Tipps: Leset und lernet: Herrscherhöfe, Adelstitel, Macht und Politik 1.4/4

FRAMING und LABELS - oder: Falscher Feminismus?
Ganz krass von Fans geliebt und gefeiert,
darf die KAISERIN aus „Remarried Empress" Landesverrat begehen und mit dem verfeindeten König, der den Ruf eines Playboys hat, durchbrennen. (Wenn der Chef sagt, du darfst nicht gehen, dann DARFST du nicht! Es ist dann keine Frage mehr, ob das Volk denken KÖNNTE, seine geschiedene Ex-Kaiserin hätte es verraten – sie HAT es GETAN!) Und das, obwohl diese Frau weder ihren ersten, noch den zweiten Ehemann liebt... sich aber dennoch darüber aufregt, dass Ehemann Nr. 1 sich ein – zumindest dem Anschein nach, denn der Leser weiß mehr als die Figur – liebes Schätzchen ins Bett holt, anstatt einen emotionalen Kühlschrank, der selbst beim wöchentlichen, privaten Familienessen noch von Politik schwafelt? Politik, die SIE nicht mal mitmacht, weil DER KAISER der Entscheidungsträger ist?

Leser stülpen IHRE BÜRGERLICHEN Ansichten darüber und so merkt keiner, dass die ach so bedauernswerte Kaiserin den einzigen Job, den sie in dieser Geschichte mit diesem Kontext hatte – nach vier Jahren Ehe ein Kind zu bekommen oder wegen der fehlenden Schwangerschaft mal einen Check beim Arzt zu machen – nicht erfüllt hat. Bei Marie-Antoinette hat das Volk SPOTTLIEDER darüber gesungen, dass der König seine Frau acht Jahre lang nicht schwängern konnte! Bei Anne Boleyn war der fehlende Sohn einer der Gründe für ihre Hinrichtung!

Diese angeblich kluge Kaiserin wird nicht einmal mit einer EINZELNEN weggelaufenen SKLAVIN fertig, will aber die Kompetenz haben, ein Reich regieren zu können? Woher? Und als sie ihren zweiten Playboy-Ehemann entjungfern soll, heult sie erst fast rum... nur um ihn dann zu reiten? Was für eine scheinheilige Frau, die einen Mann, den sie „Freund" nennt, in ihren Egotrip mit hineinzieht – und der das mit sich machen lässt, weil er sich in ihr Gesicht und den Eiskönigin-Ruf verknallt hat. Einem Mädchentraum entsprechend ist die Kaiserin mit ihren grünen Augen und blonden Haaren so schön, dass drei Männer sich um sie prügeln, ohne dass der Kaiser sie dafür hinrichten lässt (denn sie schlagen IHN). Aber hübsch ist die Neue auch... und fruchtbar.

Was ist denn labeln? Ein „label" ist Englisch für Etikett: Die Kaiserin ist „die Heldin" / Hauptfigur, Ich-Erzählerin, die Gute. Der Kaiser und seine Geliebte sind „die Bösen".

Was ist framing? Ein „frame" ist ein Rahmen, wie bei einem Bild. Bei Geschichten wird durch die Wortwahl des Autors klar, dass die Kaiserin die „Gute" in der Geschichte ist – und deswegen ist auch alles okay, gut und akzeptabel, was sie tut.

Der Kaiser und seine neue Geliebte hingegen werden negativ dargestellt, obwohl ihre Motive nachvollziehbarer und menschlicher sind. Sie werden also „zu den Bösen gemacht", sowohl von Autorin als auch von den Fans.

Framing passiert oft bei Love Triangles, wenn ihr schon zu Beginn seht, welchen Jungen die Autorin bevorzugt, indem sie ihn als so toll beschreibt, dass man WEISS, dass der andere nie eine Chance hatte. (Jacob, der Lückenfüller bei „Twilight", in „Ein Prinz aus Silber und Gold", gibt es sogar DREI Kandidaten.) In „Empress Remarried" bereitet der neue Mann besagter Kaiserin bereits seit Jahren einen KRIEG gegen ihr Land vor... also Massenmord am Volk. Warum er das tut, wird nie gesagt.

Aber dieser Typ ist moralisch besser, als der Kaiser, weil er ihm in die Fresse haut, als der seine Frau angeblich beleidigt? Der ausländische Gast, der sich ins Schlafzimmer der verheirateten Frau schleicht?! Die Kaiserin mag keine Ahnung haben, dass er sich in ein Tier verwandeln kann, aber ER weiß es und nutzt das aus. Sie hält diesen Prinzen aus Nachbarland für einen Freund, obwohl er EINDEUTIG KEINE freundschaftlichen Absichten hegt, denn ER hat sich auf den ersten Blick in sie verknallt und sucht nur deshalb ihre Nähe.

Das ist mehr als nur EIN Grund für eine diplomatische Krise. Framing und labeling sorgen auch dafür, dass die Leser jeden gut finden, der auf der Seite der Kaiserin steht, selbst wenn er oder sie sich total danebenbenehmen. Ebenso ist jeder böse, der auf für die Geliebte arbeitet oder ihre Motive versteht.

Ihr seht also, das framing ein zweischneidiges Schwert ist, denn es manipuliert den Leser. Es gibt aber Menschen, die Manipulation nicht mögen. Andere fallen bequem und begeistert darauf herein, weil sie die „Lösung des Rätsels" vorgekaut bekommen, denn glaubt mir: Die Idee, nach der Scheidung sofort neu zu heiraten – und auch wen – trifft die „Remarried Empress" sehr schnell.

In dieser Geschichte verhalten sich mit nur wenigen Ausnahmen ALLE Leute unangemessen – und nur weil die Autorin es WILL, rollen keine Köpfe. (Das ist irgendwie ein wiederkehrendes Ding bei ihr...) Die einzige, die eine Strafe kriegt, ist die Geliebte des Kaisers – und das auch nur, weil es BÖÖÖÖÖSE ist, wenn ein Mann seine Ehefrau betrügt. Dass immer auch die Ehefrau Schuld daran trägt, vergessen die Leute gerne. Zwar thront ÜBER dem Kaiserreich noch eine Idiotenallianz, die Ritter in andere Länder schickt, um Machtverhältnisse mit Militärgewalt auszugleichen, aber WEISS die Autorin, was ein KAISER überhaupt ist? Dass GILT, was ein ALLEINHERRSCHER in SEINEM Land befiehlt, Scheiß auf's Ausland? Dass der Kaiser die LANDESHOHEIT hat und militärisches Eingreifen von außen ein Kriegsgrund ist?!

Diese Geschichte zieht ihr ganzes Plot daraus, dass ein Mann das Ego einer Frau gekränkt hat, indem er eine einzige, falsche – aber emotional nachvollziehbare – Entscheidung getroffen hat, alles andere ist oberflächlicher Glitzerkram.

Und leider ist diese Geschichte auch nur ein langatmiges Beispiel von vielen. Ich verstehe zwar, dass Autorinnen scheinbar gern über starke und mächtige Frauen schreiben möchten... aber nur weil man viel erzählt und ab und an ein schlauer Satz dabei ist, bedeutet das nicht, dass man einen starken und unabhängigen Charakter erschaffen hat. Besonders dann nicht, wenn diese Figur Entscheidungen trifft, die an Dummheit nicht zu überbieten sind und gegen alles stehen, was diese Persönlichkeit zu repräsentieren glaubt. (Verstand z.B., denn diese Kaiserin soll sehr klug sein... nur finde ich diese Klugheit nicht, wenn mal wieder die Hälfte von dem, was um sie herum passiert, unbemerkt bleibt oder fehlinterpretiert wird, obwohl es offensichtlich ist).
Wenn sie ihre Probleme dann doch nur mit Hilfe eines sklavenartig ergebenen – pardon, verliebten – Mannes lösen kann... oder wenn sie genau das Gleiche macht, wie das, wogegen sie sich eigentlich wehren wollte.

Fazit: Man kann noch so belesen sein... wenn man nicht begreift, was um einen herum passiert und nicht der Situation angemessen handelt, kann man diese gelernte Theorie aus dem Fenster werfen. Aber sind Bücher deswegen überflüssig? Nein. Theorie und Praxis müssen Hand in Hand gehen.

Denn wie schon ein alter Chinese namens Konfuzius festgestellt haben will:
"Lernen, ohne zu denken, ist eitel.
Denken, ohne zu lernen, ist gefährlich."

Genau mit diesem Konzept haben viele Autoren, die für junge Erwachsene schreiben, ein Problem, denn ihre Figuren sind letzteres: Sie denken viel und wissen wenig. Denn das Wissen, das sie gelernt haben, können sie nicht anwenden, der Autor behauptet nur, es sei da und unterschätzt die Konsequenzen dessen, was passiert, wenn die Figur es wirklich GELERNT und VERSTANDEN hätte. Kontext und Worldbuilding greifen hier wieder:

Denn wieso sollte ein Vater seiner Prinzessinnentochter erlauben, Schwertkämpferin zu werden, wenn das Land friedlich ist? Die Notwendigkeit besteht überhaupt nicht. Die für kluge Politik mit Köpfchen allerdings schon.
Und WENN das Land im Kriegszustand ist, dann ist die Prinzessin das, was es aus dynastischer Sicht zu schützen gilt... und das versteckt man logischerweise am besten ganz weit weg vom Schlachtfeld, damit es dem Feind eben NICHT in die Hände fällt und er es nur noch einsammeln muss. Was meint ihr, warum sich die Frauen in "Game of Thrones" im Schlosskeller verschanzt haben, als die Hauptstadt gestürmt wurde? Die Angst vor einer Vergewaltigung war nur EINER der Gründe.

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