Kapitel 5

Kapitel 5

Niall POV

Ein schrilles Piepen reißt mich aus meinem viel zu kurzen Schlaf. Blind mit noch geschlossenen Augen taste ich nach dem Störenfried, namens Wecker. Schon jetzt habe ich miserable Laune. Ich habe eindeutig viel zu wenig Ruhe bekommen. Endlich streifen meine Finger über den gesuchten Gegenstand und ich haue missmutig auf die große Schlummertaste. Eine wunderbare Erfindung, denn der nervige Ton verschwindet und wird erst wieder in circa zehn Minuten erneut erklingen.

Mit einem tiefen Seufzer lasse ich mich ins Bett zurückfallen und reibe mir meine Schläfen. Verdammte Kopfschmerzen! Warum musste ich gestern auch so viel trinken? Während ich auf dem Rücken liege und meine beiden Zeigefinger kleine Kreise auf meine Schläfen malen, spüre ich wie mich die Müdigkeit zurück in meine Traumwelt transportiert und ich lasse dies mit einem tiefen Atemstoß wehrlos geschehen.

Doch das Schicksal hat es wohl heute nicht gut mit mir gemeint, da meine Gedanken von selbst plötzlich auf eine enorm wichtige Sache stoßen. Mit einem Schlag bin ich hellwach und fahre im Bett hoch. Sofort recht sich mein Schädel, denn er beginnt schmerzhaft zu pochen. Mit einem zugekniffenen Auge halte ich mir meinen Kopf, indes huschen meine Augen zu der digitalen Anzeige des Weckers auf meinem Nachtisch. 11:23 Uhr.

Auf meine Unterlippe kauend durchforste ich angestrengt mein Hirn. Welche Uhrzeit hat Liam in die Nachricht geschrieben? War es erst gegen Mittag, oder früher? Hoffentlich nicht, denn sonst komme ich nun auf jeden Fall zu spät. Nervös schwinge ich meine Beine über die Bettkante und eile mit schmerzendem Kopf auf direktem Weg ins Bad. Zähneputzen, rasieren und duschen, dann flitze ich mit einem um die Hüfte gebundenen Handtuch zum Kleiderschrank und werfe wahllos ohne recht hinzusehen irgendwelche Klamotten über.

Sockig greife ich nach dem über Nacht ausgeschaltete Handy und poltere die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Ich greife mir erneut an den pochenden Kopf. Bevor ich irgendetwas anderes mache, brauche ich ein Aspirin! Mit dieser Erkenntnis hetze ich in die Küche, hole mir ein Glas heraus und fülle es mit Wasser. Die Tablettenpackung liegt schon bereit auf dem Tresen. Zum Runterkommen beobachte ich wie sich die Tablette langsam in dem stillen Wasser auflöst. Dann kippe ich das Glas in einem Zug hinunter und schließe kurz die Augen. Dabei atme ich tief durch und versuche das nervtötende Pochen einfach auszublenden. Es gibt jetzt viel Wichtigeres!

Ein weiterer Blick auf die Uhr, zwanzig vor zwölf, verrät mir, dass ein ausgiebiges Frühstück auf keinen Fall mehr hinhaut. Deswegen schnappe ich mir seufzend zwei schon etwas angetrocknete Brotscheiben, beschmiere sie im Stress und schlinge sie beinah ohne zu kauen hinunter. Wie ich Hektik am frühen Morgen und direkt nach dem Aufstehen doch hasse. Besonders mit einem brummenden Schädel! Noch kauend stolpere ich Richtung Tür und suche den Schlüssel. Geschwind stoßen meine Augen genau auf diesen und ich öffne eilig die Tür um zu meinem Auto zu gelangen.

Schon beim ersten Schritt über die Türschwelle stimmt irgendetwas nicht. Ich schaue verwirrt auf meine Füße und klatsche mir mit meiner Hand leicht gegen die Stirn. Ich Trottel! Wie konnte ich die Schuhe vergessen? Im Rückwärtsgang schließe ich die Tür, stürme zurück zum Schuhregal und schlüpfe einfach in die Sneakers hinein ohne sie zu binden. Bevor ich erneut aus dem Haus stürze und etwas vergessen habe, schaue ich extra kontrollierend an mir herunter und im Flur umher. Jetzt müsste ich alles haben. Abermals mache ich Anstalten durch die Tür hinaus zu rennen als mir doch noch etwas einfällt. Mein Handy! Schnaubend haste ich zum Küchentresen, schnappe mir das kleine Gerät und fahre genau dieses beim Zur-Tür-laufen hoch.

Hastig verlasse ich ohne Jacke das Haus und schmeiße die Tür hinter mir zu. Hoffentlich gehen die Temperaturen in der nächsten Zeit wieder herunter, denn die Jahreszeit Sommer, genauer zu sein Anfang August, macht sich wirklich aller Ehre. Draußen ist es wie in den letzten Tag erdrückend schwül und heiß. Bereits auf den wenigen Metern zu meinem Auto bilden sich Schweißperlen auf meiner Stirn und ich froh bin nur ein Tank top, sowie eine dreiviertel Hose, zu tragen.

Den strahlenden Sonnenschein, der von wenigen Wolken bedrängt wird, nehme ich gar nicht so recht wahr, da die Nervosität, welche ich gestern erfolgreich zurückdrängen konnte, mit einer rieseigen Welle zurückkehrt und mich vollkommen hibblig macht. Das Aufeinandertreffen mit meinen Bandkollegen versetzt mich in einen Dauerstress und macht die herrschende Situation, dass ich wahrscheinlich zu spät bin, nicht gerade besser. Eigentlich sollte das Wiedersehen mit seinen Freunden glücklich sein und nicht Angstzustände in einem selbst auslösen. Jedoch ist bei mir genau das der Fall.

Seufzend lasse ich mich auf den Fahrersitz fallen, stecke den Schlüssel ins Zündschloss und checke geschwind die Benachrichtigungen von meinem, nun endlich hochgefahrenen, Handy. Bei dem Anblick von zwanzig verpassten Anrufen macht sich in meinem Hals ein dicker Kloß breit. Als ich auch noch sehe von wem diese stammen, knabbere ich unruhig auf meiner Lippe herum. Ich bin geliefert… Jeder der Jungs hat versucht mich zu erreichen und das mehrmals. Spätestens jetzt werden sie sauer auf mich sein, wenn sie das nicht schon längst waren…

Fahrig stelle ich mein Handy auf laut falls mich erneut jemand anruft und lege das Gerät auf den Beifahrersitz. Eine passende Halterung besitzt mein Auto leider nicht und ich habe so eine auch noch nicht nachträglich einbauen lassen. Ich drehe mit mulmigen Gefühlen angespannt den Schlüssel herum. Hektisch ordne ich mich in den Straßenverkehr ein und halte mich heute nicht besonders an die Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Angst macht sich in mir breit. Furcht davor, dass wegen meiner Verspätung abermals ein Streit entsteht. Auf keinen Fall will ich wieder so eine Situation wie sie vor unserer freien Zeit geherrscht hat. Die Atmosphäre war unerträglich gereizt und die Luft war jedes Mal, wenn wir in einem Raum waren, zum Zerreißen gespannt. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mehr was mich dazu geritten hat, so zu handeln wie ich es getan habe. Ich bereue zutiefst was ich getan und gesagt habe, gleichzeitig schäme ich mich dafür. Leider kann ich das Geschehene nicht mehr rückgängig machen und mir bleibt nur die Hoffnung, dass die Jungs mir allesamt meine unglaubliche Dummheit und unangebrachten Ego verzeihen. Hoffentlich. Denn wenn nicht, dann weiß ich echt nicht mehr weiter. Ich will keinen der Vieren verlieren! Niemals!

Ein Hupen reißt mich aus meinen Gedanken und  ich starre erschrocken auf die vor ein paar Sekunden noch rote Ampel, welche nun grün ist. Ich lasse die Kupplung kommen und fahre an. Allerdings reagiere ich meinem Hintermann anscheinend noch immer nicht schnell genug, weil er erneut seine Hupe betätigt und dann mit Vollgas an mir vorbeizieht. Dabei lässt er es sich nicht nehmen mir den Mittelfinger zu zeigen. Am wutverzerrtem Gesicht lese ich ab, dass er mir vermutlich noch einige wüste Beschimpfungen entgegen schreit.

Genervt umfasse ich das Lenkrad fester und atme tief durch. Nicht aufregen! Das ist nur irgendein völlig unwichtiger Idiot! Liam sagte mir schon oft, dass man aggressiv auf keinem Fall Auto fahren soll, deswegen rede ich mir diese Worte zur Beruhigung zu. So recht klappen tut es wegen verschiedenen Dingen aber nicht. Erstens wirkt die verfluchte Tablette immer noch nicht und mein Kopf pocht gemütlich weiter vor sich hin. Zweitens hat dieser Schwachkopf kein Recht mich so blöd anzumachen! Drittens bin ich wie bisher komplett angespannt, aufgrund des Treffens.

Zum Glück oder eher Rettung klingelt mein Handy. Ich weiß, dass man während des Fahrens eigentlich nicht telefonieren soll und es dazu noch verboten ist. Dennoch schaue ich auf das Display. Wenn man vom Teufel spricht. Der Name, welcher aufblinkt, verleitet mich dazu sofort abzunehmen und lässt mich den Fakt des Strafgeldes, welches man mit dem Handy am Steuer bezahlen muss, vergessen. Ich äußere „Hey Liam.“

Die Laustärke in der dieser nun ernste Worte entgegnet, lässt mich zusammenzucken und das Handy etwas von meinem Ohr wegheben „SAG MAL! Wo bleibst du verdammt nochmal? Seit einer geschlagenen Stunde sitzen wir hier herum und warten auf dich!“ Bedrückt erwidere ich „Tut mir leid… Ich hab den Wecker irgendwie falsch gestellt.“ „Wann bist du denn da?“ Seine Stimme klingt schon ein wenig verständnisvoller, weswegen ich geschwind auf die Straßenschilder sehend erwidere „Noch mindestens zehn Minuten, aber ich beeile mich!“ Es folgt ein undeutliches Gemurmel aus dem Hörer und ich lege das Handy zum Schalten kurz auf meinen Schoß.

Mit einer Hand das Lenkrad haltend und in der anderen das Handy nun wieder ans Ohr nehmend brause ich wirklich so schnell es geht durch die Londonerstraßen. Doch sie sind wie jeden Tag vollgestopft und jeder einzelne scheint wie immer in Eile zu sein. Als mich ein weiterer Trottel schneidet und ich eine halbe Vollbremsung hinlegen muss, sodass ich ihm nicht hintendrauf fahre, fluche ich vor mich hin und schlage verärgert auf das Lenkrad. Im gleichen Moment ertönt aus dem Hörer eine Stimme „Niall?“ Ich entgegne ein kurzes „Mhm?“ Dabei konzentriere ich mich stark auf den Verkehr. „Brauchst du noch lange?“ Augenrollend antworte ich mürrisch „Tut mir echt leid Louis, dass ich kein Zauberer bin. Dann hätte ich mich natürlich gleich von meinem Bett zu euch appariert.“ Es ertönt ein Schnauben „Ich darf doch wohl noch fragen!“ Nun lasse ich entnervt die Luft aus meinen Backen entweichen, allerdings bleibe ich, wie auch die andere Seite der Leitung, stumm.

Als ich gerade nach vergangenen schweigenden Minuten auflegen will, meldet sich anscheinend auch mal Harry zu Wort „Hör mal Niall…“ Ein lautes Hupen unterbricht seinen Satz. Ich murmele leise etwas vor mich hin, während ich an zwei Streithähnen, alias Autofahrern, vorbeikurve. Abermals ertönt Harrys Stimme „Ey! Telefonierst du etwa beim Fahren?“ Ich erwidere zuerst ein kurzes Nicken, dann merke ich, dass er mich nicht sehen kann und meine „Soll ich etwa anhalten und euch noch länger warten lassen? Das wird euch bestimmt gefallen.“ Meine Worte triefen nur so vor Ironie. Es ertönt ein empörter Laut, dann äußert sich jemand anderes „Niall! Jeder von uns ist halt verstimmt, weil du uns sitzen gelassen hast! Deswegen hast du keinen Grund UNS anzufahren!“ Jetzt mischt sich auch noch Zayn mit ein. Echt toll. Meine Augen schweifen aufgewühlt im Innenraum des Autos herum. Na super. Sie sind sauer auf mich, schon wieder… Kann denn gar nichts einfach mal nach Plan laufen?

„Niall? Hallo, bist du noch da?“ Erneut hat offensichtlich Liam das Handy in der Hand und in seiner Stimme höre ich zumindest Mal keinen Zorn heraus. Deshalb sammele ich meinen Mut und schlucke die unnötige Wut herunter.Ich räuspere mich „Ja klar.“  Bei meinen Worten wandern meine Augen langsam zurück auf die Fahrbahn. „Tut mir leid, ich hät…“ Mit dem Augenblick als mein Blick auf der Straße ankommt erblicke ich ein kleines Mädchen, welches plötzlich einfach so genau vor mir auf der Fahrbahn steht. Augenblicklich breche ich meinen Satz ab und schnappe schockiert nach Luft. Gleichzeitig scheint sich alles um mich herum zu verlangsamen, jedoch schlägt mein Herz so schnell als hätte es einen Marathonlauf hinter sich.

Aus dem Handy schallt mein Name, aber ich ignoriere die Stimme und lasse das Gerät desinteressiert fallen. Mit beiden Händen umschlinge ich angsterfüllt das Lenkrad. Mit jeder vergehenden Sekunde rückt das Mädchen näher und in meinem Gehirn laufen die Gedanken Amok. Ich weiß nicht was ich tun soll! Keinen einzigen klaren Gedanken kann ich fassen! Ich kann mich auf nichts anderes konzentrieren als auf das kleine unschuldige Mädchen, welches mich mit aufgerissenen Augen anstarrt. Glücklicherweise besitze ich ein Unterbewusstsein und der einsetzende Beschützerinstinkt erledigt zum Glück diese Entscheidung für mich. Das kleine Mädchen ist nur noch wenige Meter von mir entfernt als ich mit ganzer Kraft auf die Bremse trete und versuche eine Vollbremsung hinzulegen. Schon beim Beginn dieses Manövers bemerke ich, dass ich das unschuldige Mädchen mit höchster Wahrscheinlichkeit noch erwischen würde und sie unter die Reifen kommen wird, wenn ich nicht etwas anderes mache.

Aus Reflex reiße ich panisch das Lenkrad mit einem Ruck nach links, nicht an die Fußgänger auf dem Bordstein denkend. All meine Aufmerksamkeit liegt bei dem kleinen Mädchen, welches mich mit großen Augen angsterfüllt anstarrt. Ich kurbele das Lenkrad bis zum Anschlag und mein Auto wendet sich schlitternd in Zeitlupe nach links, dann poltere ich über die Bordsteinkante. Dabei bete ich, dem Mädchen erfolgreich ausgewichen zu sein. Ich darf sie nicht erwischt haben! Vereinzelte Fußgänger springen aufgeschreckt zur Seite und bringen sich dadurch hoffentlich alle in Sicherheit. Ich will niemanden verletzten! Nicht wegen meiner verdammten Blödheit am Steuer doch ein Handy zu benutzen. Warum habe ich überhaupt abgenommen? Was habe ich mir nur dabei gedacht?

Die immer näher kommende Hauswand ruft Todesangst in mir hervor und ich kneife panisch meine Augen zusammen, gleichzeitig drücke ich mit beiden Füßen fest auf die Kupplung und die Bremse. Meine Hände umklammern von Angst ergriffen das Lenkrad. In so einem Augenblick soll laut Filmen und Büchern das Leben an einem vorbeiziehen und man soll all seine schönen Momente mit Freunden, Familie oder einfach nur flüchtig Bekannten erneut durchleben. Es entspricht nicht der Wahrheit, jedenfalls nicht bei mir. In meinem Kopf erscheinen keine Bilder oder Szenen vergangener schöner Zeiten. Nein.

Vor mir erblicke ich das kleine unschuldige Mädchen auf der Straße liegen, von Blut überströmt. Ihre im Tode erloschenen Augen blicken leer in den Himmel. Dann erscheinen vor meinem inneren Auge verschiedene Passanten, die eigentlich nur ihre Einkäufe an einem Montagmittag erledigen wollten. Jetzt krümmen sie sich vor Schmerzen und qualvolle Schreie erfüllen den Ort meiner Unfähigkeit. Aus diesem Grund ist das Einzige woran ich in dem Moment des harten Stoßes, der plötzlich durch das gesamte Auto geht und mich hart nach vorne schmeißt, denke: Bitte ist niemand verletzt! Bitte habe ich niemanden umgefahren! Es darf niemand wegen meinem Verschulden gestorben sein!

Einen schönen ersten Weihnachstfeiertag oder weiteren Ferientag ♥ Was habt ihr denn so geschenkt bekommen?

Meine Fragen an euch:

- War es tatsächlich Nialls Verschulden am Unfall? Wie hätte er ihn verhindern können?

- Denkt ihr die Jungs sind wirklich wütend auf ihn, wegen seiner Verspätung?

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