1 - Haselpfote lauert dem Schnee auf
Haselpfote kauerte am Eingang des Schülerbaus zwischen den Gebüschen. Der Himmel war dunkel, hier und da schien ein Stern zwischen den Wolkenfetzen hindurch. Regen tröpfelte von den umliegenden Büschen und Bäumen und es roch herrlich nach Blattfrische, obwohl sie sich schon mitten im Blattfall befanden.
Eine Motte schwirrte vorbei. Genervt schlug Haselpfote sie mit einer Pfote aus der Luft. Dann duckte sie sich und beobachtete aufgeregt die großen Tropfen. Die Luft war klirrend kalt, und Kleintatze hatte vorausgesehen, dass es bis zum ersten Schnee nicht mehr lange dauern würde.
Und deshalb saß Haselpfote, von ihrem dichtem Fell gewärmt, nun am Eingang des Baus und wartete auf Schnee. Ihre Mutter Wunschrose hatte gesagt, sie sei am Anfang der Blattfrische geboren worden, aber Schnee hatte sie noch nie gesehen.
Eine dünne Eisschicht bedeckte das pfotenhoche Wasser, das noch immer im Lager war. Der Sturm vor zwei Tagen hatte es unmöglich gemacht, Glanzrose zu begraben, die von einem Baum erschlagen wurde. Wenn das Eis geschmolzen war, würde das Wasser versickern und dann konnten endlich alle Katzen in ihre Baue zurück. Außer Kleintatze, denn die Älteste hatte ja mit Glanzrose in einem hohlem Baum gelebt, der zerstört wurde.
Haselpfote belauerte die Motte, die benommen über das Eis taumelte, dann schlug sie mit der Pfote nach ihr. Das Eis zerbrach und ihr Fell wurde nass. Die Motte rettete sich auf einen fernen Grashalm.
Haselpfotes waldgrüne Augen funkelten im fahlen Sternenlicht. Das Lager war mucksmäuschenstill, wie Kleintatze so gern sagte. Irgendwo mussten Katzen als Nachtwache stehen, aber Haselpfote konnte sie weder riechen noch hören oder gar sehen.
Die kleine gelbbraune Kätzin langweilte sich. Sie überlegte, was ihre Geschwister und Freunde jetzt tun würde. Frostpfote hätte sich wieder zum Schlafen zusammengerollt, Plätscherpfote...ja, was hätte ihre Schwester denn gemacht? Hellpfote hätte sich geputzt. Sie schwor darauf, dass ordentliches, sauberes Fell viel angenehmer war. Aber die graue Kätzin hatte es ja auch gut, ihr Fell war schön kurz.
Was Rosenpfote oder Wieselpfote machen würden, wusste sie auch nicht. Die beiden Geschwister trauerten seit zwei Tagen um ihre Mutter, und Wieselpfote wollte einfach nicht mit Haselpfote spielen, was sie richtig unfair fand. Nur, weil er so miesmuffelig wie ein alter Dachs sein musste, sollten doch nicht alle so werden!
Und Ahornpfote...Ahornpfote war seltsam. Nachdem Haselpfote vom Unwetter geträumt hatte in ihren zwei Tagen Fieberschlaf, hatte er sich richtig lieb verhalten und sie auch vor den anderen geschützt. Und das, obwohl es doch ihre eigene Unvorsichtigkeit gewesen war, weshalb der Einzelläufer sie mit Todesbeeren vergiftet hatte.
Aber seit es ihr wieder besser ging, war ihr Freund abweisender geworden. Ob er auch um Glanzrose tauerte? Sie musste schließlich auch seine Mutter sein, sonst wären Rosenpfote und Wieselpfote nicht seine Halbgeschwister.
Haselpfote seufzte und legte den Kopf auf die ausgestreckten Pfoten. Auf dem Moospolster der Höhle zu liegen, von Gebüsch bedeckt, war zwar ein bisschen kratzig, aber nicht weniger ermüdend, als im Nest zu bleiben.
Ich muss wach bleiben...sonst...verpasse ich...Schnee...
Und da war sie auch schon eingeschlafen.
"Wenn du jemals Heilerschülerin werden willst, musst du dir unbedingt etwas merken: Traue keinen Fremden!" belehrte Efeusturm das gelbbraune Junge, das ihr ehrfürchtig bei der Arbeit zugeschaut hatte.
"Aber warum denn nicht?" fragte Haseljunges naiv. "Die Katzen sind doch alle nett und lieb zu mir!"
"Haseljunges, hör zu...Nein, komm mit. Wir gehen Kräuter sammeln." Die schwarze Heilerin verließ den Bau. Haseljunges hüpfte hinter ihr her. "Warum antwortest du nicht?" fragte sie enttäuscht, als Efeusturm ihr den Abhang hinaufgeholfen und immer noch kein Wort gesprochen hatte.
"Weil ich dir etwas zeigen möchte." Zielstrebig rannte Efeusturm voraus durch den Wald, und dem Jungen blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Sie bemerkte, wie der Wald immer dunkler wurde, bis plötzlich das Unterholz fehlte. Als sie nach oben schaute, bemerkte sie außerdem, dass die Laubbäume Nadelbäumen gewichen waren.
"Riechst du etwas?" wollte die Heilerin wissen.
Haseljunges schnupperte. Es roch ganz anders als im Lager: Würziger, nach Harz und fremden Katzen. "Es riecht nach fremden Katzen. Sind wir an der AhornClan-Grenze?" wollte sie wissen.
"Ja, das sind wir. Und gleich wirst du sehen, dass fremde Katzen eben nicht nett und lieb sind. Komm!" Ohne zu zögern, betrat Efeusturm das AhornClan-Territorium. Haseljunges tapste hinterher.
Es dauerte nicht lange, da hörte Haseljunges Stimmen. Nervös schaute sie sich um. "Da kommen Katzen!"
"Ganz ruhig. Du bist meine Schülerin." wisperte Efeusturm, dann erhob sie sich und sah den Fremden würdevoll entgegen. Haseljunges fiepte und versuchte, unauffällig hinter der schwarzen Kätzin zu verschwinden, als einer der AhornClan-Krieger sie mit dem Blick erdolchte.
Sie waren zu dritt, zwei Krieger und ein jüngerer Kater, ein Schüler wohl. Der älteste der drei, ein schwarzer Kater mit einem zerrissenem Ohr, trat vor. "Was wollt ihr hier?" knurrte er feindsehlig.
Haseljunges wünschte sich, im Boden zu verschwinden, aber als sie die Augen wieder aufmachte, war sie immer noch da. Efeusturm nickte den Katzen friedlich zu. "Ich bin Efeusturm, die Heilerin des HaselClans, und das ist Haselpfote, meine Schülerin. Wir sind hier, um Kerbel zu suchen. Den gibt es nur im Nadelwald, deshalb mussten wir mal kurz hierher..."
Kerbel wächst doch gar nicht nur im Nadelwald, dachte Haseljunges. Aber das wussten die Krieger offenbar nicht.
"Ihr habt auch ein Stück Nadelwald. Verschwindet!" fauchte der schwarze Kater.
"Komm, Haseljunges." Efeusturm stupste Haseljunges an, und sie gingen zurück in ihr Territorium - Haseljunges eilig, Efeusturm gelassen und ruhig.
"Siehst du jetzt, was ich meine? Fremde Katzen sind keineswegs nett. Du solltest ihnen auch nicht einfach trauen."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top