Teil 48 ( Nadja )

Ich saß auf meinem Bett und betrachtete die Zeichnungen, die Mischa angefertigt hatte. Ich vermisste ihn so sehr. Abends war es am Schlimmsten, wenn mich die Arbeit nicht ablenkte und ich daran dachte, dass ich zu diesem Zeitpunkt immer mit ihm zusammen gewesen war. Seite um Seite blätterte ich um und ließ die gemeinsamen Stunden Revue passieren. Meine Finger suchten nach einem Bild von Mischa, das es nicht gab – er hatte sich nie selbst portraitiert. Zwar war sein Aussehen in meinem Gedächtnis eingebrannt, aber ich wünschte, ich hätte ein Bild von ihm, das ich ansehen, das meine Finger streicheln könnten.

Ich hatte keine Ahnung, wo Mischa jetzt war, ob er überhaupt noch lebte und die Ungewissheit zerrte an mir, zermürbte mich, wie ich es nicht erwartet hatte. Spät, viel zu spät war mir die Erkenntnis gekommen, dass ich damals mit ihm hätte gehen sollen! Einzelne Tränen liefen mir die Wangen hinunter, aber ich ließ sie gewähren. Warum hatte ich ihn bloß alleine fortgehen lassen! Es war der größte Fehler meines Lebens gewesen. Ich hatte ihm gesagt, dass seine Flucht erfolgsversprechender wäre, wenn er sich alleine auf den Weg machte, aber das war nicht die Wahrheit gewesen. Ich glaubte nicht – und hatte es auch nicht vor ein paar Wochen geglaubt – dass sich eine Gruppe von Menschen auf meine Suche begeben würde. Auch Lena hatten wir damals nicht gesucht.

In Wirklichkeit hatte ich einfach Angst gehabt. Nicht Angst davor, mein bisheriges Leben zu verlassen, aber Furcht vor dem, was mir passieren würde, wenn man uns zusammen entdeckte, weit weg von dem relativ geschütztem Rahmen meines Zuhauses. Es wurmte mich, mir einzugestehen, dass Angst der Grund für meine Entscheidung zu bleiben gewesen war - eine Entscheidung, die ich jetzt bitter bereute. Ob wir uns jemals wieder sehen würden? Ich musste einfach daran glauben!

Ich hatte Mischas Adresse und klammerte mich an das bisschen Zuversicht, dass sie versprach. Doch noch war an Briefverkehr nicht zu denken, denn noch immer herrschte Krieg zwischen den Deutschen und den alliierten Verbündeten. Ob er wenigstens zur Geburt unseres Babys vorbei sein würde? Ich seufzte tief, ließ mich ins Bett fallen und kroch unter die Decke. Zärtlich legte ich die Hände auf meinen Bauch und versuchte mich mit dem Gedanken zu trösten, dass es vielleicht Schicksal war, dass ich hier auf dem Hof geblieben war, um das Leben des Babys nicht zu gefährden.

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