Fleischessende Vegetarierin
Tiere sind besser als Menschen.
Tiere wissen, wie man sich wirklich fühlt. Menschen nicht. Tiere sind loyal. Menschen nicht. Tiere sind rücksichtsvoll. Menschen nicht. Tiere sind keine Gorillers. Menschen schon.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe einen kleinen Hund. Er war derjenige, der zu mir kam und sich zu mir legte, als es mir echt scheiße ging, als niemand für mich da war. Ich mag zwar von außen hin auf meine Mitmenschen stark wirken, auf die Frage „Wie geht es dir?" immer „Gut" antworten und mich zu einem gequälten Lächeln zwingen, aber in Wirklichkeit geht es mir nicht gut.
Es ist schwer, zu begründen, warum es einem schlecht geht. Man will es sich immer leicht im Leben machen. Deswegen antwortet man meist mit einer Lüge. Aber manchmal ist es doch richtig, auf die Frage „Wie geht es dir?" die Wahrheit zu erwidern. Manchmal muss man sich für den richtigen und nicht für den leichten Weg entscheiden. Denn vor uns liegen dunkle, schwere Zeiten, Harry. Mist, schon wieder ...
Tiere können entziffern, ob Antworten der Wahrheit entsprechen. Denn sie können spüren, wie wir uns fühlen.
Manchmal wünsche ich mir, Vampire Diaries wäre real. Dann gäbe es wenigstens Wesen in Menschenform, die mich verstehen würden, ohne, dass ich überhaupt etwas sage. Ja, ich würde übernatürliche Wesen vielleicht sogar akzeptieren, sie mögen. Vielleicht mehr als Gorillers. Das wahrscheinlich sowieso.
Ich bin zwar keine Vegetarierin, aber wäre es gerne. Ich respektiere diese Leute, die das wirklich durchziehen. Die dafür sogar einen Vitaminmangel in Kauf nehmen. Ich weiß, dass man den Mangel durch Tabletten wieder ausgleichen kann, aber ... ich persönlich könnte nicht vegetarisch werden.
Denn meine Soziale Phobie sorgt schon so dafür, dass ich Probleme damit habe, in der Öffentlichkeit zu essen oder Bestellungen zu machen. Und dann müsste ich auch noch nachfragen, ob die Mahlzeit wirklich zu 100 % vegetarisch sei? Nein, danke.
Wenn ich schon daran denke, wie der Service mich mit seinen aufgerissenen Augen anstarrt, auf eine Antwort wartet, während ich dort sitze, den Mund kaum auf bekomme und dauernd schlucken muss, da ich so aufgeregt bin, werden meine Hände ganz schwitzig. Es ist purer Stress für mich, wenn ich dort ganz steif sitze und angestrengt atme, da ich es nicht anders hinbekomme.
Genau so ergeht es mir beispielsweise beim Pizza-bestellen. Ich schaffe es nicht einmal, selbstständig die Tür aufzumachen, da ich Angst habe, mit dem vor-der-Tür-stehendem-Goriller zu reden. Ich habe Angst davor, was er alles über mich denken könnte. Tausend Gedanken schwirren mir dann immer durch den Kopf, meine Lippen werden trocken und bin nur noch imstande ein unsicheres „Hallo" zu erwidern, mein Portmonee mit zitternden Händen zu öffnen und das nötige Geld zu überreichen.
„Hat er meine zitternden Hände bemerkt? Ich will nicht eingeschüchtert wirken. Wieso habe ich mir nichts Anderes angezogen und meine Haare gerichtet? Merlin, die kann man doch sowieso nicht mehr retten ... Schau' dir sie doch mal an. So dick wie diese Zotteln sind ... Sehe ich in diesem Shirt dick aus? Gib' es doch endlich auf. Du siehst in allem dick aus ... "
So ähnlich sieht es dann in meinem Kopf aus. Für Menschen, die an Sozialphobie nicht erkrankt sind, mag das vielleicht ein wenig seltsam klingen, das ist mir durchaus bewusst, aber so läuft es nun mal im Leben einer psychisch-kranken ab. Mir ist es bewusst, dass es mir eigentlich völlig egal sein sollte, was dieser Goriller von mir haltet, aber das ist es eben nicht. Ich kann nichts dagegen tun. Es passiert einfach.
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