Teil 20

Hinweis: Erwachseneninhalt!

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Tag 9

Ich erwachte vom Krähen des Hahnes. So früh es auch war, Michael war schon wach und sah mich zärtlich an. Ich gähnte herzhaft, fuhr ihm durch die verstrubbelten Haare und gab ihm einen Kuss. Dann seufzte ich genießerisch und kuschelte mich an seine Brust. Es war ein so schöner Abend gewesen, zusammen im Heu, es war hier wie in einer anderen Welt. Ich hatte das Gefühl, mich verändert zu haben, nicht äußerlich sichtbar, aber ich spürte es ganz stark in meinem Inneren.

Und ich hätte nie gedacht, dass man ohne Worte und ohne sich gut zu kennen so stark für jemanden empfinden konnte, es war unglaublich. als hätten wir schon immer zueinander gehört und uns nur noch nicht gefunden. Was spielte es da für eine Rolle, wo wir herkamen? Gleichzeitig war ich überzeugt davon, dass unsere Liebe stark genug war, gegen alle Hindernisse und Anfeindungen zu überstehen. Sobald der Krieg beendet wäre, könnten wir uns ein gemeinsames Leben aufbauen, irgendwo fernab von den Einschränkungen und Erwartungen anderer. Bei dieser Vorstellung seufzte ich noch einmal zufrieden. Bis dahin galt es durchzuhalten, ohne dass jemand Michael entdeckte.

Widerstrebend löste ich mich nun aus Michaels Arm, es war Zeit aufzustehen. Er hielt jedoch lachend meine Hand fest und zog mich wieder ins Heu.

„Ein Kuss noch", schimpfte ich scherzhaft, „dann muss ich aber los."

Es wurde ein langer Kuss. Und eigentlich gab es viel Schöneres mit der Zeit anzufangen, als zu arbeiten... Seine Berührungen auf meiner Haut letzte Nacht hatten unsichtbare Spuren hinterlassen und ich sehnte mich danach, diese sinnlichen Momente fortzusetzen. Doch man würde sich wundern, wenn ich nicht auftauchte; es galt zu vermeiden, dass jemand im Heuschober nachsah.

Schweren Herzens wand ich mich aus Michaels Umarmung und ging zur Leiter hinüber. Ein Muster auf dem Boden fesselte plötzlich meine Aufmerksamkeit. Neugierig trat ich näher und gewahrte ein in Sand gemaltes Bild von einem Mädchen. Für die begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel war es richtig schön. Beeindruckt schaute ich Michael an. „Das ist wunderhübsch." Lässig zuckte er mit den Schultern und entgegnete etwas, das ich natürlich nicht verstand. Und während ich die Leiter hinunter stieg, kam mir ein Gedanke.

Ich wühlte in meinen Schubladen, bis ich fand, was ich suchte. Ein Tagebuch mit lauter unbeschriebenen Seiten, einen Bleistift und ein Radiergummi. Ich konnte es kaum erwarten, bis abends endlich Ruhe auf dem Hof einkehrte und ich mich zum Heuschober schleichen konnte. Ich öffnete schwungvoll die Tür, rief „ich bin's" und kletterte aufgeregt die Leiter hoch. Als ich auf den Heuboden rutschte, umfing mich Michaels Arm und er zog mich an sich. Nach einem langen Begrüßungskuss reichte ich ihm ein belegtes Brot aus meinem Tuch und Michaels Hunger siegte über seinen Wunsch nach körperlicher Nähe. Sobald er es aufgegessen hatte, wollte er wieder nach meiner Hand greifen, doch ich entzog sie ihm lächelnd, machte waschende Bewegungen und hielt mir neckend die Nase zu, was er mit einem schiefen Grinsen quittierte.

Ich nahm den Eimer in die Hand, um ihn neu mit Wasser zu füllen, und kletterte die Leiter hinunter, denn ich war während des Tages zu dem Entschluss gekommen, dass es ungefährlicher wäre, wenn Michael oben auf dem Heuschober blieb. Bevor ich eine Idee entwickeln konnte, wie ich den vollen Eimer nach oben befördern konnte, warf mir Michael das freie Ende des Seils zu, das anscheinend immer noch oben gelegen hatte, und machte Zeichen, dass ich es um den Eimer wickeln sollte. Dann winkte er mich wieder nach oben und zog anschließend den Eimer hoch, wobei ich immer wieder das Seil kurz fest hielt, damit er ein neues Stück nachfassen konnte.

Als wir den Eimer schließlich hoch gewuchtet hatten, tauchte ich ein Tuch in das Wasser und fuhr damit sanft über Michaels Arme. Er schloss die Augen und seufzte zufrieden und liebevoll fuhr ich fort, seine Brust, Rücken und Beine zu waschen. Dann machte Michael Anstalten, seine Hose auszuziehen, ich spürte, wie mir heiß wurde, und wandte den Blick ab, während er beim Waschen meine Hand führte. Mein Herz klopfte, denn ich ahnte, wohin das hier führen könnte. Wollte ich das? Hatte man mich nicht zu einem ordentlichen Mädchen erzogen? Während ich mit mir im Stillen debattierte, hatte Michael begonnen, mir zärtliche Küsse in den Nacken zu geben. Dann fing er an, mein Kleid aufzuknöpfen, dieses Mal ohne meine Hilfe, und es mir von den Schultern zu streifen. Er fuhr fort, Schultern und Rücken zu küssen und ich genoss das herrliche Gefühl, begehrenswert zu sein. Zum Teufel mit Anstand und Moral. Ich wollte diesen Weg beschreiten, spürte, dass es richtig war.

Schließlich drehte mich Michael wieder zu sich hin und küsste mich, erst sanft, dann immer leidenschaftlicher, während seine Hand auf meiner Hüfte ruhte. Dann schob er in einer entschlossenen Bewegung den Stoff all meiner Kleidungsstücke über meine Knie hinunter auf den Boden. Ich spürte ein aufregendes Kribbeln in meinem Körper, das sich bis in jede Zelle ausbreitete. Michael zog mich eng an sich und schließlich sanken wir ins Heu...

Eine Ewigkeit später löste ich mich aus Michaels Armen und zog mich wieder an, dann holte ich Stift und Papier hervor. Michaels Augen begannen richtig zu strahlen, was mich amüsierte. Er griff nach Buch und Stift und zeichnete mit raschen Strichen einen Jungen, der in der offenen Hand ein Herz hielt und es dem Betrachter entgegenstreckte. Ich war hingerissen und hauchte ihm einen Kuss zu. Michael blätterte um und fing erneut an zu zeichnen. Kämpfende Soldaten, ein Wald und einer, der davon lief, entstanden auf dem Papier. Es war klar, was er mir damit sagen wollte. Dann zeichnete er ein Haus, aus dessen Fenster eine Frau mittleren Alters suchend hinaus schaute."Mama", sagte er und fügte noch zwei gleich aussehende Mädchen hinzu. Offenbar waren die Zwillinge auf dem Foto im Medaillon seine Schwestern gewesen.

Ich nahm Michael das Buch aus den Händen und zeichnete nun ebenfalls, mit weit weniger Talent, aber aussagekräftig genug unseren Hof mit Wohnhaus, Stall und Heuschober und dazu die entsprechenden Personen: meine Eltern, meine Geschwister und mich, meine Verwandten. Ich zögerte kurz und malte dann ein Kreuz über meinen Vater, einen meiner Onkel und meinen Cousin. Michael wich meinem Blick aus und sah unangenehm berührt zu Boden.

Wir schwiegen lange. Ich dachte an meinen Vater, der kurz nach Beginn des Krieges gefallen war, und an meine drei Jahre ältere Schwester, die kurz vorher von zu Hause fortgelaufen war. An meinen Bruder, der Briefe von der Front schrieb. Und hier saß ich in aller Freundschaft neben einem von denen, die uns den Krieg aufgezwungen hatten. Mich fröstelte. Ich verstand nicht, warum ich mich in einen der ihren verliebt hatte, doch Liebe fragt den Verstand nicht um Erlaubnis. Und ich verbannte jeglichen Gedanken daran, was Michael im Krieg getan hatte, wollte es gar nicht wissen. Er war von der Front fortgelaufen, nur das zählte, und ich würde so tun, als gäbe es keine Vergangenheit.

Zögernd tastete Michael nach meiner Hand und als ich ihn ansah, las ich Betroffenheit in seiner Miene. Mich überfiel plötzlich eine tiefe Traurigkeit und ich wünschte nichts sehnlicher, als dass der Krieg endlich vorbei wäre. Vorsichtig legte Michael mir den Arm um die Schulter, als hätte er Angst, ich würde ihn abschütteln, doch ich lehnte mich an ihn und vergrub meinen Kopf an seiner Brust und empfand dabei die Ironie, ausgerechnet bei ihm Trost zu suchen.

Eine Zeitlang blieben wir so sitzen, ohne uns zu rühren. Schließlich ergriff ich noch einmal den Stift und zeichnete ein Fragezeichen über Michaels Haus. Seine Antwort war eine väterliche Figur, die er ebenfalls mit einem Kreuz versah. Er stoppte, sah aber nicht auf, sondern sein Blick verharrte einen Moment auf dem Blatt vor ihm. Nach einer Weile begann er wieder zu zeichnen: eine Geburtstagstorte mit Kerzen und dem Datum 25. April. Ich selbst hatte am 30. September Geburtstag. Schließlich zeichnete er eine Deutschlandkarte und ich erfuhr, dass er im Norden des Landes wohnte. Er schlug eine Seite um, wies auf mich und malte eine Tasche mit der Form eines „roten Kreuzes" darin und ein Fragezeichen dazu. Ich lächelte verlegen, weil ich nicht wusste, wie ich diese Frage beantworten konnte. Schließlich zeichnete ich ein Buch hinzu, auf dem das Rote Kreuz prangte, und das ich in den Händen hielt. Und so begannen wir, uns über das Zeichnen miteinander zu verständigen und konnten endlich mehr voneinander erfahren.

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