21. Klappentext: "Sager - Die falsche Prinzessin"

Hallo, meine lieben Neugierigen und Lernwilligen. Ein begeistertes Winken an die Fans.

Heute hat eure Lady mal etwas ungewöhnliches und dennoch bereits Altbekanntes für euch: Sie ist gebeten worden, den obigen Klappentext zu überarbeiten, redigieren, damit er noch besser und interessanter wird. Klappentexte haben wir ja vor jedem Einblick in die Bücher, aber das Besondere an dieser Aufgabenstellung ist, dass es nur diesmal bewusst um die "Verpackung" geht.

Kommt, wir schauen mal, was einen Klappentext ausmacht. Wie schreibt man den denn?

Aufgabe: Der Klappentext ist neben Titel und Cover, das erste, was man von eurer Geschichte sieht. Egal, ob das bei einem gedruckten Buch im Laden ist, oder auf einer Schreibseite wie hier. Wenn das erste Kapitel das "Aushängeschild" eures Werkes ist, dann ist der Klappentext die Spiesekarte, das Warenangebot und manchmal schon der Weg IN die Geschichte, weil er das Genre andeuten kann. Er muss also schon konkret sein - darf aber nicht spoilern, wie wir es im "Worthülsen"-Kapitel gesehen haben.

Hier das Beispiel eines Profis:
"Das Königreich Kerack wird von Kämpfen um den Thron erschüttert. Auf der Suche nach Arbeit reist der Hexer Geralt von Riva dorthin und wird kurz nach seiner Ankunft verhaftet. Die Zauberin Koralle will ihn so zwingen, den Auftrag einer Gruppe von Zauberern anzunehmen. Er soll einen Dämon finden, der in Menschengestalt blutige Massaker verübt. Mit Unterstützung des Barden Rittersporn wieder frei, beginnt Geralt eine erotische Affaire mit Koralle und nimmt den Auftrag an. Es stellt sich heraus, dass einer der Zauberer die Dämonengeschichte erfunden und selbst die Morde begangen hat, um sich Geralts zu bemächtigen, an dessen außergewöhnlichen Augen er ein obskures Interesse hat ..."
("Zeit des Sturms - Teil 2 der Witcher Saga" von Andrzej Sapkowski)

Wer, wie ich, diese Standalone-Geschichte kennt, weiß, dass nicht alles so stimmt, wie es hier steht, denn Geralt ist ganz und gar nicht nach Kerack unterwegs... sondern muss auf dem Weg an sein Ziel diesen Ort durchqueren und wird seiner Schwerter beraubt. Denn nicht nur die Augen des Hexers sind von Interesse, auch Hexerschwertern wird magische Kraft nachgesagt. Außerdem braucht er keine Unterstützung von Rittersporn, um eine Frau rumzukriegen - im Gegenteil: Koralle ist an Geralts Bettfähigkeiten interessiert, weil er lange der Gefährte von Yennefer war und sie sich das nicht erklären konnte. Liest man die Witcher-Saga, ist von Reviewerseite immer vom "Weißen Wolf" und seinen Fähigkeiten im Kampf die Rede. Aber Geralt hat im Buch auch den Ruf eines guten Liebhabers. ^.~
Was der Klappentext nur andeutigsweise - aber im ersten Satz - verrät, ist, dass man hier zwei Geschichten in einer bekommt. Denn der Satz um die Thronstreitigkeiten würde nicht dastehen, wenn man Geralt nicht auch in diese verwickeln würde.

Ihr seht, der Klappentext ist nicht "perfekt" - aber ich finde, er passt sehr gut zum Buch und verrät weder zuviel noch zu wenig.

Noch einer:
"Vor den mörderischen Intrigen ihrer Tante, der Königin von Luft und Finsternis, nach Los Angeles geflohen, deckt die Privatdetektivin Meredith Gentry einen skandalösen Fall in der Drogenszene auf. Dabei entgeht sie zwar mit knapper Not einem gefährlichen Anschlag auf ihr Leben, doch ihre Tarnung ist dahin: Sie wird als die seit Jahren vermisste Sidhe-Prinzessin erkannt. Sidhe, das sind Wesen aus einer jenseitigen Welt, die Seite an Seite mit den Menschen leben. Die Handlanger ihrer mächtigen Tante lassen nicht lange auf sich warten. Doch zu ihrem Erstaunen stellt Meredith fest, dass sie offensichtlich nicht beseitigt werden soll. Vor allem einer der Leibwächter ihrer Tante schenkt ihr eine intensive und eigentlich strengstens verbotene Liebesnacht. Am Hof der Königin erwartet Meredith dann eine zweite Überraschung. Die Königin ernennt sie - neben ihrem düsteren Sohn Cel - zur Kronprinzessin. Allerdings mit einer Bedingung: Nur wenn einer von beiden innerhalb der nächsten drei Jahre für Nachwuchs sorgt, wird er oder sie den Thron besteigen. Dafür stehen Meredith nun die tapfersten Männer des Universums zur Verfügung. Doch gegen Cels Anschläge und zerstörende, magische Rituale kann ihr nur einer helfen ..."
("Schattenkuss" von Laurell K. Hamilton)

Auch hier sind Fehler drin: Sidhe sind Elfen. Keine Geister oder sonst irgendwas aus dem Totenreich. Tapfer sind die zur Verfügung stehenden Männer auch nicht, "sexuell ausgehungerte Wachposten" trifft es eher. Und die sind auch nicht so "universell" unterwegs wie Captain Marvel, die Green Lanterns oder Superman sind sie auch nicht. Es sind einfach nur irdische - aber keine menschlichen - Wesen aus der keltischen Mythologie. Merry, wie sie von allen genannt wird, kann auch nicht nur "einer" helfen. Sie bekommt ganze sechs Beaus an die Seite gestellt, wenn ich mich nicht verzählt habe. ^^

Aber dieser Klappentext ist schon ziemlich vage, legt er doch den Schwerpunkt von der Arbeit Merrys auf die Amouren, die sie im Buch haben wird. Dabei ist der Fall, den sie lösen muss und die Verwicklungen, die mit ihm zusammenhängen, sehr interessant: Immerhin sind Drogen im Umlauf, die wie eine Mischung aus Viagra und K.O.-Tropfen wirken und eine Göttin im Exil möchte ein Baby haben, doch ihr Menschenmann ist unfruchtbar... "Schattenkuss" ist also High und Urban Fantasy, Detectivestory, Harem und Smut - und wer sich darauf einlassen will: Die ersten beiden Bände der Reihe - "Schattenkuss" und "Nachtschwärmer" - sind auf Deutsch erhältlich und die besten. Die Meredith-Gentry-Reihe wird leider ab dem Ende von Band 4 einfach nur... blöd, weil die Autorin vergessen hat, was sie vorher geschrieben hat. Sehr schade.

Und der letzte:
"Eines Tages erhält die junge Bibliothekarin Jane einen Fünfzig-Dollar-Schein und die Aufforderung, sich an einem ominösen „Spiel" zu beteiligen: Wenn sie jeweils mitternachts eine bestimmte Aufgabe löst, dann verdoppelt sich ihre Belohnung. Sie macht mit. Die ersten Aufgaben sind noch leicht, doch sie werden härter – bis es kein Zurück mehr gibt: Das „Spiel" artet zu reinstem Terror aus ..."
("Das Spiel" von Richard Laymon)

Dieses war das zweite Buch, das ich von diesem Autor las - und bin seitdem begeistert. Wer jemals wissen wollte, wie ein Spannungsbogen funktioniert oder was "Slow Burn" ist und wer Figuren mag, die keine Idioten sind, ist hier genau richtig. Genau das, was hier steht, passiert auch im Buch, ohne dass das (absurde) Ende wirklich gespoilert wird.
Dieser Mann kann Figuren schreiben, die echt wirken, egal was sie tun oder wer sie sind. Er schafft es - denn er schreibt im Horrorgenre - auch wirklich Horror zu verbreiten, manchmal durch die Menschen selbst, manchmal auch durch die Situationen, in die sie kommen. Er holt das Besondere aus dem Alltäglichen heraus... und so wirken viele seiner Bücher so, als wären die Figuren eure Nachbarn. So, als könnte das, was er erfindet, jedem von uns passieren.
Für alle die, die immer nicht wissen was sie als Klappentext schreiben sollen oder die, die keine langen Klappentexte mögen. Macht es so wie hier...

Nun... wonach also beurteilen wir "Sager", den Klappentext, um den es eigentlich gehen sollte? Dafür kann ich nur eine kleine Umschrift anbieten, denn ich finde den Text eigentlich gut, so wie er ist.

>>Sie werden »Geschichtenerzähler« genannt, hinter vorgehaltener Hand auch »Erschaffer«, aber am häufigsten fällt der Name »Sager«.<<
Hier macht ein kleiner Punkt hinter "Erschaffer" schon den entscheidenden Unterschied, denn er stellt den Titel und die Fähigkeiten dieser besonderen Menschen direkt in Kontext. Und das, ohne diesen märchengleich anmutende Erzählstil zu unterbrechen.

>>Die »Sager« sind magiebegabte Menschen, die allein mit ihrer Willenskraft etwas aus ihrer Fantasie zum Leben erwecken können.<<
"Es sind Menschen...", gefiele mir hier besser, zum einen, weil die Wiederholung von "Sager" wegfällt. Zum anderen aber ist das Adjektiv durch die darauffolgende Erklärung der Fähigkeiten der Sager überflüssig. Uns muss nicht mehr gesagt werden "das ist Magie" - wir bekommen ein Beispiel dafür!

>>Diese Magie fordert jedoch einen hohen Preis - einen Teil der Seele, der vom »Erschaffer« auf seine »Schöpfung« übergeht und somit ihr Wesen grundlegend beeinflusst.<<
Ich bekomme hier ganz starke Dorian Gray-Vibes, aber es war nicht Oscar Wilde, der das mit der "Seele des Erschaffers" in einem Kunstwerk als erster literarisch verarbeitete.
Aber weil wir oben das Adjektiv "magiebegabt" gestrichen haben, ist "Magie" hier nun keine Wiederholung mehr. Ein Plus für Stil und Klarheit.

>>So entstand auch der Mann, der ein Ziel verfolgt, das sich wohl nur Größenwahnsinnige unter den Nagel reißen wollen - die Weltherrschaft.<<
Ziele verfolgt man... aber die Weltherrschaft kann man sich tatsächlich unter den Nagel reißen. Ziele nicht. Hier hakt also etwas.
Das Wort "Größenwahnsinnige" und der Name Batholomäus lösen in mir ein Gefühl von Ironie aus, als ob sich der Autor ein bisschen über die Figur lustig machen will. Das ist nichts Schlimmes, denn es kann ein Teil des Erzähltons sein, der die ganze Geschichte durchzieht. Wenn ein Autor will, kann er also auch den Klappentext schon als Stilmittel benutzen - ich persönlich mag das ganz gern.

>>Er nennt sich Bartholomäus und schreckt vor nichts zurück, damit ihm das gelingt. Auch nicht davor, ein Mädchen zu jagen, das ihn an seinem Vorhaben hindern und ihn vernichten könnte. Das Mädchen, das zwei Blutlinien miteinander vereint und über die Kraft verfügt, Bartholomäus Einhalt zu gebieten.<<
Hier könnte man kürzen, um Wiederholungen zu vermeiden:
"[...] herrschaft: Bartholomäus ist skrupellos und schreckt auch nicht davor zurück, ein Mädchen zu jagen, das zwei Blutlinien in sich vereint und dadurch über die Macht verfügt, seinen Plänen Einhalt zu gebieten."

>>Damit das Mädchen zur Heldin wird, muss ihr eine Prinzessin den Weg dafür ebnen. Eine Prinzessin, die nach ihrer wahren Liebe sucht ...<<
Auch das ist okay, ich würde lediglich nach "Mädchen" das Wort "jedoch" einfügen, denn es ist nicht die Prinzessin, die über diese Fähigkeiten verfügt, sondern ein anderes Mädchen.

>>. . .
»Bartholomäus«, flüsterten sich die Leute bang hinter vorgehaltenen Händen zu. »Er ist wahnsinnig, unberechenbar und äußerst gefährlich!«
Untrennbar miteinander verwoben teilten sie sich ein Schicksal. Allein ihre Existenz könnte das Böse aufhalten, das sich zurückgezogen hatte und die tiefen Wunden seiner Niederlage leckte. Jedoch streckte es seine messerscharfen Klauen aus - wartete nur auf die perfekte Gelegenheit ...
. . .<<
Diesen Part kann man streichen. Man muss das Böse nicht beschwören, denn Bartholomäus Beschreibung - so schlicht sie auch ist - reicht völlig aus, um ihn als "das Böse" zu identifizieren.

>>Diese Geschichte richtet sich an eine (16+) Leserschaft, die mit Themen wie »Panikattacken«, »Gewalt« und »Tod« umgehen kann.
Das hier ist KEINE »Friede-Freude-Eierkuchen-Prinzessinnen-Story« - auch wenn »Prinzessin« im Untertitel steht und das Cover »harmlos« aussieht.
. . .<<

Auch das hätte ich gestrichen, doch es gibt nicht wenige Autoren hier, die sensible Leser vorwarnen möchten. Aber jede Triggerwarnung kann auch diejenigen neugierig machen, die ihre seelische Stärke weit überschätzen. Ob es dann besser ist, gar nichts zu sagen, weiß ich nicht. Je nach Inhalt der Geschichte muss ein Autor das also regelmäßig neu entscheiden. Eigentlich - und so halte ich es für mich - gilt immer: Lesen auf eigene Gefahr.

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