Kapitel dreizehn
Und das war das erste mal, dass er seine Stimmen und die Halluzinationen auch in meiner Gegenwart hatte.
Nachdem ich die Badezimmertür aufgerissen hatte, blickten meine Augen sofort auf das Nervenbündel auf dem Boden. Harry hatte seine Hände gegen seine Ohren gepresst, seine Augen geschlossen und schien immer wieder irgendwelche Zahlen zu sagen, immer und immer wieder, während sein Körper merkwürdig vor und zurück wippte. Zuerst konnte ich keine Reaktion zeigen, erst als er das ganze Szenario zum dritten Mal wiederholte, drang der Befehl meines Kopfes zu meinen Beinen durch und ich stürzte mich auf Harry.
Ich wollte ihn beruhigen, ihn in meine Arme nehmen und ihm sagen, dass alles gut werden würde, doch er hörte gar nicht damit auf, sich gegen meine Berührungen zu wehren. Er schlug um sich, weinte und schrie. Doch er schrie nicht, dass ich verschwinden sollte. Immer wieder verließ der Name seiner Schwester seine pinken Lippen. Erst wehmütig, dann sauer und irgendwann war seine Stimme mit so viel Trauer besetzt, dass sein Körper ebenfalls damit aufhörte, sich gegen meine Versuche zu wehren. Stattdessen legte er sich nun seelenruhig in meine Arme, murmelte immer noch ihren Namen vor sich her und krallte sich in mein Shirt.
Wir blieben lange so sitzen, wie lange weiß ich nicht mehr genau. Ich hatte nicht mit Harry gesprochen, ich war lediglich für ihn da gewesen. Ich wollte ihn auch nicht fragen, was genau er gesehen hat und weswegen er so reagiert hatte. Ich konnte mir schon denken, was es gewesen war.
Harry hingegen hörte nach einer Weile auch damit auf, ihren Namen wieder und wieder in die Dunkelheit zu flüstern und nahm lediglich tiefe Atemzüge, die ihn wahrscheinlich irgendwie beruhigen sollten.
Zu gerne hätte ich gewusst, wieso sie ihm jetzt erschienen war. Es war doch alles gut, oder nicht? Ich war bei ihm, wir liebten uns. Was hatte sie jetzt noch vor, ihm zeigen zu müssen? Interpretierten wir vielleicht alles komplett falsch und das was wir machen, ist überhaupt nicht das richtige?
"Louis?", unterbrach Harrys Stimme meinen Gedankengang und ich wand meinen Blick zu dem zerstörten Lockenbündel auf meinem Schoß. "Können wir zurück ins Bett gehen und du hältst mich, bis ich schlafe?"
"Natürlich Harry."
Nichts lieber als das.
Also standen wir gemeinsam auf und gingen in kleinen Schritten zurück zu seinem Bett. Er hatte sich nicht fertig gemacht, aber das war jetzt egal. Die Hauptsache war, ihn irgendwie abzulenken. Vielleicht auch, mit einer nicht so freudigen Geschichte? Ich bin mir sicher, dass ihn auch die schlechten Zeiten in unserem damaligen Leben interessieren. Immerhin gab es nicht nur gute Seiten und auch wenn wir immer wieder zueinander gefunden haben und unsere Streits meistens nur von kurzer Dauer waren, gehörten sie zu unserem Leben genauso dazu, wie die ganzen schönen Erinnerungen.
Ich lag mit Harry in seinem Bett, er seinen Kopf auf meiner Brust abgelegt, wo mein Herz unnormal schnell schlug. Doch daran hatte ich mich in seiner Gegenwart bereits gewöhnt. Und ich mochte es auch irgendwie. Es zeigte mir, dass das ganze hier echt war und an seinem schnellen Herzschlag bemerkte ich, dass auch er etwas für mich fühlen musste und das ganze nicht nur Einbildung seiner Krankheit war. Natürlich würde mich immer noch jeder in meiner Umgebung für verrückt erklären, wenn ich von der jetzigen Situation erzählen würde. Auch Anne würde das tun, selbst wenn sie innerlich die Hoffnung hätte, dass das ein wichtiger Knackpunkt für Harry wäre, damit er wieder der alte wird.
Ich versuche es doch... mit allen Mitteln die mir zur Verfügung stehen.
"Soll ich dir von unserem letzten Streit erzählen? Ein paar Monate, bevor ich nach Deutschland gereist bin?"
Sein Körper verspannte sich, doch trotzdem nickte er und hörte mit den fahrigen Bewegungen auf, mit denen er über meinen Bauch gestrichen war. Ich räusperte mich einmal kurz, sah auf Harry hinab und schloss dann meine Augen, um mir die Situation erneut vor Augen zu führen.
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"Ist dir nicht bewusst, dass du dich wie ein verdammter Arsch verhältst?", knurrte ich sauer, als Harry erneut von einer seiner Nächte zurück kam und sich das letzte Rührei aus der Pfanne kratzte. "Nicht das du einer wärst, aber du verhältst dich so."
"Nenn mich nicht so", murmelte er leicht abweisend und setzte sich mir gegenüber, ohne den Blick zu heben. Ich wurde noch wütender, doch das konnte er ja nicht sehen. Er wusste es aber, und genau das war auch der Grund, wieso er nicht zu mir aufsah. Er wusste selber, dass ich Recht hatte, doch das wollte er nicht einsehen. Wieso denn auch? Sein Leben machte ihm doch Spaß.
"Wie soll ich dich nicht nennen? Ein Arschloch? Was bist du denn sonst? Du hast dich verändert. Immer und immer wieder schleppst du ein Weib hier an. Das ganze dauert dann zwei Wochen und sie ist wieder weg vom Fenster. Kennenlernen in einer Beziehung hin oder her, ein bisschen Anziehung muss doch vorhanden sein!"
Ich konnte mich fast schon in Rage reden, denn das Thema nervte mich wirklich. Jedes Mal musste ich dabei zusehen, wie die Mädchen weinend aus unserer Wohnung verschwinden und die Nachbarn mich jedes mal schon ansehen, als wäre ich der Übeltäter.
"Deswegen bin ich noch lange kein Arschloch. Es passt halt einfach nicht."
"Es passt halt einfach nicht", ahmte ich ihn mit zu hoher Stimme nach und plötzlich lag sein Blick doch auf mir. Zorn blitzte in seinen Augen, welchen ich zu ignorieren versuchte. "Das muss einem doch aber vorher schon klar sein! Du solltest nach etwas festem suchen, sich vielleicht erst einmal treffen bevor du lediglich entscheidest, ob es sich gut anfühlt wenn dein Schwanz in ihrem Loch ist!"
"Du spinnst doch", zischte er und schmiss seine Gabel auf den Teller, ehe er aufsprang und ich mich ebenfalls vor ihm aufbäumte.
"Ich spinne?!"
"Ja. Du spinnst! Du schreist mich an als wären wir in irgendeiner komischen Beziehung und als wäre ich dir fremd gegangen! Es geht dich weder was an, mit wem ich schlafe und wie meine Beziehung zu dieser Person ist, denn wir führen verdammt nochmal keine!", schrie er wütend und sein Blick verriet, dass er das komplett Ernst meinte. Doch ich sah es nicht ein, mich für etwas anschreien zu lassen, was mich doch genauso etwas angeht, wie ihn.
"Natürlich geht es mich etwas an! Wir wohnen zusammen und ich habe keine Lust darauf, dir jedes Mal dabei zusehen zu müssen, wie du diesen Mädchen das Herz brichst!", sagte ich lauter, wurde dann jedoch wieder ruhig und senkte meinen Blick. "Das sind die Momente, in denen ich mich frage, wo deins eigentlich geblieben ist.."
Ohne über diese Worte nachzudenken, verließen sie bereits meinen Mund. Leise, fast nicht zu hören, doch eben nur fast. Danach konnte ich nur noch die Haustür zuknallen hören und ließ mich seufzend auf dem Stuhl nieder.
Meine Arme winkelten sich auf dem Tisch an und ich vergrub mein Gesicht in beiden Handflächen. Ich hätte wissen müssen, zu was diese Konversation führt. Jedoch hatte ich wirklich unbedingt das Bedürfnis gehabt, ihm endlich meine Meinung zu dem ganzen Rumgehure zu sagen. Und das hatte ich getan. Und nun war er verschwunden und kam wahrscheinlich die ganze Nacht nicht wieder, nur um erneut das zu tun, weswegen der ganze Streit überhaupt angefangen hatte.
Ich war nicht eifersüchtig, einfach nur enttäuscht. Ja, Harry trug diese Mädchen auf Händen, aber eben nur auf eine gewisse Zeit und auch nur, wenn sie den vorherigen 'Test' im Bett gut gemeistert hatten. Nicht das ich es ihnen verübeln würde, vielen wäre es wahrscheinlich sogar egal, nach einer Woche in der sie Harry Styles gehabt hatten, verlassen zu werden. Immerhin hatten sie ihn ja gehabt, was will man mehr.
Tatsächlich kam Harry die ganze Nacht nicht wieder und auch am nächsten Tag frühstückte ich alleine, räumte zur Ablenkung unsere gemeinsame Wohnung auf und machte sogar sein Bett, obwohl es nicht benutzt worden war. Immer wieder schaute ich auf mein Handy, hoffte auf eine Nachricht von ihm, doch diese kam nicht. Obwohl ich mir große Sorgen machte, wollte ich nicht nachgeben und der erste sein, der sich meldet. Natürlich waren die Worte nicht gerade nett gewesen, aber sie waren einfach nur ehrlich und er hätte auch genauso gut versuchen können, mich in dieser Sache einmal zu verstehen. Doch das hatte er nicht, obwohl er es sonst immer tat.
Ein paar Stunden später, ich hatte gerade Tee aufgesetzt, hörte ich wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde und wenig später ging die Tür auf. Sofort sprang ich von der Couch im Wohnzimmer auf und murmelte auf dem Weg sogar schon eine Entschuldigung, wie Leid mir meine Worte doch taten, als ich plötzlich bemerkte, dass Harry nicht alleine war.
Hinter ihm erschien eine große Blondine und obwohl sie nett aussah, konnte ich mich darauf nicht einlassen. Ich wollte gerade schon etwas dazu sagen, als Harry mir dazwischen kam.
"Sie ist nicht mein neues Betthäschen, keine Angst."
Seine Stimme klang so hart, dass ich augenblicklich schlucken musste. Nun sah ich mir auch Harry genauer an und musste feststellen, wie Müde und ausgelaugt er aussah. Anscheinend hatte ihn die ganze Sache mit dem Streit ebenfalls keine Ruhe gelassen und er hatte vergleichsweise genauso wenig Schlaf bekommen, wie ich in der letzten Nacht.
Wir standen also eine ganze Weile einfach nur so da und sahen uns an, bis sich dieses Mädchen dazwischen drängte und ein unsicheres Lächeln auf den Lippen hatte.
"Ich bin Riley. Harry hat die Nacht bei mir verbracht und da er sich dir nicht alleine stellen wollte, bin ich mitgekommen."
"Kanntet ihr euch?"
"Nein. Ich habe ihn vollkommen fertig in der Bar in der ich arbeite aufgegabelt. Es tat ganz gut sich mal mit einem Jungen zu unterhalten, der mir erstens in die Augen geschaut hat und mich zweitens nicht direkt angemacht hat."
Sie konnte mir erzählen was sie wollte, ich würde trotzdem nicht verstehen, wieso Harry sie angeschleppt hatte. Der Kessel mit dem heißen Wasser quietschte und ich wollte gerade gehen, als Riley sich dazu bereit erklärte und mich mit Harry in dem Flur alleine ließ.
"Bitte bleib nie wieder so lange weg, ohne mir Bescheid zu sagen", bat ich ihn leise und Harry nickte nur. "Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen sollen. Verzeihst du mir?"
Ich fand mich in dem Moment selbst so verdammt Feige und klein, doch das war in Ordnung. Ich wollte das ganze einfach nur vergessen und fertig. Harry schien es genauso zu gehen, denn ein lächeln zierte nun sein Gesicht und er nickte.
"Es tut mir auch Leid. Du hattest ja Recht mit dem was du gesagt hast. Aber eine Sache habe ich noch.."
"Und die wäre?"
Er trat noch einen Schritt näher an mich heran und grinste. Seine Augen blitzten vor Schalk auf und augenblicklich musste ich auch grinsen.
"Wenn du mich noch einmal als einen Arsch bezeichnest, versohle ich dir deinen."
"Das würde mir nur zu gut gefallen", grinste ich anzüglich und Harry lachte sein altbekanntes Harry lachen.
"Natürlich würde es dir das."
"Wieso ist das Mädchen hier, Harry?"
"Sie ist was besonderes. Ich weiß das. Ich merke das."
Mein Blick fuhr zu Riley in die Küche, wo sie gerade dabei war, unsere Schränke nach Teetassen zu durchsuchen. Augenblicklich nickte ich und sah Harry lächelnd an. "Ich merke das auch."
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Harry war inmitten der Geschichte eingeschlafen und ich hatte es irgendwie geschafft, mich ohne weitere Probleme aus seinem Klammergriff zu lösen und leise meine Schuhe aufzusammeln, bevor ich sein Zimmer ohne weitere Vorfälle verließ. Kurz horchte ich noch an der Tür, um zu wissen, ob ich ihn womöglich doch aufgeweckt hatte, doch als kein Laut von innen zu hören war, zog ich zufrieden meine Schuhe an und ging daraufhin durch den kleinen Garten des Klinikums, bis vor an die Rezeption.
Natalia stand immer noch da, lächelte mich freundlich an und wünschte mir eine Gute Nacht, woraufhin ich das erste mal seit einer Ewigkeit auf die Uhr sah. Es war tatsächlich schon neun Uhr Abends und längst stockduster draußen. Erschrocken realisierte ich, dass ich den ganzen Tag schon wieder nichts anderes gemacht hatte, als zu arbeiten und Harry zu besuchen. Doch offensichtlich habe ich Erfolg und dann würde mich sowieso keiner davon abhalten können.
Ich rannte durch die eisige Nachtluft bis zu meinem Auto und setzte mich schnell hinein, nur um die Heizung sofort voll aufzudrehen, was mich an den Vortag erinnerte. Harry hatte schon immer den Besserwisser spielen wollen, doch letztendlich meinte er es immer bloß gut, so wie auch gestern. Also drehte ich die Heizung ein Stück zurück, machte das Radio an und legte den Gang ein.
Zum ersten Mal seit langem, war mein Körper mit Zufriedenheit erfüllt. Ich war nicht glücklich, aber ich war zufrieden. Ich wusste zwar, dass immer noch die Chance bestand, dass Harry morgen wieder komplett anders ist, doch das ließ ich gar nicht wirklich an mich heran. Ich wollte mir einreden können, dass alles gut wird und das der größte Schritt dafür getan ist.
Plötzlich fiel mir auf, dass ich so sehr mit Harry beschäftigt gewesen war, dass ich heute noch keine Zigarette geraucht hatte. Allgemein lag immer noch die fast volle Packung in dem Handschuhfach neben mir und schien auch nicht so, als ob sie demnächst gebraucht werden würde. Normalerweise sagt man ja, dass Menschen viel Rauchen wenn sie Stress haben, doch selbst dafür fehlt mir momentan die Zeit. Ich weiß auch, dass Harry es immer gehasst hat, wenn ich geraucht habe und das ich es anscheinend wirklich fast geschafft hatte, davon wegzukommen. Doch wegschmeißen würde ich sie nicht.. wer weiß, wann ich sie doch noch einmal gebrauchen könnte.
Die Geschichte die ich Harry eben erzählt hatte kam mir wieder zurück in den Kopf und fast in genau dem selben Augenblick sagte ich mir, dass ich heute noch nicht nach Hause fahren würde. Ja, ich war Müde. Aber wahrscheinlich übermüdet, weswegen ich auf so absurde Gedanken kam, die wahrscheinlich nur einem betrunkenen in den Sinn gekommen wären.
Ich wusste zwar nicht, ob sie auch noch dort wohnte, doch einen Versuch war es allemal wert. Ansonsten würde ich mich bei dem neuen Hausbewohner einfach entschuldigen und sagen, ich hätte mich an der Tür geirrt. Doch ich hatte einfach das dringende Bedürfnis, mit ihr zu sprechen. Und vielleicht könnte ich sie dazu überreden, mal mit mir in die Klinik zu kommen und mit Harry zu sprechen. Denn ich weiß, dass er sie geliebt hat.
Wenige Minuten später hielt mein Auto also in der Seitenstraße einer Hauptstraße und ich stieg erneut aus meinem Auto in die Eises Kälte, ehe ich die Auffahrt zur Haustür lief. Ihr Namensschild stand noch immer an der Klingel, weswegen sie hier immer noch zu wohnen scheint.
Meine kalten Finger drücken auf den Knopf und ein schriller Ton klingt in der Wohnung. Während ich warte, tippe ich von einen auf den anderen Fuß um mich warm zu halten, vergrabe meine Hände tief in den Jackentaschen und sehe, wie das Licht im Flur angeht. Wenig später öffnet mir diese Blondine die Tür und ihre Augen weiteten sich augenblicklich, als sie erkannte, wer da um diese Uhrzeit an ihre Tür geklingelt hatte.
[...]
So so viele neue Menschen *-*
Hallo an euch alle c:
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen xx
-Michelle❤️
Ps: Frohen Anti Valentinstag ❤️🌹
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