Kapitel 18: Spaziergang


Er sah sie erst böse dann ungläubig an. „Sie können es wohl kaum erwarten sich ins Verderben zu stürzen was?"
„Aus dem Verderben sind wir doch schon alle lange wieder aufgetaucht.", meinte sie und lächelte ihn gütig an. Sie wollte seine Hand nehmen, hielt sich aber zurück, sie wollte ihn nicht verschrecken.

Sie wandte sich wieder ihrem Frühstück zu, er sah sie noch einen kleinen Moment an und bemerkte, wie erwachsen sie geworden war. Sie schaffte es, ihn aus seinen dunklen Gedanken zu reißen und dankte ihr still dafür.

Auch er machte sich nun an sein Frühstück, er stellte fest, dass Hermine eine angenehme Frühstückspartnerin war, die meiste Zeit schwiegen sie und genossen still und heimlich die ungestörte Nähe des Anderen.
Ihr blumiger Duft betörte ihn, sein Kräuterduft beruhigte sie.
Hermine lehnte sich in ihrem Stuhl zurück als sie fertig war, sie hatte gefühlt für die nächsten Tage genug gegessen und atmete laut aus, was ihr einen nun seinerseits belustigten Blick von Severus bescherte.
„Ich glaub, ich mach jetzt erstmal einen kleinen Spaziergang.", sie sah ihn eindringlich an und wartete.
„Nun... dann... viel Spaß?", er sah sie fragend an.
„Sie kommen mit!", antwortete sie mit einer Engelsmiene.
„Kommt nicht in Frage.", gab er ihr gepresst zurück.
Sie sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue in Snape Manier an und er musste sich beherrschen, nicht laut loszulachen, auch wenn es zum Schreien komisch aussah, sie hatte ein gewisses Talent für den Blick.
Er seufzte, „Miss Granger..."
„Professor Snape...", sie spiegelte ihn. „...Bitte...", mit einer Stimme, der man(n) kein Nein entgegenbringen konnte.
Er stöhnte auf, er ließ sich von ihr schon wieder überreden.
„Aber wir nehmen die Wege abseits der üblichen Stellen!", beharrte er, er wollte keinen anderen Kollegen oder gar Schülern begegnen. Das würde nur Getuschel geben, aber dann könnte er Hauspunkte abziehen, er überlegte, dann schüttelte er jedoch den Gedanken ab. Wir nehmen die Wege, die niemand kennt, das ist das Beste, dachte er sich.
Hermine folgte ihm durch die Geheimgänge von Hogwarts, sie wusste überhaupt nicht, wo sie waren und hätte ohne ihn wahrscheinlich nicht zurückgefunden.

Sie kamen an einer Stelle an, zwischen dem Verbotenen Wald und dem See, die sie noch nie gesehen hatte. Die üblichen Wege führten nicht an diese Stelle.
Es war wunderschön, als wäre noch nie jemand hier gewesen. Der See lag ruhig in der Sonne, glitzerte im Schein des Feuerballs.

Severus stand im Schatten eines Ahornbaums, das Licht fiel durch die Baumkrone auf ihn, tänzelte auf seinen schwarzen Haaren, streichelte sein, wieder einmal, angespanntes Gesicht. Seine Augen lagen auf dem See, er verlor sich in Gedanken.
Hermine sah ihn an, sie stand an seiner Seite. Es gefiel ihr nicht, dass er so oft mit den Gedanken woanders war, sie war besorgt, dass es schlechte Orte waren, schlechte Erinnerungen, die seine Gedanken gefangen hielten.

Sie stellte sich vor ihn und schlang ihre Arme um seinen Oberkörper in der Höhe seiner Rippen. Sie legte ihre Hände unter seinen Umhang an seinen Rücken und drückte ihn einfach an sich.

Seine Gedanken rissen erst ab, als er einen warmen Körper an sich gepresst fühlte, er blickte nach unten und sah einen braunen Lockenkopf. Er musste schmunzeln, sie war keine Löwin, sondern eine Schmusekatze, aber das sagte er ihr lieber nicht.
Er stützte sein Kinn auf ihrem Kopf ab und legte seine Arme um ihre Schultern.
Als sie seine Berührung merkte, zog sie ihn nochmal ein Stück näher zu sich. Er lächelte und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. Er atmete tief ein und aus.
Wieder ein Moment, von dem er nie wollte, dass er endete.
Hermine fühlte sich unheimlich wohl in seinen Armen, so nah an ihn gedrängt. Sie hätte ewig so stehen bleiben können, nach einer Weile streichelte sie seinen Rücken, fuhr langsam mit ihren Händen auf und ab, an seinen Schulterblättern, zu den Schultern, an seiner Wirbelsäule entlang bis zum Hosenbund, strich an seinen Seiten wieder nach oben und stoppte dann an ihrem Ursprungsort.

Severus schloss die Augen, er genoss die unschuldigen Berührungen, die forschenden Hände. Sie machte ihn wirklich schwach, er entspannte sich immer mehr in ihrer Nähe. Eine Hand spielte mit ihren Locken, die andere lag weiterhin um ihre Schultern.
Hermines Hände glitten derweil wieder an ihm hoch, stoppten dieses Mal auf seiner Brust, sie drückte sich etwas von ihm weg, um ihn ansehen zu können. Sie blickten einander an und er bemerkte, dass ihre Augen glasig waren.
„Ist alles in Ordnung?", raunte er sanft zu ihr.
„Ja", hauchte sie, ihre Stimme war schwach, „ich fühl mich einfach sehr glücklich gerade." sie schenkte ihm ein Lächeln von der Sorte, die man nie vergessen würde.
„Da geht es mir gerade nicht anders.", er lächelte zurück und zog sie wieder in die Umarmung. Er wollte ihr noch ein wenig nahe sein, ehe sie sich lösten. Ihr Nähe war wie Balsam für seine Seele.

Hermine trat schließlich einen Schritt zu Seite, ließ ihre Hände an seiner Seite entlang streichen und blickte auf seine zugeknöpfte Robe, er hatte für ihren Geschmack zu viele Schichten Kleidung an.
Severus wusste den Blick nicht recht zu deuten, er zog seinen Zauberstab und zauberte eine Decke, auf der sie beide genug Platz hatten sich hinzusetzen.
Hermine saß als erste und klopfte auf den Boden neben ihrer rechten Seite, Severus setzte sich ebenfalls. Was für eine surreale Situation das war, wenn man es von außen betrachtete.
Severus durchbrach die Stille, die sich gebildet hatte und fragte, „dieses Gedicht, in dem Brief..."
„Schön oder?"
„Ja. Wer hat es geschrieben? Und warum?" wollte Severus wissen. Hermine sah ihn fragend an beantwortete aber seine Frage, „das Gedicht hat eine deutsche Schriftstellerin geschrieben, Elisabeth Borchers. Sie hat den zweiten Weltkrieg der Muggel miterlebt, ähnlich wie wir einen Krieg miterlebt haben. Aber bei den Menschen ist es nicht so einfach,  Sachen wieder zu reparieren und schnell aufzubauen. Der Krieg dauerte sechs Jahre und hat Millionen Menschen das Leben gekostet, Städte bis auf den letzten Stein zerstört. Ich habe mir das als Kind immer furchtbar vorgestellt. Meine Eltern haben mir davon oft erzählt, ich glaube sie hatten immer Angst, dass es sich wiederholt.", Hermine schnaubte auf und sah verächtlich auf den See. Severus senkte den Kopf, er wusste was Hermine durch den Kopf ging, dieser Krieg dauerte zwar keine sechs Jahre, aber es war die Hölle auf Erden.
„Aber, einmal geht alles vorbei. Selbst an den schlimmsten Tagen scheint die Sonne.
Ich glaube, das Gedicht steht für die Hoffnung, die Hoffnung, dass es immer eine
Zukunft gibt. Dass es immer irgendwie weiter geht auch, wenn man es in dem Moment nicht glaubt.", die Verachtung schwand aus ihrem Blick und wurde durch eine Art Entschlossenheit ersetzt.
„Eine erstaunliche Frau, in einem Krieg noch Hoffnung zu haben.", meinte Severus leise und beide wussten nicht, ob er Hermine oder Elisabeth Borchers meinte.
Sie sahen sich in die Augen und versuchten zu ergründen, was der jeweils andere dachte oder fühlte.
„Sie hatte wahrscheinlich einen guten Grund.", meinte Hermine, als sie ihren Blick von Snape löste und wieder zum See sah. Sie wollte eigentlich nicht über den Krieg nachdenken, weder über den der Muggel noch über ihren eigenen.
Sie ließ sich auf die Decke sinken und sah nach oben, durch die Zweige und Blätter des Ahornbaumes, die Sonne spielte weiter mit dem Grün und dem Braun und ließ Schatten auf dem Boden tanzen. Sie verschränkte ihre Arme hinter ihrem Kopf.
Severus ließ sich ebenfalls nach hinten sinken, verschränkte nur einen Arm hinter dem Kopf. Den anderen ließ er locker neben sich liegen.

Warum hatte er wieder angefangen vom Krieg zu reden? Er war an einem der schönsten Orte, die er kannte, mit einer wunderschönen jungen Frau und ihm fiel nichts besseres ein, als über Krieg zu reden. Er haute sich innerlich vor die Stirn.
„Ich habe irgendwo mal gelesen, dass man früher glaubte, dass ein Ahornbaum vor Hexen schützen würde.", sie riss ihn damit aus seinen Gedanken und er sah zu ihr. Sie hatte ein leichtes Lachen auf den Lippen, als sie in die Baumkrone blickte, die Sonne spiegelte sich in ihren Augen.
„Tatsächlich, welche Ironie, dass wir gerade unter einem liegen.", meinte Severus trocken und Hermine lachte laut auf, „und dann auch noch wir zwei.", stimmte sie zu.
Severus hatte darauf keine Antwort und das hatte sie bemerkt, „was? Kein bissiger Kommentar vom Meister der Zaubertränke? Geht es Ihnen gut Sir?", sie drehte ihren Kopf zu ihm, stützte sich auf den Ellenbogen ab.
„Sie wollten mich unbedingt dabei haben, schon vergessen Granger?", meinte er mit hochgezogener Augenbraue.
Sie lächelte und nickte, „ja das wollte ich." Severus schüttelte den Kopf.

Hermine war an diesem Morgen sehr mutig, sie nahm Severus' Arm, der locker neben ihm lag, legte ihn in einem 90° Winkel von ihm wieder ab und rutschte zu ihm, er beobachtete die Situation mit Argusaugen.
Hermine war ihrer Meinung nach, nah genug an ihn gerutscht, legte sich wieder in Position und bettete ihren Kopf nun auf seinem Arm. Als sie merkte, dass er sie ungläubig ansah, schenkte sie ihm ein breites Grinsen.

Er quittierte das Ganze mit einem Knurren und einer hochgezogenen Augenbraue, ließ sie aber gewähren. Er wollte ihre Nähe immerhin auch, konnte das aber nicht wirklich zugeben.

Beide nahmen den Duft des Anderen wahr und fühlten sich gleich viel wohler. Severus entspannte sich, schob die dunklen Gedanken mehr und mehr zu Seite, er merkte gar nicht, wie seine Hand sich eine Strähne von ihrem Haar geschnappt hatte und anfing damit zu spielen.
Sie hatte schöne Haare, samtig weich in einem satten Braun, leicht gelockt. Er wickelte die Strähne um seinen Zeigefinger und strich darüber. Hermine fühlte, dass er mit ihren Haaren spielte und musste schmunzeln, sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzuschauen, ihr Kopf lag weiterhin auf seinem Arm, so, dass er weiter mit ihren Haaren spielen konnte.

Er hatte die Augen geschlossen, sie legte eine Hand auf seine Brust und strich langsam darüber.
Sie glitt zu den Knöpfen seiner Robe und umkreiste diese, jeden Einzelnen.
„Warum Miss Granger?", er hatte die Augen immer noch geschlossen, als er ihr die Frage stellte, in einem sanften Ton. Er wollte wissen, warum sie so darauf pochte mit ihm Zeit zu verbringen, „warum ich? Sie haben doch mit Sicherheit dutzende Verehrer. Ich würde mich glaube ich nicht als erste Wahl bezeichnen, wenn ich das aus der Sicht der Frauen sehen würde."
Hermine sah ihn empört an, strich weiter über die Knöpfe, „ich habe keine 'Verehrer'", sie betonte das letzte Wort absichtlich etwas stärker, „warum sollten Sie es nicht sein?" sie gab die Frage zurück.
„Nun..., weil ich erstens Ihr ehemaliger Professor bin, zweitens weil ich im Gegensatz zu Ihnen schon recht alt bin und drittens verstehe ich nicht, wie eine so schöne Frau sich jemanden wie mich-"
„Jetzt hören Sie mir mal zu! Ich sehe in Ihnen mehr, als in den meisten anderen Menschen, die ich kenne. Sie sind unfassbar intelligent und begabt, Sie waren und sind immer noch ein sehr guter Professor, der Meister der Zaubertränke, 'den Kopf verhexen und die Sinne auf eine Reise schicken, Glanz und Ansehen brodelnd zusammenbrauen, wie man Ruhm auf Flaschen zieht und sogar wie man den Tod verkorkt', niemand beherrscht Ihr Fach besser als Sie. Sie sind ein wahnsinnig mächtiger Zauberer, Sie können die Gedanken einer Person besser ergründen, als irgendwer sonst und das auch ohne Legilimentik oder Okklumentik.
Sie sind voller Geheimnisse, die ich ergründen will, wenn Sie es mir gestatten, ich habe keine Angst vor der Dunkelheit, die Sie vergessen und verstecken wollen.
Da ist Etwas in Ihnen, Etwas, was mir vertraut erscheint, Etwas, auf das ich reagiere, was sich mit mir verbinden will. Sie müssen es nur zulassen. Ich habe kein Problem damit, dass Sie älter sind als ich. Warum auch? .... Sie müssten sich nur einmal mit meinen Augen sehen, fühlen was Sie in mir auslösen, allein wenn ich Ihren Duft rieche. Dann würden Sie weniger schlecht von sich selbst denken.", sie war wütend, fing laut an, aber endete sanft und verständnisvoll.

Severus war über ihre Wort mehr als erstaunt, vor allem darüber, dass sie ihn zitierte, es waren Sätze von der ersten Begegnung vor 14 Jahren. Er sah sie an, sah in ihren Augen nichts als die Wahrheit. Er konnte nichts sagen und lehnte seine Stirn einfach nur gegen ihre, sie kam ihm entgegen, braune Augen verschmolzen mit schwarzen.
Beide Herzen schlugen schneller, kräftiger. Sie spürten das regelmäßige Pochen des Anderen, bis sie im Einklang schlugen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top