Kapitel 17: „Was hast du wieder angestellt?"
Severus ging nicht in seine Räume wie geplant, sondern durch einen Geheimgang an den See.
Er brauchte jetzt frische Luft und etwas Abstand vom Schloss, dem Raum und Hermine. Er konnte sich nicht erklären, was da gerade passiert war, ja sie hatte ihn geküsst und ja er hatte sie geküsst, aber warum?
Warum wollte diese junge, intelligente, schöne Frau ihn küssen? Und warum war er ihr so erlegen, hatte er doch sonst eine so starke Mauer die niemand, bis auf Albus, zu überwinden vermochte.
Sie hatte recht, sie hatten sich früher wirklich jeden Tag gesehen, er wusste, dass sie unheimlich klug, engagiert und loyal war.
Er empfand sie früher als etwas anstrengend und stellte sie absichtlich immer als unausstehliche Besserwisserin dar, damit sie etwas ruhiger wurde, aber sie ließ sich davon nicht abhalten und er musste ihr eine unantastbare Hartnäckigkeit eingestehen, die ihn sowohl Nerven kostete, aber gleichzeitig auch seinen Respekt wachsen ließ.
Sie hatten sich unter schwierigen Umständen kennengelernt, sie war seine Schülerin, minderjährig, eine Gryffindor, ein Teil des Goldenen Trios, die beste Freundin von Harry Potter und damit auch ein Ziel der Todesser und Voldemort.
Er war ihr Professor, ein Slytherin, der Tränkemeister von Hogwarts, der unausstehliche Kerkerbewohner, der Todesser, die fiese Fledermaus, der Doppelspion, der Mörder von Albus Dumbledore aber auch der heimliche Beschützer des Goldenen Trios. Er hatte früher nicht einen tieferen Gedanken an Hermine Granger verbraucht, zu groß war die Gefahr für alle Beteiligten. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er der Sache nichts Schönes abgewinnen können.
Jetzt sah die Sache anders aus. Sie war erwachsen geworden, Mitte 20, sie war schön, frisch und energiegeladen mit einem unfassbar unwiderstehlichen Lächeln, willensstark, stand mit beiden Beinen im Leben, nach Allem war sie trotzdem ungebrochen. Voldemort war besiegt. Die Gefahr war gebannt.
Er wog das Für und Wider ab, logisch betratet sprach nichts dagegen, aber seine Moral sagte etwas anderes.
Er war fast 20 Jahre älter als sie. Er hatte ein komisches Gefühl, denn sie war so rein und unschuldig und er so dunkel und düster, sein Schicksal war schon lange vor ihr besiegelt und er hatte es akzeptiert.
Er saß im Gras und konnte einfach zu keiner Lösung kommen, etwas in ihm wollte das Abenteuer mit ihr eingehen, sich wenigstens auf den Weg machen und gucken, wohin ihn sein Herz trug, ein anderer Teil in ihm sperrte sich gegen alles, was in Verbindung dazu stand. Er versuchte sich vorzustellen, was Albus dazu sagen würde.
Der verrückte alte Zauberer wäre wahrscheinlich hellauf begeistert und würde Severus dazu drängen, sich in sie zu verlieben, zu heiraten und Kinder zu kriegen. Severus schnaubte bei dem Gedanken auf, das klang wirklich nach Albus. Er strich sich fahrig über die Augen und atmete geräuschvoll aus.
Was hatte er da nur wieder angestellt.
Er erhob sich lautlos und ging ebenso lautlos durch den Geheimgang zurück ins Schloss. Als er fast in den Kerkern angekommen war, stieß er beinahe mit einer Person zusammen, automatisch zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf sein Gegenüber.
„Severus, bei Merlins Bart. Ich bin es! Steck bitte den Zauberstab wieder weg!", ihm gegenüber stand eine völlig verdatterte Minerva.
„Minerva, entschuldige. Ich wollte dir keinen Schrecken einjagen.", gab er entschuldigend zurück. Minerva bemerkte die Zerstreutheit, „geht es Dir gut Severus? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.", sie machte sich Sorgen um den sonst so gefassten Mann. Severus schüttelte seinen Kopf, „ja, alles in Ordnung."
„Was machst du überhaupt so früh schon auf den Gängen? Ich bin doch dran mit Aufsicht.... nicht so wichtig, ich wollte dich später sowieso sprechen, aber dann kann ich dich direkt hier fragen wie es mit Miss Granger läuft.", wollte Minerva wissen. Severus rutschte das Herz in die Hose, sie konnte es unmöglich wissen oder? Hatte Albus schon auf sie abgefärbt und sie wusste mehr, als gut für sie war?
„Severus? Die Arbeit mit Miss Granger? Wegen des Obscurus...", gab Minerva ihm als Gedächtnisstütze entgegen. Sie konnte sich nicht erklären warum er so durcheinander war. Severus fiel ein Stein vom Herzen, „achso, das meinst du. Miss Granger gibt sich große Mühe, sie ist sehr engagiert. Wir kommen relativ gut voran." sagte er etwas zu nett.
Er redete sich noch um Kopf und Kragen, er musste der Situation schnell entfliehen, er entschuldigte sich mit der Ausrede, dass er fürchterliche Kopfschmerzen hatte und nicht mehr klar denken könnte und dringend einen Trank nehmen musste, was gar nicht mal so weit von der Wahrheit entfernt war.
Minerva nickte nur und sah ihm besorgt hinterher, sie rief ihm noch nach, dass er sich bei ihr melden sollte, wenn er etwas brauchte.
Severus betrat endlich seine Räume, er schloss die Tür und atmete nochmal laut aus. Was für ein Tag. Er ging ins Bad, benetzte sein Gesicht mit kaltem Wasser und sah sich im Spiegel an. Irgendwie sah er nicht mehr wie der Severus Snape von heute Morgen aus. Er sah an sich herab, blieb am Hals hängen, strich mit einer Hand über die Narbe und stoppte in der Bewegung. Er hatte das Bild im Kopf wie Hermine ihn leicht am Hals küsste, er hatte erst jetzt bemerkt, dass es seine Narbe war, die sie geküsst hatte.
Ihm kamen weitere Bilder in den Kopf, weiche volle Lippen auf seinen. Das Drängen. Der Geruch ihrer Haare und das Gefühl ihrer Haut. Ihr sanfter aber bestimmter Griff in seine Haare, an seinen Rücken. Sie wollte ihn. Und er sie.
Plötzlich machten sich weniger unschuldige Gedanken in ihm breit und er versuchte sich abzulenken. Er zog sich aus und stellte sich unter die kalte Dusche, um die aufkommende Hitze in ihm zu unterdrücken.
Er schob es darauf, dass er schon lange keine Frau mehr geküsst hatte und schon lange nicht mehr so kurz davor war, mit einer zu schlafen.
Mit Hermine Granger schlafen, bei dem Gedanken stellte er die Dusche noch etwas kälter und presste die Kiefer aufeinander. Das musste er wirklich unter Kontrolle bringen. Er war froh, dass heute Samstag war und er keinen Unterricht hatte.
Als Hermine nach einem erholsamen Schlaf am Morgen aufwachte, spürte sie ein
Kribbeln in ihrem Bauch. Sie erinnerte sich an die Küsse mit Snape, an seine Berührungen, an seinen Geruch, den Geschmack seiner Lippen. Sie legte die Fingerspitzen auf ihre Unterlippe und strich verträumt darüber, es hatte sich erstaunlich schön angefühlt mit ihm.
Sie errötete leicht, als sie an ihre Handlung dachte, ihn an ihrer Tür ausziehen zu wollen, sie lachte auf und hielt sich die Hand vor ihr Gesicht.
Eine Nacht mit Severus Snape, das wäre... interessant gewesen. Es spricht für ihn, dass er die Situation nicht ausnutzt, als sie so überlegte. Er hatte nicht abgelehnt, er hatte nur mehr Zeit gewollt, er wollte, dass sie sich besser kennenlernten.
Hermine überlegte, ob sie das wollte, ob sie andere Seiten von ihm kennenlernen wollte, Geheimnisse, Wünsche, düstere Gedanken, Dinge, die ihm wichtig waren und die ihm Freude bereiteten.
Ja.
Das wollte sie, auch wenn er früher etwas gewöhnungsbedürftig war, um es freundlich auszudrücken, sie fand ihn schon immer interessant, hatte sich innerlich dafür interessiert, warum er so tickte, wie er tickte.
Sie würde Severus Snape eine Chance geben, sich selbst eine Chance geben, ihn zu ergründen. In ihn tauchen, in seine Seele eindringen; sie hatte ein wenig Angst sich selbst zu verlieren, aber Etwas in ihr sagte ihr, dass das nicht mal schlimm wäre.
Energiegeladen stand sie auf, sie fühlte sich einfach großartig. Sie ging unter die Dusche, kleidete sich neu an und ging zur Großen Halle, in der es immer noch Frühstück gab. Viele Schüler waren bereits gegangen, es war ein schöner Tag und die meisten hielten sich auf den Ländereien auf.
Sie setzte sich auf ihren Platz am Lehrertisch, füllte ihren Teller und ihre Tasse und begann zu essen.
„Miss Granger", ertönte es auf einmal dunkel neben ihr, als sich er sich auf seinen Platz neben sie setzte, er nickte ihr zu und goss sich Kaffee ein, trank eine ganze Tasse fast in einem Zug, blickte dann zu ihr, „Guten Morgen."
Er füllte die Tasse erneut und setzte grade zum Trinken an, als er Hermines Blick wahrnahm. Die hatte sich das ganze, etwas belustigt, einfach angeguckt und wartete.
„Ich brauche meinen Kaffee", brummte er ihr entgegen. Hermine nickte leicht, „Guten Morgen Professor. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen."
Severus konnte ein Aufhusten gerade noch unterdrücken, er stellte die Tasse ab, wischte sich mit einer Serviette leicht über den Mund und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.
„Danke der Nachfrage und selbst?"
„Blendend!", flötete Hermine los, sie erinnerte sich wieder an die Küsse und fing an zu grinsen. Severus konnte sich ungefähr vorstellen, an was sie dachte, auch ihm gingen die Ereignisse von letzter Nacht nicht aus dem Kopf. Er schürzte die Lippen und sah sie eindringlich an.
„Miss Granger, ich bitte Sie das vorerst nicht an die große Glocke zu hängen.", kam es spitz von ihm.
„Nicht? Schade, dann muss ich die Poster, die ich letzte Nacht erstellt und schon in Hogwarts aufgehängt habe, wieder abnehmen.", sie sah gespielt geknickt zu ihm. Er schüttelte den Kopf und trank die Tasse Kaffee aus.
„Also, was machen wir heute?", meinte Hermine aus dem Nichts und er verschluckte sich fast wieder an seinem Kaffee.
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