20. Klappentext: "The Princess' Tale [...]" oder: Worthülsen & Klischees

Laut Aussage der Autorin, soll diese Geschichte gerade überarbeitet werden... aber andere Projekte wurden angefangen, abgeschoben... und ich habe dieses Buch noch auf meiner To-Do-Liste, weil ich gebeten wurde, es zu reviewen. Der Grund, warum ich das mit der vorliegenden Fassung - bzw. nur dem Klappentext - tue, ist einfach: Was hier bereits das Problem ist, wird in der Geschichte und der Überarbeitung wahrscheinlich nicht behoben, weil die Autorin es nicht mal als Schwäche erkennt. Sie schreibt alle ihre Figuren gleich, soweit ich das überblicken konnte.
Aber nur weil man viele Worte kennt, schreibt man nicht automatisch gut. Im Gegenteil: Man tendiert dazu, zuviel zu reden. Vor allem, um den heißen Brei.

Ich empfinde schon den Klappentext wie ein Märchen, aber auf eine negative Weise:
"Sanft, zart, zerbrechlich und wunderschön...", ist etwas, das in einer Harry Potter Welt nicht überlebt. Ihr wisst alle, wie gefährlich Hogwarts ist. Ein bei einem Flugunfall gebrochenes Genick kann auch die Krankenschwester der Schule nicht mehr heilen.
In einem Märchen braucht so ein Mädchen einen Prinzen, denn es ist alleine nicht lebensfähig. Krass ausgedrückt ist so ein Mensch eine Bürde für andere. Und natürlich... wenn man nichts im Köpfchen hat, muss man wenigstens wunderschön sein, damit man die Lakaien bei der Stange hält. Nichts gegen Freunde... aber solche Menschen brauchen mehr als das. Einen Schild, denn sie halten nichts aus.

"... , in Harry's viertem Jahr kommt ein Mädchen nach Hogwarts ihre wahre Identität kennt nicht einmal sie selbst."
Mal davon abgesehen, dass dieser Satz sich inhaltlich völlig unlogisch an die einleitende Aufzählung von Adjektiven anschließt - und diese stilistische Eigenheit sich nach dem Wort "Hogwarts" noch einmal wiederholt - ist ein weiterer Punkt die Sache mit der eigenen Identität. Dieses Wort kann man auf zwei Arten interpretieren, aber ich nehme mal die von dem Mädchen, das von allen verwöhnt aber ohne Gleichaltrige und isoliert aufgezogen wird - so wie hier - und plötzlich erfährt, dass es adoptiert wurde. SCHOCK! *gähn*

Kann es nicht mal eine "Prinzessin" sein, die auch so erzogen wurde und dann erfährt, dass ihr Vater ein Serienvergewaltiger, Spieler und Schläger ist und ihre Mutter eine Hure, die für Drogen alles machen würde und das Mädchen in einem Gangbang entstand? DAS wäre doch mal was... aber darüber schreibt keiner. Die leiblichen Eltern müssen immer toll sein, damit das Adoptivkind den Adoptiveltern etwas vorwerfen kann, selbst wenn sie gute Ersatzeltern sind. (Dasselbe Problem habe ich auch mit Cassandra aus der Rapunzelserie.)

Der andere Punkt, den man mit dem Wort "Identität" verbinden könnte, ist nicht die genetische Herkunft, sondern das, was man selber ist: Der Charakter, den man entwickelt hat - mit allen Ansichten, Wertvorstellungen, Stärken, Schwächen und Fähigkeiten. Auch das ist die eigene Identität. Aber darum geht es in der vorliegenden Geschichte nicht.

"In jungen Jahren ist sie dazu verdammt Schmerz und Verlust zu erfahren. Intrigen, Lügen und Geheimnisse sind ihr Alltag."
Oh, welch Pathos, welch märchengleich elegante Ausdrucksweise... welch ein Klischee. Wo sind die eigenen Worte, der eigene Stil der Autorin? Wo ist das Präzise in diesem Satz, der auf das Problem hindeutet, was dieses feengleiche Glaspüppchen haben wird?
Und nur weil man EINER falschen Person vertraut, ist das nicht gleich der Weltuntergang. Nur weil man seine Eltern nicht kennt und es einem aber ansonsten gut geht... rechtfertigt es diese Formulierungen nicht. Es wirkt kopiert, nicht authentisch und viel zu übertrieben. Und wir sind hier erst beim Klappentext.
Dem Mädchen geht es zu Beginn der Geschichte noch sehr gut: Es wird getröstet, wenn es weint und behütet - aber irgendwann muss man mit der Realität mal anfangen, oder? Fünfzehn / Sechzehn (ich nehme an, dass sie so alt ist, denn in Harrys viertem Jahr kommt sie nach Hogwarts) ist ein schönes Alter dafür, um den Elfenbeinturm zu verlassen und zu lernen, dass nicht jeder Mensch edle Absichten verfolgt. Dass sich hinter einem schönen Gesicht die schrecklichsten Menschen verbergen können. Dass nicht jeder, der einem hilft oder nett ist, automatisch ein Freund ist. Oder nicht jedes böse Wort von Hass getrieben ist, sondern helfen soll.

"Bei dem Versuch nicht an der Last einer Prophezeiung zu brechen wendet, sie sich völlig verzweifelt an den Tränkemeister der Schule."
Das Belastende an Prophezeihungen sind immer die Autoren, die nicht abliefern können. Sie machen ein Fass auf... wegen Kleinigkeiten.
Ihr alle habt gesehen, wie Harrys "Prophezeiung" zustande kam: Er hat etwas durch bestimmte Umstände überlebt. Dass er das ein zweites Mal könnte ist verständlich, wenn man bedenkt, dass es in der Natur für ALLES einen Ausgleich gibt. Immer.
Außerdem sind nicht die Prophezeiungen die Last - sondern die Erwartungen an den "Auserwählten" von denen, die daran glauben. Kleiner Unterschied.
Nein, wir reden nicht über die zahlreichen Kommafehler hier. Das ist der Job der Korrektoren - und ich konzentriere mich wie immer auf Wortwahl und Inhalt. Warum man sich also auf der Suche nach Hilfe an einen menschenscheuen Mann wendet, der als Giftmischer verschrien ist... nun ja, Verzweifelte greifen nach jedem Strohhalm und Fans nach ihren Lieblingsfiguren.

Sobald das ganze aber Sinn macht und plausibel wirkt - kein Problem.

"Unwissend, dass er es sein wird der sie endgültig zerstört."
Ich wusste das schon nach dem 2. Satz dieses Klappentextes. Ihr auch?
Wisst ihr, was ich unter "endgültig zerstört" verstehe? Ein bisschen mehr als ein gebrochenes Herz und eine Enttäuschung von einem Lehrer. Ich erwarte u.a. Perspektivlosigkeit, dass dieses Mädchen gesellschaftlich geächtet ist und nicht einen einzigen Menschen mehr hat, an den es sich hilfesuchend wenden könnte. Eine Menge toter Freunde und Familienmitglieder. "Endgültig zerstört" bedeutet den totalen Verlust von allem.

Aber das wird in der Geschichte nicht passieren, denn nach all dem, was ihr schon im Klappentext mit mir entdecken konntet, hat die Autorin noch einen fatalen Makel, den ich nicht nur in diesem Text finden konnte:
Bei all ihren lyrischen Worten, die sie hier verwendet, schafft sie es nicht, den Leser GEFÜHLSMÄSSIG in ihre Geschichten zu involvieren. Die Hauptfigur MUSS den Leser interessieren, damit er mit ihr mitfühlt oder ihr wenigstens neugierig in die Geschichte folgt. Nur zu sagen, jemand sei schön oder eine Prinzessin reicht nicht - zumindest nicht für ältere Leser. Es wird zwar über Gefühle geredet und Standardreaktionen abgerufen - wenn sie einem Bild dienen, das die Autorin erzeugen will. Aber weder sie noch ihre Figuren haben das, was man "Situationsbewusstsein" nennt.

Diesen Mangel findet man auch bei MarySues. Alles ist reiner Schauwert, wie in einer Diashow.

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