45. Text: Lyrisch... aber den Tod wohlverdient? Passiv mal nicht als Diathese

Wir haben schon mal über Aktiv- und Passivsätze gesprochen, erinnert ihr euch? In einigen Kapiteln habe ich mal Beispiele aufgezählt. Dieses "Aktiv" und "Passiv" nennt man auch die "Handlungsrichtung" eines Verbs. Linguisten nennen es auch gerne "Diathese", weil sie ja Studierte sind.
Im Deutschunterricht habt ihr vielleicht auch mal die Worte "Tätigkeitsform" (Aktiv: Die Katze fraß die Maus.) und "Leideform" (Passiv: Die Maus wurde von der Katze gefressen.) gehört. Alles das gleiche.

Aber darum geht es mir heute nicht. Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf einen Prolog lenken, der sich für Laien wunderschön formuliert und schön... lyrisch liest. Zart wie ein Duft im Frühling... und das in KRASSEM Kontrast zu dem, was in dieser Szene eigentlich beschrieben wird. Ja, ich schreibe das in Großbuchstaben, weil es ein sehr großer Kontrast ist.

Viele von euch kennen Geschichten, die mit einer Katastrophe beginnen. Bei Star Wars sterben gerne mal die Eltern, irgendwo anders wird man entführt, eventuell auch noch verkauft... bisweilen stirbt man selber und erwacht dann doch nicht tot, sei es wiedergeboren oder von Dämonen gerettet... Ich sage nicht, dass man so NICHT anfangen kann. Das Problem mit solchen Anfängen ist oft, dass der Leser nur dann Mitleid eurer Figur und ihrem Leid hat, wenn er ihr Opfer nachvollziehen kann. Weil er die Figur kennt, weil er z.B. gelesen hat, wie sehr sie ihre Eltern / Freunde liebt. Weil er weiß, wieviel ihr BEDEUTET, was immer sie verliert.

Ich selbst habe mehr als eine Geschichte korrigieren dürfen, die damit beginnt, dass die Hauptfigur einem Feuer zum Opfer fällt - und jedem dieser Autoren habe ich gesagt, der Leser muss die Verzweiflung und Angst spüren können. Die Hitze des Feuers, den Schmerz, wenn die Haut verbrennt und der heiße Rauch ihr die Lunge verätzt. Die Panik, die man hat, wenn man im Qualm die Orientierung verliert und wegen dem Rauch nicht mehr aufhören kann zu husten. Wie Wind und Backdraft die Flammen anfachen und es noch heißer wird, wie das Gelb der Flammen blendet und das Rotorange an den kälteren Stellen die Farben all dessen verändert, was das Feuer berührt. Die unheimlichen, dunklen Schatten, die es wirft, und die oft wirken, als würden Teufel tanzen. Vergesst nicht den Lärm, den zerberstendes Glas, zusammenstürzendes Gebälk, brennende Möbel und das Feuer selbst machen. Ein Brand ist alles andere als leise... und ihr könnt davon ausgehen, dass man in so einer Situation auch nur schwer nach jemanden rufen kann, bzw. dass man gehört wird. Holz verzieht sich bei Hitze, Plastik schmilzt zu stinkenden, schwarzgrauen Klumpen und metallene Türklinken werden sehr, sehr, sehr heiß...
Ich will da nicht lesen, wie eine Wohnung im Detail aussieht, wie das eigene wie auch immer gefärbte Haar verbrennt, während aus Augen welcher Couleur auch immer, Tränenströme laufen. Jeder mit Verstand FLIEHT vor Feuer oder versucht zu löschen. Keiner sitzt in so einer Situation rum und versteckt sich, oder schwelgt in Erinnerungen über sein Aussehen.

Ihr seht, ich schreibe hier kurz zusammengefasst AKTIV, was in so einer Szene passieren kann, muss und wird. Und ihr erkennt vielleicht auch, dass ich nicht nur aufgezählt habe, was man SIEHT.

Und das bringt mich zu dem Punkt dieses Beispiels. Denn unsere Hauptfigur wird genau daran scheitern. Sie ist so unglaublich passiv, dass ich wirklich dachte: Sie hat den Tod verdient.
Nicht aus Sadismus oder Gehässigkeit gegenüber der Autorin, sondern einfach deshalb, damit die Ich-Erzählerin endlich mal SELBER WAS MACHT. Damit etwas passiert, dass sie emotional berührt... aber nicht mal der eigene Tod berührt diese Figur und ich stelle mir Feuer als Mittel der Wahl als sehr "berührungsintensiv" (weil sehr schmerzhaft) vor.

Wir haben hier einen Twilight-Fan mit einer Twilight-Fanfic. Die Cullens sind natürlich auch der Clan der Wahl, alle anderen schauen ja nur kurz vorbei, damit Edward und Bella einen Hauch von Drama gegen ihre Liebe haben. Clans aber haben eine Eigenheit - egal ob Vampir oder Werwolf: Wer den Clan verlässt oder, auf welche Art auch immer, verrät, ist ein Ausgestoßener, ein Heimatloser, der niemals zurückkehren kann. Im Klappentext erfährt man schon, dass jemand feige abhaut... aber es ist viel schlimmer: Hier wird ein Clan sterben gelassen, mit voller Absicht durch Inkompetenz. Nicht nur "zurückgelassen" oder "aufgegeben".

Angeblich ist der Prolog überarbeitet... aber außer der Rechtschreibung wurde nichts gemacht, wie es scheint. Dabei ist es wieder mal der Inhalt - oder besser, die Sprache, die ihn uns näherbringen soll, in einem Versuch, die Mängel zu kaschieren.
Achtet mal ganz genau darauf, wie PASSIV und EMOTIONSLOS die Ich-Erzählerin ist.

>>Prolog ✔️
Wenn ein Kampf um dich herum ausbricht, du zusiehst wie dein Clan stirbt und du nur dabei zuschauen kannst, nicht fähig etwas dagegen zu unternehmen, weißt du, dass du alles verloren hast.<<

Nein. Es bedeutet, dass man hat nicht alles versucht hat, um sie zu retten. Und ich weiß nicht, wie ihr seid - aber ich entschuldige sowas nicht. NIEMAND kann bei Mord "einfach nur zuschauen"... zumindest nicht diese Ich-Erzählerin. Die hätte nämlich alle retten können.

>>Schreie, Schluchzen und das bebende Aufprallen toter Körper ließen mich abermals zusammenzucken.<<
Lyrischer Fail. Wie kann ein Geräusch denn "bebend" klingen? Im Überarbeitungskapitel habe ich euch gesagt, dass ihr auf die Adjektive achten müsst... nun wisst ihr, warum. Auch das "abermals" ist falsch, denn vorher haben wir nichts gehört gesehen oder gelesen.
Außerdem steht hier zwar etwas... aber wie soll ein Leser sich das Geschehen vorstellen? Regnen Leichen vom Himmel? Schmeißt sie jemand zusammen, wie irgendein übermächtiger Gegner seine Feinde? Wir sind hier nicht bei "The Walking Dead", wo die Zombies übereinanderklettern und sich gegenseitig in Zäune drücken. Wer schreit und schluchzt, wenn er schon tot ist? Wo passiert alles?

Ja, ich, die sparsam mit Beschreibungen umgeht will hier ein BILD, keine Floskel.

Aber fällt euch noch etwas auf? Da soll was undefiniertes Schreckliches passieren... aber Ich-Erzählerlein BEWEGT SICH NICHT. Sie erschrickt nur, aber sie läuft nicht weg, hält sich nicht die Ohren zu oder versteckt sich. Irgendwas, was jemand in so einer Situation machen würde.

>>Tränen liefen meine Wangen hinunter und der salzige Geschmack dieser setzte sich auf meinen Lippen fest.<<
Nach dem Anschauen des Gemetzels macht die Erzählerin noch etwas: Heulen und sich die Lippen ablecken. Ziemlich gruselig, wenn man sich das bildlich vorstellt - und das sollen wir, deswegen ist dieser Text so geschrieben.

>>Überall am Körper zitterte ich geschockt.<<
Es zittert also nicht der Torso und dadurch die Gliedmaßen, sondern wie bei einem simulierten epileptischen Anfall jeder Teil einzeln. Die Arme, die Beine, der Rumpf, der Unterleib... und weil ich viel zuviele indische Filme gesehen habe denke ich dabei an 5:25 von "Happy New Year". (Ja, lief auf Deutsch im TV... und ja, die Rolle hat einen epileptischen Anfall.)

https://youtu.be/G_mCIeEb6cM

>>Eine Chance ihnen zu helfen hatte ich nicht, aber selbst wenn – es war alles vorbei.<<
Sie versucht es nicht mal. Diese Figur hat eigentlich eine Fähigkeit, mit der sie den Kampf bereits ganz zu Beginn schon hätte beenden können. Chancen ergeben sich, wenn man aufpasst, wachsam bleibt... aber vor allem, wenn man mitkämpft. Beides macht die Erzählerin aber nicht. Dabei stehen die Leben ihrer Clanmitglieder auf dem Spiel.

Und achtet mal auf die Satzaussage: Selbst WENN sie einen Chance gehabt HÄTTE... es war alles vorbei. Denn SIE hätte sie nicht genutzt.

>>Der kleine Teil des Schutzschildes des Gefährten unserer besten Wache würde nichts bringen.<<
Der Leser hat kein Mitleid mit Leuten, zu denen er keine Bindung aufbaut, die er nicht kennt. Er bemitleidet keine NPCs oder Kanonenfutter. Und wieso bringt der Schutzschild nichts? Erzähler-chan lebt noch - er funktioniert also.
Allerdings gewinnt man keine Kämpfe, indem man den Feinden erlaubt, sich an einem Schutzschild zu versammeln... und man gewinnt auch keine, wenn man nur dasteht und heult. Wir wissen nicht mal, wieviele Angreifer aus wieviele Verteidiger kommen und der Schutzschild eines der Besten im Clan bringt nix? Was sind das für ein Haufen Nieten?!

>>Sie würden mich auch so töten.<<
Das Ding wehrt sich ja auch nicht. Es schützt sich auch nicht, der komplette Lebenserhaltungstrieb, ein Urinstinkt aller Lebewesen fehlt bei ihr komplett. Sie behauptet einfach irgendwas um Mitleid zu schüren, aber man SIEHT nichts, außer ihr manisches Zittern und Lippenlecken. Wo ist der Kampf, das Leben behalten zu wollen? Wo ist die Panik, die Sorge um die Geliebten? Da stirbt jeder, den sie gekannt hat... aber man merkt nichts davon.

So muss sich Lots Frau gefühlt haben - aber die konnte dann auch nichts mehr machen, weil sie zu einer Salzsäule (oder war es Stein) erstarrte.

>>Abermals spürte ich vermehrt die Tränen über mein Gesicht laufen.<<
Schön, dass sie neben dem Salzgeschmack auf ihrer Zunge noch das merkt. Wenigstens etwas.
Für den Leser, der vergessen hat, dass sie schon Rotz und Wasser heult, denn danach schmeckt es, wenn man so weint, wie es hier beschrieben wird. Man bekommt keine Luft, die Brust wird eng... und die Nase läuft wie ein Wasserfall.

>>Mein Blick wanderte über die toten Körper meines Clans hinweg,<<
Ein namenloser Haufen Fleisch, der einfach überrannt wird, als wäre es nichts.

>>dessen Anblicke mir abermals einen Stoß in die Magengrube gab.<<
Der Clan - Singular. Also auch "Anblick" in Singular.
Das Wort in diesem Kontext zu verwenden ist zwar nicht sinngemäß falsch, aber zumindest etwas unpassend, denn ein "Clan" ist zwar eine Familie... aber auch eine namen- und gesichtslose Masse. Es sind keine Eltern, die hier liegen, oder Geschwister, die - keine Ahnung - verstümmelt, hingemetzelt abgeschlachtet wurden. Onkels, Tanten, Cousins, Cousinen, Freunde und Freundinnen, Alte und Kinder... nur EIN CLAN. Da könnte ein Brokolifeld sein - die Wirkung wäre die gleiche.

>>Bis auf drei waren alle tot.<<
Wenn sie die "toten Körper meines Clans" sieht, sind ALLE tot. Wie können dann drei noch leben? Warum exakt DREI? Zählt sie, während sie vor Tränen überfließt und zittert? Und wer sind die drei? Die drei Musketiere, die drei Fragezeichen? Wie kann sie alle Gesichter erkennen? Liegen alle Leichen auf dem Rücken und sind es nur so wenige Mitglieder, dass man das verheult und zitternd glasklar erkennen kann?

>>Die Wache, ihr Gefährte und Derek. Alle drei wie vom Erdboden verschluckt – geflüchtet.<<
Okay, ein NPC, sein NPC und ein Name. Aber wenn diese Feiglinge verschwunden sind, woher weiß die Erzählerin, dass ausgerechnet sie AM LEBEN sind? Liegen die Leichen etwa ordentlich nebeneinander? Auf einem Friedhof vielleicht, aber niemals auf einem Schlachtfeld.

>>Langsam wand ich meinen Blick ab, geradewegs auf die kleine Gruppe, die für alles verantwortlich war.<<
Habt ihr aufgepasst, was das Mädchen die ganze Zeit macht, wie sie auf sich kuckt und dann ziellos in der Gegend herum? Wo ist sie, wie ist die Umgebung? Sie ist nicht in einem Giger-Szenario, wo alles auf einen engen Raum mit fragwürdiger Inneneinrichtung konzentriert ist.

Hier erfahren wir, dass es eine undefinierte, aber KLEINE Gruppe ist, die mit einem CLAN kurzen Prozess gemacht hat. Wir werden noch erfahren, dass es mindestens vier Leute sind - aber wie groß war der Luschenclan?

>>Sie hatten es geschafft, einen ganzen Clan auszulöschen.<<
Und wie haben sie ihn ausgelöscht? Nur weil man mit jemandem zusammenstößt, stirbt man nicht. Schon gar nicht als Vampir, das sind zähe Viecher. (Die Figur hat eine "Gabe", ich gehe also davon aus, dass sie kein Mensch und kein Werwolf ist, denn in "Twilight" haben nur Vampire eine "Gabe".)

Sie waren mächtig und wir waren geschwächt. Geschwächt von Emotionen und Gefühlen. Nicht imstande, einfach kalt zu töten.<<
Was wir über den Clan bisher erfahren haben, widerspricht dieser Aussage. Der Clan ist nicht von Gefühlen geschwächt - denn niemand hat hier welche, selbst unsere erzählende Heulsuse nicht wirklich. Drei der Berufskämpfer sind feige weggeglaufen, und alle anderen lassen sich offenbar einfach umbringen und wehren sich nicht.

Vor allem hat es nichts damit zu tun, dass man nicht "imstande ist" zu töten, weil man "Gefühle" hat - Emotionen ist ein Synonym, also streichen - sondern allen fehlt der Urinstinkt zum Überleben. Dieser Clan ist so überzüchtet, dass er keinen Überlebenswillen mehr hat und so könnte ein Kind diesen Clan ausrotten. Mit einem Grashalm.

>>Ängstlich schaute ich sie an und lauschte dem knirschenden Geräusch vom Schnee, verursacht durch ihre Schritte.<<
Es soll so lyrisch klingen, und es klingt so... sauber. Schnee ist weiß und das ganze Gemetzel von eben ist plötzlich dem Kopf des Lesers entrissen. Übrig bleiben drei Figuren in mystischem Weiß. Warum also sollte ich die Erzählerin bedauern, mit ihr mitfühlen? Es ist doch nichts passiert, was Bedeutung für sie hätte...

Aber wir wissen jetzt immerhin, dass man sich draußen in freier Wildbahn gekloppt hat. Nicht in einem Schloss oder so. Um so peinlicher ist das Versagen, denn Enge (wie sie in geschlossenen Räumen vorherrscht) behindert beide Parteien.

>>Wir konnten nicht mehr gewinnen.<<
Ich sagte ja, die besten Kämpfer sind weg und die Erzählerin macht nix außer gaffen und heulen. Hier hat kein Kampf stattgefunden - denn nur einen Kampf kann man gewinnen. Ein Gemetzel, was es hier eigentlich sein SOLLTE, dem aber die Beschreibung überhaupt nicht gerecht wird, ÜBERLEBT man.

Irritierend ist auch diese Wiederholung von "nicht mehr gewinnen" - denn so wie ich das hier rauslese bestand NIE eine Chance. Die Gegner haben gewonnen, weil sie etwas GEMACHT haben - die Clanmitglieder aber tun... taten nichts. Denn das hätte man gesehen.

>>Nicht heute, vielleicht in einem anderen Jahrhundert.<<
Auch dann nicht. Euer Überlebensinstinkt fehlt. Aber wer soll den Clan denn bitte wieder aufbauen. Es ist niemand übrig.

>>Meine Chance zu fliehen war weg<<
Stimmt. Anstatt dich in Sicherheit zu bringen, hast Du einfach nur zugesehen. Es ist ja nicht mal so, dass sie vor Schock erstarrt ist, denn das wäre noch nachvollziehbar. Wie ein Sadist hat sie alles beobachtet - und doch zu wenig gesehen und gefühlt.

>>und mit ihr auch die Bestimmung.<<
Welche Bestimmung? Die zu heulen? Wir wissen nicht mal, wer oder was die Erzählerin ist, außer einem lyrischen Jammerlappen. Wenn sie wenigstens jammern würde...

Ja, gemäß dem Klappentext ist das hier Hailey - aber nach diesem Auftakt interessiert ihr Schicksal nicht weiter. Jemand, der sinnentleert buchstäblich ALLES mit sich machen lässt, ist langweilig. Und was das Faszinierende der Welt sein soll, gelingt der Autorin nicht in Worte zu fassen. Mord, Clans und Schnee gibt es nicht nur in der "faszinierenden und zugleich mystischen Welt der Cullens". Bestimmung ist ein großes Wort - aber hier ist es leer... ohne Bedeutung und Inhalt.

Die Autorin der Geschichte "The Princess' Tale" aus dem 20. Kapitel mag diese metaphysische Ebene auch - aber auch sie hat keinen Begriff davon, wie man in einer Geschichte dem sogenannten Schicksal oder der Bestimmung einer Figur relevante Bedeutung verleiht. Zu oft ist beides nur etwas, was andere einem mit kreativer Rhethorik einreden, damit man macht, was diese Leute wollen.

>>Aber hatte ich diese Chance zu fliehen überhaupt?<<
Da fehlt ein "gehabt" am Ende. Steht die Erzählerin mit dem Rücken zur Wand? Das würde die Richtungen einschränken - aber das erfahren wir nicht. Ist sie irgendwie verletzt oder behindert, dass sie nicht mit vampirischer Geschwindigkeit entkommen könnte? Sie hat ja nicht mal ANGST, dass man sie erwischen könnte... nein, immer noch steht sie still und stumm wo auch immer sie steht. Wie das Männlein im Walde.

Die Frage selbst ist unwichtig, immerhin wurde uns bereits zweimal gesagt, dass es bereits zu spät dafür ist. Man kann diesen Satz also sogar komplett streichen.

>>Ich denke nicht.<<
Noch ein überflüssiger Satz.

 >>Sie hätten diesmal trotzdem gewonnen.<<
Sie - wer auch immer das ist - werden immer gewinnen, wenn keine Gegenwehr passiert.

>>Leise hörte ich das Kichern eines Mädchens zu mir herüberwehen. Ihre Stimme war melodisch, fein und trotzdem schwang eine eiskalte Note mit darin.<<
Kichern klingt eigentlich immer wie Kichern, Lachen ist melodisch. Dass die Erzählerin gute Augen hat, ist uns schon aufgefallen, nicht wahr? Auch hier kann sie in einer Gruppe einzelne Personen ausmachen, auch wenn sie noch nah, weit? Wo auch immer sind.

>>Mein Herzschlag beschleunigte sich und wurde lauter.<<
Jetzt erst hat sie Herzklopfen? Vorher war sie die Ruhe in Person...

>>Sie kamen näher und mit ihnen auch der Geruch von Metall. Blut tropfte vereinzelt von ihren Umhängen auf den weißen Schnee und hinterließen eine rote Spur.<<
Ich sage ja, wunderschöne Bilder, lyrische Formulierungen... aber die Figur eine Katastrophe und gefühllos. Bemerkenswerterweise riecht sie jetzt plötzlich Metall, als sie ihren Clan begutachtet, riecht es gar nicht. Dabei stinken Schlachtfelder nach Blut, Metall und Fäkalien. Die Umgebung müsste zudem noch nach Schnee und dem riechen, was da sonst noch ist, aber nicht beschrieben wurde.

 >>Verbissen presste ich meine Lippen aufeinander. Es würde sowieso gleich vorbei sein.<<
Verbissen... wieder ein Adjektiv, das hier nicht passt, denn wogegen kämpft sie denn an, dass sie "verbissen" die Lippen aufeinanderpresst? Und wieder: Die Leute sind noch nicht mal BEI IHR und sie schließt schon mit dem Leben ab.

So eine leichte Tendenz zum Selbstmord ist unleugbar, oder?

>>„Sie lebt", stellte einer der drei Anführer<<
Is' nicht wahr...! Da steht jemand mitten im Schnee und beobachtet euch... Der Kerl, der das sagt, ist ein ganz schlauer, vor dem müsst ihr euch in Acht nehmen, Kinder!

Mein erster Gedanke war hier übrigens als Antwort: "Nicht mehr lange."

>>im Bunde fest.<<
Woher weiß Erzählerchen, dass die Drei einen BUND geschlossen haben? Vor allem gibt es in einer kleinen Gruppe nicht drei Anführer. Simple Logik: Einer führt, die anderen folgen.

>>Seine Stimme war brüchig, genauso wie sein äußerliches Erscheinungsbild.<<
Der eine fällt also auseinander? Brösel...

>>Kurz vor mir blieben sie mit etwas Abstand stehen,<<
Glauben Autoren, ihre Leser würden bei dem Wort "kurz" denken, der Feind springt der Erzählerin ins Gesicht? Es ist doch völlig selbstverständlich, dass "kurz vor" bedeutet "mit etwas Abstand"! Ja ja, wenn die Schriftsprache einen in den Popo beißt...

>>vielleicht erwarteten sie noch einen Hinterhalt.<<
Mir fallen da ein Dutzend andere Gründe ein, warum ich KURZ VOR jemandem stehenbleibe, mit dem ich rede. Ein Hinterhalt wäre übrigens wirklich eine Option gewesen - aber so klug waren weder der Clan, noch die Autorin.

>>„Ich habe sie mir stärker vorgestellt", erläuterte das Mädchen gespielt überrascht. In ihrer Stimme schwang ein leichtes Lachen mit.<<
Das Mädchen erläutert nichts. Eine Erläuterung ist eine Erklärung - hier aber macht jemand eine simple Feststellung. Und ja, lachen würde ich angesichts dieser Leistung bei Lebensgefahr auch. Zudem ist die Überraschung nicht gespielt, wenn die Realität von der Erwartung abweicht.

>>„Was ist deine Gabe, Kind?", kam es nun endlich von dem ältesten und zugleich jämmerlichsten Gestalt.<<
Endlich? Hat sie darauf gewartet, dass der Typ mit ihr redet? Und wie kann der noch jämmerlicher aussehen als der, der gerade zerbröselt?

Aber überlegt mal: Ein Brösli, ein Mädchen und ein Jämmerlicher richten so einen Schaden an... wie SCHWACH waren die anderen!

>>Zitternd begann ich zu sprechen: „Ich habe die Gabe, alle Ereignisse von deinem Seelenverwandten und dir zu sehen. Alle Emotionen und Gefühle, die du dabei spürst, fühle ich genauso nach. Wenn ich alles gesehen habe, kann ich entscheiden, ob ich diesen Seelenverwandten nun töten möchte oder nicht."<<
Sie kaut ihm ein Ohr ab. Die Frage war, was sie KANN, nicht, was sie damit MACHT.
Und wieder schießt sich die Wortwahl ins Aus: Es ist schlechtes Deutsch, zu sagen man könne "alle Ereignisse" von jemandem sehen. Welche Ereignisse sind das? Dass sie Gefühle nachempfinden kann bedeutet, dass sie nicht nur nachfühlen kann, sondern in dem Moment offenbar selbst mental in dem besagten Ereignis ist, ähnlich wie wenn ein Dämon einen Körper in Besitz nimmt. Dass sie nachfühlen kann, was sie selber sieht, hat sie aber schon als Lüge bewiesen, denn der Tod ihrer Leute entlockte ihr lediglich Tränen - sonst nichts. Der KÖRPER reagiert, aber das Herz / die Seele nicht.
Sieht sie also etwas einer anderen Person, wird sie das noch kälter lassen - denn sie weiß schließlich ganz genau, dass sie nicht derjenige ist, in dessen Erinnerungen sie gerade spioniert. Wieder etwas, das mystisch klingt, aber schon vorher durch die Figur widerlegt wurde.

Dass die Autorin sie zu einer Richterin über Leben und Tod von Seelenverwandten gemacht hat, macht das Mädchen zu einer Person, die overpowered ist, denn natürlich wird SIE entscheiden. Weil man entscheiden kann, wenn man etwas sieht. Aber versteht sie wirklich, was sie gesehen hat? Man sieht an der obrigen Szene, dass sie es nicht tut.

>>Ich war nicht zufrieden oder gar stolz auf diese Gabe.<<
Natürlich muss sie sich jetzt sympathisch machen und es kleinreden. Und natürlich hat man Ansprüche an seine eigene Herkunft, als könne man seine Fähigkeiten bei einer guten Fee aus dem Katalog bestellen.

>>Sie war gefährlich und die Tatsache, damit jemanden töten zu können, hatte mir noch nie gefallen.<<
Die Gabe ist nicht gefährlich. Das Mädchen kann ganz bewusst entscheiden, OB sie die Gabe einsetzt, wie lange und OB sie tötet. Bloße Hände können töten, wenn man jemanden schlägt oder erwürgt. Nach der Logik dieser Figur müsste dann jeder seine Hände als potentielles Mordwerkzeug sehen und verabscheuen.

HÄTTE das Mädchen jetzt aber ihre Gabe eingesetzt, HÄTTE sie ihren Clan RETTEN können. Sie hätte nur die drei Anführer ins Visier nehmen müssen... und wer nicht töten will: Schwer verletzt wären die wieder abgezogen.

>>„Was für eine Verschwendung. Wir könnten dich in unserem Clan willkommen heißen, aber wir beide wissen, dass dies den Umständen entsprechend nicht funktionieren würde."<<
Wieder wird was behauptet, aber der Beweis fehlt. Braucht der Clan diese Gabe nicht oder empfindet er sie als genauso unsinnig gefährlich wie die Erzählerin?

>>Langsam nickte ich. Sie spielten Spielchen. Spielchen, die irgendwann zum Tod führen würden.<<
Meine Geduld stirbt hier. Die schöne Sprache verschleiert für viele den Unsinn, der hier geredet wird und die Unfähigkeit der Erzählerin.

>>„Darf ich ...?", fragte das Mädchen zögerlich. Der Mann schüttelte verneinend den Kopf. „Zündet das Feuer an."<<
Es fehlt ein Absatz.

>>Hastig setzten sie sich in Bewegung, alle außer die drei schwach aussehenden Männer.<<
Wie groß ist die Gruppe denn? Drei kommen auf das Mädchen zu, der Rest ist... nicht erwähnt und damit unsichtbar? Und wer schickt denn ALLE los, um EIN Feuer zu machen? Da reicht einer, der Holz holt, und der zweite macht es an. Das klingt wie ein Ostfriesenwitz: Wie viele Ostfriesen braucht man, um ein Feuer zu machen?

Aber ich zähle grade: DREI schwache Männer? Brösli, Jämmerli und...?

>>Sie verharrten auf ihrem Standpunkt.<<
Auf einem Standpunkt verharren bedeutet nicht, dass man auf der Stelle stehenbleibt, sondern dass man seine Meinung nicht ändert.

>>Ängstlich schaute ich zu, wie sie den Schnee wegschaufelten und schnell Holzstücke, sowie ganze Holzstämme zusammentrugen. Höher und höher stapelten sie das Holz.<<
Stämme? Aus dem Schnee? Und wieder macht das Mädchen nichts um sich zu retten. By the way... für einen Scheiterhaufen braucht man trockene Holzscheite und Zunder, keinen Wald.

>>„Das reicht. Zündet es an", befahl nun der Mann, der bis dahin nichts hatte verlauten lassen.<<
Die Führungsrolle ist echt nicht geklärt. Aber da issser: Nr. Drei.

>>Mit einer kurzen Handbewegung unterstrich er seine ausgesprochenen Sätze.<<
Gebärdensprache für taube Mitglieder? Wie unterstreicht man "Es reicht, anzünden!"?

Auch das Wort "ausgesprochenen" ist überflüssig, denn immerhin lesen wir ja, dass er laut spricht und nicht denkt. Wozu sonst wären da Anführungsstriche und ein Redebegleitsatz? ich persönlich hätte hier die Formulierung "[...] unterstrich er das Gesagte" vorgezogen.

>>Schon fast begeistert in seinem Vorhaben, zündete der Kleinste eine Fackel an und schmiss sie in den Haufen.<<
Fackel und Feuer hat er woher? Die Gruppe ist nun auf fünf Leute angewachsen.

>>Die anderen taten es ihm gleich. Rasend schnell breitete sich das Feuer aus, bis bald der ganze Haufen in Flammen stand.<<
Jeder darf ein Feuerchen reinschmeißen... aber schneenasses Holz brennt nicht gut. Es qualmt nur furchtbar und stinkt.

>>Der rauchige Geruch stieg mit in die Nase und hinterließ dort ein unangenehm trockenes Gefühl.<<
Interessant, dass man nur den Rauch riecht, nicht das Holz... aber trotzdem "rauchiger Geruch"... wäre eine Wortzusammenstellung, über die ICH BEI MIR DEFINITIV rübergehen würde. Übrigens sind bei uns Menschen Nase, Mund und Rachen miteinander verbunden (bei Pferden z.B. nicht). Der Rauch macht ihr also nicht nur die Nase "unangenehm trocken". Ihre Augen müssten tränen - diesmal nicht vom Weinen, denn wenn sie Grund hat, tut diese Erzählerin das nicht - und sie müsste anfangen, fürchterlich zu husten.

>>Die Funken sprangen und brannten sich unaufhaltsam in den Schnee, bis sie dort schlussendlich verglühten.<<
Funken entstehen durch Wind und wenn Kleinteile verbrennen, wie Gras oder Stroh. Im Feuer sind aber HolzSTÄMME und grobe HolzSTÜCKE - keine Zweige oder Äste - und es weht auch kein Wind. Woher also kommen die Funken - und wie wollen sie sich in den Schnee brennen, wenn der sie sofort löscht?
Ich vermisse übrigens das Knacken vom Holz und auch der Herzschlag der Erzählerin scheint wieder normal zu sein. Wer Angst hat, schwitzt auch manchmal oder macht sich in die Hose - Erzähler-chan steht aber wieder nur gaffend herum und klagt über's Näschen.

>>„Es wirklich Schade um dein Schicksal.<<
Mord hat nichts mit Schicksal zu tun. Vor allem, wenn es schnellere und leisere Methoden geben würde als einen Scheiterhaufen, dessen Rauchfahne man meilenweit sieht. Überlegt mal: Die haben mit dem GANZEN CLAN kurzen Prozess gemacht, aber die Erzählerin wird langsam geröstet. Wieso? Weil der eine Dude mal ein Wikingerbegräbnis sehen wollte, oder was?

>>Dein Leben wird so brutal zu Ende gehen ...", säuselte der Älteste.<<
Und wer ist das jetzt von diesem undefinierten Haufen Fremder? Brösli oder Jämmerli?

>>„Siehst du ihn?", hakte er nach.<<
Kontextbedingt redet der Kerl vom Schicksal... und das ist ein Neutrum. Also: "Siehst du ES?"

>>Langsam ging mein Blick an den dreien vorbei.<<
In welche Richtung und warum sollte sie das tun? Der alte Mann zeigt in keine Richtung.
Das Unmittelbare in der Nähe ist der Scheiterhaufen und ja, den kann sie sehen, weil sie davorsteht.
Es sind auch wieder nur drei, die Missi sieht. Das Mädchen und den Kleinen sieht sie nicht. Alle anderen, die beim Feueranmachen geholfen haben, auch nicht...

 >>Und tatsächlich, eine Gestalt kam in hoher Geschwindigkeit auf uns zu gerast. Derek ...<<
Namedropping. Mehr nicht. Ein Name lief davon - und als es diesmal WIRKLICH und ganz in Echt zu spät ist, kommt er wieder.

>>„Er hat dich nicht verlassen, er ist auch nicht geflüchtet. Ein paar meiner Wachen haben ihn aufgehalten ... dass er noch rennen kann wundert mich. Wahrscheinlich waren sie mal wieder einmal zu weich. Ich werde ihm einen Platz in meinem Clan anbieten, denn er natürlich nicht ausschlagen wird."<<
Er stand nicht neben ihr, als gekämpft wurde, also HAT er sie verlassen. Auch dass die Wachen ihn "aufhalten" mussten, bedeutet, Derek IST abgehauen und hat ein Kind sich selbst überlassen. Wow, großer Krieger.

Aber ist schon witzig, oder? Derek soll ganz toll sein - aber er hat NIX gemacht. Selbst jetzt, zur Rettung der passiven Jungfer, kommt er zu spät, weil er sich vorher verkrümelt hat, anstatt bei ihr zu sein - oder auf dem Schlachtfeld zu helfen. Der "Bösewicht" erzählt das, wie die Bösen in den "James Bond"-Filmen, wenn sie ihre Pläne verraten, aber die Info ist absolut wertlos! Auch für den Leser, da die Erzählerin stirbt, ist es völlig egal, was Derek in Zukunft machen wird. Denn selbst wenn man wiedergeboren wird, ist man nicht mehr der Mensch, der man vorher war!

Am Schönsten wurde das in "Sailor Moon" gesagt - von jemandem, der wirklich nicht helle ist: "Ich bin Bunny Tsukino, nicht Prinzessin Serenity. Es ist mir egal, wer ich in einem vorherigen Leben war!" Denn selbst, wenn man die Erinnerung an das frühere Ich bekommt... es ist emotional nicht mehr beeindruckender als ein trauriger Film: Man kennt die Menschen darin nicht oder die Orte, die man sieht. Dadurch fehlt die echte emotionale Bindung.

So mag es "Schicksal" sein wollen, dass Erzähler-chan und Derek sich Jahrhunderte später vielleicht wiedersehen - immerhin lässt der Klappentext sowas vermuten - aber Hailey ist eine völlig andere Persönlichkeit als die Erzählerin hier, denn sie ist ein völlig anderer Mensch, der von völlig anderen Erlebnissen geprägt wurde.
(Ganz zu schweigen davon, dass ich diesem Mann nie verzeihen würde, dass er meinen Clan und mich hat sterben lassen. Wäre ich also Hailey, sollte er BETEN, dass ICH mich nicht erinnere, wie er den Clan verraten hat und wie ich versagt habe. Ich würde aus Scham über meine Feigheit und Unfähigkeit gleich nochmal sterben - in chinesischen Geschichten geht sowas nämlich.)

>>Ein Lächeln zierte seine Lippen,<<
Die Lippen eines gehässigen alten Mannes werden durch ein Lächeln sicherlich nicht schöner. Also "ziert" dieses Lächeln seine Lippen eher nicht... es sei denn, der Mann ist absolut heiß, obwohl er ein alter Kerl ist. Eine Zierde ist immer eine Verschönerung - klaut also keine Sätze, die ihr nicht versteht, Leute. Eine Zierde unter den Frauen ist ein ausgesprochen schönes Exemplar dieser Gattung.

>>bevor er weiterfuhr: „Eine schöne Reise, dir".<<
Da der Mann weiterfährt, wird ER wohl die Reise machen. "Forttfahren" ist das Wort mit den zwei Bedeutungen.

>>Mit diesen Worten packte er mich und warf mich rücklings ins lodernde Feuer.<<
Beugt er sich dabei hintenüber? Wie macht er das? "Rückwärts" ist das Wort der Wahl, "mit dem Rücken zuerst" klingt noch besser. Aber eigentlich ist es faszinierend, dass man das Mädchen nicht fesselt. Es KANN also weglaufen und aus dem Feuer fliehen. Wie herum es ins Feuer geworfen wird ist eigentlich egal - Kernaussage ist, sie landet im Feuer und verbrennt dort.

Was mir grade noch auffällt: Der Älteste der Gruppe packt sie - und Jüngere der Gruppe sehen schon uralt aus. Wieviel Kraft muss also dieser Tattergreis haben, dass er ein Mädchen / eine junge Frau (immerhin hat sie schon einen Lover) zielgenau in ein Feuer schmeißen kann, als würde man beim Handball ein Tor werfen? Dass sie sich nicht wehrt und er ein Vampir ist, macht die Sache sicherlich leichter, aber dennoch ist ihre Größe bestimmt ein wenig unhandlich. Ich stelle mir das ein bisschen wie einen Speerwurf vor...

>>Weiter und weiter brannte sich das Feuer in mich hinein.<<
Und so löscht man den Clan aus, denn offenbar tut das Feuer nicht mal weh. Und Derek ist immer noch am Rennen...

>>Er war nicht geflüchtet ... wie konnte ich an ihm zweifeln?<<
Die Erzählung schwankt immer sehr zwischen Innen- und Außenansicht, zwischen Gefühlen und Handlung. Leider aber immer im ungünstigsten Moment. Dieses Mädchen müsste vom Rauch husten, ihre Lunge müsste verbrennen und ihre Haut Blasen werfen, die platzen und das Gewebe darunter freilegen, die Nerven... diese Schmerzen sind wahnsinnig, und sie müsste schreien, bevor sie ohnmächtig wird.
Aber SIE denkt daran, dass sie an einem Typen gezweifelt hat, was sie nicht mal tat? Und dann ist es auch noch jemand, den der Leser nicht kennt, der ihm also nicht egaler sein könnte, weil Derek es nicht schafft, sein Mädchen zu retten? Haben ihn die Wachen aufgehalten, indem sie ihm die Schnürsenkel zusammengebunden haben? Ich meine, SIE kann ihn schon rennen sehen und er läuft und läuft... ohne jemals anzukommen. Er RUFT nicht mal nach ihr.

>>Er liebte mich.<<
Wir haben keinen Beweis dafür, also müssen wir das auch nicht glauben. Sie will uns auch einreden, dass sie IHN liebt - aber auch das ist nur gesagt. Faktisch war er nicht da, als man ihn brauchte: Weder physisch noch in der Gefühlswelt der Erzählerin.

>>Tränen flossen meine Wangen hinunter und verdampften auf halbem Weg auf meiner Haut.<<
Auf halben Wege wohin denn? Wieder zuviel unnötige Info und wieder Geheule. Kein Schreien vor Schmerz, kein Husten, kein Rufen vom Namen des Geliebten... viel Gerede aber wenig Gefühl. Und das bei einer Szene, die sich eigentlich - wenn man sowas überlebt - ins Gedächtnis eingräbt wie mit einem Schweißbrenner in ein Holzbrett.

>>Ich würde ihn wieder sehen – in einem anderen Leben.<<
Selbstmörder werden nicht wiedergeboren. Die kommen in die Hölle. Vor allem im christlichen Glauben von Stephenie Meyer.

Ich muss mit nicht geringem Erstaunen sagen, dass ich noch nie einen Text gelesen habe, wo die HAUPTFIGUR so wenig TUT. Dass sie auch nichts fühlt, sondern es nur behauptet, verstärkt den Eindruck der Leere, den ich bei ihr empfinde... und es ist nicht die Leere eines gebrochenen Herzens, sondern die Leere von etwas, in dem von Beginn an nie etwas gewesen ist.
Diese Erzählerin hat NICHTS gemacht, um am Leben zu bleiben, hat den Tod ihrer ganzen Familie und aller Verwandten auf dem Gewissen. Sie hat zugelassen, dass eins der schlimmsten Dinge passiert, die jemandem passieren können und nicht mal VERSUCHT, es zu verhindern. Sie TRAUERT NICHT MAL mit EINEM Wort um all die Gestorbenen, ihr laufen nur die Augen aus. Aber sie bewegt sich während dieser ganzen Szene nicht einen Schritt.

Der Text wirkt auf den ersten Blick für viele bestimmt wunderschön geschrieben und lyrisch. Poetisch wie die tanzenden Flocken von fallendem Schnee. Die Grundlagen unserer Sprache sind auch ausreichend vorhanden - mit kleinen Ausrutschern, die ich hier angemerkt habe. Ist das Lob genug?

Aber es ist alles sinnentleert geredet und behauptet, anstatt uns zu ZEIGEN, wie sehr es die Erzählerin mitnimmt, wie sehr sie leidet, wie sehr es ihr Herz zerstört, das nicht nur miterleben zu müssen, sondern auch hilflos zu sein, weil jede Art von Gegenwehr nur ein schwacher Versuch im Angesicht eines übermächtigen Feindes ist. Wer mit so einem traumatischen Ereignis seine Geschichte anfängt, muss auch mit einem Paukenschlag beginnen - nicht mit dem zarten "Ching" einer Triangel und Behauptungen, die vom Verhalten der Erzählerin sofort widerlegt werden.

Es gibt einige unter euch, die anders in Geschichten schreiben als in ihre Kommentare. Diese Autorin wird mit Sicherheit zu denen gehören. Aber wenn in der Sprache kein Inhalt steckt, nützt es euch nichts - und ich bedanke mich für dieses Beispiel, das genau diesen Aspekt eiskalt auf den Punkt bringt. Auch deswegen ist der STIL einer der letzten Punkte der Überarbeitung - und nicht relevant, wenn man die erste Fassung zu Papier bringt. Die schönsten Worte werden nicht über mangelndes Worldbuilding - hier die mangelnden Szenenbeschreibungen, denn wir erfahren nur, dass Schnee liegt - fehlende inhaltliche Logik, "Tell" anstatt "Show" oder oberflächliche Figuren hinwegtäuschen.

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Ein Kommentator aus dem letzten Kapitel verriet mir, dass meine Beispieltexte Gehirnzellen vernichten. Also dachte ich mir, vielleicht wollt ihr als Belohnung für das Lesen dieses Textes mal ordentlich lachen? Lachen bildet welche, hat mir mal jemand gesagt.
Die "Ballerina" hier (seht ihr den Tumbnail?) ist Sha Rukh Khan, einer der größten Stars des indischen Kinos... und ich finde es schön, wenn gerade die sich mal KOMPLETT zum Deppen machen. Wer sich das Videos oben angeschaut hat: So begann die Truppe ihre "Tanzkarriere".

https://youtu.be/ty6Z27DeqK4

Ja, eure Lady mag Tanzfilme. Auch ein paar indische, obwohl die sich manchmal ein bisschen sehr selber feiern und übertreiben. Und so erkenne ich natürlich auch die Referenzen... zumindest ein paar, wie Sha Rukh Khans "Flashdance"-Interpretation.

Aber weil wir hier auch wieder über "Show, don't tell" und Charaktere geredet haben: Regisseurin und Choreographin Farah Khan hat sich die Mühe gemacht, den Zuschauern zu zeigen, wie unfähig die Helden am Anfang waren - und auch der große Boss mit dem Schmollbart eines tragischen Helden ist da keine Ausnahme ^.~ Erst Deepika "Außer mir kann das nur noch Shakira" Padukones Rolle schafft das, woran die anderen Lehrer scheitern: Man sieht mit jeder weiteren Tanzeinlage, wie sehr sich die Gruppe verbessert. Hier der Beweis... nicht nur, weil mir das Lied gefällt: Noch nicht perfekt oder gut - aber definitiv besser als vorher.

https://youtu.be/jVa4JQs--w0

Auch in Geschichten muss man sich so steigern... und nicht nur sagen, dass man es tut.

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