-41- GANZ OBEN GANZ ALLEINE
Während wir ihr hinterhersahen, fiel mir ein, was ich eigentlich hatte machen wollen. So ließ ich die Raucher draußen alleine und lief wieder nach drinnen. Auf der Treppe kamen mir ein paar Schüler der Theater-AG entgegen. „Du hast doch den Schlüssel, oder?", fragte einer von ihnen. „Kannst du den Raum bitte abschließen und ihn dann zurückbringen?"
„Klar, mache ich. Bin gleich wieder da", versprach ich und ging nach unten. Es hatte etwas Vertrautes an sich, die weißen Quadrate wieder an Ort und Stelle zu sehen, auch, wenn viele der Dinge, die ich hier gesehen hatte, rückblickend einfach nur unrealistisch waren. Sollten wir uns jetzt alle für verrückt erklären? N
ein, sagte ich mir. Etwas verrückt zu sein gehört dazu und wenn ich andere Personen betrachtete, ohne jetzt ein konkretes Beispiel nennen zu wollen, dann gab es deutlich verrücktere Menschen. Ich stellte die Box zu der anderen, die inzwischen auch ihren Weg hierher gefunden hatte. Dann schaltete ich das Licht aus. Die weißen Quadrate wirkten nicht mehr so gleißend wie vorher und ich fragte mich, mit was für einer Farbe sie wohl bemalt waren. Denn dass es einfache Holzgestelle waren mit Gipsplatten abgedeckt, hatte ich inzwischen herausgefunden.
Es war, nüchtern betrachtet, ziemlich banal, wo ich doch immer gedacht hatte, die Quadrate würden sonst was bedeuten. Vermutlich war es oftmals nur ein Hirngespinst gewesen, es hatte ja genug Material vergeben, dass die grauen Zellen da oben erst einmal verarbeiten mussten. War das jetzt alles vorbei? Ich meine, Eleonora hatte es nicht schlimmer treffen können, oder? Sie hatte alles versucht, um noch mehr Aufmerksamkeit und Ruhm zu erlangen.
Es war ihr egal, dass sie sich mit ihren Freundinnen zerstritt, Mitschüler in aller Öffentlichkeit bloßstellte und andere schmutzige Geschäfte trieb. Ich wollte es gar nicht wissen, was Eleonora alles dafür getan hatte, um ihrem Ziel näher zu kommen, aber so, wie man sie oben genannt hatte, brauchte es keine weiteren Erklärungen. Elenora war an sich selbst gescheitert, so hart es klingen mochte. Ich konnte mich nicht dazu aufrappeln, Mitleid mit ihr zu empfinden. Das verdiente sie nicht und ob sie wirklich etwas darauf gab, dass ich, Alessandro, Mitleid mit ihr empfand, sei auch mal dahingestellt.
Eines musste ich ihr jedoch lassen. Für die breite Öffentlichkeit hatte sie ihre Rolle bis zum Schluss tapfer durchgehalten, die kleinen Machenschaften nebenbei bekamen die wenigsten mit. Niemand ist perfekt, sagt man doch so schön. Aber Eleonora wollte eben perfekt sein. Dazu musste sie niemand werden und das hatte sie schließlich auch geschafft. Sie war nun ein Niemand. Jemand, der vorher zu den beliebtesten Personen der ganzen Schule zählte und dem genau dies zu Kopf stieg.
Bravo Eleonora, hast du toll hinbekommen! Bist du jetzt stolz auf dich? Sicherlich nicht, oder? Ich ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen und stellte mir die Figuren vor, die hier ihr Dasein gefristet hatten, bevor sie endlich zu ihren wahren Ichs zurückkehren konnten. Ich war froh, dass ich nicht dazu gehörte, denn nicht alle hatten es geschafft. Der blasse Geist von Klein-Eleonora würde bestimmt noch lange durch die Schulflure spuken, ohne Hoffnung darauf, dieser Welt jemals zu entkommen.
Von ihrem Abbild war sie unwiederbringlich getrennt, für sie war es nicht mehr möglich, zurückzukommen. Dieser Gedanke stimmte mich nun doch traurig, denn wer weiß, was aus Eleonora geworden wäre, hätte sie nicht diesen Weg eingeschlagen? Vielleicht wäre sie nicht so beliebt und angesehen wie jetzt gewesen, aber sie hätte vielleicht Freunde gehabt, die sie wirklich so nennen konnte.
Schnulzig, aber wahr, ich war froh, von mir behaupten zu können, dass das auf mich zutraf. Ich wusste, dass ich mich auf Bennett, Amon, Ria und Philine verlassen konnte und dass wir zusammenhielten. Auch, wenn es oftmals nicht einfach mit mir war, aber jeder von uns hatte schließlich seine Macken. Womit wir wieder beim Thema wären. Niemand ist perfekt und das hat seine guten Gründe, die wir einfach hinnehmen mussten und nicht versuchen sollten, sie zu hinterfragen oder gar zu umgehen. Damit machten sich die angeblich Perfekten doch auch nur zum Opfer ihrer selbst.
Also zog ich die Tür zu, schloss zu und sprintete dann die Treppe hinauf, zurück zur Aula.
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