26 - Spurenleser
Schnell verabschiedete sich die gelbbraune Kätzin mit einem Schwanzzucken und folgte dann Frostpfote in den Wald. Kaum hatten sie einen Blick auf den nahenden Krieger geworfen, trennten sie sich; Frostpfotes Pelz verschmolz mit den hellen Lichtflecken, während Haselpfote in den Schatten wanderte. Sie umkreiste ihren Mentor aus einiger Entfernung, bis ihr der Wind ins Gesicht wehte, dann kroch sie auf den goldbraunen Kater zu, geschmeidig wie auf der Jagd.
Löwenmähne spazierte nichtsahnend durch den Wald. Einmal zuckte sein Ohr, und sofort erstarrten die beiden jungen Katzen in ihrer Haltung, Haselpfote hielt sogar den Atem an. Erst, als Löwenmähne entspannt weiterlief, wagte sie es wieder, Luft zu holen. Sie wollte es unbedingt perfekt machen.
Wie Aalschweif es ihr gelernt hattem, achtete sie genau auf herumliegendes Unterholz, ging verräterisch rascheldnem Laub aus dem Weg und nutzte nur die Umgebung, in der ihr Fell nicht auffiel. Frostpfote hatte sie aus den Augen verloren, erst, als sie sich einem der Lichtstrahlen näherte, traf sie ihren Bruder unvermittelt wieder.
"Er wird gleich die Wiese erreichen." wisperte Frostpfote, und Haselpfote musste genau hinhören, weil der Wind in den Bäumen seine Frage übertönte. "Greifen wir an?"
Haselpfote nickte stumm, dann pirschten sie sich ganz nah an Löwenmähne heran und schossen aus dem Laub.
Löwenmähne legte überrascht die Ohren an, als die beiden Schüler ihn ansprangen, dann lachte er. "Gut gemacht!" Haselpfote schien vor Stolz zu wachsen, ihr Fell kribbelte.
"Haselpfote, kommst du mit? Haferstern möchte zum AhornClan-Lager, und sie will, dass du mitkommst." berichtete der Kater überraschend gut gelaunt. Während Frostpfote leicht enttäuscht aussah, hopste Haselpfote von einer Pfote auf die andere. "Ja! Ich bin schon gespannt, wie das Lager des AhornClans aussieht!"
"Du wirst es erfahren." meinte Löwenmähne amüsiert. Er grüßte Aalschweif, dann machte er sich auf dem Weg zum Tal, und Haselpfote folgte ihm auf dem Fuße.
Am Lagerrand wartete bereits Haferstern. Neben ihr stand Ginsterkralle, der nicht gerade begeistert aussah, es folgten Donnerecho, Wieselpfote, Fliederlied, Humpeltatze, Wunschrose und...Kleintatze?
Schnurrend rannte Haselpfote auf ihre alte Freundin zu. "Kleintatze! Wie geht es dir denn?" fragte sie aufgeregt.
"Besser." schnurrte Kleintatze und leckte ihr über den Kopf. "Ich komme aber nicht mit bis zum AhornClan, das ist meinen alten Knochen zu weit."
"Schade!" meinte Haselpfote. "Was machst du denn dann?"
"Einen Spaziergang. Efeusturm riet mir, mich zu bewegen." Sie verzog das Gesicht. "Wegen den Wunden, du weißt ja."
"Gute Idee! Wusstest du schon, dass Aalschweif mit uns das Tarnen trainiert hat? Also mit mir und Frostpfote, und ich habe-"
"Genug jetzt!" unterbrach Ginsterkralle seine Tochter ein wenig gehetzt. Haferstern warf ihm einen drohenden Blick zu, dann stupste sie die eingeschüchterte Schülerin an. "Kommst du?"
"Genau, genießt die Frische noch ein bisschen." murmelte Kleintatze und musterte die Wolken. "Bald wird es sehr warm!"
"Aber es ist doch Blattfall?" antwortete Wunschrose, ohne Kleintatze richtig anzuschauen. Haselpfotes Mutter schien ziemlich zerstreut, als sie zu der Ältesten trat.
"Mutter, warum kommst du denn nicht mit?" wollte Haselpfote noch schnell wissen, als die Patroullie aufbrach.
"Haferstern will, dass sie mich begleitet. Als ob ich nicht allein spazieren könnte!" antwortete Kleintatze an ihrer Stelle mit gespielter Empörung. "Viel Spaß im AhornClan, Kleines!"
"Danke!" rief Haselpfote noch, dann sprintete sie hinter den Kriegern her. Großteils schweigend schritten die Katzen durch den Laubwald, Löwenmähne berichtete leise vom Training. Ansonsten herrschte Stille. Haselpfotes Fell prickelte vor Aufregung.
Donnerecho nutzte den Weg, um Wieselpfote ein paar Spuren lesen zu lassen, was die neugierige Schülerin von weitem beobachtete, bis der wuschelige Kater bemerkte, wie sie sich fast den Hals verrenkte, und ihr anbot, mitzumachen.
Fliederlied und Humpeltatze liefen schweigend hinter dem Schülerpaar her, während Haferstern, von Ginsterkralle und Löwenmähne flankiert, zielstrebig voranschritt.
Donnerecho blieb kurz stehen und drehte sich zu den beiden Schülern um, das Licht der Nachmittagssonne schimmerte sanft auf seinem glänzenden Fell. "So, Wieselpfote, was siehst du hier?" fragte er mit seiner ruhigen, aber bestimmten Stimme und deutete mit der Pfote auf den weichen Waldboden, der an dieser Stelle von einem Netz aus verschiedenen Spuren durchzogen war. Fasziniert schaute Haselpfote zu.
Wieselpfote zuckte leicht zusammen, er war wie üblich ziemlich verschlossen, wenn es um das Teilen seiner Gedanken ging. Doch er beugte sich vor und betrachtete die Abdrücke aufmerksam. "Ich denke, das sind die Spuren eines Rehs." murmelte er unsicher.
"Gut beobachtet!" lobte Donnerecho, lächelte und nickte zustimmend, was Wieselpfote ein wenig aufmunterte. „Aber schau dir die Abdrücke genau an - Sie sind kleiner. Rehe haben sehr große, gespaltene Hufe." erklärte er geduldig, während er vorsichtig mit einer Pfote neben den Abdrücken kratzte, um die Details besser sichtbar zu machen.
"Das sind die Spuren eines Wildschweins. Und das sind Krallenabdrücke, eher rund und klein." Er wies auf eine verwaschene Spur, die kaum eine Schwanzlänge entfernt von ihrem Standpunkt verlief. "Das hier sind die Spuren eines Fuchses – schmal, mit Krallen und ein bisschen wie eine Mischung aus der der Wölfe und unseren eigenen Spuren."
Haselpfote kam näher, ihre Augen glänzten vor Neugier. "Und was macht diese Spuren besonders?" fragte sie aufgeregt.
"Das ist eine gute Frage, Haselpfote." antwortete Donnerecho und betrachtete sie gutmütig. "Das Verhalten der Tiere ist in ihren Spuren oft versteckt. Ein Fuchs läuft beispielsweise eher schleichend und vorsichtig, während ein Reh dazu neigt, sprunghaft und wachsam an sanfteren Stellen zu laufen und breitere Abdrücke zu hinterlassen, die du aber nur selten sehen kannst. Sie nutzen lieber bedeckten Boden, auf dem man die Spuren schlechter erkannen kann – besonders auf Laub." Er gab ihr einen Moment, um die Informationen zu verarbeiten.
Donnerecho wandte seinen Blick wieder dem Waldboden zu und begann, den beiden Schülern mehr über die Tiere zu erzählen, die in ihrem Territorium hausten. "In unserem Wald leben viele Tiere, und jede Art hinterlässt ihre eigenen Spuren wie wir Katzen auch." erklärte er im Weitergehen.
"Ein Fuchs, wie ich vorhin erwähnt habe, hat schmale, ovale Pfoten mit vier sichtbaren Krallen. Während er läuft, setzt er seine Hinterpfoten direkt in die Abdrücke der Vorderpfoten, etwas, was man an unseren eigenen Spuren erkennen könnte, nachdem wir schnell gerannt sind."
Er ließ einen kleinen Moment verstreichen, um den Schülern Zeit zu geben, alles aufzunehmen. Haselpfote folgte jeder Bewegung mit großen Augen, um nichts zu verpassen. "Schaut euch die Abdrücke eines Wildschweins noch einmal an. Sie sind breiter, kleiner und tiefer als die von Rehen, haben aber keine unähnliche Form. Wildschweine graben gerne in der Erde nach etwas zu essen und machen oft deutliche Spuren im Boden."
"Stimmt es, dass Wildschweine gefährlich sind?" wollte Wieselpfote wissen.
"Nein. Zweibeiner haben Angst vor ihnen, weil diese Tiere sich, wenn sie Junge haben, schnell von ihnen bedroht fühlen, aber eine Katze würden sie nicht angreifen." antwortete Donnerecho ruhig.
"Und was ist das da für ein Tier gewesen?" Haselpfote zeigte mit einer Pfote auf enen Abdruck, der sie deutlich an eine Clankatze erinnerte - nur war er viel größer.
Donnerecho beugte sich vor. "Oh, Interessant! Das ist die Spur eines Luchses. Bemerkt ihr die Ähnlichkeit zu unseren eigenen Pfoten? Luchse können, wie alle unsere großen Verwandten, ihre Krallen einziehen. Nur Geparden können das nicht, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Seht, hier gleich danneben ist die Spur eines Wolfes. Von der Form her ähnelt sie der eines Luchses, aber Wölfe und Hunde können ihre Krallen nicht einziehen. Oh, die ist aber sehr frisch..." Er betrachtete den Abrduck nachdenklich.
"Woher weißt du das?" fragte Haselpfote interessiert.
"Siehst du den Rand? Vergleiche ihn mit der Luchsspur - sie ist verwaschen und abgenutzt, während die Wolfsspur noch stark eingeprägt ist. Regen verwischt die meisten Spuren. So, nun wollen wir einmal sehen, ob wir ein paar Beutespuren finden, der Boden ist gerade so gut..."
Haselpfote hüpfte hinter Wieselpfote und seinem Mentor her. Haferstern und die anderen waren inzwischen ein ganzes Stück entfernt, aber da das Training gerade so spannend war, wollte die kleine Schülerin lieber bleiben.
Wieselpfote, der schon eine Weile nichts mehr gesagt hatte, wies auf eine Reihe aus dünnen, gegabelten Abdrücken, die aussahen, als hätte jemand ein paar dünne Zweige in den Boden gedrückt. "Das sind Vogelspuren, oder?"
"Genau." erwiderte Donnerecho. "Mithilfe des Geruchs kannst auch herausfinden, zu welchem Vogel sie gehören. Und dort vorn sind die kleinen Abrdücke von Mäusen, da drüben die großen von Kaninchen..."
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