn. Dir und nur dir. Er und alle vor ihm haben die Drachen bekämpft, ohne übermächtige Hilfe. Und ich weiß, du willst es nicht hören, aber er hat dir vertraut, weil du so viel mehr bist wie er, als du denkst. Weil er wusste, dass du die Kraft hast, uns zu führen. Du bist stark - und mutig - und - und furchtlos", erklärte sie leise und legte ihm eine Hand auf die Brust, "Und du bist Hicks. Hicks der Hühne der Dritte. Oberhaupt von Berk, Anführer der Drachenreiter. Bezwinger des Roten Todes, Untergang von Drago Blutfaust, und Bändiger des ruchlosen Sprosses von Blitzschlag und Gevatter Tod. Hicks, verdammt, Hicks! Du und Ohnezahn, ihr seid das stärkste Team, dass das Inselreich je gesehen hat, aber das ist es ja. Gemeinsam seid ihr unbesiegbar. Alleine unersetzbar", sie schüttelte den Kopf, verzweifelt, ob er das verstehen würde. Tränen kamen in ihr auf, sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte.

Doch lächelte er schließlich und legte seine Stirn an ihre. "Danke Astrid", murmelte er und sie seufzte erleichtert. "Du hast Recht, Ohnezahn ist vielleicht weg, aber ich habe immer noch dich. Und du bis alleine schon unbesiegbar, unersetzbar und unfassbar zusammen", er lachte leise und sie tat es ihm gleich. Grinsend sah sie ihn an, das Feuer in seinen Augen war zurück gekehrt und sie nickte auffordernd. "Also, was tust du jetzt? Wenn wir die Insel allein lassen, sind beide ungeschützt. Wir, und Berk. Falls sie wirklich kommen, um Viggo zu holen, wissen sie nicht, dass er nicht auf Berk ist. Gemeinsam sind wir stärker. Und das Volk braucht dich", murmelte sie und Hicks nickte.

"Ein Oberhaupt schützt die seinen. Und ich schütze sie, indem ich Viggo hier raus schaffe. Berk ist sicherer, wenn sie keine Zielscheibe bildet. Die Inselgarde und meine Mutter bleiben hier. Alle Reiter und Schüler ziehen mit uns und Viggo zur Schule. Überleg doch, Viggo würde auf jeden Fall erwarten, dass wir hier bleiben. Einen Geisel zu befreien ist schwierig und ich denke, dass wir es ihnen nicht gerade leicht machen werden. Außerdem bin ich mir sicher, dass er seinen Freunden gerne für uns bescheid sagen wird", erklärte er grimmig und lief entschlossen nach draußen.

~*~

Gerade als Maila einen der früheren Schüler von der Wache bei Viggo ablöste, kamen Hicks und Astrid mit Sturmpfeil aus seiner Richtung gestürmt und eilten wortlos an ihr vorbei. Verblüfft sah Maila den beiden hinterher, wie sie die Höhle, die wohl ursprünglich als Rückzugsort für Drachen gedacht war, verließen und sich direkt in die Luft schwangen. Maila sah Mondblüte verwirrt an, sie aber gähnte nur genauso ratlos und legte den Kopf auf ihren Pfoten ab.

"Alles klar, ruh dich ruhig aus", murmelte sie gedankenverloren und sah wieder nach vorne. In dem großen Drachenhangar flogen überall Drachen herum, doch Mailas Blick folgte dem Häuptlingspaar, wie sie zielstrebig hinausflogen. Hicks musste einen Plan gefasst haben, da war sie sich sicher, er wirkte nicht mehr so niedergeschlagen, wie noch bei seiner Ansprache. Und als er an ihr vorbei gelaufen war, hatte sie wieder dieses Funkeln in seinen Augen gesehen. Er hatte ganz sicher etwas vor und Viggo war wahrscheinlich sein erstes Ziel gewesen.

"Was wollten sie denn?" fragte sie den anderen Schüler, bevor auch er den Hangar verlassen konnte. "Viggo ist in der Schicht vor mir wohl wieder aufgewacht. Keine Ahnung was sie wollten, aber Hicks hat lange auf ihn eingeredet", erklärte er schulterzuckend und sprang auf seinen Drachen. "Moment, hast du irgendwas verstanden?" fragte sie neugierig und der andere Schüler überlegte kurz. "Nun ja... Hicks war unglaublich sauer, als Viggo wieder angefangen hat mit seinem Gerede von Freundschaft und dass er das ungern getan hat, aber Hicks seinem Plan ja nicht zustimmen wollte", machte er Viggos Stimme nach und Maila legte verwirrt den Kopf schief. "Was fragst du mich, ich glaube, Hicks ist der einzige der ihn versteht", lachte er schulterzuckend und flog dann auch davon.

Maila aber bleib ratlos zurück und setzte sich gedankenverloren an den Höhleneingang. Irgendwann aber machte die Neugier und die Ahnungslosigkeit sie beinahe wahnsinnig und sie sprang auf, um selbst in die Höhle hinein zu laufen. Mondblüte folgte ihr verwirrt, während beide auf das massive Metallgitter, das extra heruntergelassen wurde, zugingen. Hicks hatte ihnen zwar verboten, zu ihm hinein zu gehen, aber sie war schon immer gut im Wortkampf gewesen, wie ihre Mutter es nannte und sie wollte Viggo einfach selbst einschätzen können. Ihr einziges Ziel war es, den Feind einmal gesehen zu haben. Vielleicht hoffte sie unterbewusst auch, herauszufinden, was er zu Hicks gesagt hatte, allerdings war sie nicht so leichtgläubig zu denken, dass sie Viggo manipulieren konnte.

So lief die junge Beschützerin möglichst selbstbewusst in die Vertiefung hinein, wo der Gefangene ihr bereits interessiert durch das Gitter entgegensah. Mondblüte knurrte, doch Maila legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Kopf. "Ganz ruhig", murmelte sie und hielt dem prüfenden Blick des Feindes stand. Wieder sah er sie so komisch an, doch sie ließ sich nicht davon beirren, sah genauso starr zurück und erwiderte das herausfordernde Schweigen. Rein äußerlich könnte man ihn für lediglich einen reichen Kaufmann halten. Ein großgewachsener, kräftiger Mann mit ordentlichem Auftreten, dunklen Haaren, teurer Kleidung und einem schweren Mantel. Nur die Brandnarbe und das blinde Auge, sowie die Drachenspuren an seinem Hals zeugten von seinen eigentlichen Taten.

Schließlich begann Viggo zu lachen und stieß sich von der Wand ab, um noch einen Schritt an näher an das Gitter zu treten. "Und bist erstaunlich gut, Kleine", stellte er fest und zog eine Augenbraue hoch. Sie zuckte nur gleichgültig mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Anwesenheit, sein Auftreten und das Wissen um seine Geschichte machte sie nervös. Ihn nach sechs Jahren wiederzusehen ließ den fast vergessenen Hass von damals nur wieder an die Oberfläche kommen. Doch sie wusste, dass ein eigenes Bild von ihm, ihr die Einschätzung erleichtern würde.

"Und wer bist du, wenn ich das fragen darf?" redete er weiter und sah sie mit - augenscheinlich - höflichem Interesse an. "Nein darfst du nicht", grinste sie nur und Mondblüte zuckte amüsiert mit dem Ohr. Viggo schien das ebenfalls zu gefallen, er fühlte sich sofort herausgefordert und seine dunkeln Augen leuchteten auf. "Schade", stellte er fest und hörte sich beinahe enttäuscht an, musterte sie jedoch aufmerksam, "dein Drache ist noch jung, also bist du wohl eine der Schülerinnen?" Er wartete gar nicht auf eine Antwort, es war mehr eine Feststellung gewesen. Erneut sah er sie eindringlich an und ein freches Grinsen umspielte seine Lippen. "Das Leder für deine Schuhe findet man besonders häufig in den nördlichen Märkten, sowie das Metall der Nieten", er redete langsam, zählte alles sorgfältig auf, "Du trägst praktische Kleidung. Dunkel, schlicht, die Handgelenke frei... nur die dunklen Haare stören mich - Beschützerin." Sie nickte anerkennend und erneut schwiegen sie.

Dagur hatte ihr einmal erklärt, dass man am schwersten zu verstehen war, wenn man sich selbst nicht verstand. Auch wenn das verrückt klang, machte es auf eine seltsame Art und Weise Sinn. Sie wusste selbst nicht so recht was sie hier tat, Viggo schien es aber noch weniger zu verstehen. Und im Vergleich zu ihm lernte sie etwas daraus. Er suchte das Gespräch, versuchte unterbewusst einige Informationen zu erlangen und wenn es nur der Grund war, warum sie hier war.

"Mädchen, hör zu", seufzte er irgendwann, "ich bin gerade erst wieder aufgewacht, mir ist klar, dass Hicks das nutzen will, um mich auszufragen - auch wenn er selbst schon hier war - aber ich werde nicht von selbst anfangen zu erzählen", stellte er nüchtern, doch mit leicht provokantem Unterton, fest und sie lachte leise. "Nein. Das ist mir klar. Auch wenn du bereits mehr gesagt hast als ich", verdeutlichte sie und kopierte seine hochgezogenen Augenbrauen, "Ich bin nicht hier um Informationen zu erlangen, das hast du selbst gesagt. Und du hast auch das Gespräch gesucht, nicht ich", lächelte sie und sah ihn forschend an. Als er aber nichts sagte, drehte sie sich wieder um, um mit Mondblüte an ihrer Seite die Zelle wieder zu verlassen, während Viggo ihr nur verwirrt hinterher sah.

- 2932 Wörter - School of Dragons - Honigmuesli - 06.08.2019 -

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