Teil 38

Es gab nichts mehr zu sagen. Ich legte den Stift beiseite und kuschelte mich an Mischas Brust, jeden Moment auskostend, der uns noch blieb. Ich konnte ihn nicht mehr anschauen, denn ich fürchtete, erneut in Tränen auszubrechen und biss mir auf die Zunge in dem Versuch, nicht die Beherrschung zu verlieren. Mischa hatte den Arm um mich gelegt und so blieben wir still sitzen, bis es ganz dunkel geworden war. Ich reichte Mischa den Sack mit den Sachen und er zog sich stumm die alten Kleidungsstücke an. Die Ärmel und Hosenbeine waren ein wenig kurz, doch das machte nichts, keiner trug in heutigen Zeiten perfekt sitzende Kleidung. Sie hatte immerhin den Vorteil, dass er von weitem wie ein Russe aussah. Dann schlüpfte Michael in die Schuhe und wir kletterten die Leiter hinunter. Ich hieß ihn zu warten und holte lautlos Marianka aus dem Stall.

Alles blieb ruhig und kein Mensch zeigte sich und so holte ich Mischa ab und wir liefen zum Waldrand hinüber. Es war stockdunkel, aber da ich den Weg kannte, machte es mir keine Mühe. Mit der einen Hand führte ich Marianka am Seil hinter uns her, mit der anderen Hand griff ich nach Mischas Hand und so machten wir uns auf den Weg. Es stand außer Frage zu reiten, Mischa hatte mir von seiner Angst vor Pferden berichtet. Es dauerte daher lange, bis wir den Fluss erreichten. Ein paar einfache Holzplanken führten darüber. Ich hatte keine Uhr, aber die Morgendämmerung konnte nicht mehr weit sein. Ich musste mich dazu zwingen, Mischas Hand loszulassen. Das Schluchzen saß mir in der Kehle und machte jegliches Reden unmöglich. Ich band Marianka an einen Baumstamm und dann war es Zeit...

Mit zitternder Hand und voller Herzklopfen reichte ich Mischa den mit Verpflegung und einer Decke gefüllten Sack, zusammen mit dem Umgebungsplan. Ich hatte solche Angst um ihn, denn so vieles konnte ihm alles auf dem Heimweg zustoßen! Mischa umfasste meine Hand mit seinen Händen und drückte sie beruhigend. Ich schaute ihn an, auf seinem Gesicht lag ein zuversichtliches Lächeln. Dann streichelte er sanft meine Wange und gab mir noch einmal einen letzten zärtlichen Kuss. Ich schlang die Arme um seinen Hals und drückte mich fest an ihn. Nach einem Weilchen lösten wir uns voneinander.

„Nadja...", begann Mischa und sah mich ernst an, als er fortfuhr:„Ja tebja lujblju."

„Ich liebe dich auch", flüsterte ich und fügte noch hinzu: „Vergiss mich nicht!"

Wir sahen uns noch einige Sekunden lang wortlos an, dann drehte sich Mischa schließlich um und schritt auf die Brücke zu. Ich sah ihm hinterher, wie er sich Schritt um Schritt von mir entfernte und die Brücke betrat und alles in mir schrie: „Wie kannst du ihn gehen lassen!" Für einen Moment war ich versucht, ihm hinterher zu laufen. Wenn er sich umdrehte... Doch er ging weiter, ohne einen Blick zurück zu werfen.

Ich merkte kaum, wie mir die Tränen über die Wangen liefen, und sah ihm so lange nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war. Fast blind vor Tränen ging ich zu Marianka hinüber und drückte mein Gesicht an ihren Hals. Sie spürte meine Aufregung, streckte mir ihren Kopf entgegen und schnaubte leise. Schließlich kletterte ich auf ihren Rücken, vergrub mein Gesicht in ihrer Mähne und schnalzte leise, so dass sie den Rückweg antrat. Ich weiß nicht mehr, wie wir den Weg zurück schafften. Ich spürte nur, wie sich eine unglaublich große Leere in mir ausbreitete und ich das Gefühl hatte, nie mehr glücklich sein zu können.

Als ich zu Hause ankam, war es bereits hell geworden. Geschwind nahm ich Marianka die Zügel ab und ließ sie auf die Koppel, wo es weniger auffallen würde, dass sie unterwegs gewesen war. Dann schlich ich mich hinüber zum Heuschober, inständig hoffend, dass noch keiner wach war, und sammelte dort alles ein, was Mischas Anwesenheit verraten konnte. Unsagbar müde kroch ich dann ins Bett.

Es schien nur eine kurze Zeit vergangen zu sein, als ich gewahr wurde, dass meine Mutter versuchte, mich wach zu rütteln. Ich murmelte etwas Unzusammenhängendes und drehte mich schlaftrunken auf die andere Seite. Meine Mutter fasste mir an die Stirn.

„Fieber hast du wohl nicht", konstatierte sie und schwieg dann.

Ich war kurz davor, wieder einzuschlafen, als sie mir noch eine Frage stellte: „Hast du wieder vom Brot genommen?" Dieses Mal stritt ich es ab und nuschelte: „Vielleicht Partisanen". Dann war ich wieder eingeschlafen.

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