25 - Die Kunst der Tarnung will gelernt sein

"Und? Wo bleibt dein Kommentar zu meiner beeindruckenden Leistung?" schnurrte sie, während sie versuchte, den hartnäckigen Rest des Wassers aus ihrem Fell zu schütteln.

Frostpfote hielt inne, schüttelte sich und sah sie mit einem schelmischen Lächeln an. "Ich bin mir sicher, das wird die Geschichte meiner nächsten Erzählung im Lager sein!" rief er, und sein Blick funkelte vor Freude. "Die Übertragung ins Wasser war einfach der krönende Abschluss deiner Schnelligkeit! Du wirst die Heldin von Goldstreifs Jungen sein!"

"Du bist schrecklich!" erwiderte Haselpfote mit einem Lachen, das ihre Erschöpfung vertreiben konnte. "Das nächste Mal werde ich dir zeigen, wie es ist, im Wasser zu landen!"

"Eine Herausforderung, die ich gerne annehme!" schoss Frostpfote gewandt zurück. Für einen Moment standen sie beide da und schnurrten.

"Wo bleibt eigentlich Aalschweif?" wunderte sich Frostpfote schließlich.

"Vielleicht ist er schon hier?" meinte Haselpfote und versuchte, die Wiese zu überblicken.

"Nein, dann hätte ich ihn gerochen." erklärte Frostpfote. Einen Augenblick langkauerten sie beide am Teich und tranken schweigend etwas, um ihre trockenen Kehlen zu befeuchten.

Doch die Ernsthaftigkeit des Wettkampfs war noch nicht vorbei. "Wollen wir weiter machen?" fragte Frostpfote und stellte sich wieder in die Ausgangsposition, bereit für den nächsten Anlauf. "Es ist noch lange nicht Sonnenhoch, und ich habe das Gefühl, dass du noch eine Menge Energie übrig hast!"

"Immer!" rief Haselpfote. "Was genau soll man am Rennen überhaupt lernen?"

"Ach, die Atmung hast du schon wie von selbst richtig gemacht." antwortete Frostpfote fröhlich. "Und das dem-Gestrüpp-aus-dem-Weg-gehen war auch gut. Komsmt du?" Er sprang davon.

 Haselpfote sprintete erneut in den Wald hinein, entschlossen, den Wettkampf wieder aufzunehmen und ihm in seiner eigenen Art zu zeigen, was sie konnte.

Einmal mehr verschmolzen sie mit der Umgebung. Haselpfote fühlte sich glücklich und frei, als sie neben ihrem Bruder über den Waldboden jagte, bis dieser plötzlich anhielt. Haselpfote stolperte über einen Ast und ließ sich hechelnd auf den Boden fallen. "Wo wollen wir eigentlich hin?" fragte sie, als sie wieder genug Atem hatte.

"Pssst!" zischte Frostpfote, was Haselpfote an eine Schlange erinnerte. "Ich rieche Aalschweif! Komm, wir schleichen uns an ihn heran, er wollte doch, das wir uns tarnen. Zwar erst, wenn Löwenmähne zu Sonnenhoch kommt, aber das ist doch eine gute Übung." wisperte der kleine weiße Kater aufgeregt. Haselpfote nickte eifrig und sprang auf die Pfoten.


Die beiden Jungkatzen schlichen vorsichtig durch das dichte Unterholz des Waldes. Frostpfote führte den Weg, seine schneeweißen Pfoten bewegten sich lautlos über die moosbedeckten Steine und Blätter. Haselpfote folgte ihm dicht auf den Fersen, während ihr Herz vor Aufregung schneller schlug.

"Bist du sicher, dass wir ihn bald erreichen?" flüsterte Haselpfote, während sie unter einer knorrige Wurzel hindurchschlüpfte.

"Ja, man kann seinen Geruch kaum verfehlen" entgegnete Frostpfote mit einem leichten Funkeln in den Augen. "Er hat mal gesagt, wir sollen, wenn wir jemanden belauern, uns wie Schatten verhalten. Wenn wir das schaffen, wird er dir bestimmt auch etwas über Tarnung beibringen!"

Haselpfote stellte sich vor, wie es wäre, mit Aalschweif zu trainieren, der junge Kater, der iimmer zu einem Witz auferlegt war. Wie herrlich es doch wäre, ganz im Vergleich zu ihrem mürrischem, ungeduldigem Mentor Löwenmähne!

Die beiden Katzen schlichen weiter, und Haselpfote konnte nicht umhin, sich in die Vorstellung zu vertiefen, wie Aalschweif ihr mit seinen witzigen Bemerkungen das Tarnen und Schleichen beibringen würde und alles andere, was sie für die Reise wissen muste, aber noch nicht gelernt hatte.

Sie hatte von den anderen Katzen gehört, dass er nicht nur ein geübter Jäger war, sondern auch der beste Geschichtenerzähler im ganzen Clan, etwas, das sie definitiv nicht bestätigen konnte, immerhin kannte sie Kleintatze, die doppelt so alt war wie Frostpfotes Mentor und dreimal so viel erlebt hatte. Doch das Bild, wie er mit verschmitztem Grinsen und funkelnden Augen die kleinsten Erlebnisse in spannende Abenteuer verwandelte, ließ die kleine Kätzin schnurren.

Plötzlich hielt Frostpfote inne, und auch Haselpfote tat es ihm gleich, als sie den Geruch von Aalschweifs Fell ein weiteres Mal warnahm. Es war ein würziger Duft, der sie andie Zypressen erinnerte, unter denen die Krieger ihre Nächte verbrachten. Sie hielten den Atem an und lauschten, während sich ein raschelndes Geräusch in der Nähe einstellte.

"Er ist ganz nah!" flüsterte Frostpfote mit einem Hauch von Nervosität in der Stimme. "Wir müssen noch leiser sein!"

Haselpfote nickte und konzentrierte sich darauf, ihre Pfoten so sanft wie möglich auf den Waldboden zu setzen. Sie umgingen einige größere Äste und schlichen hinter einen Baum, der ihnen Deckung bot. Da sahen sie ihn: Aalschweif, der unter einem Busch saß, mit einem kleinen Kaninchen vor seinen Pfoten. Seine Flanken bebten, als hätte er es gerade erst gefangen. Sein Blick war aufmerksam und seinen Ohren zuckten, als würde er jeden noch so leisen Klang um ihn herum wahrnehmen.

"Das ist unsere Chance." murmelte Frostpfote. "Wir müssen uns perfekt tarnen, ganz wie er es gesagt hat." Er duckte sich tief auf den Boden, als würde er eine Maus belauern. Haselpfote machte es ihm nach, und mit Freuden bemerkte sie, dass sich ihr gelbbraunes Fell bei weitem nicht so sehr von der Umgebung abhob wie das von Frostpfote.

Doch während sie sich weiter anschlichen, bemerkte sie, dass Aalschweif plötzlich seine Ohren zuckte und sein Blick in ihre Richtung wanderte. "Ich habe euch schon von weitem gerochen, ihr kleinen Schatten!" rief er mit einem breiten Grinsen, das seine scharfen Zähne entblößte. "Glaubt ihr wirklich, ich würde euch nicht bemerken?"

Frostpfote und Haselpfote traten verlegen hervor. "Wir wollten uns nur an dich heranschleichen, um ein wenig zu üben, damit wir nachher bei Löwenmähne nichts falsch machen." erklärte Frostpfote schnell. "Wir wollten uns wie Schatten verhalten!"

Aalschweif schüttelte den Kopf und lachte, als er sich ihnen näherte. Das Kaninchen hatte er im Boden verscharrt. "Eure Idee ist nicht schlecht, aber ihr habt etwas wichtiges vergessen." Er warf einen Blick auf die Sonne. "Wir haben noch Zeit. Wollt ihr mit mir zusammen üben?"

"Ja, bitte!" rief Haselpfote voller Energie. "Wo fangen wir an?"

"Wir fangen mit etwas Einfachem an," antwortete Aalschweif und schnippte mit dem Schweif in die Richtung des Waldes. "Tarnung ist nicht nur eine Frage des Versteckens, sondern auch des Verstehens. Sie wird nicht nur durch das Schweigen erreicht, sondern auch durch das Wissen um die Umgebung. Schaut euch die Umgebung genau an und lernt, euch ihr anzupassen." Er wurde ernst und zeigte mit einer Pfote auf einen niedrigen Baumstumpf, bedeckt mit Moos und kleinen Pflanzen, die gerade erst aus dem Erdreich schossen.

"Wir werden verschiedene Techniken ausprobieren. Zuerst versuchet ihr, euch wie das Moos oder die Äste anzupassen. Klettert auf den Stumpf und findet eine Position, in der ihr mit der Umgebung eins werdet. Denkt daran, eure Farben und Formen zu verschmelzen."

Frostpfote und Haselpfote nickten eifrig und kletterten nacheinander auf den Baumstumpf. Haselpfote schloss für einen Moment die Augen und stellte sich vor, dass sie das Moos war. Mit einem Satz sprang sie auf den Stumpf und drückte sich flach an den Stamm. Sie legte ihre Ohren an und machte ihre Bewegungen minimal. "Ich bin wie die Natur selbst" murmelte sie fröhlich.

"Aber, Haselpfote, was ist mit deinem Schwanz?" fragte Aalschweif mit einem schmunzelnden Blick. Haselpfote bemerkte überrascht, dass ihr langer, gelbbrauner Schweif völlig unvermittelt über die Kante des Stumpfes hing.

Mit einem schnellen Zucken versteckte sie ihn unter ihren Körper und versuchte, das Bild einer perfekten Tarnung zu vollenden. Frostpfote hingegen war sich seiner schneeweißen Farbe bewusst und machte sich eine kleine Ecke des Baumstumpfes zu eigen, wo das Licht der Sonne und die Dunkelheit der Schatten die Fellhaare blasser erscheinen ließ. Er wollte sich noch mehr anpassen und rollte sich in einem engen Ball zusammen.

"Das ist schon besser," lobte Aalschweif. "Sieh, wie ihr euch bemüht! Aber denkt daran, dass Stille genauso wichtig ist wie Aussehen." Er sprang auf einen niedrigen Ast in der Nähe und forderte die beiden auf, ihn im Stille-Leichtgewicht nachzumachen.

"Hört auf die Geräusche um euch herum. Laufen wie Schatten bedeutet auch, den Rhythmus der Natur zu erkennen." flüsterte er. "Ihr dürft keine Angst vor dem Wind haben, sondern müsst euch mit ihm bewegen."

Die beiden Jungkatzen übten das leise Laufen und sponnen dabei immer wieder ihre eigenen kleinen Geschichten, während sie sich als wilde Tiere aus den alten Clans aufführten. Als Aalschweif als nächstes den Wind beschwor, erkannte Haselpfote, was ihr Fehler vorhin gewesen war. "Der Wind kann oft die beste Tarnung durchkreuzen." erinnerte Aalschweif die Schüler gerade. Frostpfote schnellte nach oben. "Ich habe vorhin nicht auf die Windrichtung geachtet! Hast du uns deshalb gerochen?"

Aalschweif nickte. "Gut, dass ihr eure Fehler erkennt. Weiter! Jetzt werden wir zu Räubern. Stellt euch vor, dass ihr auf der Jagd seid, aber eure Bewegung und Geräusche werden den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen."

Die Jungkatzen mussten sich abwechselnd verstecken und versuchen, Aalschweif aus einer Sicherheitsdistanz zu belauern. Haselpfote war immer noch bisschen nervös, als sie sich bewegte, aber als sie Aalschweifs Aufforderung hörte, spürte sie nur noch freudige Aufregung und gab ihr Bestes.

"Denkt immer daran, die Umgebung zu beobachten, während ihr euch bewegt. Welche Hindernisse gibt es? Wo könntet ihr eine Deckung finden?" rief Aalschweif, als er von einem kleinen Holzstamm hinter die Büsche sprang. "Es ist nämlich nicht so toll, sich beim Anschleichen lautstark in einem Brombeergebüsch zu verheddern."

Nach etlichen Versuchen fiel es Haselpfote und Frostpfote zunehmend leichter, sich in der Umgebung zu verbergen und ruhig zu bleiben. Sie spürte den Wind auf ihren Fellen und die natürliche Bewegung des Waldes um sie herum. Es schien, als versanken sie völlig in dem Moment und in dem Rest der Welt.

Als die Sonne ihren Zenit erreichte, waren Frostpfote und Haselpfote erschöpft, aber glücklich. "Das war unglaublich!" rief Haselpfote mit funkelnden Augen, während sie sich zu Aalschweif umdrehte.

"Das ist erst der Anfang." antwortete Aalschweif mit einem breiten Grinsen. "Tarnung ist eine Kunst, die nie zu Ende gelernt werden kann. Ihr habt heute einen großartigen Schritt gemacht, und das macht euch schon ein bisschen mehr zu Schatten der Wildnis. So, wir laufen zurück zum Heilerteich."

Aus dem Traben mit Aalschweif wurde bald ein Wettlauf, und als die Katzen freudig springend die Kräuterwiese erreichten, erklärte Aalschweif: "Jetzt ruht euch einen Moment aus. Löwenmähne muss bald hier sein - an ihm könnt ihr eure neu erlernten Kenntnisse testen."

Haselpfote schnurrte vor lauter Vorfreude, während sie sich auf den Rücken fallen ließ und die Wolken beobachtete. Frostpfote setzte sich und begann, sein zerzaustes Fell von Kletten und Dornen zu befreien. Dann zuckten seine Ohren, und er schaute überrascht auf. "Haselpfote, sieh mal! Da kommt Hellpfote!"

Haselpfote rappelte sich auf und lief schnurrend ihrer Schwester entgegen, die gerade auf die Wiese trat. Hellpfote berührte grüßend ihre Stirn mit ihrer eigenen, dann lief sie zum Teich. Haselpfote folgte ihr neugierig, und ihr fiel auf, dass die graue Kätzin drei langstielige Pflanzen im Maul hatte, an deren Wurzeln noch ein wenig Erde hing.

Sie beobachtete, wie Hellpfote konzentriert ein Loch scharrte, pfotengroße Löcher hineindrückte, die Pflanzen hineinstellte und dann ihre Wurzeln wieder mit Erde bedeckte. Am Ende trat sie die Erde fest und ließ den Blick sehnsüchtig über die Kräuter schweifen. "Zu schade, dass wir bald nicht mehr hier leben...ich liebe diesen Ort." sefzte die Kätzin.

Haselpfote legte den Kopf schief. "Wie will Efeusturm das dann eigentlich machen, kommen die Heiler trotzdem noch zum Mondfelsen?" fragte sie.

"Ich weiß es nicht. wir wissen ja nicht, wie weit unser zukünftges Lager entfernt sein wird - aber du wirst es ja bald herausfinden..." murmelte Hellpfote. Haselpfote kam nicht dazu, sich über die Verantwortung auf ihren Schultern zu beschweren, da Frostpfote gerade über die Wiese rief: "Löwenmähne kommt!"


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