19 - Der Donnerweg und die Monster der Zweibeiner
Haselpfote erwachte vom Geräuch mehrerer Pfoten, die sich durch die Höhle bewegten. Sie öffnete die Augen ein wenig, gerade so weit, dass sie etwas sehen konnte, hoffentlich ohne aufzufallen, und tat, als würde sie schlafen.
Hellpfotes kleine, graue Beine huschten vorbei, dann kamen Efeusturms schwarze Pfoten. Die Heilerin blieb neben Haselpfotes Nest kurz stehen und witterte, was Haselpfote so sehr erschreckte, dass sie eine plötzliche Bewegung kaum vermeiden konnte. Sie versuchte, so überzeugend wie möglich zu schlafen, und endlich ging die Heilerin.
Danach hörte Haselpfote, wie sich die anderen Katzen auf den Weg machten, lauschte gespannt ihren leisen Stimmen, bis sie in der Ferne verklangen. Sie wartete einen Moment, bevor sie vorsichtig die Augen öffnete und sich aufrichtete. Dann schaute sie sich um und sah, dass alle anderen bereits weg waren - außer denen, die Haferstern dabehalten hatte.
Vom Dunkel des Heilerbaus aus beobachtete Haselpfote, wie die Krieger unter den Zypressen verschwanden, um zu schlafen. Nur Humpeltatze, Fliederlied, Tupfenfeder und Orkansturm blieben draußen und verteilten sich ums Lager. Haselpfote stockte. Wie sollte sie an vier Nchtwachen vorbeikommen?
Sie beobachtete die jungen Krieger genau und prägte sich ein, wer wo stand. Dann versuchte sie, sich ein Bild vom Lager zu machen. Orkansturm und Humpeltatze standen nahe der Zypressen, Fliederlied beim ehemaligen Ältestenbau und Tupfenfeder unter den Großfelsen.
Das hieß, sie musste über die Felsen, in denen sich der Heilerbau befand, klettern, um dann hinter dem Schülerbau nach oben zu kommen, dann noch einmal um das gesamte Tal ringsrum...oder so ähnlich.
Haselpfote trat aus dem Bau. Sie musste sich beeilen, sonst verlor sie die Spur! Also schlich sie leise durch das Lager, an den Bauen vorbei und wagte es, einen Blick auf die Zypressen zu werfen. Orkansturm und Humpeltatze waren noch immer dort, aber sie entdeckte eine Lücke zwischen ihnen, die groß genug war, um hindurch zu schlüpfen.
Sie zögerte einen Moment, bevor sie sich entschloss, es zu versuchen. Am besten näher bei Orkanpfo-sturm, der ist nicht so schlau, überlegte sie sich, entschloss sich im letzten Moment aber anders, als sie sah, dass sich die Geschwister misstrauische Blicke zuwarfen.
Verschreckt zog sie sich wieder zu den Felsen zurück und begann, darüber zu klettern. der Anfang war holprig, scharfe Steine bohrten sich in ihre Pfoten, aber oben hatten Wind und Wetter die Felsen abgerundet und geschliffen, sodass sie bis zum Schülerbau-Vorsprung und von dort den Hang hinauf klettern konnte, mühsam, aber geschmeidig und elegant. Naja, ein wenig zumindest.
Von dort aus hatte sie einen ungehinderten Blick auf das gesamte Tal und konnte die vier Krieger immer noch sehen. Sie wartete geduldig, bis sie einen Moment der Unachtsamkeit erkennen konnte, dann huschte sie am Rand des Abhangs entlang, bis sie auf den Geruch ihrer Clangefährten stieß.
Sie folgte ihnen schnell und ohne Wachsamkeit, versuchte, aufzuholen, und tatsächlich hörte sie nach einer Weile ferne Stimmen. Der Wald lichtete sich, hohes Gras bedeckte nun den Boden und es wurde schwieriger, leise zu laufen, also ließ sie wieder ein wenig Abstand entstehen. Gerade so viel, dass sie die Stimmen noch hören konnte. Der Wald um sie herum wirkte fremd und unwirklich, aber Haselpfote verlor sich nicht in den faszinierenden Eindrücken der ihr unbekannten Umgebung, sondern schritt zielstrebig weiter.
Plötzlich hörten die Bäume auf. Der Waldrand. Haselpfotes Pfoten brannten vom Laufen, sie blieb stehen und atmete tief durch, während sich in ihren Rippen der Schmerz ihres Sturzes leise zurückmeldete. Vor ihr erstreckte sich eine weite Wiese, kein Baum weit und breit, dafür einige Zweibeinerhäuser und im Westen eine Art Hochland am Horizont, das statt mit Gras mit Heide bedeckt war.
Als sie den Kopf reckte, konnte sie die Katzen sehen, die sich durch das hohe Gras schoben. Sie liefen nun mehr gen Westen statt direkt in Richtung Süden wie vorher, also tat es Haselpfote ihnen gleich und raschelte durch das Gras. Es roch nicht mehr nach ihrem Clan, nur die Spur führte sie hindurch, obwohl sie außer Gras und Boden und Himmel nicht viel sah.
In ständiger Angst vor Angriffen aus der Luft oder davor, das jemand sie bemerkte, aber unversehrt, erreichte sie schließlich beinahe das Ende der Wiese und musste warten, um nicht von den Clankatzen gesehen zu werden. Der Wind wehte in ihre Richtung, das war gut, aber er war kühl und unangenehm. In ihren Ohren brummte ein fernes Dröhnen, das schon während dem Gang durch die Wiese immer lauter geworden war. Sie kletterte auf eine kleine Anhöhe und lugte über das Gras.
Ihre Clanmitglieder kauerten in einem Graben. Vor ihnen erstreckte sich ein langes, dunkelgraues Band mit weißen, kurzen Streifen, die das Licht des Halbmonds reflektierten. Über das seltsame Band, dessen Gestank sie bis hierher roch, rollten immer wieder riesige Monster, schnell wie ein Windhauch, nur leider nicht so angenehm. Sie waren laut und stanken wie verrückt, und es waren richtig viele.
Haselpfote beobachtete, wie eine Gruppe der Katzen sich von den anderen löste und zwischen zwei Monstern über die Straße huschten, als das zweite gerade am Horizont auftauchte. Sie prägte es sich gut ein, und als alle Clankatzen wohlbehalten drüben waren, sprang sie von der Anhöhe und lief zum Rand der Wiese.
Am Graben machte sie Halt und beobachtete die Monster, die vorüberrasten, aus sicherer Entfernung. Der Wind, den sie aufwirbelten, zerzauste ihr Fell, und die Lichter blendeten sie. Als der Lärm für einen Moment verklang und kein neues Licht am Horizont auftauchte, wagte sie sich an den Rand des Donnerwegs - der Name war eine logische Schlussfolgerung, der Fluss musste ja ganz anders aussehen - und setzte eine Pfote auf das dunkle Material, aus dem er gemacht war. Es fühlte sich heiß und klebrig an, und am liebsten wäre sie zurückgewichen, aber da bebte der Boden unter ihren Pfoten und gleißendes Licht erhellte den Horizont.
Jetzt musste sie schnell sein.
Mit zwei Sätzen war sie über die abgehackten, weißen Streifen in der Mitte des Donenrweges gesprungen, da raste das Monster hinter ihr vorbei. Der heftige Wind riss sie beinahe von den Pfoten.
Ein zweites Monster kam dröhnend näher, der Boden wurde heiß, bebte unter ihren Pfoten und schüttelte sie. Es war viel größer als die anderen und sein Licht blendete die Kätzin, sodass sie wie erstarrt dasaß und sich nicht rühren konnte.
Plötzlich hörte sie schnelle Pfoten neben sich und spürte, wie jemand sie mit einem kräftigen Schubs zur Seite zog, auf die andere Bahn, die sie bereits überquert hatte. Haselpfote löste sich aus ihrer Erstarrung und fuhr herum. Vor ihr stand Ahornpfote. "Komm schon, Haselpfote, wir müssen hier weg!" rief er und zog sie am Schweif zu sich, während das riesige Monster an ihnen vorbeidonnerte.
Haselpfotes Fell zerzauste sich, sie taumelte. Der Wind hätte sie fortgerissen, wenn Ahornpfote sie nicht festgehalten hätte. Sie wollte sich bedanken, aber der Kater ließ ihr keine Zeit, sondern schob sie über die zweite Bahn, während hinter ihnen erneut ein Monster vorbeirauschte. Lichter flackerten am Horizont, als die beiden Schüler über den Donnerweg rannten.
Haselpfote konnte kaum glauben, dass sie so knapp dem Tod entronnen war. Sie folgte Ahornpfote, so schnell sie konnte. Ihr Herz raste vor Aufregung, als sie auf der anderen Seite des Donnerweges sicher im Gras landete und sich umdrehte, um zu sehen, wo Ahornpfote war.
Der rotbraune Kater sprang neben sie in den Graben, während eine Schwanzlänge hinter ihm ein Monster vorbeidonnerte. Dort blieben sie keuchend stehen und sahen sich an.
"Danke, Ahornpfote..." flüsterte Haselpfote, immer noch zitternd vor Schreck. "Du hast mein Leben gerettet."
Ahornpfote schnurrte bescheiden und wandte verlegen den Blick ab. "Komm, sonst verlieren wir die anderen. Du willst doch zur Versammlung, nicht wahr?" fragte er und kletterte aus dem Graben.
Haselpfote folgte ihm. "Ja, will ich. Warum wusstest du, dass ich hier bin?" wollte sie neugierig wissen.
"Ich habe dich auf der Anhöhe gesehen, als Silhouette gegen den Mond." gab Ahornpfote zu. "Und gerochen habe ich dich auch, und als ich mir sicher war, bin ich zum Donnerweg zurückgelaufen. Ich wusste ja, dass du sowas nicht kennst."
"Wissen die anderen denn, wo du bist? Und davon, dass ich euch gefolgt bin?" fragte Haselpfote ängstlich.
"Nein." beruhigte Ahornpfote sie. "Aber ich glaube, es wäre besser, sie einzuweihen. Haferstern wird schon verstehen, warum du mitkommen wolltest, und es ist besser, du kannst richtig an der Versammlung teilnehmen, als nur versteckt zuzuschauen."
"Stimmt." meinte Haselpfote zweifelnd, dann überzeugter. Ahornpfote lief schneller. "Komm, wir holen auf, bevor sie den Fluss erreichen. Allein kommst du da niemals rüber." rief er ihr zu. Haselpfote sprintete hinterher, und gemeinsam folgten die beiden jungen Katzen dem Clan, ihre Bande enger geknüpft als je zuvor. Und Haselpfote war unglaublich dankbar, dass sie einen so treuen und tapferen Freund wie Ahornpfote an ihrer Seite hatte.
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