Kapitel elf
Was ich dort auf dem Boden der Kneipe fand, war das, vor dem ich mich den ganzen Abend bereits gefürchtet hatte.
Harry saß auf dem Boden, wimmerte und schrie, während er sich hilfesuchend in seinen Locken fest krallte und die Leute, die um ihn herum standen, überhaupt nicht bemerkte.
Schneller als meine kleinen Füße eigentlich konnten, sprintete ich auf ihn zu und ließ mich neben ihm nieder, um kurz darauf zu versuchen, auf irgendeine Art und Weise, Blickkontakt mit ihm aufnehmen zu können.
"Harry", sagte ich leise und griff nach seinen Händen, die er mir sofort wieder entzog. Den Schmerz in meinem Herz ignorierend, nahm ich erneut seine Hände in meine und zerrte sie zu mir, weswegen er gar nicht die Chance hatte, sie mir wieder zu entreißen. Langsam hob er seinen Blick an und sah mich mit roten, verweinten Augen an. Aus ihnen sprach Panik, Wut und Unverständnis.
"Lou", hauchte er, nahm mein Gesicht in seine Hände und strich mir durch die Haare. Ich lehnte mich seiner Berührung entgegen, während ich nickte und nun seine Hände los ließ. "Sie haben mich alle ausgelacht Lou."
"Wer hat dich ausgelacht, Harry?", fragte Joe verwirrt und ich hob meine Hand, um ihn zum schweigen zu bringen. Die anderen Leute brauchte ich gar nicht leise zu kriegen, denn diese standen bereits in einem großen Kreis um uns herum, zu geschockt von dem, was eben passiert war.
"Wer hat dich ausgelacht Haz?", fragte nun auch ich, während ich ihm langsam nach oben half und ihn in eine Sitzecke der Kneipe brachte. Dort ließ er sich auf dem roten Leder nieder und ich setzte mich sofort neben ihn, ohne den Blickkontakt zu brechen.
Er sollte nur mich sehen. Nur mich wahrnehmen und an nichts anderes denken. Ich wusste, dass die Stimmen wieder gekommen waren und ich wusste auch, dass er wegen ihnen dachte, dass die Leute um ihn herum über ihn lachen würden. Dieses Gefühl hätte man wohl am häufigsten, hatte Dr. White mal gesagt und dieses war hauptsächlich für die ganze Wut verantwortlich. Verständlich, wenn man immer mit dem Gedanken leben musste, dass jeder um dich herum über dich spricht und lacht.
"Sie alle. Sie haben sich über mich lustig gemacht. Über dich auch und über Gemma. Das ist nicht richtig Louis."
"Nein, das ist es nicht", stimmte ich ihm zu. "Aber sie haben nicht über dich gelacht Harry."
"Doch, das haben sie. Ich hab es doch gehört. Sie haben laut gelacht und es war ihnen egal, dass ich jedes einzelne Wort mit anhören konnte!"
"Nein. Das ist wegen deiner Krankheit. Harry, sie haben nicht über dich gelacht. Das hast du dir eingebildet."
"Ich habe mir das nicht eingebildet!", schrie er wütend und sprang auf, funkelte mich sauer und auch etwas enttäuscht an. Doch ich konnte ihn nicht anlügen. Er musste die Wahrheit wissen. Musste begreifen, dass das nicht die Wirklichkeit ist, die er sieht und hört. "Ich dachte, du verstehst mich! Ich dachte, du stehst hinter mir und ich dachte, du liebst mich!"
"Das tue ich Harry."
"Ich bin nicht krank, okay? Ich bin nicht krank. Ich bin nicht krank", sagte er schnell und ich stimmte lediglich mit einem nicken zu, ehe ich ebenfalls in langsamen Bewegungen aufstand und ihn nun liebevoll in meine Arme zog. Er schluchzte gegen meine Halsbeuge, griff sich fest in meinem Shirt fest, um etwas halt zu finden. Unaufhörlich strichen meine kleinen Hände weiterhin beruhigend über seinem Rücken, während ich ihm ins Ohr hauchte, dass er nicht krank ist und wie sehr ich ihn liebe.
Obwohl ich wusste, dass ich ihn einerseits belog, wusste ich ebenfalls, dass es das richtige war. Das er das brauchte.
"Wir gehen jetzt", sprach ich zu Joe an der Kasse, Harry hinter mir lassend, der gerade unsere Jacken von dem Haken nahm.
"Was ist mit ihm los? Was ist eben passiert?"
"Das kann ich dir nicht sagen. Harry geht es seit einiger Zeit nicht mehr so gut. Aber wir bekommen das hin", sagte ich und lächelte Harry vorsichtig an, welcher dieses erwiderte. "Irgendwie bekommen wir das schon hin."
xx
"Ist alles ohne Vorfälle verlaufen?", fragte mich Natalia neugierig, während Harry sich im Badezimmer umziehen war. Sie hatte gerade neue Bettwäsche vorbei gebracht und außerdem seine gewaschene Wäsche, weswegen wir ins Gespräch kamen. Natürlich hatte sie schon längst davon gehört, dass ein eigentlich Ausgangssperriger Patient, nach draußen gelassen wurde. Innerlich hoffte ich nur, dass sich das nicht auch an die Patienten verbreitete, welche dann sicherlich nicht so erfreut klingen würden und womöglich eigenes Recht dafür einklagen. Und bei einigen wäre das sicherlich nicht unbedingt angebracht.
"So weit. Er hatte einen kleinen Aussetzer, aber das haben wir relativ schnell wieder in den Griff bekommen." Genau genommen, war das sogar nicht unbedingt eine Lüge. Wir haben es ja wieder in den Griff bekommen, nur eben nicht relativ schnell.
Natalia nickte und verschwand gerade noch rechtzeitig aus dem Raum, bevor Harry aus dem Badezimmer trat und nun in Joggingklamotten vor mir stand.
Ein warmes lächeln zierte seine Lippen und ich fragte mich, was ihm die Gemma, die ihm bei der einen Therapie Stunde erschienen war, alles gesagt hat, damit er nun so ist, wie er nun mal ist. Nicht ganz der alte Harry, aber schon irgendwie ein bisschen. Ein großes bisschen.
Harry setzte sich in sein Bett und lehnte mit dem Rücken an der Wand, ehe er zwischen seine Beine klopfte und ich mich augenblicklich zwischen diese fallen ließ, nur um ihm wieder so nahe sein zu können.
Wir sagten eine ganze Zeit lang einfach gar nichts, während ich mit seinen großen Händen spielte und den Mittelfinger umkreiste, den damals immer ein wunderschöner Ring geziert hatte. Hier hatten sie im diesen abgenommen und in irgendeinem Raum verstaut. Er würde ihn erst wieder bekommen, wenn er die Anstalt verlässt. Ich hoffte, dass das so bald es nur geht geschehen würde, doch es war unwahrscheinlich. Gerade heute wurde mir wieder gezeigt, wie schnell sich etwas ändern kann. Von einer auf die nächste Minute, ist er wieder ein komplett anderer Mensch und wenn in diesem Moment niemand da ist, der ihn zurück in die Gegenwart bringt, könnte das ganz Böse enden.
Und um Gottes Willen, ich möchte ihn um nichts auf dieser Welt verlieren.
"Bleib bei mir", sprach Harry leise, sein Atem traf auf eine Stelle unter meinem Ohr und ich erschauderte. Ich hatte zwar nichts gesagt, doch ich hatte vor, gleich zu äußern, dass es langsam für mich an der Zeit wäre, nach Hause zu gehen. Doch überall wo er ist, ist mein Zuhause. Deswegen kicherte ich leicht, drehte meinen Kopf zur Seite, um den kleinen Küssen die er sanft und unschuldig auf meiner Haut platzierte, etwas mehr Platz zu beschaffen. Ich spürte, wie auch seine Lippen sich zu einem grinsen formten und er langsam begann, an meinem Hals zu saugen, weswegen ich kurz wimmerte und meine Hände sich in seinem Oberschenkel festkrallten. Doch dies schien ihm nichts auszumachen, denn im Null Komma nichts, pustete er auf sein fertiges Meisterstück und schlang seine Arme nun fester um mich. "Du gehörst mir. Nur mir."
"Nur dir Haz."
Ich blickte zu ihm nach oben und lächelte, als er erst über den Knutschfleck und letztendlich von meinem Hals, bis zu meinem Kinn und dann über meine Lippen fuhr. Ein Schaudern überfuhr mich und als sein lüsterner Blick plötzlich auf meinen Lippen lag, wurde das kribbeln in meinem Körper noch ein paar hundert Mal stärker, weswegen ich ihn nun fast schon bittend ansah.
Ja, ich wollte es. Ich wollte endlich wissen, wie es sich anfühlt, diese wunderschönen, pinken Lippen zu küssen und ich sah, dass es ihm genauso ging. Es war mir egal, dass ich nicht wusste, welchen Harry ich gerade vor mir hatte und, ob er es wirklich wollen würde oder, ob er mich womöglich von sich stoßen und anschreien würde. Gerade war mir wirklich alles herzlich egal, denn mein Herz und das kribbeln in meinem Bauch hatten schon längst die Überhand übernommen, weswegen meinem Kopf keine Handlung zuzumuten war. Dieser war nämlich in süßer, weicher, Pinker Zuckerwatte eingehüllt und überließ meinen Körper komplett dem Jungen Mann vor mir.
Und als sein Daumen ein letztes Mal über meine Lippen fuhr, bevor er seine endlich auf meine legte, bemerkte ich, wie eine unglaublich große Last von mir fiel. Eine Last, die mir noch nie wirklich bewusst gewesen war, meinen Körper aber nun schweben ließ.
Zuerst war es ein unschuldiger Kuss. Seine Lippen lagen lediglich auf meinen und es schien, als würde er selbst mit sich ringen, ob er nun weiter gehen sollte, oder nicht. Doch ich wollte nicht, dass er sich darüber den Kopf zerbrach. Ich wollte, dass er genauso von seinem Gefühl gesteuert wird, wie ich es werde. Denn sein Kopf ist es, was ihn zerstört hat. Sein Kopf ist Schuld daran, dass er nicht mehr mein Harry ist.
Also begann ich, natürlich unglaublich langsam, meine Lippen gegen seine zu bewegen und den Druck ein wenig zu verstärken. Fast unmerklich spannte er sich an, jedoch wurde er wieder entspannter, als ich meine Hände zu seinen Haaren führte und seine weichen Locken um meine Finger drehte. Zu meiner Freude, blieb es bei diesem unschuldigen Kuss, denn mein Bauch wäre mit Sicherheit explodiert, wenn ihn noch mehr Schmetterlinge gefüllt hätten.
Nachdem wir uns gelöst hatten, flogen sie immer noch wild in meinem Bauch herum, sprangen und lachten vor Freude, während ich in dieses Grün sah, was so unglaublich viel ausstrahlte, dass es für mich gar nichts zu diskutieren gibt.
Ich liebe ihn, da waren nun keine Zweifel mehr.
xx
"Hey Mum", begrüßte ich sie und sie zog mich sofort in eine lange Umarmung. Wir hatten uns seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr gesehen, da ich so viel mit Harry zu tun hatte und das wusste sie auch. Und sie wusste auch, dass ich wusste, dass sie mich nicht versteht. Sie versteht, wie wichtig Harry mir ist und wie sehr ich möchte, dass er wieder der alte wird. Doch im Gegensatz zu mir glaubt sie nicht, dass er wieder gesund wird. Sie versteht nicht, dass ich mich so kaputt machen lasse.
"Hey mein Schatz. Es muss schon Jahre her sein", sagte sie leise. Sie hörte sich gestresst an. Irgendwie müde und traurig. Ich löste mich von ihr und sah sie genau an. In ihrem hübschen Gesicht waren tiefe Augenringe zu beobachten, ihr braunes Haar hatte ihren Glanz verloren, genauso, wie ihre Augen. Sie sah Alt aus, und das tat sie nie, weil sie es nicht war. Meine Augen verengen sich zu schlitzen.
"Mum. Ist irgendwas vorgefallen?"
"Nein Boo. Ich mache mir lediglich Sorgen um dich."
"Um mich?", fragte ich verwirrt und sie nickte mit einem traurigen lächeln auf den Lippen.
Natürlich um mich. Sie hatte Harry damals geliebt, doch konnte sie mit seinem jetzigen Zustand nicht wirklich umgehen. Sie und Anne waren damals ebenfalls befreundet gewesen, doch durch Harrys Krankheit hatte auch das abgenommen. Allgemein ist dadurch ziemlich viel kaputt gegangen. Anne liebte ihren Sohn, doch konnte einfach nicht zu ihm durchdringen. Er hatte sich ein festes Bild erstellt, ein ganz anderes, als es eigentlich sein sollte.
"Ja, natürlich um dich. Du meldest dich kaum noch, bist nur bei Harry in der Klinik oder arbeiten." Sie klang ein wenig enttäuscht und ich bemerkte, wie ich wütend wurde. Wie konnte sie enttäuscht von mir sein? Ich machte das ganze doch auf keinen Fall für mich! Ich wollte, dass Harry wieder gesund wurde und sie wusste doch, wie ich mich bei der ganzen Sache fühlte. Das ich mich schuldig fühlte. Das ich schuldig war. "Hör mir zu, Louis. Vielleicht habt ihr beide es nicht bemerkt, aber Anne und ich sind früh darauf aufmerksam geworden, dass ihr beide euch anders verhaltet, als andere Jungs in eurem Alter."
"Mum hör auf."
"Nein du hörst mir jetzt ein einziges Mal zu Louis!", sprach sie energischer und tatsächlich verstummte ich. Es war ihr ernst, dass bemerkte ich. Doch ich wusste, dass das was sie mir jetzt sagen möchte, mich wütend machen würde und ich wollte nicht wütend sein. Nicht, nachdem Harry mich heute geküsst hat und es sich so wahnsinnig angefühlt hatte. Nicht, nachdem ich mir vollkommen eingestanden habe, wie sehr ich ihn tatsächlich liebe. Nicht, nachdem ich einen riesigen Fortschritt bei ihm gesehen habe und ihn womöglich sogar dazu bekommen könnte, seine Medikamente regelmäßig zu sich zu nehmen. Ich wollte nichts hören, was meine ganzen Gedanken und Freuden zunichte machen könnte. Doch ich hörte ihr zu.
"Nicht das Anne und ich etwas dagegen hätten, was zwischen euch beiden ist. Aber manchmal, verliert man auf seinem Lebensweg eben Menschen, oder muss sie zurück lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass man dann ein schlechter Mensch ist. Manchmal muss man eben auch mal an sich denken."
"Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht", murmelte ich wütend und schüttelte den Kopf. "Ich werde Harry nicht zurück lassen."
"Er ist nicht mehr der alte Harry. Du musst dich auf dein Leben konzentrieren, dein Leben aufbauen und auch leben. Du kannst nicht alles von ihm abhängig machen. Freundschaften halten nunmal nicht für immer."
"Liebe aber schon."
Geschockt sah sie mich an, hatte nicht mit diesem Satz meinerseits gerechnet. Jetzt hatte ich auch ihr gesagt, was ich wirklich für Harry fühlte. Wieso ich ihn wirklich, einfach nicht alleine lassen konnte und wollte. Außerdem machte ich mein Leben ja nicht von ihm abhängig. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, ohne ihn zu leben. Ohne sein lachen, ohne seine schlechten Witze, ohne seine Nähe und seine Persönlichkeit, die immer so perfekt zu meiner gepasst hatte. Wir haben uns immer ergänzt, er war meine zweite Hälfte. Ohne die, kannst du nicht leben. Egal wie sehr du es möchtest und es probierst.
"Du liebst ihn nicht, Louis. Du hast etwas anderes im Kopf. Das ist nicht Harry."
"Natürlich ist das Harry!"
"Ich möchte dich doch nur schützen!"
"Vor wem denn? Vor Harry? Das ist lächerlich Mum. Du warst noch nicht ein einziges Mal bei ihm, um das behaupten zu können!"
"Er ist krank Louis!"
"Nein ist er nicht!", schrie ich nun wütender als zuvor. Nein, er war nicht krank. Ihm ging es nicht so gut, er war nicht mehr ganz er selbst, aber er war nicht krank. Erschrocken davon, wie laut ich geworden war, zuckte meine Mutter zurück und ich konnte die Tränen beobachten, wie sie ihren Weg über ihre Wange suchten und letzendlich zu Boden fielen. "Es geht ihm besser, Ich bin heute mit ihm in der Kneipe gewesen. Es ging ihm gut."
Bewusst, erzählte ich ihr nichts von dem Vorfall. Sie sollte mir glauben, dass ich alles im Griff hatte und sie sich keine Sorgen um mich machen musste. Das ich das alles schon irgendwie unter einen Hut bekomme, immerhin habe ich mir das vorgenommen. Und ich werde alles tun, was das beste für mich ist.
Und das war nunmal Harry.
[...]
First Larry Kiss
I hope this was okay ? LashtonsCxndxm
Und zu 5seconds_of_winter , hier kommen eigentlich regelmäßig Kapitel, aber ich habe das voll verpennt ._.
Schönen Freitag Abend noch ❤️
-Michelle❤️
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top