September 1949

Hallo liebe Leser, diese Story ging mir schon lange durch den Kopf, bevor ich begann, sie aufzuschreiben. Ich habe mich bemüht, geschichtliche Rahmenhandlungen korrekt zu benennen, falls etwas falsch ist, seht es mir nach. Ich bin aber für Hinweise natürlich dankbar!

Ich hatte angefangen zu überlegen, was wäre, wenn ein junger deutscher Soldat und ein junges Mädchen aus dem besetzten Weißrussland aufeinander treffen, was könnte passieren...und dann ging es einfach immer weiter :)

Angesichts der aktuellen Weltlage mutet die Story vielleicht  etwas aus der Zeit gefallen an, sie wurde vor fünf Jahren verfasst. Aber andererseits sollte man der Liebe jederzeit eine Chance geben, findet ihr nicht auch ? 😉

Ich hoffe, euch gefällt das Lesen so wie mir das Schreiben und lasst mir gern Kommentare da, wenn ihr mögt.

P.s. Die Kapitel sind leider teilweise äußerst kurz geraten, was die hohe Anzahl an Kapiteln erklärt. Da eine Überarbeitung ohnehin geplant ist, werde ich das dann auch angehen.

Das Ursprungsfoto für das Cover-Bild stammt übrigens von Werner Hörnle, der es mir freundlicherweise zur Nutzung überlassen hat.

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Der Brief lag auf dem Tisch, genau auf dem Bildband für zeitgenössische Malerei, den ich dort gestern wahllos abgelegt hatte. Ich beäugte neugierig das Papier. Ein schlichter beigefarbener Umschlag, mit einer in Blockbuchstaben geschriebenen Adresse. Eine leichte Aufregung bemächtigte sich meiner.

„Du hast einen Brief bekommen. Ohne Absender.", hatte meine Mutter mir beim Hereinkommen mitgeteilt, mit einem Blick, der kaum ihre Neugier verhehlte.

Nun lag er da vor mir und ich starrte ihn einfach nur an; konnte mich nicht entschließen, ihn aufzunehmen. Ich wandte den Kopf und schaute aus dem Fenster, wo sich die Äste der Buche sanft im Wind bewegten. Eine Adresse mit Blockbuchstaben... Mein Herz klopfte. Könnte es wirklich...? Ich wandte mich um und hob den Brief hoch, wendete ihn. In der Tat, es gab keinen Absender. Die eine Ecke war etwas geknickt. Ich drehte ihn wieder und blickte auf die Briefmarke, sah jedoch nur verwischte Stempelfarbe und keine Buchstaben, die ich entziffern konnte. Ich wog den Brief in meinen Händen, er war leicht. Hielt ihn gegen das Licht, aber es war nichts Durchscheinendes zu sehen. Mit den Fingern fuhr ich zögernd über den Umschlag, das Papier fühlte sich ein wenig rau an. Ich seufzte leise und blickte noch einmal aus dem Fenster, ohne jedoch etwas wahrzunehmen.

Dann ging ich entschlossenen Schrittes zum Tisch, setze mich auf den Stuhl und riss mit den Fingern die eine obere Ecke des Briefes ab. Ich nahm einen Bleistift, steckte ihn als Brieföffner in den Brief – und stoppte. Nein, so unzeremoniell sollte es nicht vor sich gehen. Ich legte den Brief auf den Tisch, sprang auf, verließ mein Zimmer und polterte die Treppe hinunter. In der Küche schnappte ich mir den Brieföffner, ignorierte meine Mutter, die mir einen fragenden Blick zuwarf, und lief wieder nach oben. Vorsichtig öffnete ich nun den Brief und schaute in den Umschlag. Dann angelte ich mit den Fingern nach dem Inhalt, fühlte etwas Glattes und zog es heraus. Es war ein Foto. Bedächtig drehte ich es um. Da war sie: Nadja. Ihr langes Haar wie immer zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Eine Locke hatte sich gelöst und lag auf ihrer Wange. Die Lippen waren geschlossen, nur eine kaum wahrnehmbare leichte Hebung der Mundwinkel deutete ein Lächeln an... in meiner Erinnerung sah ich sie mit einem glücklichen Lachen vor mir. Auf dem Foto schienen ihre Augen gedankenverloren in die Ferne zu blicken. Ich dachte an ihre konzentrierten Blicke, wenn sie versucht hatte, meine Gesten und die Geschichten in meinen Bildern zu verstehen. Ihre strahlenden Augen, wenn sie fröhlich lachte...

Mein Blick glitt weiter über das Foto. Nadja hatte den Arm um jemanden gelegt. Neben ihr, sich an sie schmiegend und mit schüchternem Blick zur Kamera schauend, saß ein kleines Mädchen. Ich nahm nun das ganze Foto wahr, suchte nach dem Dritten im Bunde, der aber nicht zu sehen war. Warum schickte sie mir dieses Foto? Ich fasste in den Briefumschlag und suchte nach einem Brief dazu, doch der Umschlag enthielt nichts weiter. Verwirrt drehte ich das Bild um. Auf der Rückseite stand in lateinischen Großbuchstaben: Mila. Und ein Datum: 10. April 1945. Mir stockte der Atem. Wie lange dauerte eine Schwangerschaft? 9 Monate? Fieberhaft begann ich zu rechnen...

Juli 1944. Unser Sommer. Ich atmete hörbar aus und lehnte mich im Stuhl zurück. Dann wurde mir heiß. Ich lief zum Fenster, öffnete es und sog gierig die frische Luft ein. Die Erinnerung an die Sommernächte auf dem Heuboden zog vor meinen Augen vorbei... ich musste unwillkürlich lächeln. Schließlich ging ich zum Tisch zurück, nahm das Foto auf und suchte nach Ähnlichkeiten mit dem Kind, das ich selbst einmal gewesen war. Helle Haare? Augen wie die von Nadja, aber das Kinn... die Nase? Ein Gefühl der Freude durchflutete mich. Mitten in einer dunklen Zeit hatte ich so intensiv wie noch nie gelebt. Und diese Zeit hatte mir offenbar eine Tochter beschert. Ich setzte mich auf den Stuhl und versank in Erinnerungen...

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