28 - Haselpfote belauscht die Anführerin

Haselpfote duckte sich, als die feindlichen Krieger sie umkreisten. Ihre eigenen Clanmitglieder flohen, entfernten sich, und Haselpfote wollte ihnen nachschreien, dass sie sie vergessen hatten, aber sie brachte es nicht über sich.

Bussardfang verpasste ihr einen Kratzer auf der Nase. Er hatte seine Krallen genutzt! Empört starrte Haselpfote ihm in die Augen und fauchte frech. Als der Krieger erneut die Pfote erhob, brauste die winzige Kätzin nach vorne und versuchte, hineinzubeißen. Der getupfte Kater schnippte mit dem Schweif, und plötzlich bohrten sich Zähne in ihr Nackenfell. Jemand hob sie hoch wie ein Junges. Die gelbbraune Schülerin quiekte und strampelte mit den Beinen.

"Korallenstern, was machen wir mit diesem Jungen?" wollte der zweite Anführer wissen. Der Angesprochene seufzte nur. "Bringt es zur Grenze und lasst es dann laufen. Wir brauchen hier nicht noch mehr Ärger. Ich muss nachdenken." Er verschwand grußlos im Bau.

Haselpfote hörte auf, sich zu wehren, während die Katze, die sie trug, schweigend den Wald durchquerte und sie an der Grenze unsanft fallen ließ. Als sie sich umdrehte und ging, erkannte Haselpfote, dass es die schwarze Kätzin gewesen war, von der Frostpfote gesagt hatte, sie könne Amsellieds Schwester sein.

"Haselpfote!" Wieselpfote schoss aus dem Gebüsch und wirbelte Laub und Nadeln auf, als er vor ihr stehen blieb. "Alles in Ordnung? Ich habe schon gedacht, der AhornClan sperrt dich ein!" Er musterte sie von den Ohrenspitzen bis zu den Pfoten.

"Mir geht es gut." Haselpfote hörte, wie die anderen näherkamen. Schnell sprang sie an die Seite ihres Freundes und lief ihnen entgegen. Haferstern sah abwesend und nachdenklich aus, Löwenmähne erleichtert und Ginsterkralle zornig, aber ein Blick von Haferstern unterbrach ihn, bevor er etwas sagen sollte.

Kleinlaut schloss sich Haselpfote der Patroullie an und trabte zurück zum Lager, während die Katzen schweigend ihren Gedanken nachhingen.


Als sie den Abhang hinunterkletterten, war die Sonne bereits tief gesunken. Haselpfote holte sich etwas Kleines vom Frischbeutehaufen, eine Meise, und kaute dann lustlos darauf herum, während ihre Augen unablässig durch das Lager schweiften. Der Kratzer auf ihrer Nase pochte unangenehm, aber sie verdrängte die Verletzung, als sie Dunkelkrähe sah.

Der dunkel getigerte Kater kauerte vor dem Heilerbau. Sein Fell war zerzaust und ungepflegt, sein Blick wirkte müde, seine Ohren zuckten jedoch aufmerksam wie eh und je. Sein silberpfotiger Sohn tapte auf ihn zu, aber der Einzelläufer wandte abweisend den Kopf ab. Nacht sah suchend um sich, dann fand der Blick des jungen Katers Haselpfote.

Schnell schaute die kleine Kätzin weg und aß den Rest ihrer Meise auf, dann bemerkte sie Stimmen und blickte auf. Nacht war verschwunden, dafür trat gerade Haferstern aus dem Heilerbau und begann, mit Dunkelkrähe zu sprechen. Haselpfote spitzte neugierig die Ohren, dann kroch sie näher, als würde sie das Tarnen üben, und tat, als interessierte sie sich brennend für die Bäume am Rand des Tals.

Der Himmel über ihnen war bereits überraschend dunkel, die Sonne schon längst untergegangen. Lange Schatten breiteten sich im Lager aus.

Wenn der Wind durch die langsam kahlen Äste pfiff, nahm er jedes Mal einen Wirbel aus roten, braunen und gelben Blättern mit sich, um sie dann überall im Lager zu verteilen. Es reizte ihre Pfoten, ihnen nachzujagen, aber gerade konnte sie interessante Dinge aus dem Gespräch zwischen der Anführerin und dem Einzelläufer hören.

"Kennst du noch mehr Einzelläufer oder Streuner in der Gegend?" fragte die sandfarbene Kätzin, die sich angespannt neben ihm niedergelassen hatte, eindringlich. Dunkelkrähe musterte sie forschend. "Warum willst du das wissen?"

"Weil Gefahr droht!" erwiderte Haferstern mit bemühter Ruhe. "Die Wölfe und ihre Meute kehren zurück. Erinnerst du dich daran, als der WeidenClan vertrieben wurde? Sie kommen zurück, und deshalb schicken wir einige Katzen auf die Suche nach einem neuen Territorium. Korallenstern will euch Einzelläufern nicht helfen, aber ich!"

"Schon gut." murmelte Dunkelkrähe. "Ich kenne aber nur Schwarzpfote, du weißt schon, Wolkensterns Tochter, und dann noch einen gewissen Schlitzohr, den habe ich aber schon lang nicht mehr gesehen. Und dann noch Nacht, Düster und ich. Ich kann mit Schwarzpfote reden. Was hast du denn vor?"

"Ich weiß es nicht." antwortete Haferstern unruhig. "Wir haben nur noch fünf Tage. Ihr könnt mit uns kommen - dann müsst ihr euch aber dem Clan anschließen. Ich glaube, davon wird Korallenstern nicht begeistert sein, noch weniger allerdings, wenn ich Einzelläufer und Streuner auf meinem Territoritum beherberge."

"Bist du denn sicher, dass eure Abgesandten erfolgreich sein werden?" fragte der jüngere Kater.

"Nein." antwortete Haferstern nachdenklich. "Aber der SternenClan wird ihnen helfen, so gut er kann." Sie erhob sich. "Sprich so bald wie möglich mit Schwarzpfote." Sie verschwand mit pendelndem Schweif im Anführerbau, während Haselpfote sich so klein wie möglich machte. Tatsächlich glitt der Blick der Anführerin über sie hinweg.

Die kleine Kätzin lief zum Heilerbau. Sie wollte Kleintatze besuchen, außerdem war sie neugierig auf Düster. Als sie an Dunkelkrähe vorbeikam, der keinerlei Notiz von ihr nahm, fiel ihr etwas ein.

"Dunkelkrähe, ich muss dir etwas sagen!" platzte sie heraus. Der dunkel getigerte Kater musterte sie nachdenklich. "So? Wer bist du denn?"

"Haselpfote, Tochter von Wunschrose und Ginsterkralle und die Katze, die du vergiften wolltest!" schoss Haselpfote frech zurück. "Und ich wollte sagen, dass deine Schwester Junge hat."

Dunkelkrähe sah überrascht aus, die Stelle mit dem Vergiften ignorierte er komplett. "Was, Goldstreif?"

"Ja! Von Rotfuß. Vielleicht lassen sie dich die Kleinen mal sehen. Die vier sind wirklich putzig!" maunzte die Schülerin.

"Rotfuß?" Dunkelkrähe lachte. "Außgerechnet der? Früher konnte sie ihn nie leiden." Er schmunzelte und Haselpfote freute sich. Sie hatte schon befürchtet, dass es den dunklen Kater komplett kaltlassen würde. "Mal sehen. Kannst du eure Heilerin nach Düster fragen?" Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. "Ich durfte sie nicht sehen. Und Kleintatze auch nicht..."

"Mach ich." versprach Haselpfote leichtherzig, dann schnippte sie grüßend mit dem Schweif und verschwand in der Höhle. Im schwindenden Licht von draußen musste sie sich in der dunklen Höhle allein auf ihre Nachtsicht und ihre Schnurrhaare verlassen, etwas sehr nützliches, worüber sie sich bisher kaum Gedanken gemacht hatte.

Bald hörte sie Stimmen, und ein Luftzug auf ihrem Fell verriet, dass sie die Höhle mit Kleintatzes Nest und den Kräutern erreicht hatte.

"Du kannst ruhig hier bleiben. Es sind nur noch fünf Tage, da lohnt es sich nicht, einen neuen Ältestenbau zu suchen." meinte Efeusturm gerade, ehrlich und freundlich wie immer. Von Kleintatze ertönte nur ein Seufzen.

"Hallo Efeusturm." miaute Haselpfote in die Dunkelheit hinein. Grüne Augen blitzten auf, dann wollte die Heilerin wissen: "Haselpfote, ist alles in Ordnung? Du hast doch nicht etwa wieder Husten?"

"Nein, alles gut. Dunkelkrähe hat mich gebeten, nach Düster zu sehen." antwortete Haselpfote ehrlich.

Efeusturm knurrte. "Jetzt schickt dieser Verräter noch Schüler zu mir?"

"Lass das!" verteidigte Haselpfote den Kater instinktiv. Aus Kleintatzes Richtung war ein raues Schnurren zu hören. "Efeusturm, vergiss nicht - Er ist mein Ziehsohn, wie Goldstreif und Rostpfote. Und auch mich interessiert, wie es seiner Tochter geht."

"Also gut." meinte Efeusturm streng. "Sie ist immer noch bewusstlos und leicht unterkühlt, aber es wird besser. Hellpfote ist bei ihr."

"Und wenn sie aufwacht, dann darf er sie sehen. Versprich mir, dass du es ihm sofort sagst, Efeusturm!" zischte Kleintatze überraschend respekteinflößend. Das Ganze schien ihr sehr, sehr wichtig zu sein.

Haselpfote spürte die Feindsehligkeit, die plötzlich in der Luft lag. Aber dann bejahte Efeusturm nachdenklich.

"Eigentlich ist es gut, dass er wieder da ist." meinte sie. "Jetzt fehlen nur noch die Verschollenen...Sterne, wenn sie zurückehren, sind wir nicht mehr hier. Wie sollen sie bloß jemals zurückfinden?"

"ich weiß es nicht...Ach, Löwenmähne tut mir besonders leid, Pfützennebel war ja seine Gefährten und die Jungen..." murmelte Kleintatze. Dann richtete sie ihre gelben Augen auf Haselpfote. "Kleine, solltest du nicht langsam schlafen gehen? Ihr sollt morgen bei Morgengrauen losziehen, du und Wieselpfote."

"Ich weiß..." miaute Haselpfote kläglich und trat vor das Nest der Kätzin. "Kannst du mir nicht noch eine Geschichte erzählen? Bitte?"

Kurz herrschte Stille, dann antwortete die Älteste: "Na gut. Eine kurze. Aber dann gehst du schlafen, ja?"

"Ja, mach ich!" Glücklich kuschelte sich die Kätzin neben ihre Freundin, und dieses Mal wandte Efeusturm nichts ein. Stattdessen verließ die Schwarze den Bau, hoffentlich auf dem Weg zu Dunkelkrähe.

"Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, als die Großkatzen noch über die kaum von Zweibeinern berührte Welt zogen...In einem kleinen Rudel lebte die Löwin Großtatze. Eines Tages war sie mit ihrem Gefährte Schattensprung auf Jagd. Der prächtige Kater wurde vor wenigen Sonnenaufgängen von Feinden schlimm verletzt, aber er sollte ihr dennoch helfen.

Großtatze kehrte gerade mit dem Maul voll Beute aus einer Oase zurück, als sie Schattensprung sah. Ihr Gefährte stand auf einem der schmalen Donnerwege, wo die schlimmsten Monster fahren. Seine Pfote klemmte in einem Zweibeinereisen.

Großtatze stürzte zu ihm und versuchte, ihn zu befreien, aber es gelang ihr nicht. Und dann begann der Donnerweg unter ihr zu beben und zu summen...Entsetzt sprang sie hinunter und lief auf das heranbrausende Monster zu. In ihrer Verzweiflung warf sie sich dagegen, versuchte, es von Schattensprung abzubringen. Der Stoß schleuderte sie zur Seite, und gebrochen, nicht in der Lage, aufzustehen, musste sie zusehen, wie Schattensprung von dem ungerührt weiterfahrendem Monster getötet wurde.

Sie trauerte lange. Sie hätte ihr Leben gegeben, um das Monster davon abzubringen, ihren Gefährten zu töten. Sie fragte sich, warum die Sterne nicht sie hätten sterben lassen können statt ihn. Sie machte sich Vorwürfe, weil ihr Versuch umsonst gewesen war."

"Oh nein, die Arme!" miaute Haselpfote ergriffen. "Was ist mit ihr passiert?"

"Das Rudel pflegte sie gesund, und mit der Zeit lernte sie zu verstehen, dass es ihr und Schattensprungs Schicksal gewesen war. Inzwischen geht es ihr bestimmt wieder gut, und vielleicht ist sie schon mit Schattensprung im SternenClan vereint."

"Die Großkatzen leben auch im SternenClan?" fragte Haselpfote fasziniert.

"Das tun sie." bestätigte Kleintatze. "Allerdings werden wir sie nie zu Gesicht bekommen. Weißt du, warum ich dir die Geschichte erzählt habe?"

"Nein..." antwortete Haselpfote, obwohl in ihr ein Verdacht aufkeimte. Schließlich sprach sie ihn aus.

"Wegen...Ahornpfote?"

"Richtig." antwortete Kleintatze schnurrend. "Er hat sich vor das Monster geworfen, das dich töten wollte. Er hat dich gerettet, und ihr habt es beide überlebt. Haselpfote, der SternenClan möge mit dir sein auf deiner Reise - sein Opfer soll nicht umsonst gewesen sein."


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