Kapitel 11: Die Erkenntnis


Sie packte ihre Sachen zusammen und ging langsam aus dem Raum, sie blickte noch einmal in Richtung Fenster, ließ ihre Tasche auf den Boden sinken und trat näher an das Fenster.
Ihr war gar nicht aufgefallen, dass neben dem Fenster an der Wand ein Spiegel hing. Sie ging einen Schritt auf den Spiegel zu, trat damit in den Schein des Mondes, der immer noch am dunklen Firmament stand.
Kaum berührte das Licht ihre Haut fing diese an zu funkeln, wie kleine Diamanten. Hermine besah sich ihre Hand, sie wusste nicht, was sie denken oder fühlen sollte.
Warum glitzerte ihre Haut? Sie ging einen Schritt weiter, nun war sie komplett im Mondlicht und staunte nicht schlecht, als sie wieder in den Spiegel sah: alle Stellen, die frei von Kleidung waren und auf die das Mondlicht traf, glitzerten.

Sie sah ihr Gesicht an, ihre Augen huschten über jedes Detail.
Irgendetwas war anders. Sie sah sich selbst, beziehungsweise ihrem Spiegelbild tief in die Augen als sie glaubte etwas ausmachen zu können.
Da war etwas Glühendes in den sonst rehbraunen Augen. Das Glühende schien sich auszubreiten, das Braun wich dem Amber und Hermine stockte der Atem. Sie wusste nicht was mit ihr passierte. Ihre Augen glühten, ihre Haare fingen an, sich wellenförmig wie im Wasser zu bewegen, als sie ihre Hand ausstreckte, um ihr Spiegelbild zu berühren, stellte sie geschockt fest, dass kleine Blitze von ihren Fingern ausgingen.

Das war eindeutig nicht Hermine im Spiegel. Was hatte das Licht damit zu tun? Und dieser Raum?
Hermine schüttelte wild den Kopf und lief aus dem Raum, rannte durch die Gänge, nach draußen an den See. Sie atmete tief ein und aus, betrachtete panisch ihre Hände. Sie glitzerten nicht mehr, sie zauberte sich einen Spiegel und besah sich ihre Augen. Ein warmes rehbraun.

Hermine sah sich um und stellte fest, dass es noch früh am Tag war und die Sonne über ihr stand, das Wasser des Sees in ein dunkelblau färbte.
Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus, beruhigte sich langsam wieder von dem Anblick, der offensichtlich sie selbst war. Wie das möglich war, wusste sie immer noch nicht. Das ist selbst für eine Hexe mehr als ungewöhnlich und nicht normal dachte sie sich.
Sie bekam Angst, sie wusste nicht, was das bedeutete. Sie würde jemanden fragen müssen und ihr kam nur eine Person in den Sinn, der sich damit auskennen könnte, neben Albus Dumbledore, der leider nicht mehr unter ihnen weilte.

Sie verfluchte sich selbst dafür, obwohl sie da nun wirklich nichts für konnte, aber sie wollte nicht zu ihm und ihn fragen. Er würde sie auslachen oder sie für verrückt erklären. Nach einer gefühlten Ewigkeit von einem Hin und Her, dem inneren Kampf ob sie zu ihm gehen sollte oder nicht, entschied letzten Endes die Vernunft. Sie musste wissen, was mit ihr passierte und wahrscheinlich würde nur eine Person wissen, was los war.

Severus war aus dem Raum der Wünsche direkt in seine Räume gegangen, er konnte nicht zulassen, dass Hermine ihm nahekam. Er glaubte immer noch, dass er so etwas wie Glück und Frieden nicht verdient hatte.

Er verbot sich die Gedanken an die warme Umarmung. Sie war zwar nicht mehr seine Schülerin, aber sie war viele viele Jahre jünger als er, streng genommen hätte er ihr Vater sein können. Er schob die Augenbrauen zusammen, massierte seine Nasenwurzel. Er setzte sich erschöpft auf seine Couch, das Feuer war aus und der Raum strahlte eine beruhigende Kälte aus, die eine Wohltat für seine erhitzten Gedanken waren.
Er konnte sich gedanklich nicht von ihren Augen lösen, das rehbraune stand in völligem Widerspruch zu dem glühenden Amber, dem flüssigen Gold, welches er nun schon das zweite Mal bei ihr sah.

Er dachte darüber nach, warum sie sich so verändern konnte. Er spürte eine enorme Macht, wenn sie glühten, als würde in ihr ein Feuer auflodern, genährt von etwas sehr Starkem, etwas sehr Altem, was wahrscheinlich nicht oft vorkam. Das veränderte Aussehen, die veränderte Stimme.
Beim ersten Mal hatte sie überhaupt keine Ahnung wer sie oder er war. Sie erinnerte sich nur langsam wieder. Er wusste sich keinen Rat, warum das mit ihr passierte. Das war einer der Moment, in dem er am liebsten zu Albus gegangen wäre und ihn um Rat gebeten hätte.

Er fehlte ihm, nach wie vor.
Er wurde damals, nach Ende des Krieges, von Kingsley freigesprochen und ihm wurde offiziell vom Zaubereiministerium im Namen der ganzen Zauberwelt gedankt, für seine Taten und dafür, dass er viele Jahre sein Leben in Gefahr brachte, um auf Harry und seine Freunde aufzupassen, dem Dunklen Lord ein perfektes Schauspiel geliefert zu haben und damit an Informationen gekommen zu sein, wie kein anderer, aber er fühlte sich noch immer nicht ganz frei, oder viel besser gesagt, er fühlte sich noch immer nicht ganz im Leben, im freien Leben angekommen.

Albus war stets für ihn da und hatte immer versucht ihn aufzuheitern mit seiner meist unfassbar nervenden, aber überaus gütigen Art. Er war Severus einziger und längster Freund gewesen. Severus hatte das Gefühl allein in einer guten Welt zu sein, er war immer allein, aber früher war die Welt anders. Damals war es gut allein zu sein, jetzt war es das nicht mehr.

Er hatte relativ viel Kontakt zu Harry und den Weasleys die ihn, nachdem Harry die Erinnerung gesehen hatte und seinen Vertrauten davon erzählte, praktisch in die Familie aufnahmen und ihn, so oft sie konnten, zu sich einluden, was Severus nicht wirklich gefiel, aber einige Male ging er hin.

Wobei Molly und Ginny, gleichermaßen, ihn dann nicht mehr aus den Augen ließen und ihn zuhäuften mit leckerem Essen, weil er ja ihrer Meinung nach wohl nicht genug aß und öfter in die Sonne könnte er auch mal gehen, hatten die beiden Weasley-Frauen ihm immer wieder gesagt.
Er war irgendwo erleichtert, dass er nun nicht mehr auf das Goldene Trio aufpassen musste, dass sie erwachsen waren und in einer friedlichen Welt leben konnten, er war erleichtert, dass er sich endlich mit Harry ausgesprochen hatte, der zwar wie James aussah, aber so viel mehr von Lily hatte, als Severus ihm die ersten Jahre zubilligen wollte.

Harry hatte ihm damals gesagt, dass er ihm verzeihen würde. Ebenso wie Minerva, die ihm den Mord, wenn auch gewünscht von Albus, sehr übelnahm. Von außen betrachtet sollte es Severus gut gehen, aber da war immer noch diese innere Leere, die einfach nicht aufhören wollte.

Er versuchte die Gedanken abzuschütteln und zauberte eine Kanne Tee und eine Tasse und goss sich etwas ein. Der Tee kam von Molly, er fügte noch ein paar Kräuter hinzu und hatte eine angenehme Mischung. Er ließ den Tee wirken, spürte die Wärme von innen die sich ausbreitete, die Kräuter, die die Nerven beruhigten. Er schwenkte den Zauberstab leicht und eine leise langsame Musik füllte den Raum. Er hatte eine Schwäche für klassische Musik, sie umgab ihn und hüllte ihn ein.

Als er so dasaß, sich der Musik hingab und die Augen schloss, klopfte es zaghaft an der Tür. Er wollte nicht aufstehen und sah genervt zur Tür. Mit einer Handbewegung öffnete er sie, aber niemand war da. Er war verwirrt, stand auf und ging zur offenen Tür, blickte auf den Korridor hinaus, niemand war da.
Er schüttelte leicht den Kopf, ließ ein leises Knurren aus seiner Kehle dringen und schloss die Tür. Er setzte sich wieder auf die Couch und trank den restlichen Tee. Dann widmete er sich Schüler Aufsätzen, die schlimmer nicht hätten sein können.

Hermine war in die Kerker gegangen und wollte Snape fragen, was mit ihr los sei, wie ironisch, dachte sie, sie würde ihn fragen was mit ihr nicht stimmte.
Sie schob die Gedanken beiseite, klopfte zaghaft an die Tür, als sie leise Musik hörte. Plötzlich verließ sie der Mut, sie lief in einen der Schatten und legte einen Unsichtbarkeitszauber über sich, als auch schon die Tür auf ging, aber niemand war zu sehen.
Sie schien verwirrt, wollte gerade näher zur Tür gehen als Snape plötzlich im Rahmen stand und in den Flur blickte. Er dachte vermutlich, es wären Schüler gewesen, die sich einen Scherz erlaubt hätten, sie sah ihn an, er schüttelte seinen Kopf und knurrte leise.

Wie oft hatte sie dieses Knurren und Murren im Unterricht schon gehört, meistens wegen Neville oder Harry. Sie musste schmunzeln. Als er in seinen Raum ging und die Tür wieder schloss stand Hermine allein im Dunkeln.
Sie konnte ihn nicht fragen, sie hatte Angst vor seiner Reaktion.
Sie dachte an die merkwürdige Szene im Raum der Wünsche, als sie sich ihm fast an den Hals geworfen hatte, weinte und schluchzte.

Er hatte sie nicht weggedrückt, er hatte sie umarmt. Sie erinnerte sich an seinen Kräuterduft, als sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub. An die schwarzen Haare, die ihm mittlerweile bis zu den Schultern gingen, auch sie dufteten nach Kräutern.
An die Wärme, die von ihm ausging, wo er doch sonst so kalt wirkte.
Das war nicht der Severus Snape den sie das letzte Mal vor 7 Jahren gesehen hatte. Er war weniger kühl gewesen, weniger gleichgültig.

Sie fühlte sich wohl bei ihm, in seiner Nähe, auch wenn sie diese jetzt scheute. Wo kommen diese Gedanken wieder her?
Sie ließ den Kopf hängen und ging in ihr Zimmer. Sie wollte heute nicht mehr raus und bestellte sich sowohl Mittag-als auch Abendessen zu sich ins Zimmer. Sie versuchte etwas über ihren Zustand heraus zu finden, kam jedoch nicht weit.
Dumbledore hätte ihr bestimmt mehr sagen können, dachte sie genervt, wenn sie schon nicht zu Snape wollte, dann wäre sie zu Dumbledore gegangen.

Plötzlich ließ sie die Gabel fallen. Sie konnte zu Dumbledore gehen und das tat sie auch. Es war mittlerweile 20 Uhr, draußen war es dunkel geworden, die Korridore waren leer. Sie lief eilig zu McGonagalls Büro, nannte das Passwort und stieg auf die erste Stufe des Wasserspeiers, der sie zur Tür trug. Sie klopfte energisch an die Tür und ein überraschtes 'Herein' drang an ihr Ohr.

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