Kapitel 10
Kapitel 10
Niall POV
Wo ist Amy? Mein ganzer Körper sehnt sich mit einem Mal nach ihrer Nähe, ihrer Geborgenheit und ihrer Wärme. Ich kann ihr Lächeln, was zwar nur kurzzeitig aufgetreten war, aber wunderschön ist, einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Ich muss es noch einmal sehen! Jetzt sofort! Wenn ich doch nur nochmal in diese tiefschwarzen Augen blickend könnte…
Jeder Augenblick als sie neben mir stand und meine Hand hielt war viel zu kurz. Ich will sie unbedingt einmalig in den Arm nehmen können, mit ihr kuscheln und sie einfach nur bei mir haben. Doch im nächsten Moment wird mir die traurige Wahrheit bewusst.
Ich liege verletzt nach einem selbstverschuldeten Autounfall auf einer Trage in einem nun stehenden Rettungswagen. Vorhin habe ich Amy ja schon fast gezwungen bei mir zu bleiben. Sie hatte gar keine andere Wahl! Bestimmt wäre sie beim Eintreffen der Sanitäter wieder ihren eigenen Weg gegangen. Aber nein. Ich Trottel, kralle mich aus Panik und daraus resultierendem Reflex an sie.
Ich wollte sie in diesem Augenblick einfach nicht gegen lassen, ich konnte nicht. Sie war doch mein Retter, mein Engel! Wie könnte ich sie einfach so ziehen lassen? Zu sehr beruhigen mich ihre Nähe und ebenso ihre Berührungen. Doch für sie bin ich ein völliger Fremder. Sie kennt mich nicht, genauso wenig weiß ich etwas über sie. Lediglich die Namen sind uns gegenseitig bekannt. Trotzdem fühle ich mich so sehr zu ihr hingezogen und vertraue ihr, einer eigentlich vollkommenen Unbekannten.
Dass die Türen aufgerissen werden, bekomme ich gar nicht so richtig mit. Das Einzige woran ich denken und worauf ich mich konzentrieren kann ist Amy. Ich will sie nicht loslassen. Dafür ist es doch noch viel zu früh! Wir haben uns noch nicht einmal richtig kennengelernt!
Ich höre die über mich gebeugte Sanitäterin kaum, so als ob sie Meilen von mir entfernt wäre, dabei sind es lediglich einige Dezimeter. Ihre vorher so laute einprägsame Stimme ist mit einem Mal so leise „So, Mister Horan. Jetzt bekommen Sie die benötigte Hilfe und Betreuung. Bringen wir Sie ins Gebäude.“ Bei diesen Worten legt sie mir sanft die Hand auf den rechten Arm, vermutlich will sie damit beruhigend auf mich wirken. Allerdings verfehlt sie mit dieser Handlung bei mir völlig die Wirkung. Anstatt mich zu entspannen und Erleichterung zu verspüren, steigt die Furcht des Verlassenswerdens in mir auf.
Amy kann mich doch nicht so einfach alleine gelassen haben! Wo ist sie? Ein leeres Gefühl macht sich in mir breit und ich wende nun doch verzweifelt meinen Kopf mit einem Ruck nach links. Entgegen meiner Erwartungen sie dort zu erblicken, erkenne ich bloß das große Krankenhausgebäude zu meiner Seite, welches sich weit in den Himmel erstreckt.
Die Sanitäterin schiebt mich sehr vorsichtig und aufmerksam über den Vorplatz und überwindet die kurze Strecke von dem Wagen zum Eingang. Auf diesem Weg spricht sie mit mir, wahrscheinlich um mich abzulenken oder zu beschäftigen, jedoch höre ich ihr nicht zu und verstehe kein einziges Wort was sie sagt. Unentwegt wandern meine Augen hektisch, schon fast panisch, von links, über die Umgebung und schließlich nach rechts auf die freundlich lächelnde, aber nach vorne schauende, Sanitäterin. Nirgends erfassen meine Augen die Gestalt von Amy. Aus diesem Grund kann ich nicht verhindern, dass meine Panik nun doch wieder an die Oberfläche dringt und mich langsam, aber sicher, komplett einnimmt.
Warum hat sie mich jetzt in diesem Moment verlassen? Einfach auf mich alleine gestellt zurückgelassen! Ich brauche sie doch an meiner Seite. Jetzt bei mir! Meine Atmung wird ohne, dass ich es beeinflussen kann immer schneller und hastiger. Die Angst davor, dass sie wirklich gegangen ist, lässt mich innerlich Beben und löst ein Zittern aus. Tränen steigen ungewollt in meinen Augen auf. Sie darf nicht weg sein! Wer lenkt mich denn jetzt ab? Auf wen kann ich mich konzentrieren, um nicht an das Passierte denken zu müssen?
Ich habe das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen und mein ganzer Körper spannt sich an. Aus Panik vor der Angst, nach dem überstandenen Autounfall vor dem Krankenhaus, zu ersticken schnappe ich hysterisch nach Luft. Ohne nachzudenken will ich mich aufrichten, da ich in dieser Position vielleicht besser atmen kann, doch ich komme nicht weit. Mehrere Hände drücken mich bestimmend, aber vorsichtig genug, um mir nicht wehzutun, auf die Trage. Verschiedene Stimmen reden wild durcheinander, während ich nach Atem ringe und versuche nicht komplett durchzudrehen. Ich höre mehrmals meinen Namen, doch mehr verstehe ich aus dem Stimmengewirr nicht. Unter dem gleichmäßigen Druck der Hände bäume ich mich vor Verzweiflung auf. Ich will nicht sterben!
Als ich schon denke, dass der Moment gekommen ist in dem ich mich ins Jenseits begebe, vernehme ich eine Stimme und nicht irgendeine. Es ist ihre Stimme! Ich versuche mich vollkommen auf diesen Klang zu konzentrieren, auch wenn ich die Worte nicht verstehe. Nach nochmaligen Ringen nach Luft scheint es mir zu gelingen, da sich meine Lungen wieder komplett füllen und ich nur noch vereinzelt nach Luft schnappen muss. Schließlich spüre ich einen Druck an meiner linken Hand und erwidere ihn sofort so gut wie es geht. Es vergehen noch weitere Atemzüge, die immer regelmäßiger werden, bis sich auch mein Herzschlag wieder normalisiert hat und ich letztlich meine Augen, die ich anscheinend irgendwann fest zugekniffen habe, langsam öffne und direkt in diese unglaublichen rabenschwarzen Augen blicke. Augenblicklich bin ich nun ebenfalls innerlich wie äußerlich völlig ruhig.
In ihrem Gesicht lese ich ihre Beklommenheit ab, doch sie hat ebenso ein kleines Lächeln im Gesicht als sie genau die Worte ausspricht, die ich mehr als andere hören will „Ich werde nicht weggehen, dich nicht alleine lassen. Nicht solange du das nicht willst. Ich bleibe bei dir Niall, hörst du?!“ Sie blickt mich mit solcher Bestimmtheit und enormen Selbstbewusstsein an, dass ich meine verbliebende Kraft sammeln und aufwenden kann, um ein schwaches Nicken zu entgegen. Zu mehr bin ich in diesem Augenblick nicht fähig.
Erst als sich Amy normal neben mich stellt und ihr Kopf nicht genau über mir schwebt und somit mein komplettes Blickfeld einnimmt, bemerke ich, dass mich die Sanitäterin offenbar schon durch die Tür ins Gebäude gebracht hat. Nun blickt sie mich an und äußert ernst gemeint „Ich wünsche Ihnen Mister Horan alles Gute und hoffe Sie kommen schnell wieder auf die Beine.“ Ich gebe ein kaum merkbares Nicken von mir und flüstere erschöpft „Dankeschön…“ Die Sanitäterin versteht meine Antwort nichtsdestotrotz und lächelt freundlich, dann wird meine Aufmerksamkeit auf eine andere Person gelenkt, da er sich mit einem Räuspern bemerkbar macht.
Vor mir steht ein junger Mann in einem weißen Kittel. Er informiert mich „Mein Name ist Doktor Pain und ich werde Sie in Ihrer Zeit des Aufenthaltes in diesem Krankenhaus betreuen. Doch zuerst einmal werde ich Sie untersuchen.“ Misstrauisch schaue ich den Mann weitergehend an, während ich Amys Hand fest drücke. Nun beugt sich Doktor Pain näher zu mir und meint verschwörerisch „Mein Ruf eilt mir voraus, doch der hat nichts zu heißen. Ich bin noch viel schlimmer als meine Name schon sagt.“
Zuerst starre ich ihn mit großen Augen schockiert an, allerdings grinst er schon nach ein paar vergangenen Sekunden und lockert damit die ganze Atmosphäre auf. Jetzt habe auch ich den Scherz verstanden und muss trotz meiner unermüdlichen Schmerzen einen kurzen Auflacher loslassen. Dadurch schaffe ich es, dass Doktor Pain beim Losschieben der Trage lächelnd äußert „Ich sehe schon. Wir werden uns gut verstehen. Normalerweise verschrecke ich mit dieser Aktion die meisten meiner Patienten. Dass einer lacht, war noch nie.“
Nach kurzer Zeit bleibt er stehen und bemerkt ernst „Es tut mir leid, aber Sie müssen Mister Horan jetzt alleine lassen.“ Flehend schaue ich stumm von Amy, die mich unentschlossen anblickt, zu Doktor Pain, jedoch schüttelt er den Kopf und äußert „Ich muss Sie sorgfältig auf Verletzungen untersuchen und dabei würde sie nur im Weg stehen. Aber sie kann gerne im Wartebereich bleiben und ich werde sie sofort verständigen lassen, wenn sie zu Ihnen darf.“ Amy lässt mir keine Zeit zu antworten, da sie mich ermutigend anlächelt und meine Hand fest drückt „Ich werde warten. Versprochen!“ Ich kann nur ein leichtes Nicken erwidern und hauche ein „Danke.“ Dann lässt sie langsam meine Hand los und Doktor Pain schiebt mich weg.
Ich weiß nicht wohin er mich bringt, doch aufgrund der Sympathie, die ich Doktor Pain gegenüber empfinde, macht es mir leicht ihm zu vertrauen. Deshalb liegt meine Aufmerksamkeit auf ihm als er mich schließlich auffordert ruhig ein- und auszuatmen. Er meint erklärend, dass er meine Atmung horcht, danach tastet er prüfend meinen Burstkorb ab und fragt mich immer wieder ob ich Schmerzen spüre. Jedes Mal verneine ich. Lächelnd informiert er mich „Das sind schon mal sehr gute Nachrichten. Somit liegt kein Rippenbruch oder Rippenprellung vor.“
Als ich zum Test auch meine anderen Gliedmaßen im Liegen bewegen soll und dabei auch keine so großen Schmerzen auftreten, fordert er mich auf mich langsam aufzurichten. Wachsam behält er mich im Auge als ich mich vorsichtig hinsetze. Mein Schädel brummt ununterbrochen, weswegen ich das auch sofort melde. Daraufhin stellt er mir einige Fragen. Ob ich mich an alles erinnere, mir übel wäre und leuchtet mir auch in die Augen. Schließlich fordert er, dass ich mich hinstelle und einen Schritt gehe. Skeptisch sehe ich ihn an und er versichert mir, dass er aufpasst.
Seufzend schiebe ich meine Füße über die Kante und verlagere unsicher mein Gewicht darauf. Aufmerksam steht Doktor Pain neben mir und das ist auch sehr gut so, weil ich direkt als ich alleine ohne Stütze ihm Raum stehe anfange zu schwanken und er mir sofort seinen Arm als Hilfe anbietet. Wieder sitzend ist mir noch immer leicht schwindlig und ich verspüre nun auch eine Übelkeit, welche ich davor noch gar nicht gemerkt hatte. Ich sage das sofort wieder Doktor Pain. Schließlich soll er mir ja helfen und dafür muss ich ihm mitteilen was mir fehlt.
Dieser nickt bestätigt und erklärt „Sie haben wirklich großes Glück, da Sie, sage ich mal, nur eine leichte Gehirnerschütterung erlitten haben. Nachdem was mir berichtet wurde wie das Auto aussah, haben Sie wohl einen Schutzengel gehabt, der bestens auf Sie aufgepasste.“ Bei seinen Worten kommt mir sofort wieder Amy in den Sinn. Für mich war sie dieser Engel und sie ist es immer noch. Sie war die Erste, die ich sah als ich meine Augen aufschlug. Vor Schreck spreche ich im Selbstgespräch zu mir „Ich habe mich ja noch gar nicht bei ihr bedankt!“ „Bei wem denn? Für was?“ Interessiert äußert Doktor Pain sich, indes untersucht er die Verletzungen in meinem Gesicht und beginnt das nun getrocknete Blut wegzuwischen.
Verwundert, dass ich das laut geäußert habe, aber keineswegs verlegen, erkläre ich „Amy. Als ich zu mir kam war sie bei mir und hat sich um mich gekümmert.“ „Ah das Mädchen, welches mitkam und jetzt wartet?“ Auf seine Frage nicke ich nur, da er gerade geflissentlich in meinem Gesicht herum reibt. Mit dem Tupfen auf meiner Schläfe entgegnet er „Das wäre auf jeden Fall angemessen. Achtung, das könnte leicht wehtun… Tut mir leid.“
Anscheinend reinigt er soeben eine Wunde an meiner Schläfe, die noch offen zu sein scheint. Denn ich bin schon bei der leichtesten Berührung zusammengezuckt. Nun fährt er behutsamer fort und informiert mich „Die Platzwunde ist nicht tief. Es reicht also ein einfacher Verband und sie wird von selbst heilen.“ Ich lasse das ohne missmutig zu werden über mich ergehen, da ich froh sein kann, dass ich so glimpflich davon gekommen bin.
Nun mit einem weißen Verband um den Kopf sehe ich Doktor Pain abwartend an. Dieser mustert mich ausgiebig und stößt scheinbar noch auf etwas, da er fordert „Legen Sie bitte den Kopf ein wenig schräg, auf die linke Seite. Ja, genau so.“ Ich halte diese Position, während er über eine Stelle rechts am Hals behutsam darüberwischt und schließlich ein Pflaster draufklebt. Neugierig schaue ich ihn an und er äußert erklärend „Der Gurt war vermutlich nicht richtig eingestellt, da er bei dem Unfall in Ihren Hals eingeschnitten hat.“ Überrascht entgegne ich „Das habe ich gar nicht gemerkt.“ Dabei falte ich meine Hände und zucke erneut zusammen. Erstaunt schaue ich auf meine rechte Hand. Stimmt, die hat mir vorhin auch schon wehgetan.
Doktor Pain weiß nach dem Röntgen und dem Besichtigen der Bilder schnell die Antwort darauf „Aufgrund des Umklammerns des Lenkrades hat sich im rechten Handgelenk als Folge eine Prellung zugetragen.“ „Links verspüre ich aber gar keine Beschwerden!“ Verwundert schaue ich ihn an, doch er meint lediglich „Das kann durchaus mal sein.“ Damit legt er mir einen festen Verband an und weist mich an, mein rechtes Handgelenk zu schonen, außerdem kann es einige Zeit dauern bis ich es wieder wie früher benutzen kann. Nickend nehme ich diese Anweisung zu Kenntnis.
Doktor Pain gibt mir als nächstes ein Glas Wasser mit einer Tablette „Das ist zuerst einmal gegen die Übelkeit und den Schwindel, doch es hilft Ihnen auch ein wenig Ruhe zu bekommen, denn diese verordne ich Ihnen großzügig!“ Ich befolge erneut seine Forderung und er verkündet lächelnd „Fürs erste wäre es das gewesen. Ich werde Amy holen und Sie legen sich zwischenzeitlich schön ins Bett. Ich werde das nachher kontrollieren!“ Mit diesen Worten verschwindet er aus dem Einzelzimmer, in das ich gebracht wurde.
Ich bleibe etwas bedröppelt sockig auf der Matratze sitzen. Meine Schuhe stehen neben dem Bett. Weil ich ein so lieber Patient bin, stecke ich meine Beine unter die Decke und breite diese über mir aus, dabei benutze ich schön nur meine linke Hand. Dann begutachte ich interessiert meinen Körper, jedoch wird das Lecken meiner Wunden, wie man so schön sagt, jäh unterbrochen als ich höre wie die Tür geöffnet wird.
Direkt hebe ich meinen Kopf und blicke geradewegs in diese atemberaubenden rabenschwarzen Augen. Ich lächele „Hey…“ Sie tritt zu mir und erwidert „Na? Wie geht es dir?“ Dabei mustert sie mich kritisch und beäugt merklich meine nun bedeckten Wunden. Ich entgegne „Ganz gut…“ Sie zieht sich einen Stuhl näher und setzt sich zu mir ans Bett „Doktor Pain meinte, dass du dich ausruhen sollst. Also…?“ Ernst blickt Amy mich an. Erschöpft gebe ich einfach nach und kuschele mich in die Decke. Außerdem hat die Wirkung der Tablette offensichtlich gerade eingesetzt und ich greife im Wegdämmern noch nach ihrer Hand.
Das letzte Kapitel für dieses Jahr 2014 :-) Ich hoffe es gefällt euch ♥
Meine Fragen an euch:
- Was haltet ihr von Nialls Panik als Amy weg ist?
- Wie würdet ihr die Beziehung zwischen den Beiden beschreiben?
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