Tipps: Leset und lernet: Herrscherhöfe, Adelstitel, Macht und Politik 1.3/4

DER ADEL UND SEIN LAND:
Bei Figuren wie z.B. Merida aber beginnt mein Problem. Bzw. das Problem, was daraus resultiert, wenn Teenprinzessinnen darauf pochen, dass sie machen dürfen, was sie wollen und alles immer gut ist, egal was für Scheiße sie reden oder tun. Dass sie immer Recht haben und alles haben können, was sie wollen, weil es keine Konsequenzen gibt, sondern sich immer alles in Wohlgefallen auflöst, weil Leute... sich so verhalten, wie der Autor es will, WEIL er es will und Schiss hat, mal ehrlich zu sein und weil er unkreativ ist.
Weil er auf den Adel schaut, wie es die Armen und die Bürgerlichen früher gemacht haben: Mit einer Mischung aus Hass, Neid und romantischer Verklärung.

Adelige sind keine Bürgerlichen, ihre Sicht auf die Welt ist also zwangsweise anders, die Ansprüche, die man AN SIE stellt, sind andere, als die an euch gestellten. „Adel verpflichtet" ist nicht nur ein Spruch. So mag eine Prinzessin zwar vorrangig als eine Gebärmutter für königlichen Nachwuchs gesehen worden sein... aber das bedeutet nicht, dass man deswegen auch nur das tun muss. Maria Theresia von Österreich hat nicht nur 16 Kinder bekommen, sie hat auch ein Land regiert, reformiert und Krieg geführt. Die Frau hat GEARBEITET... und nein, nicht nur vom Büro aus.

Vielen Prinzessinnengeschichten fehlt genau das: Diese Verbindung zum Adel und dem Land, das er regiert. Ja, ich meine das Land, den Grund und Boden, nicht nur die Menschen darauf.

So reden Autoren gern von epochalen Dramen, deren nie erwähnte Auswirkungen die Welt verändern sollen, von heimtückisch ermordeten Königseltern ("Es ist was faul im Staate Dänemark..." - Ja, Hamlet, dein Onkel hat dir den Sessel geklaut.) oder einem Krieg, der irgendwo droht, weil irgendein anderer König der Bösewicht sein MUSS...
Doch alles wird zu einem Sturm im Wasserglas, weil es lediglich für die Hauptfigur ein Problem ist. Manchmal sogar ein eingebildetes, was sich erschreckend simpel lösen ließe, wenn Ich-Erzählerchen mal vernünftig nachdenkt und seinen eingebildeten Stolz runterschluckt. Es könnte sich auch mal auf's Wesentliche konzentrieren – den Job, den der Titel / Rang mit sich bringt. Man kann sein Volk lieben wie man will – hat man kein Land, wo es leben kann... hat man nichts. Man führt keine Kriege um Menschen, sondern um Resourcen und Rohstoffe.

Manch Drama wird der Spannung halber erwähnt, dämmert aber nur im Hintergrund dunkel vor sich hin, ohne, dass dieses Ereignis auch so schlimm eintritt, wie darüber geredet wird. Manchmal fällt nur ein Nebensatz, und dann wird es von allen vergessen. Ein Arschtritt in den Allerwertesten eines aufmerksamen Lesers – wie bei „Selection", wo laut Autorin-Erzählerchen ein umbenanntes Amerika gegen ein umbenanntes Schweden Krieg führen will, die Rebellen im eigenen Land aber die größere Gefahr darstellen, weil das Militär(!) nicht mal das Problem vor ihrer Haustür in den Griff kriegt.
Aus politischer Sicht also eine innenpolitische Katastrophe und außenpolitische Instabilität. Nice, Frau Autorin. Meine Wenigkeit in der Rolle von Königin Isadora schüttelt seufzend den Kopf.

In "Ein Prinz aus Silber und Gold" taucht ein ähnliches Problem auf: Da ist der ALTE König gerade ein Jahr tot, und der neue soll das Land innerhalb dieses einen Jahres an den Rand eines Volksaufstands aus Hunger getrieben haben, indem er die Strafgesetze verschärft hat. Sorry, aber so schnell geht das nicht.
Was es noch schlimmer macht: Sein Bruder, der Hauptmann der königlichen Wache, BESIEGELT die Gesetze und setzt sie damit in Kraft! Es ist also NICHT - wie von Autorin gedacht - der neue König das Problem, sondern der titelgebende PRINZ. Der wird aber Love Interest aufgebaut, er ist also "der Gute". (Wir kommen noch zum Thema "framing" und "labeling".) Vor allem aber ist auch er - wie eigentlich alle Figuren in diesem Buch - sehr egoistisch und wird im Laufe der handlung immer dümmer.

Das Absurdeste kommt aber von einer... ich nenn's mal "Katniss-Analogie" im Buch. Der neue König verliebt sich in Esmeralda (ja, die aus'm Glöckner) und will sie heiraten, wie das mit Hauptfigurinen eben so ist. Die Autorin nennt das Volk dieses Mädchens zwar nicht Zigeuner, aber es ist ein zusammengewürfelter Haufen aus Leuten, die nirgendwo sonst einen Platz finden und ihr Geld als fahrende Schausteller, Händler und Diebe verdienen. Also das Klischee eines Zigeuners, und ja, auch die Leute im Buch mögen dieses Volk nicht. So mag sich der König also in Esmeralda und ihren Tanz verliebt haben... deshalb wird sie im Palast untergebracht.

Dass dieser neue "Wohnort" eigentlich Geiselhaft ist, weiß keiner, nur die kleine Gruppe, das "Volk", mit dem Esmeralda durch die Landschaft gezogen ist. Und leider muss eine Geiselhaft sein, weil der holzköpfige Chef der Truppe nicht akzeptiert, dass das Mädchen seiner Wahl eine Entscheidung GEGEN ihn getroffen hat und ein Versprechen dieser Zigeuner nichts wert ist, wie sich mehrfach herausstellt. Ihn interessiert nicht, dass sie mehr oder weniger auch eine "Königin" ist, weil sie - wie er - von einer der drei Gründerfamilien dieses "Volkes" abstammt.

Wie also kann aus diesem Mädchen das Symbol für Freiheit werden - wenn ihr "Volk" doch gehasst wird und keiner auf dem Kontinent die Hintergründe ihrer Verlobung mit dem neuen König kennt? Woher kommt die Sympathie? Sie tut nichts dafür, außer dazustehen... und für einige Morde verantwortlich zu sein!
Das "Volk" des Mädchens mag sich selbst als Menschen sehen, die in Freiheit leben und die "Freiheit" besitzt, überall hinzugehen... genaugenommen hetzt es aber auf festgetretenen Pfaden nur von einem Ort zum nächsten, um Verkaufstermine einzuhalten, damit es nicht verhungert... Das ist keine Freiheit, sondern ein Hamsterrad mit Stechuhr.

Ein Bootcamp, das uns die perfekte Überleitung zum nächsten Unterthema bietet:


UNLOGISCHE KONZEPTE, die nicht funktionieren:
Ihr habt es eben schon bei "Ein Prinz aus Silber und Gold" gesehen, aber auch „Selection" hat noch mehr zu „bieten" außer einer... besonderen... Hauptfigur: So nimmt man eine verwöhnte, aber nahezu bettelarme Bürgerstochter an den Hof – dumm wie Brot, aber arrogant wie ein Kaiser – und sie wird nur deswegen die Ehefrau, weil die Autorin sagt, dass der Prinz sich in sie verliebt. SIE kann sich nicht mal einen Abend lang zusammenreißen, ohne eine Extrawurst gebraten zu bekommen, sagt dem Prinzen sogar, dass sie ihn nicht will, aber beim Ausspionieren der anderen Kandidatinnen helfen möchte... und heult DANN darüber, dass er sich diesen widmet, weil ER eben nun mal eine Ehefrau braucht.

Das ist der einzige Grund, warum America Singer, die Klavierstunden bekommt und gern singt... aber bei der Probe auf's Exempel dann als Mittel der Wahl GEIGE spielt... überhaupt an den Hof durfte und mal sehen darf, was Luxus überhaupt ist, IST die Selection! Dass SIE den Prinzen nicht liebt, sagt sie sogar... am deutlichsten ihrem Ex-Jugendfreund, der sie beide erst mal prompt in Lebensgefahr bringt, weil er in den Palast einbricht: „Ich nehme den Prinzen, weil er mir Luxus gibt, wie ich ihn mir nie hätte vorstellen können."

Vor allem, wenn sie extrem weltfremd und behütet aufwächst und das „Pech" hat, das mittlere von fünf Kindern zu sein.

Wenn sie behaupten wagt, sie hätte „ bisher nur für andere" gelebt, obwohl sie nur mal den Tisch decken und abwaschen muss. Wenn sie – als fast Erwachsene – nur an DREI TAGEN IM JAHR zum Lebensunterhalt ihrer kurz vor bettelarmen Familie beiträgt (aber einen Diener für's Aufräumen verlangt) und Verdienstmöglichkeiten boykottiert.

Wenn sie ihren kleinen Bruder hungern lässt und die eigene Familie bestiehlt.

Ich habe nichts gegen Huren als Hauptfigur, aber eine derart dumme Tussi, deren offensichtliche Arroganz mir als nett und fürsorglich präsentiert wird, macht mich aggressiv. America baut auch keine Bindungen mit anderen Figuren auf – sondern sie BEHAUPTET nur, das zu tun. Freunde sind mehr als nur ein Name, den man weiß und bei dessen Leid man Betroffenheit heuchelt. (Das ist eben das Dumme an der Ich-Perspektive: Der Leser merkt, ob das Gefühl echt ist oder nicht.)

Anderswo (ein ähnliches Konzept in zwei verschiedenen Büchern) kämpfen Königstöchter in einer Art Battle Royale um den Thron, was die Tradition des Landes sein soll. Es ergibt aber keinen Sinn, denn wenn sie und ihre Schwestern dabei sterben (oder unfruchtbar werden, weil sie sich zu schwer verletzen...), dann ist die Linie ausgelöscht!
Daraufhin würde aber unter den verschiedenen Adelsfraktionen Krieg ausbrechen, denn ein entstandenes Machtvakuum wird IMMER ausgefüllt. Und wer sagt eigentlich, dass jemand, der so ein Battle Royale überlebt auch der geeignete Kandidat für den Posten ist und KEINE PTS oder Paranoia entwickelt, die sich in Wahnsinn steigert? (Kuckt euch mal römische Kaiser an...)

Wer sagt eigentlich, dass der Gewinnerin auch Land und Leute am Herzen liegen? Wer sagt, dass diese Frau sich auf internationalem Parkett zu bewegen weiß, ohne einen ausländischen Gesandten oder herrschaftlichen Gast zu verärgern – und damit Krieg zu provozieren? Wer sagt, dass sie sich nicht in den erstbesten Kerl verknallt, der ihr sagt, was sie hören will und dann macht, was er sagt, weil sie ihn ja so liebt?

Oder dass sie sich angemessen kleidet und ihrer Vorbildfunktion nachkommt, anstatt – wie in der Verfilmung der „Shannara Chroniken" – ein Kleid trägt, dessen Rücken so tief ausgeschnitten ist, dass man den „Münzschlitz" sieht? Wie viel muss man da reinstecken, um eine Stunde zu buchen? Lohnt sich diese Ausgabe? Was ist so schwer daran zu verstehen, dass Adelige ihr Volk repräsentieren... und sei es auch nur ein Baron die Menschen in seiner Baronie?
Ist die Prinzessin / Königin also falsch gekleidet und benimmt sich unmöglich, dann wird ihr Volk auch so sein... so denken die Menschen, und auch ihr werdet manchmal anhand des Verhaltens eurer Eltern oder großen Geschwister beurteilt. Selten werdet ihr von diesem Eindruck erfahren, denn ihr werdet oft nur mitbekommen, wie man sich euch gegenüber verhält, NACHDEM man sich ein Bild von euch gemacht hat.

Die „Shannara Chroniken" fallen übrigens auch in die Kategorie der Schaumschläger, wie oben beim Adel und Land angesprochen: Die Welt geht unter, weil irgendein wichtiger magischer Baum stirbt... und die Prinzessin mit Münzschlitzkleid / Thronfolgerin zieht los, nur um sich im Rest der Reihe mit einer Diebin um einen Jungen zu streiten, der sich für beide nicht interessiert.

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