Kapitel 51: John Donne


Severus saß auf der Couch, die Gedanken daran, was hätte passieren können, hatten ihn angeekelt. Er ließ sie gehen, er wusste, dass sie für sich sein wollte, er konnte es ihr nicht verübeln.

Hermine ging schnell durch die Gänge zu ihrem Raum. Sie war so in Gedanken, dass sie weder Neville, noch Madame Pomfrey wahrnahmen, die sie beide ansprachen und dann verwundert im Gang standen, als Hermine einfach an ihnen vorbeilief.
Sie öffnete die Tür, ging in ihren Raum und wollte sich gerade auf die Couch fallen lassen, als sie ein Räuspern von ihrem Sessel wahrnahm.
Sie erschrak und zückte ihren Zauberstab, richtete ihn auf Lazarus, der seelenruhig auf dem Sessel saß und sie anlächelte.
„Hast du mich vergessen?", sagte er nett und lächelte breiter. Seine Augen blitzten auf und Hermine dachte, das Gelb würde etwas weicher aussehen als noch gerade eben.
„Entschuldige...", sie schüttelte den Kopf und steckte ihren Zauberstab zurück.
„Du siehst traurig aus. Anders traurig als vorhin.", stellte er fest.

Hermine ließ sich auf die Couch fallen und atmete laut aus.
„Willst du darüber reden?", fragte er vorsichtig und stützte seine Ellenbogen auf die Knie.
Sie schüttelte den Kopf und hielt sich die Hände vor ihr Gesicht.
„Ich verstehe...", sagte er und lehnte sich in den Sessel zurück, er sah nochmal auf Hermine, dann entzündete er das Feuer im Kamin.
Hermine konzentrierte sich auf das Knacken der Scheitel und entspannte sich nach und nach. Sie war Lazarus dankbar, dass er ihr Schweigen akzeptierte und nicht nachbohrte. Es war eine angenehme Stille zwischen den beiden.

Nach einer Weile stand Lazarus auf, ging zum Kamin, holte etwas aus seiner Jacke und warf es in den Kamin.
Der Raum füllte sich mit einem umarmenden Duft und Hermine glitt langsam in einen ruhigen Schlaf.

Als sie aufwachte, roch sie Schokolade und Honig, gemischt mit dem Geruch von brennendem Holz.
Sie fühlte sich sehr wohl und lächelte. Sie sah auf den Sessel und Lazarus saß immer noch da, er war in ein Buch vertieft und bemerkte nicht, dass sie aufgewacht war.
Hermine musterte ihn, besah sich sein Gesicht, es war schön, es war friedlich und seine Züge waren weich.
Er wirkte konzentriert, trotzdem lag ein leichtes Lächeln auf seinen roten Lippen.
Über sein Gesicht tanzten die Lichter und Schatten des Feuers und ließen es mysteriös erscheinen.
Seine Haltung war gerade, nicht ganz so straff wie die von Severus aber deutlich besser, als die von Harry und Ron.

Er hatte sein Sakko und die Weste ausgezogen und saß in seinem lila Hemd und der Tweet-Hose auf dem Sessel. Seine Muskeln zeichneten sich unter dem Hemd ab, die Knöpfe spannten etwas.
Hermines Blick wanderte zu seinen Händen, die das Buch hielten. Er hatte recht große Hände und lange Finger, sie wirkten stark aber waren auch filigran.
Seine Hände erinnerten sie unweigerlich an einen Künstler, wenn sie an einen Künstler dachte, hatte sie Hände wie seine vor Augen. Seine Beine hatte er überschlagen, was sie wieder an Severus erinnerte, Lazarus wirkte nur allgemein nicht so streng, sondern sehr viel entspannter und offener.

„Was liest du?", fragte sie leise, als sie sich aufsetzte und sich streckte.
Lazarus sah entspannt von dem Buch auf und lächelte sie an.
„Ein Buch auf Latein... es ist dasselbe, was ich dir heute Morgen gegeben habe... keine Sorge, deins ist nicht auf Latein.", er lachte leicht auf.
Hermine erinnerte sich daran und zog es aus ihrer Hosentasche. Es war nicht all zu groß, sie sah es sich an, „das sieht sehr alt aus..."
„Es ist sehr alt, naja, nicht älter als ich. Aber es stammt aus dem 17. Jahrhundert.", sagte er erklärend.

Hermine sah bedächtig auf das Buch, ein vierhundert Jahre altes Buch hatte sie noch nie in den Händen gehabt.
„Es ist verzaubert, damit es nicht kaputt geht. Du kannst es ruhig lesen", er deutete ihren Blick richtig.
Hermine öffnete vorsichtig das Buch, las die Innenschrift,
‚Gesammelte Werke von John Donne (1572-1631) In ewiger Liebe, J.'
Sie blätterte durch die Seiten und es schien, dass sie handgeschrieben waren. Sie dachte, sie könnte die Tinte noch riechen.
„Welches Gedicht liest du davon?", fragte sie interessiert.
„Es heißt 'Der Morgen', du hast es bestimmt schon mal irgendwo gehört...", sagte er und legte den Kopf schief, „zumindest den bekannteren Teil davon."

Hermine sah ihn unwissend an. Er klappte sein Buch zu und legte es auf den Tisch. Er sah Hermine intensiv an und zitierte,
In deinem Aug' erscheint mein Angesicht,
ich meinem, deins, die reinen Herzen zeigend;
zwei bessre Hemisphären fand man nicht:
Ohnkalten Nord und nicht nach Westen neigend.
Was ungleich war gemischt, muss Tod erleiden-
ist unsre Liebe eins nur und wir beide
Gleich liebend: nie kann eins ermatten, noch verscheiden.", er sprach mit solch einer Intensität und Hingabe, dass Hermine dachte, er wäre der Verfasser.

„Es ist wunderschön", sagte sie und verlor sich in seinen Augen.
„Ja das ist es... und sehr traurig. Liebe muss offenbar immer in Trennung, Schmerz und Tod enden.", sagte er und das erste Mal hörte sie von ihm so etwas wie Missmut. Hermine sah ihn an, suchte dann das Gedicht im Buch und las es nochmal.
Die Stelle vor der, die Lazarus gelesen hatte, zog sie ebenso in seinen Bann.
Entdecker laß zu neuen Welten reisen,
Laß Karten Andern Welt um Welten weisen:
Laß eine Welt uns haben- und als eine kreisen!"

Hermine glaubte nicht, dass Liebe immer in Chaos und Schmerz enden musste, sie hatte die Hoffnung, dass sie einfach wachsen und gedeihen konnte und die Welt derer bereichert und erhellt, die sie fühlen.
'Laß eine Welt uns haben- und als eine kreisen!'
Zusammenhalt, Loyalität, Einigkeit, Geborgenheit, Akzeptanz, Vertrauen, Leidenschaft, Hingabe.

Für Hermine fühlte es sich so an, als würden sie und Severus zurzeit immer wieder ineinander kollidieren, aber sie hatte die Hoffnung, dass sie eine neue Welt formten.
Sie seufzte laut auf, es bedrückte sie, dass sie sich so oft stritten.
Sie hatten sich vorhin gestanden, ineinander verliebt zu sein und es endete trotzdem wieder in Streit. 
„Glaubst du Liebe ist jemals einfach?", fragte sie ihn, mehr rhetorisch.
„Etwas so Komplexes wie die Liebe wird nie einfach sein, was nicht heißt, dass sie es nicht wert ist, um sie zu kämpfen... oder dem Anderen zu vertrauen, dass sie echt ist.", er sah sie bedeutungsvoll an.
Sie wusste nicht, ob er wusste, was unten in den Kerkern passiert war, aber sie hatte das Gefühl, dass er immer so eine Ahnung hatte, was um ihn herum passierte.
„Manchmal ist es schwer zu vertrauen", sagte sie.
„Es ist immer schwer zu vertrauen, du hast keine Gewissheit, dass der andere ehrlich ist. Was sagt dir dein Gefühl?", meinte er lächelnd.

Sie sah in die Flammen, horchte in sich, sie gab dem Gefühl Raum. Sie ließ sich davon durchströmen, schloss die Augen und spürte eine dunkle Wärme in sich.
Als sie die Augen öffnete waren sie schwarz wie die von Severus, wie Obsidian in der Sonne, danach blitzte das Amber kurz auf und dann war der Zauber verschwunden und ihre rehbraunen Augen traten wieder hervor.

Lazarus lächelte und beugte sich zu Hermine, „da hast du deine Antwort."
Sie nickte nachdenklich, aber ihre Meinung festigte sich von Minute zu Minute.
Sie vertraute ihm, sie glaubte ihm und sie würde die Vergangenheit ruhen lassen.
Es wurde langsam dunkel und Hermine ging zum Abendessen in die Große Halle.
Lazarus dankte ihr, dass sie ihn mitnehmen wollte aber lehnte ab. Er wollte in ihren Räumen bleiben, da er sowieso nichts essen würde.
Hermine ging durch die immer noch leere Halle und setzte sich auf ihren Platz. Es war recht früh und weder McGonagall noch Neville waren anwesend. Viele der anderen Lehrer waren über die Ferien ebenfalls verreist, weshalb sie fast allein an dem großen Tisch saß.
Sie aß still und ging danach wieder in ihre Räume. Lazarus hatte sich derweil schräg auf die Couch gesetzt. Hermine ging ins Bad, duschte sich ab und zog sich um.

Sie legte sich ins Bett und schaute nochmal zu Lazarus, der zu ihr aufsah, „ich werde auf der Couch bleiben... auch wenn es mir schwerfällt", sagte er mit einem Lachen. Hermine lachte auf und schüttelte den Kopf, „du bist unmöglich. Gute Nacht Lazarus."
„Gute Nacht Adamantia."

Die Woche verging und Hermine und Lazarus unterhielten sich viel über Bücher und Gedichte und vergangene Zeiten, darüber was Lazarus in seinem Leben alles erlebt hatte und er hätte ganze Bibliotheken mit seinen Geschichten füllen können.
Hermine hörte ihm gerne zu, egal ob er ihr etwas erzählte, oder ihr etwas vorlas. Seine Stimme war angenehm, nicht so schön dunkel und umschmeichelnd, wie die von Severus, sie war weicher und sanfter.
Sie vermisst Severus' dunkle Augen, in die die sich sonst immer verlor.
Sie sah ihn nur ab und zu bei den Mahlzeiten und er sah sie jedes Mal traurig-verschmäht und wie vor den Kopf gestoßen an, für andere natürlich unsichtbar.
Er vermied es mit ihr in der Öffentlichkeit zu reden und es machte Hermine traurig, dass sie ihn offenbar so verletzt hatte.

Sie vermisst seine Nähe, seinen Geruch, seine Arme, die sich um sie schlossen und sie zu ihn zogen.
Sie vermisste es, mit ihm einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Sie vermisste die Küsse und die Spannung, die jedes Mal in der Luft lag, wenn sie aufeinandertrafen.
Sie vermisste es, wie er ihren Namen aussprach.

Als sie an einem Tag in ihrem Zimmer am Kamin saß, riss Lazarus sie aus ihren Gedanken, „hast du schon ein Geschenk für ihn?"
„Für wen?", fragte sie verwirrt.
„Für Severus... er hat in zwei Tagen Geburtstag", sagte er und sah sie fragend an.
Hermine schlug sich die Hand vor die Stirn, das hatte sie vollkommen vergessen. Er hatte doch am 9. Januar Geburtstag und es war sein 45.
Lazarus seufzte, er stand auf, kramte in seiner Tasche und gab ihr ein Bündel Kräuter und ein altes Buch mit schwarzem Ledereinband, „das sind sehr seltene Kräuter, schwer zu bekommen und ein altes Zaubertränkebuch. Ich bin mir sicher, dass er dieses noch nicht hat.", sagte er und lächelte.

Hermine sah ihn dankbar an, aber erkannte schnell den Fehler in seinem Plan, „er wird doch sicher merken, dass es nicht von mir kommt. Wie soll ich an so wertvolle Kräuter kommen? Und vor Allem an so ein altes Buch?"
„Du hast recht, er ist sowieso skeptisch wegen mir. Er denkt, ich würde dich von ihm wegdrängen."
„Woher weißt du das?", fragte Hermine ungläubig, „hast du mit ihm geredet?"
„Seine Gedanken sind sehr laut, vor Allem für jemanden wie mich...", sagte er grinsend.

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