Kapitel 71


Kapitel 71

Harry POV

„Ich hätte Niall nicht geradeheraus mit dem Passierten konfrontieren sollen." Bedrückt knete ich meine Hände, während ich meine Augen angespannt durch den Raum schweifen lasse. Bis ich meinen Blick schließlich auf Louis ruhen lasse, da dieser einen tiefen Seufzer ausstößt. Direkt im Anschluss daran heftet er seine Augen fest auf mich und betont beim Sprechen jedes einzelne Wort „Harry. Du hast nichts falsch gemacht!" 

Liams Aufmerksamkeit richtet sich bei Louis' Äußerung abrupt auf mich, davor beschäftigte er sich offenbar sehr konzentriert mit seinem Handy. Sofort pflichtet er Louis bei „Hör auf ihn, Harry! Keine Geheimniskrämerei mehr, denn wir wissen ja was dabei herauskommt." Ich schüttele hartnäckig meinen Kopf und entgegne überzeugt „Trotzdem hätten wir ihn nicht einfach gehen lassen sollen!" „Aber er musste jetzt alleine sein, um in Ruhe über das Gesagte nachzudenken!" An Liams Gesichtsausdruck kann ich ablesen, dass er mich nicht versteht. 

Keiner von ihnen tut das. Auch wenn sie mit voller Kraft versuchen mir in dieser Situation beizustehen, kann ich ihnen ihr Unverständnis förmlich ansehen. Sie hatten keinen Gedächtnisverlust durch einen sinnlosen Unfall und können aus diesem Grund nicht nachvollziehen wie entmutigend es ist durchweg nichts ohne Hilfe schaffen zu können. Ich kann nicht kurzerhand ohne jegliche Mühe aufstehen, um das Bad aufzusuchen oder einfach nur in diesem kargen Raum auf und abzugehen. Dem wachsenden Bewegungsdrang kann ich nichts zum Ausgleich entgegensetzen. Meine Muskeln sind nicht ausgelastet und dennoch werde ich unsagbar schnell müde, muss mich andauernd ausruhen. 

Louis durchschneidet meine missmutigen Gedankengänge mit entschlossener Stimme „Harry, jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Wenn es dich beruhigt, kann ich Niall anrufen und frag-" „Nein! Lasst mich einfach in RUHE!" Plötzlich aufgekeimter Zorn verleiht meiner Äußerung einen ungewollt harten Klang. Daher kann ich die erschrockenen Gesichter von Liam und Louis völlig verstehen. Auch, dass Liam mit einem Mal aufsteht und leise meint „Wie du willst. Komm Louis, lass uns nach Zayn und Anne schauen." 

In meiner Scham, da mein Ausbruch vollkommen unberechtigt war, bleibe ich stumm und senke beschämt meinen Kopf. Ich verstehe sie nur zu gut, wie sehr ich mir doch wünsche, dass der Unfall nie passiert wäre. Dann läge ich nun nicht hier und würde Louis' bekümmerten Blick auf mir spüren. Jedoch sage oder mache ich ebenso nichts dagegen, ich bin es einfach leid mich andauernd zu entschuldigen. Ohne ein weiteres Wort folgt Louis Liam schließlich langsam zur Tür und lässt mich mutterseelenalleine in diesem Krankenhauszimmer zurück. 

Als ich das typische Geräusch einer sich schließenden Tür höre, gebe ich einen gedämpften Laut unsäglicher Frustration von mir und lasse mich niedergeschlagen in das aufgerichtete Kissen zurücksinken. Wie wenn mir das Schicksal den heutigen Tag so richtig vermissen wollen würde, verspüre ich in diesem Augenblick ein starkes Durstgefühl. Natürlich ist die Flasche, die auf dem kleinen Beistelltisch neben dem Bett steht, bereits seit einiger Zeit leer. 

Nun wirklich mies gelaunt schnalze ich mit meiner Zunge und verschränke meine Arme vor der Brust. Meine Augen fixieren dabei erbost den bekritzelten Gips, der sich an meinem rechten Bein befindet. Wieso hätte ich nicht alleinig irgendeinen gottverdammten Knochen in meinem Fuß brechen können? Dann könnte ich mich zumindest auf Krücken fortbewegen, doch nicht einmal das war meinem Geschick vergönnt. 

Bevor ich mich vermutlich um unzählige Stufen weiter in mein Selbstmitleid hineinsteigen kann, wird unerwartet erneut die Tür geöffnet und ich höre leise Schritte. Mürrisch brumme ich, ohne aufzusehen „Habt ihr schon wieder vergessen, dass ich meine Ruhe haben will!" „Welche Laus ist dir den über die Leber gelaufen?" Die weibliche Stimme auf Anhieb einer bestimmten Person zuordnend schießt mein Blick in die Höhe und ich verziehe meinen Mund zu einem halbherzigen Lächeln. Entschuldigend entgegne ich „Ich wusste nicht, dass du es bist." 

„Wen hattest du denn stattdessen erwartet?" Ihre Augenbrauen nach oben ziehend tritt sie näher an das Bett heran. Auf ihren Lippen liegt ein freundliches Lächeln, welches ich nicht erwidern kann. Trübsinnig erkläre ich, indes ich meine Augen auf die Bettdecke richte „Ich habe mich irgendwie mit Liam und Louis gestritten." „Was bedeutet irgendwie?" Ich höre, dass sie sich auf einen der Stühle niederlässt. Vermutlich liegen ihre strahlend blauen Augen sorgenvoll auf mir, zu oft hat sie mich nun schon mit diesem Ausdruck angesehen. 

Seufzend erwidere ich, noch immer mit gesenktem Kopf „Ich habe ihnen gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Und das haben sie, als beide einfach gegangen sind." „Ach, Harry..." Ich spüre eine Hand an meiner Wange, sofort breitet sich ein wohliges Gefühl in mir aus und ein ehrliches leichtes Lächeln erscheint auf meinen Lippen. Ein zaghaftes Streicheln meiner vereinzelten Bartstoppeln veranlasst mich meine Augen genießend zu schließen. „Willst du deine Freunde denn nicht um dich haben?" Ihre Frage erfolgt leise und behutsam, als ob sie mich nicht erschrecken wollen würde.

Widerwillig öffne ich meine Augen und sehe sie bedrückt an. „Doch natürlich will ich sie bei mir haben. Aber..." Ich seufze leicht und schließe meinen Mund, um den Satz nicht beenden zu müssen. „Aber?" Mias zaghafte Nachfrage bringt mich dazu ihre Hand von meiner Wange zu nehmen und meine Finger gedankenverloren mit ihren zu verschränken. Beinah schon abwesend murmle ich „Laufend steigt in mir eine unerklärliche Wut auf." 

„Auf sie?" Ich schüttle meinen Kopf und blicke sie deprimiert an. Leise antworte ich „Auf mich selbst." Ihre Augenbrauen ziehen sich bei meinen Worten zusammen und bringen ihre reine Stirn in Falten. Erneut erkenne ich diesen besorgten Ausdruck in ihren Augen, als sie mich vermutlich nachdenkend ansieht. Nach wenigen Sekunden vollkommener Stille, die nur durch das regelmäßige Piepen unterbrochen wird, äußert sie „Du bist betrübt darüber, dass du nichts ohne Hilfe erledigen kannst." 

Ich erwidere auf ihre Feststellung nichts weiter als ein bloßes kaum sichtbares Nicken, indes sich die brodelnde Wut in meinen Adern in ein Gefühl des schleichenden Kummers verwandelt. Meine zuvor noch angehobenen Mundwinkel fallen, wie ich auch meinen Blick senke. Mein Händedruck lässt nach, da mich die Erkenntnis meiner völlig verkehrten Handlung gegenüber den nahestehenden Menschen, die hier bei mir sind und mir beistehen wollen, heftig trifft. Wieso musste ich dermaßen eklig zu ihnen sein und sie wiederholt grundlos abweisen? 

„Hey, Harry..." Bestimmt habe ich sie mit meinen Worten verärgert, wenn nicht sogar schon längst vergrault. „Komm, sieh mich an." Hatten Zayn und meine Mum nicht gesagt, dass sie nur einen kurzen Abstecher in die Cafeteria machen wollen? Doch kamen sie selbst nach einiger Zeit nicht wieder. Brauchten sie eine Auszeit von mir? Konnten sie mein wechselhaftes Verhalten einfach nicht mehr aushalten? Habe ich meine besten Freunde verloren und selbst meine eigene Mutter gekränkt? 

„Jetzt sieh mich an, Harry!" Ein forderndes Schütteln meines Körpers reißt mich aus dem trübseligen und hoffnungslosen Gedankenstrudel. Nur langsam nehme ich wahr, wie Mia ihre Hände von meinen Schultern nimmt und vorsichtig mein Gesicht umfasst. Ich erwidere ihren Augenkontakt und verliere mich schrittweise in diesem unfassbar wunderbaren Blau, indes sich mein Gehirn wie von selbst leert. Leise Worte dringen an mein Ohr „Du wirst wieder wie vor dem Unfall werden, Harry. Nur Geduld, halte die paar Wochen aus. Der Bruch wird heilen und du wirst dich erholen. Aber verliere nicht den Kopf und versinke in Selbstmitleid!" 

Einen Moment lang herrscht Stille zwischen uns, indes ich ihr weiter in die Augen sehe. Behutsam umschlingt sie nun mit ihren beiden Händen meine rechte Hand, ohne den Blickkontakt zu lösen. „Wirst du mir dabei helfen?" Unsicher kommt diese Frage aus meinem Mund. Trotz, dass ich Mia noch nicht allzu lange kenne gibt sie mir ein Gefühl von Sicherheit und Stärke zum Durchhalten. 

Ein sanfter Ausdruck erscheint in ihrem Gesicht „Wenn du das möchtest, natürlich. Aber stoße deine Freunde nicht mehr von dir. Sie wollen nur helfen." „Ich weiß, Mia. Danke." Unvermittelt erfasst mich eine Welle der Erleichterung, wie wenn ich eine mir zuvor scheinbar nicht zu knackenden Aufgabe nun spielend leicht gelöst hätte. 

„Jeder braucht zumindest eine Person, die immer zu einem steht. Sich einander niemals im Stich zu lassen ist die Grundlage für eine langbestehende echte Freundschaft." Mia wirkt als wäre sie tief in Gedanken in eine Erinnerung versunken, weshalb ich nur sehr zögernd frage „Sprichst du aus Erfahrung?" Dass ihr gesunkener Blick nun wieder hochzuckt und sie mich einen Augenblick lang starr ansieht, beweist mir ihre kurzzeitige Abwesenheit. 

Ich schenke ihr ein leichtes Lächeln und füge hinzu „Du musst mir davon nicht erzählen." Mein Lächeln erwidernd drückt sie sanft meine Hand und erklärt mich durchweg anschauend „Ich dachte nur an meine Schwester und ihre beste Freundin." Überrascht bemerke ich „Ich wusste gar nicht, dass du Geschwister hast. Oder hast du eine Schwester bereits erwähnt?" 

Beklommenheit verengt meinen Hals und ein mulmiges Gefühl breitet sich in meinem Magen aus. Kann ich mich an diese Unterhaltung mit Mia einfach nicht mehr erinnern? Habe ich noch mehr gemeinsame Gespräche vergessen? Ein zärtliches Streichen meines Handrückens lässt mich meinen unruhigen Blick auf Mia richten. Ihre sanfte Geste und ihr liebevoller Gesichtsausdruck haben eine beruhigende Wirkung auf mich. 

„Vielleicht habe ich Samy in einem Nebensatz miteingebracht, vielleicht auch nicht. Das weiß ich nicht mehr, Harry." Ein entschuldigender Blick erreicht mich, weswegen ich mich langsam wieder entspanne. Vermutlich hat Mia wirklich einfach noch nie über ihre Schwester gesprochen. Neugierig erkundige ich mich, froh einmal nicht über mich selbst und meinen jetzigen Zustand reden zu müssen „Ist sie jünger, als du?" „Sie wurde dieses Jahr 18 und hat ihren Führerschein gerade erst bestanden." Ein strahlendes Lächeln erscheint auf ihren Lippen, welches bis zu ihren Augen reicht.

Interessiert blickt sie mich nach ihrer Erwiderung an. Ihre nicht geäußerte Frage verstehend meine ich „Ich habe eine ältere Schwester, Gemma. Oder weißt du das schon?" Ihr daraufhin kurzes Kopfschütteln stimmt mich zufrieden. Zu selten treffe ich jemand, der nicht bereits alle Daten von mir kennt und meine komplette Familie anhand von Bildern identifizieren könnte. Meist begegne ich auf der Straße nun einmal Fans, die allerhand von jedem von uns aus der Band wissen. Die Privatsphäre bleibt bei der Karriere leider viel zu oft einfach auf der Strecke liegen. 

Ehrlich interessiert an ihrer Antwort erkundige ich mich weiter „Ist Samy auch dermaßen sympathisch und hübsch, wie du es bist?" „Weltoffen, liebenswert und treu trifft es eher." Dass sie mein verstecktes Kompliment verstanden hat, zeigt mir ihre aufgekommene leichte Röte ihrer Wangen. Deswegen ein Grinsen in meinem Gesicht habend, stelle ich fest „Du verstehst dich anscheinend sehr gut mit ihr." Mia nickt leicht und lächelt mich an „Sie ist nun einmal meine kleine Schwester, da kann ich ruhig stolz auf sie sein." 

Das angenehme Gefühl, das von meiner Hand ausgehend durch meinen gesamten Körper strömt, lockt meine Aufmerksamkeit stückweise von der neben mir sitzenden reizenden Frau hinweg. Aus diesem Grund höre ich Mias nächsten Worte nur am Rande. „Samy ist eine unglaubliche Person, besonders zu nahestehenden Menschen." Aufgeschlossen spricht sie weiter, ohne meine momentane Geistesabwesenheit zu bemerken. „Du hättest sie mal erleben müssen, als Amy durch eine sehr schwere Zeit ging. Samy wohnte schon fast bei ihr, da sie ihre beste Freundin keinen Moment lang alleine lassen wollte. Es ist allein Samy zu verdanken, dass Amy wieder zu dem herzensguten und lebhaften Mädchen wurde." 

Zunächst gebe ich ein leichtes Nicken von mir und lächle dabei, allerdings stocke ich im darauffolgenden Moment und greife ihr Gesagtes zum eigenen Verständnis erneut auf „Deine Schwester und Amy sind beste Freunde. Und Amy machte eine schwere Zeit durch?" Mias Gesicht nimmt einen leicht verwirrten Ausdruck an, als sie bestätigend nickt und irritiert fragt „Wieso interessiert dich das so sehr?" 

Bevor ich ihr mein Interesse erklären kann, scheint sie zu verstehen und äußert, mich musternd ansehend „Geht es darum, dass Amy mit einem deiner Bandkollegen zusammen ist?" Mein bereits geöffneter Mund klappt wieder zu, als ich Mias skeptischen Blick auf mir spüre. Wie soll ich ihr diese insgesamt sehr verzwickte Situation nur verständlich erklären? Ohne ein Wort meinerseits entweicht Mia ein Seufzen „Ich habe ins Schwarze getroffen." 

Meine Hand drückend meint sie nun mit einem sanften Lächeln „Wenn du dir Sorgen darum machst, dass Amy die Beziehung nicht wichtig genug ist, kann ich dir versichern, dass sie ihn über alles liebt." Stutzig frage ich „Woher willst du das denn wissen?" 

Leichtfertig erwidert Mia mit einem amüsierten Lächeln „Samy ist nicht die Einzige, die deine Band seit Anfangszeiten vergöttert. Daher zögerte ich doch auch erst, ob ich mich mit dir treffen soll, denn durch Samy wusste ich wie die Mitglieder von 'One Direction' aussehen. Die plötzliche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bereitete mir Angst und ich-" Unangekündigt stoppt Mia und zieht ein kleines Gerät, das fast nur aus einem großen Bildschirm besteht, aus einer Halterung an ihrem Hosenbund. 

Entschuldigend blickt sie wieder zu mir „Man ruft nach mir. Ich komme bei Schichtende wieder, ja?" Mehr als ein leichtes Nicken und kurzes Lächeln bringe ich nicht zustande. Mia drückt noch einmal sanft meine Hand, dann erhebt sie sich und schlüpft durch den Türspalt hinaus. 

Derweilen fliegen die Gedanken bereits in wilden Loopings durch meinen ermatteten Kopf und verursachen immer stärker werdende Kopfschmerzen. Mit beiden Zeigefingern massiere ich meine Schläfen, indes meine Aufmerksamkeit nicht mehr meiner Umgebung gilt. Immer wieder höre ich den Nachklang des einen Satzes: 'Samy ist nicht die Einzige, die deine Band seit Anfangszeiten vergöttert'. Mia muss Amy gemeint haben, wen auch sonst? Doch hat Amy Niall nicht gesagt, dass sie keinesfalls ein hysterisch kreischender Fan ist und die Band gar nicht kennen würde? Ist das ihre Lüge, von welcher sie an Liams Geburtstagsfeier sprach? Oder spielen mir meine verworrenen Erinnerungen einen Streich und ich liege vollkommen falsch? Vielleicht meint Mia mit ihrer Äußerung etwas völlig anderes und ich kenne einfach noch nicht das gesamte Bild, um wirklich die komplette Situation begreifen zu können. Aber Niall muss davon erfahren! Doch würde er mir überhaupt noch einmal zu hören? Was ist, wenn er mir danach nie wieder gegenübertreten würde? Das heftige Pochen meines Kopfes hindert mich am klaren strukturierten Denken, weshalb ich meine Hände gegen die jeweilige Seite des Schädels presse und meine Augen fest zusammenkneife. Tue ich Amy vielleicht doch die gesamte Zeit unrecht und habe Niall grundlos in seinem Vertrauen verunsichert? 

„Harry, Schatz. Geht es dir nicht gut?" Die erklingende Stimme ohne jeglichen Schwierigkeiten meiner Mum zuordnend blinzle ich vorsichtig und blicke tatsächlich direkt in das sorgenvolle Gesicht meiner Mutter. Ihr nicht noch mehr Kummer bringen wollend schlage ich meine Augen ganz auf, nehme meine Hände rasch herunter und lächle gleich darauf. „Alles in Ordnung, Mum. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mir geht es gut." „Das sah gerade aber ganz anders aus." Ihr besorgter Blick fährt aufmerksam über mein Gesicht, dann fügt sie anscheinend zu sich selbst murmelnd hinzu „Die Arbeit muss einfach warten." 

Das größere Ausmaß ihrer Äußerung verstehend entgegne ich sofort angespannt „Nicht, wenn du dadurch deinen Job verlierst!" „Ich regle das schon, mein Schatz. Wie könnte ich dich jetzt auch alleine lassen? Du brauchst mich hier und nirgendwo anders." Wie Mia zuvor umgreift jetzt meine Mutter meine rechte Hand ganz sanft und blickt mich fürsorglich an. Wie sehr ich ihre Anwesenheit und Fürsorge auch schätze, steigt in mir dennoch ein schlechtes Gewissen auf. Denn sie würde ohne zu zögern einfach alles für mich aufgeben, sogar ihren heiß geliebten Arbeitsplatz. Da ich diese Tatsache nicht bedenkenlos hinnehmen kann, äußere ich leise „Mum, wenn du wirklich gehen musst, ist das okay. Du lässt mich ja nicht alleine. Ich habe Freunde um mich herum, die mir helfen werden." 

Dass ich es mit genau diesen zwischenzeitlich verscherzt habe, verschweige ich lieber. Schließlich muss meine Mutter nicht alles noch so Kleinliche von meinem Leben wissen. Ein Seufzen entweicht ihren Lippen, dann nickt sie geschlagen und erwidert mit einem Lächeln „Du hast recht, Harry. Doch es fällt mir schwer meinen kleinen Jungen ohne mütterliche Unterstützung hier zu lassen." 

„Ich bin nicht mehr klein, Mum. Ich überrage dich um einige Zentimeter." Ein Schmunzeln liegt auf meinen Lippen, welches meine Mutter genauso übernimmt „Egal, wie groß du wirst, du bleibst immer mein kleiner Junge." Ich schließe kurz meine Augen, als sie mich zärtlich auf die Stirn küsst, und lächle sie gleich darauf an. „Ich liebe dich, Mum." „Und ich liebe dich über alles, mein Schatz." Ihr Blick streift über mein Gesicht, indes sie durchweg meine Hand liebevoll drückt. 

Unvermittelt durchbricht ein hereinstolpernder Louis die emotionale Atmosphäre. „Jetzt schubst mich doch nicht gleich! Ich wollte Anne und Harry nicht stören." Halb umgedreht funkelt Louis deutlich meine übrigen Bandkollegen, Liam und Zayn, an. Schon viel besser gelaunt, als vor einer guten Stunde, bemerke ich belustigt „Das ist dann wohl in die Hose gegangen." 

Drei Gesichter wenden sich mir zu. In den Gesichtern von Louis und Liam erkenne ich eine gewisse Überraschung. Meine vorherigen Worte stecken scheinbar noch sehr tief in ihren Gedächtnissen. Doch auch Zayn blickt mich kurzzeitig irritiert an, ihm wurde das Geschehene offenbar erzählt. In das merkwürdige Schweigen hinein ergreift meine Mutter das Wort und wendet sich dabei an die in der Tür Stehengebliebenen „Dass ihr mir auf Harry auch wirklich aufpasst und mich sofort anruft, falls etwas sein sollte." 

Ein Schmunzeln kann ich nicht unterdrücken, zumal eine mehrstimmige, nicht zu verstehende, Erwiderung ertönt und jeder von den Dreien versucht einen möglichst vertrauenswürdigen Ausdruck zu erwecken. „Und Harry..." Fest blickt mir meine Mutter in die Augen, als sie noch leiser fortfährt „...lass dir bitte auch helfen." Verstanden gebe ich ein wiederholtes leichtes Nicken von mir und lächle sie beruhigend an. Sichtbar mit sich kämpfend erhebt sich meine Mutter, beugt sich vorsichtig über mich und gibt mir einen erneuten zärtlichen Kuss auf die Stirn. 

Um die ruhige Stimmung nicht wiederholt zu zerstören, wispere ich „Pass auf dich auf, Mum." Ein weiteres Lächeln tauschen wir beide aus, dann lässt sie meine Hand mit einem letzten sanften Drücken los und verlässt mit langsamen Schritten das Krankenzimmer. Einige Sekunden vergehen, derweil ich gedankenverloren und mit höchstwahrscheinlich leerem Blick auf die geschlossene Tür starre. „Harry?" 

Zunächst zu erschöpft, um zu reagieren, rege ich mich nicht. Allerdings beschleicht mich ein leichtes Schuldgefühl und ich brumme ein mattes „Mhm?" Meine Augen lasse ich weiter ins Nichts starren. „Wir müssen mit dir reden, Harry." Mit dieser festen Äußerung gewinnt Zayn meine restliche Aufmerksamkeit, an diesem frühen Abend. Ich runzle leicht meine Stirn und frage „Über was?" „Über Niall." Louis' ernste Stimme verunsichert mich ungemein, weswegen ich mich zögernd, so gut wie möglich, aufrichte und abwechselnd meine Bandkollegen anschaue. 

Nachdem keine weiteren Erklärungen folgen, erkundige ich mich argwöhnisch „Habt ihr mit ihm gesprochen?" Aufregung flackert in mir auf, weshalb ich schnell hinzufüge „Was hat er gesagt? Ist er sauer auf mich?" Die zerknirschten und angespannten Gesichter sowie das anhaltende Schweigen nicht verstehend verstumme ich, nun wirklich eingeschnappt. Dennoch grummle ich leise „Keine Antwort ist auch eine Antwort." 

„Harry, wir..." Liam fehlen offenbar die Worte, denn er bringt seinen begonnenen Satz nicht zuende. Ebenfalls scheinen Louis und Zayn nicht bereit zu sein mir eine ausführliche Erklärung zu geben. Verstimmt bemerke ich „Ihr könnt mir ruhig sagen, wenn Niall fuchsteufelswild ist und nichts mehr mit mir zu tun haben will. Ich werde das schon irgendwie verkraften, doch sagt mir endlich was mit euch los ist!" 

Meine Lippen hart aufeinanderpressend spüre ich meinen heftigen Herzschlag, der in einem verschnellerten Rhythmus unüberhörbar ertönt. Offensichtlich bemüht mich zu beruhigen legt Liam seine Hand auf meinen linken Arm „Du darfst dich doch nicht aufregen!" „Dafür ist es jetzt zu spät!" Der mir bereits vertraute Zorn steigt wiederholt in mir auf, weswegen ich meine Hände langsam zu Fäusten balle. Liam versucht nun vergeblich mit leicht unbeholfenem Streichen meines Oberarmes eine beruhigende Wirkung auf mich zu haben. Zayn rutscht tiefer in den Stuhl, indes er seinen starren Blick stumm auf mich gerichtet hat. 

Nur Louis scheint der Geduldsfaden zu reißen und alle Vorsicht außer Acht zu lassen, da er ungehalten herausplatzt „Niall ist verschwunden." „Louis!" Rasch sitzt Zayn wieder aufrecht, schlägt dem neben ihm Sitzenden vorwurfsvoll auf den Oberarm und zischt „Du hättest Harry ruhig sensibler sagen können, dass Niall unauffindbar ist!" „Wenn es nach dir gegangen wäre, säßen wir noch bis morgen Früh hier und wären nicht auf den Punkt gekommen!" „Jetzt giftet euch doch nicht schon wieder an. Lasst uns das in Ruhe regeln!" 

Alles um mich herum beginnt zu verschwimmen und die Stimmen vermischen sich zu einem unverständlichen leicht gedämpften Geräuschpegel. Die Kopfschmerzen kehren zurück, noch heftiger als zuvor ergreift mich die Schmerzwelle. Ich merke, dass mir ein qualvolles Stöhnen entweicht, doch höre ich es nicht. Ebenso spüre ich, dass ich meine linke Hand mit zusammengekniffenen Augen an meinen Schädel presse. 'Samy ist nicht die Einzige, die deine Band seit Anfangszeiten vergöttert' Erst leise, dann immer lauter hallt dieser gesprochenen Satz in meinem Kopf nach. Verzweifelt versuche ich die aufkommenden beängstigenden Gedanken abzuschütteln. Nein, es gibt eine andere Erklärung. Niall braucht einfach nur Ruhe zum Nachdenken und hat sich ohne uns Bescheid zu sagen zurückgezogen.

„Harry!" „Verdammte Scheiße." „Hörst du uns, Harry?" „Jetzt sag doch etwas!" Die deutlich besorgten Stimmen meiner drei Bandkollegen ertönen nur dumpf inmitten meiner wirren Gedanken, doch werden sie mit jeder neuen Äußerung deutlicher. Da die heftigen Kopfschmerzen weiter an mir zerren, kratze ich meine verbliebenen Kräfte zusammen und presse mit erstickter Stimme heraus „Wo ist Niall?" 

Ich hoffe euch gefällt dieses (recht lange) Kapitel ^-^ Das Ende dieser Geschichte kommt nun langsam näher... Eine genaue Kapitelanzahl kann ich euch nicht nennen, doch werden es vermutlich keine 10 Kapitel mehr sein.

Ich würde mich über jegliches Feedback von euch freuen ☻♥

Meine Fragen an euch: 

- Meint Amy es wirklich ernst mit Niall, oder ist alles nur ein Spiel für sie?

- Könnt ihr Harrys letzte Frage beantworten? Irgendwelche Vermutungen?

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