SCHMUTZIGES KONFETTI

Wir saßen auf einer Bank im Stadtpark, mitten in einer kalten Nacht. Keiner von uns wusste, wie spät es war, aber es hatte auch keiner Lust, nachzusehen. Wir hatten jetzt eine Woche lang Ferien und da wollten wir unsere Zeit sinnvoll nutzen. Und wenn es nur darin bestand, mitten in der Nacht im Stadtpark zu sitzen und in den Sternenhimmel zu schauen. Schon seit einer ganzen Weile hatte keiner etwas gesagt und wir genossen die Ruhe. Zum ersten Mal seit Monaten hatten wir wirklich Ruhe, nach all den Ereignissen, die hinter uns lagen.

Wir wollten noch nicht an den Morgen denken und an all die schlimmen Nachrichten, die uns dort erwarten konnten. Wir waren im Hier und Jetzt und wollten auch nicht so schnell weg. „Seid ihr heute zu Hause?", wisperte mir Ria zu. Ich drehte ihr den Kopf zu.

„Warum?", fragte ich verwundert. „Ihr habt doch immer noch die Kisten von mir, oder?", fragte sie nach. Ich nickte. Im Licht der Laternen, die des Nachts im Stadtpark brannten, sah ich, wie Ria lächelte. „Du möchtest sie gerne wiederhaben, oder?", schlussfolgerte ich. Nun nickte Ria. „Nicht alle. Nur die, wo die Dinge drin sind, die mir wirklich wichtig sind, die ich nicht einfach so weggeben kann."

„Komm heute im Laufe des Tages einfach vorbei und hol sie dir", sagte ich. „Das werde ich machen", versprach Ria. „Aber, dass du sie auch dieses Mal wirklich behältst", mahnte Philine. „Keine Sorge", beschwichtigte Ria. „Ich habe inzwischen gelernt, dass es nichts bringt, sich zu verbiegen."

„Die Erkenntnis dürften wir alle gemacht haben", überlegte Dion und wir stimmten ihm zu. Nein, es brachte wirklich nichts, krampfhaft zugehören zu wollen. Wir konnten nicht mit allen Freunde sein und nicht überall an vorderster Front kämpfen. Wir kämpften nur, wenn wir es mussten, aber dann mit ganzer Kraft. „Mir ist kalt", bibberte Philine neben mir. „Mehr als meine Jacke kann ich dir aber nicht geben", erwiderte ich und grinste, während ich versuchte, das Zittern zu unterdrücken.

„Reicht schon, wenn du da bist", meinte sie und schlang die Arme um mich. Zu zweit war es zwar immer noch kalt, aber es fror sich wesentlich angenehmer. „Wie fühlt man sich denn nun eigentlich so als Schülersprecher?", fragte Amon. „Dafür, dass ich nicht einmal zur Wahl stand und es nun trotzdem bin", antwortete Bennett, „fühlt es sich ziemlich gut an. Mal sehen, was da alles so auf dich zukommt." „Wenn etwas sein sollte, sagst du Bescheid", befahl ihm Philine. „Wir nehmen dir gerne etwas ab."

„Ich komme gerne darauf zurück", meinte Bennett und wir widmeten uns wieder dem Sternenhimmel. Die Nacht war klar und deswegen besonders kalt und wer auch immer von uns auf die Idee gekommen war, nach dem Aufräumen nicht nach Hause zu gehen, sondern noch etwas zu unternehmen, hatte eine ziemlich gute Idee gehabt. Wir saßen hier zusammen, Philine war bei mir und ich wusste, dass wir es geschafft hatten. Was wir genau geschafft hatten, wusste ich nicht so recht zu beschreiben.

Es hatte auf jeden Fall etwas mit Eleonora zu tun und damit, dass nichts und niemand auf der Welt perfekt war. Sollten wir uns wegen Eleonora Sorgen machen? Ich hatte mich schon oft mit dem Gedanken geplagt, ob wir nicht zu weit gingen. Aber schlussendlich hatte sich Eleonora selbst ins Aus geschossen.

Wir taten nur das, was jeder andere auch hätte tun können. Alles hatte schon damit angefangen, dass Ria und Dion an unsere Schule kamen, die schnell zur Konkurrenz für sie wurden. Da es nicht damit klappte, sie sich unterzuordnen, probierte sie es auf die andere Tour- mit Gegenangriff. Sie hätte damit rechnen müssen, dass sie damit nicht gerade auf Vorliebe stößt und dass der Gegenwind so heftig werden würde, konnte auch keiner ahnen.

Philine und ich taten nur so als wären wir zusammen, um die von Eleonora angefangenen Gerüchte noch weiter anzuheizen. Ziemlich schnell hatten wir beide gemerkt, dass wir es gar nicht schauspielern brauchten. Wer weiß, wie lange wir noch gebraucht hätten, um uns klar zu machen, wie wichtig uns der andere ist. Inzwischen war ich auch froh darüber, dass aus Ria und mir damals nicht mehr geworden war.

Ria und Dion hätten sich sonst auch nicht gefunden und die beiden passten ziemlich gut zusammen. Es sprach ja nichts dagegen, dass wir nach wie vor mit einander redeten wie normale Menschen. Alles hatte seinen Grund, irgendwie, was hiermit wieder eindrucksvoll bewiesen wäre. „Du hast da was im Haar", stellte Dion plötzlich fest und durchbrach die Stille erneut. Er beugte sich zu Ria hinüber und zog ihr einen Konfetti-Schnipsel aus den Haaren.

„Wie hat der sich denn dahin verirrt?", fragte sie verwundert. Dion ließ den Schnipsel fallen und er trudelte langsam gen Boden. Ria sah ihm nach, bis er dort liegenblieb. „Für mich braucht keiner je wieder Konfetti zu werfen", stellte sie klar. „Das hatten wir auch nicht vor", erklärte ich und wir lachten.

„Sollen sie sich das Konfetti aufheben für die, die es nötig haben", überlegte Ria. „Wisst ihr, ich bin nicht perfekt. Und dann habe ich es auch nicht nötig, dass jemand für mich Konfetti wirft."

***
ENDE


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