❰ EPISODE 6 ❱

Typisch für ihre weite Reichweite und Popularität, ragte der riesige Hauptsitz des Fernsehsenders hervor. Sogar etwas höher und größer als das Unternehmen seines Vaters, aber im Vergleich zu der, waren hier die Lichter noch fast überall an. Verständlich, schließlich war der Abend die wichtigste Sendezeit, also arbeitete man umso härter, um die besten, interessantesten und auch akkuratesten Nachrichten zu liefern.

Völlig durchnässt betrat er das Gebäude, durch seinen fürchterlichen Anblick richteten sich die Blicke mehrerer auf ihn. Mit einigen Verbeugungen entschuldigte er sich stumm und lief an den Arbeitern in der großen Eingangshalle vorbei, ohne ihre angewiderten Gesichtsausdrücke ignorieren zu können.

"Herr, darf ich fragen wer Sie sind? Fremde dürfen das Gebäude ohne Erlaubnis nicht betreten, ich bitte Sie-", einer der Sicherheitsmänner lief Seungcheol entgegen mit einer Gestik, die darauf hinweisen sollte, dass dieser nicht hier willkommen war.

Seine Hartnäckigkeit kam ihm zuvor, schubste den Sicherheitsmann zur Seite und lief weiter. Dieser schien ziemlich geschockt zu sein, das Blut an den Händen des Braunhaarigen beunruhigte ihn und dass es nun an seiner Arbeitskleidung war, machte es nicht besser. Sofort alarmierte er weitere Wächter, während er versuchte, dem jungen Mann zu folgen.

"Bitte bleiben Sie stehen! Wenn nicht, kann ich Ihnen nicht eine gewaltlose Lösung versprechen-", rief er dem braunhaarigen Mann hinterher, der sich der Zutrittskontrolle näherte.

Verdammter Einlass. Seungcheol kickte gegen einen der vorhandenen Automaten, die einen nur mit einer bestimmten Chipkarte herein ließ. Der Blondhaarige war so nah und nun würde ein Automat ihn stoppen, den Anderen zu sehen? Zu viele Fragen waren unbeantwortet, wenn er jetzt keine Antworten bekäme, fürchtete er tatsächlich verrückt zu werden.

Gerade als von Jeonghan die Rede war, lief er geradewegs auf den Einlass zu, um die Arbeit zu verlassen. Jedoch stoppte ihn ein undenkbares Szenario davon, Choi Seungcheol, der von mehreren Sicherheitsmännern zum Ausgang geschleift wurde. Dieser wehrte sich wie verrückt, entkam hin und wieder den Fängen, nur um kurz danach wieder gefangen zu werden. Das Herz des Blondhaarigen schmerzte bei dem Anblick.

Er legte seine Karte auf den Automaten und sofort öffneten sich die Schranken. Das Geräusch zog die Aufmerksamkeit der Sicherheitsmänner und des jungen Mannes auf ihn. Als dieser ihn erblickte, weiteten sich seine Augen, in welchen sich ein Chaos aus unleserlichen Gefühlen befand.

"Jeonghan ...", seine brüchige Stimme ließ ihn armselig erscheinen, sie ließ ihn klein fühlen inmitten dieser Menschenmasse, geprägt von teuren Anzügen, luxuriösen Parfums und professionellen Gesichtsausdrücken.

Jeonghans Herz sollte wirklich nicht so schmerzen, wie es gerade tat. Wie sehr der Anblick des Braunhaarigen auf ihn wirkte, wie besorgt er doch über dessen Wunden an seiner Hand war. Schuldgefühle verbreiteten sich in ihm, Schuldgefühle, die ihn ohne Gnade zerrissen, obwohl seine Aktionen alles nur Reaktionen auf die Vergangenheit waren.

So sehr er auch versuchte, den Blick des Anderen zu meiden, Seungcheols Augenpaar war immer noch genauso hinreißend wie davor. Die Funken der Freude waren allerdings ersetzt durch Trauer, sein betrübtes Gesicht war trotzdem so hübsch wie immer. Auch wenn er wie ein Desaster aussah und in seiner durchnässten Kleidung hier stand.

"Lasst ihn los. Ich habe etwas mit ihm zu besprechen.", befahl der Blondhaarige den Sicherheitsmännern und öffnete die Schranken mithilfe seinem Ausweis.

Wie vereist blieben sie stehen, Seungcheol nutzte diesen Moment, um sich aus den Griffen der Männer zu befreien und durchquerte den Einlass. Jeonghan sagte, er wollte mit ihm reden, nun musste er auch wirklich dessen Fragen beantworten.

Schnell ergriff sein Freund dessen Hand und brachte ihn an einen anderen Ort. Für einen Moment spürte er wieder das Kribbeln in seinem Bauch, das wundervolle Gefühl von Liebe, und es ließ ihn den stechenden Schmerz an seiner Hand und auch in seinem Herzen vergessen. Jeonghans Hand war noch immer so warm, so liebevoll und sanft, er musste die Wunden des Braunhaarigen gesehen haben, denn sein Griff war so zärtlich wie möglich.

Seungcheol wünschte sich wirklich, er könnte die Zeit zurückdrehen und mit seinem Freund, mit seiner Liebe, einfach so weiterleben, wie sie es bis jetzt taten. Es war verständlich, dass sie nach dem heutigen Tag nie wieder so zusammenleben konnten, wie zuvor.

Seine Hoffnung wurde nur allzu schnell zerstört, von der Person, die er am meisten liebte, Jeonghan weckte ihn aus seiner Fantasie, seinem sinnlosen Traum. Kaum waren sie in einem leeren Gang angekommen, ließ der Blondhaarige dessen Hand los. Er drehte sich um, Seungcheol sah es ganz genau, der kalte Gesichtsausdruck, wobei seine Augen genau das Gegenteil waren, sie waren warm und strebten nach ihm.

"Bist du verrückt? Warum bist du hierher gekommen? Seungcheol, du hättest zuhause bleiben sollen, so nass wie du bist, wirst du noch krank und-"

"Denkst du nicht eher", unterbrach der Braunhaarige ihn mit leiser Stimme und gesenktem Kopf, "dass ich derjenige bin, der die Fragen stellen sollte?"

Jeonghan verstummte. Er wusste genau, in welche Richtung dieses Gespräch sich entwickeln würde, jedoch wünschte er, sein Freund würde es vermeiden. Er war ein Idiot, Jeonghan war vermutlich der größte Idiot auf Erden, eine so sensible Person verletzt zu haben.

"Was war alles gelogen? Dein Job, statt in dem Café deiner Eltern arbeitest du hier als Reporter ... Deine Eltern sind nicht deine leiblichen Eltern, dein Name ist nicht Hong Jeonghan und du bist der Sohn von Yoon Daejeong."

Seungcheol sank zu Boden und lehnte sich an die Wand, während er verzweifelt versuchte, sich selbst Wärme zu spenden, indem er seine Beine anzog und sie umarmte. Das Lachen, welches über seine Lippen glitt und so hinreißend klang, verdeckte den Schmerz seiner Tränen und zerriss das Herz des Blondhaarigen.

"Ich habe dich geliebt, ich liebe dich immer noch. Nun habe ich das Gefühl, dich überhaupt nicht zu kennen.", er blickte auf zu Jeonghan, seine Augen waren glasig und er wirkte unglaublich zerbrechlich, "Du hast meine Familie zerstört. Du hast mich angelogen."

Jeonghan musste sich selbst beherrschen, die Tränen auf den Wangen des Braunhaarigen nicht wegzuwischen, er fürchtete, ihr Abschied wäre dadurch nur noch schwerer. Wahrscheinlich musste dieser seine Gefühle unterdrückt haben, nie sah er seinen Freund so schnell zusammenbrechen.

"Warum bist du immer noch so stumm? Verdiene ich denn keine Erklärung, nachdem du mir das Herz so brachst?", fragte Seungcheol ihn, seine Hände zerrten an dem Stoff seiner Hose, um einen Nervenzusammenbruch zu verhindern.

Erneut lag eine Stille zwischen ihnen, aber es war keine Stille, die der Braunhaarige angenehm fand. Es war nicht die Stille, die er sonst so schätzte und liebte. Diese Stille wiederum schauderte ihn, er wollte vor ihr wegrennen, ihr entkommen. Sein Kopf dröhnte, schleppend stand er auf, wobei er die Unterstützung der Wand brauchte, um nicht wieder hinzufallen. Er wollte weg von hier, das Dasein des Anderen ließ ihn beinahe ersticken.

Mit der einen Hand an der Wand trat er davon. Seine Schritte waren langsam, seine Beine so schwach, dass er fürchtete, jeden Moment nachzugeben. Durch die Tränen war seine Sicht verschwommen, alles drehte sich und nahm merkwürdige Gestalten an. Und wieder ergiff Jeonghan seine Hand. Er tat es so liebevoll, so zärtlich, Seungcheol wollte weinen, denn es machte alles umso schwerer. Warum konnte er nicht aufhören, Zuneigung zu zeigen?

"Deine Hände. Sie sind verletzt.", murmelte der Blondhaarige, seine Augen blickten davon, um Augenkontakt zu vermeiden, während er mit der anderen Hand nach etwas in seinen Taschen suchte.

Kurz darauf holte er ein Pflaster heraus, ein schlichtes, weißes Pflaster mit kleinen Bären als Motiv. Bei dem Anblick unterdrückte Seungcheol sich ein trauriges Lächeln. Es war unmöglich, dieses nicht wiederzuerkennen, schließlich entstand durch ein einfaches Pflaster das, was sie bis jetzt hatten.

Ein einziges Pflaster ließ seine Gefühle erneut verrückt spielen und er empfand eine wundervolle Nostalgie. Die Erinnerungen, sie waren durch ein einfaches Pflaster miteinander verbunden. Hätte Seungcheol dem blondhaarigen Mann damals nicht solch ein Pflaster angeboten, so wäre ihre Beziehung womöglich nie entstanden. Und während es damals ihr Anfang war, schien es heute eine Geste des Abschieds zu sein.

"Hör auf, bitte. Diese Verletzungen sind nichts, ich fühle keinen Schmerz, außer den in meinem Herzen.", Seungcheol brachte es nicht übers Herz, seine Hand zurückzuziehen, stattdessen wartete er, bis sein Freund das Pflaster auf die größte Wunde befestigte.

Er hasste es wirklich. Der Braunhaarige hasste es über alles, denn wie zuvor war er immer noch so schwach, so verdammt angewiesen auf den Anderen. Seungcheol hatte nicht den Mut, sich aus den fürsorglichen Händen seines Freundes zu befreien. Je mehr ihn Jeonghans Worte verletzten, desto sorgfältiger ging dieser mit dem Braunhaarigen um. Der Kontrast zwischen seinen Worten und seinen Gesten verunsicherte Seungcheol.

"Dein Vater ist selbst an dem allen Schuld. Ich habe lediglich für Gerechtigkeit gesorgt.", begann Jeonghan mit sanfter Stimme, obwohl man gleichzeitig auch seine Verachtung heraushörte, "Alles, was du im Fernsehen sahst, ist war. Ich selbst habe die Ermittlungen durchgeführt. Ich empfinde nur Mitleid gegenüber dir, weil du es auf diese Weise herausfinden musstest."

Jene Aussage ließ Seungcheol seine Hand zurückziehen. Er biss sich auf die Zunge, um weitere Tränen zu verhindern, doch die Art, wie Jeonghan über seinen Vater redete, verletzte ihn. Niemand kannte seinen Vater besser als er selbst, er glaubte daran und wollte es auch weiterhin tun, aber warum musste man ihm nun unbedingt das Gegenteil davon zeigen?

"Du kennst meinen Vater nicht-"

"Seungcheol. Vielleicht kennst du deinen Vater besser, dennoch weißt du nichts über seine ekligen Schandtaten.", unterbrach Jeonghan den Braunhaarigen erbarmungslos und innerhalb wenigen Sekunden wandelte sich sein sanfter Blick zu einem gehässigen.

Schon wieder. Schon wieder redete der Blondhaarige über seinen Vater, obwohl dieser kaum wusste, wie der Vorstandsvorsitzender wirklich war.

"Lügner.", flüsterte Seungcheol und wiederholte es einige Male, wobei er mit beiden Händen den Anderen leicht weg schubste und dadurch die Distanz zwischen ihnen vergrößerte, "Mein Vater liebt seine Familie. Er tat alles für uns, für mich, und ich lasse nicht zu, dass du es zerstörst, Yoon Jeonghan. Mein Vater hat nichts mit alledem zu tun."

"Gerade weil er euch so liebt, hat er ohne jegliche Bedenken meine Familie ruiniert.", Jeonghan funkelte ihn an, sein Blick war beängstigend, sodass der Braunhaarige beinahe ihren Blickkontakt trennte.

"Für dich möge er ein perfekter Vater gewesen sein, doch für mich, Seungcheol, war er mein größter Albtraum. So glücklich wie du dein ganzes Leben lang warst, so glücklich war ich nur für einige Jahre als Kind. Mag sein, du hältst mich für einen Lügner, einen Idioten, was auch immer, aber gleichzeitig weißt du auch, dass meine Aktionen alle Gründe haben.

Dein Vater rief für meine Familie die Hölle herbei, nur weil er Angst vor Konkurrenz hatte. Was tat er? Jegliche Verbrechen, die ein Freund von ihm beging, wurden auf meinen Vater geschoben. Sein ganzes Leben lang arbeitete mein Vater, um so weit zu kommen und nun war alles umsonst. Wegen Choi Yoontae. Ich habe wirklich versucht, deinen Vater zu verstehen, Seungcheol. Aber die Art, wie er mich anlächelte, es ekelte mich an, denn es war genau das gleiche Lächeln, welches er trug, als er die Beweise fälschte.

Weißt du, was danach geschah? Nachdem man meinen Vater festgenommen hat? Meine Mutter starb. Sie litt so sehr unter der Strafe, die meinem Vater zugeteilt worden war, letztendlich vernachlässigte sie ihre eigene Gesundheit. Mein Vater überlebte es ebenfalls nicht.

Und schließlich wurde ich als Kind ein Waise. Seungcheol, er zerstörte das Leben eines unschuldigen Kindes. Die Zukunft, die ich mit sechs Jahren mir ausmalte, zerbrach direkt vor mir und alles nur wegen eines einzigen Mannes. Ich musste zusehen, wie er mir alles wegnahm, meinen Vater, meine Mutter, mein glückliches Leben als Familie. All das, obwohl ich noch keine sieben Jahre alt war."

Und zum allerersten Mal seit langem weinte Jeonghan wieder. Im Gegensatz zu dem Anderen war er nicht so nah am Wasser gebaut, doch der gegebene Anlass riss ihn mit sich. Das Wasser, das der Blondhaarige mithilfe eines Staudamms immer unter Kontrolle hatte, überflutete ihn jetzt und machte aus ihm ein Desaster.

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