Kapitel 118 ( Michael )
Es war der zweite Tag meines Besuchs in Wobrusk. Gestern hatte es geregnet und so waren wir im Haus geblieben, Nadja war Oksana im Haus zur Hand gegangen und ich hatte mich erneut mit dem Kleinen beschäftigt, so dass kaum Zeit für ein langes, ruhiges Gespräch mit Nadja geblieben war. Ich hätte gern etwas getan, um ihren Schmerz zu lindern, aber natürlich konnte nichts den Tod eines geliebten Menschen ungeschehen machen. Auch ich spürte immer wieder Traurigkeit darüber, dass dieses fröhliche, ungezwungene Mädchen, dem ich vor Jahren das Leben neu geschenkt hatte, diese erwachsene Tochter, über die ich in Briefen ein wenig erfahren hatte, mir nun nie mehr gegenüberstehen würde.
Ich sah Nadja an, wie sehr sie unter dem Verlust litt, etwas anderes zu erwarten, wäre Torheit gewesen. Nur die Zeit würde die Wunde irgendwann heilen können. Es war jedoch unübersehbar, dass ihr meine Anwesenheit gut tat, für kleine Momente schimmerte sogar ein Teil ihrer früheren Fröhlichkeit und Unbekümmertheit durch, aber auch sonst machte sie wieder einen gefassten und in sich ruhenden Eindruck. Ich war unglaublich froh darüber, dass es mir zum richtigen Zeitpunkt gelungen war, nach Weißrussland zu kommen und war entschlossen, nicht eher wieder fort zu reisen, bevor ich das Gefühl hatte, dass es ihr wieder besser ging, was auch immer das hier in den Behörden auslösen wurde. Ich war einmal wider besseren Wissens gegangen, ein zweites Mal würde ich den Fehler nicht machen!
Heute nun schien wieder die Sonne und wir traten hinaus mit dem Ziel eines langen gemeinsamen Spazierganges. Mit geschlossenen Augen und emporgerecktem Kopf sog Nadja tief die Luft in ihre Lungen. Es roch nach Heu, Kühen und dem würzigen Duft von Herbstlaub.
„Wie früher", kommentierte Nadja lächelnd, ihre Augen wieder öffnend, und griff nach meiner Hand: „Komm, lass uns über die Felder gehen."
Das Laub raschelte unter unseren Füßen und ein Windhauch streifte die Wangen. Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander und ich ließ meine Augen hierhin und dorthin wandern und ich freute mich darüber, wie die Sonne die Farben der Blätter zum Leuchten brachte. Ihre Vielfarbigkeit hob sich intensiv vor dem wolkenlosen blauen Himmel ab. Es war mild, man spürte den letzten Gruß des Sommers, und daher ein Tag, wie man ihn bei uns als „Altweibersommer" bezeichnete.
Auf einmal ließ Nadja meine Hand los, raffte einiges loses Laub zusammen, und mit einer jugendlichen Unbekümmertheit, die mich einen Augenblick lang überraschte, warf sie mir lachend die Blätter entgegen. Ich sprang ein paar Schritte nach hinten, um dem Blätterschauer zu entgehen, und nahm nun meinerseits eine Handvoll Blätter hoch, um es ihr nachzutun. Lachend wich sie mir aus und so bewarfen wir uns einige Zeit mit Blättern, bis wir beide außer Atem waren. Natürlich kam mir unsere damalige Wasserschlacht in den Sinn. So vieles hatte sich getan, aber einiges war unverändert geblieben. Wieder ruhiger geworden setzten wir unseren Spaziergang fort.
„Vermisst du das Land nicht?", fragte ich und erntete ein so schnelles, kräftiges Kopfschütteln, begleitet von einem betont hervorgestoßenem „Nein", dass ich sofort an dem Wahrheitsgehalt ihrer Aussage zweifelte.
Sie wich meinem Blick aus und gab eine Minute später zu: „Na ja...draußen zu sein, die Jahreszeiten zu erleben, die Natur zu spüren..." Sie verstummte und setzte dann leise fort: „Mila war ein Stadtkind geworden."
Und dann begann sie zu von Mila zu berichten, von gemeinsam verbrachter Zeit, von ihren Erfolgen, ihrem Kampf gegen die Krankheit, von den letzten Wochen. All diese Puzzleteile setzten sich zu einer facettenreichen Persönlichkeit zusammen. Es tat mir leid, meine Tochter kaum gekannt zu haben und ich schluckte schwer. Stille Tränen flossen Nadja die Wangen herab, während wir Seite an Seite spazierten, aber es schien ihr gut zu tun, alles zu erzählen und ich drängte sie nicht, hörte einfach aufmerksam zu und drückte mitfühlend ihre Hand.
Schließlich blieben wir stehen und ließen uns am Stamm eines dicken Baumes nieder. Nadja lehnte sich an mich und ich legte ihr sachte den Arm um die Schulter. Wir schwiegen beide, in Gedanken versunken, und ich dachte darüber nach, wie es mit uns weitergehen konnte. Es war windstill und die Sonne schien noch warm vom Himmel. Ein gelbes Blatt löste sich vom Baum über uns und segelte sanft auf den Boden. Ich fragte mich, wie es wohl an „unserem" See aussah und hörte mich dann unwillkürlich fragen:
„Wie weit ist denn der See, an dem wir uns kennengelernt haben, von hier entfernt?"
Nadja blicke mich überrascht an: „Zu Fuß etwa zwei Stunden, mit dem Pferd die Hälfte."
Ich gab unwillkürlich ein Schnauben von mir und Nadja neckte mich amüsiert:
„Noch immer Angst vor Pferden?"
Das ärgerte mich ein wenig, denn es machte einen armseligen Eindruck. Ich hatte „Respekt" vor Pferden – na gut, ich hatte Angst vor ihnen – aber das würde ich jetzt nicht zugeben und schwieg daher.
„Tut mir leid, damals, mit dem Pferd", bemerkte Nadja, während sie mich verlegen ansah und nach meiner Hand griff. „Ich wusste einfach nicht, was ich sonst machen sollte."
Mir wurde heiß, als ich an die peinlichsten Momente meines Lebens dachte und wünschte, sie hätte es nicht erwähnt. In dem Bemühen, von diesen unangenehmen Erinnerungen abzulenken, entschied ich dann brüsk und eine Spur zu laut: „Wir reiten!"
Wir waren schnell zurück im Ort und Nadja kam schon bald mit Pferd und einem Proviantbeutel versehen auf mich zu, während ich neben dem Stall lehnte und mit der Entscheidung haderte, die ich getroffen hatte. Egal, ich hatte es schon einmal überstanden, ich würde es wieder überstehen
Und so biss ich die Zähne zusammen, während Nadja anwies:„Setz dich hinter mich, du kannst dich an mir festhalten."
Sie schwang sich auf's Pferd und half mir ebenfalls hoch. Ich verbot mir darüber nachzudenken, wo ich mich befand, umfasste Nadjas Taille und klammerte mich mit den Beinen fest. Ich vergrub meine Nase in Nadjas Haaren und konzentrierte mich darauf, ihren Körper so dicht vor mir zu spüren. Nach einer Weile rief Nadja „Festhalten" und nach einem Moment des unangenehm durchschüttelnden Trabs ging das Pferd in einen gleichmäßigen Galopp über. Ich hielt mich fest, als gälte es mein Leben. Schließlich wurden die Bäume zu dicht und das Pferd verlangsamte wieder zum Schritt. Dann hielten wir irgendwann an.
Die Erleichterung war fast körperlich, als Nadja bemerkte:„Wir sind da."
Ich ließ meine Tagträume ziehen und stellte überrascht fest, dass sich meine Hände weit oberhalb Nadjas Taille befanden... Nachdem wir über ein Jahr lang lediglich Briefe miteinander gewechselt hatten, wusste ich nicht eindeutig, wo wir nun miteinander standen, insbesondere jetzt nach Milas Tod. Doch sie schien es mir nicht übel genommen zu haben.
Ich rutschte vom Pferd und dann stand ich vor dem See. Wie ein Saphir lag er da inmitten des Waldes, nur einen Deut dunkler als der Himmel. Ich hatte ihn nicht so groß in Erinnerung gehabt. Langsam sah ich mich um, es hatte sich so vieles verändert. Früher war hier eine kleine Lichtung gewesen, doch jetzt wuchsen überall Sträucher und kleine Bäume. Ich ging auf eine Gruppe größerer Bäume zu, wo ich meine Hände prüfend an die Rinde legte, bis ich den richtigen Stamm zu erkennen glaubte. Nadja hatte ich völlig vergessen. Ich sank auf die Knie und dachte dankbar daran, welch Glück mir beschieden gewesen war, dass ich den Krieg überlebt hatte.
Für einen Moment verharrte ich in Gedanken, dann sah ich mich nach Nadja um. Sie stand in der Ferne beim Pferd und streichelte es. Ich blickte zum See, der mich verheißungsvoll anlachte. Wie gern hätte ich mich damals an den heißen Tagen in seinen kühlen Fluten erfrischt. Jetzt stand dem nichts im Wege...
„Lust auf Schwimmen?", rief ich Nadja zu.
Sie schüttelte ablehnend den Kopf: „Zu kalt."
„Ach was", entgegnete ich, entledigte mich der Kleidung und schritt über den Sand ins Wasser.
Teufel, es war kalt! Aber was einen nicht umbrachte, machte einen hart, daher ging ich heroisch weiter und glitt dann ins Wasser. Es pikste wie mit 1000 Nadeln, aber ich ließ mir nichts anmerken, machte ein paar Züge und winkte Nadja zu, die sich auf einem Felsen in der Sonne niedergelassen hatte. Einige Minuten später verwandelten sich meine Füße langsam in Eisblöcke und eilig schwamm ich zum gegenüberliegenden Ufer und verließ zügig das Wasser.
Auf der nassen Haut spürte ich trotz der Sonnenstrahlen die Kühle des Herbstes, es war selbstredend viel zu kalt für ein Bad im See gewesen und mich fröstelte. Ich begann daher einen Dauerlauf am See entlang zurück zu meinem Ausgangspunkt, bis ich merkte, dass langsam die Wärme wieder in meine Glieder stieg. Die Sache war dämlich gewesen, aber ich hoffte doch, dass mein „Naturburschen"-Gehabe Nadja beeindruckt hatte. Aufgewärmt erklomm ich rasch den Felsen und setze mich neben Nadja, die mich neugierig lächelnd erwartete.
„War es nicht kalt?", wollte sie wissen.
Ich zuckte mit den Schultern und sagte betont lässig: „Nicht der Rede wert."
Ihre Augen richteten sich, mit ein wenig Bewunderung, wie mir schien, auf mich, als sie fragte: „Sind alle Deutschen so hart im Nehmen?"
„Nee, nur ich", grinste ich und griff nach meiner Kleidung. Aus den noch nassen Haaren lösten sich zwei Wassertropfen und rannen mir den Rücken hinunter. Nadjas Fingerspitzen strichen die Tropfen sanft nach oben fort. Ich erschauerte vor Wohlbehagen.
„Dir ist kalt", bemerkte Nadja.
„Das hat andere Gründe", gab ich leise zurück und drehte mich zu ihr hin.
Die Sonne zauberte einen Schimmer auf Nadjas dunkelbraune Haare und sie sah noch immer genauso schön aus wie als junges Mädchen. Sie wandte ihren Blick nicht von mir und ich glaubte in ihren tiefen braunen Augen zu versinken... Langsam näherte ich mich ihren auffordernden Lippen und küsste sie erst sanft, dann mit steigender Leidenschaft. Atemlos hielten wir für einen Moment inne, bis sich unsere Lippen ein zweites Mal fanden. Wir pressten uns aneinander, bis wir uns zum Luftholen wieder lösen mussten. Da hob Nadja plötzlich die Hand und legte ihre Fingerspitzen an meine Lippen.
Mit rauer Stimme murmelte sie: „Lass uns weiter reiten. Es wird sonst zu spät. Du wolltest doch noch den Hof sehen."
Ihre Augen baten um Verständnis, dennoch wirkte ihr Rückzug wie eine kalte Dusche. Was sollte das jetzt? Frustriert knirschte ich mit den Zähnen. Frauen! Verärgert sprang ich vom Felsen und schlüpfte in meine Sachen.
Auf dem Folgeritt, der mir inzwischen etwas leichter fiel, bekam ich meine Gefühle wieder in den Griff. Ich wollte sie nicht bedrängen, es war einfach noch zu früh. Natürlich gingen ihr ganz andere Dinge durch den Kopf. Obwohl man es auch als willkommene Ablenkung hätte begrüßen können... Schließlich machten wir Halt und Nadja pflockte das Pferd an.
„Ich gehe voraus und schaue nach, ob alles frei ist. Dann winke ich dir", beschloss sie und ich nickte, anscheinend war sie nicht gewillt, ihre Familie offiziell mit einem Besuch zu beglücken. Vermutlich hatte Nadja ihre Gründe für das Versteckspiel, offenbar war ich hier nicht willkommen.
Nun sah ich sie herüber winken, schaute nach, ob niemand zu sehen war und überquerte unauffällig die freie Fläche zwischen dem Waldrand und dem Gebäude. Die Tür knarzte ein wenig, als Nadja sie schloss, und dann standen wir in dem alten Heuschober. Es war ein merkwürdiges Gefühl, in die Vergangenheit zu reisen und wieder hier zu sein. Die Luft war muffig, getränkt vom Geruch nach Heu und Stroh. Kaum zu glauben, dass ich mich hier mehrere Wochen aufgehalten hatte. Die Leiter gab es noch und ich kletterte geschwind nach oben, blieb stehen und sah aus der kleinen runden Fensteröffnung, wie ich es einst so oft getan hatte. Mein Blick glitt die Holzgiebel entlang, aber im Moment gab es hier kein Schwalbennest mehr, wahrscheinlich hatten sie sich schon auf den Weg nach Süden gemacht.
Ich ließ mich ins Stroh sinken und eine Flut von Erinnerungen tauchte vor meinen Augen auf. Ich gab mich ein Weilchen den Bildern hin, die mir durch den Kopf schossen, stand dann auf und klopfte mir den Staub von der Hose. In diesem Moment tauchte Nadja Haarschopf über dem Heuboden auf. Sie erklomm die letzte Sprosse und hielt mich mit einem geflüsterten „Warte!" auf. Dann ergriff sie meine Hand und zog mich wieder ins Stroh hinunter. Mit einer Ironie, die ich nicht ganz unterdrücken konnte, wollte ich wissen:
„Haben wir es nicht mehr eilig?"
Sie legte ihre andere Hand auf meine und schwieg. Schließlich fragte sie leise: „Erinnerst du dich noch an unsere Zeichnungen?"
„Wie könnte ich das vergessen", gab ich ebenso leise zurück.
Ein tiefes Luftholen – „Und erinnerst du dich auch an etwas anderes...?" Ohne mit den Wimpern zu zucken, sah sie mich unverwandt an.
Plötzlich schien die Luft zwischen uns zu vibrieren. Obwohl ich wusste, wovon sie sprach, stellte ich mich dumm: „Was meinst du?"
Ein Rascheln im Stroh, als sie sich zu mir hinüber beugte: „Ich zeig's dir."
Und dann spürte ich ihre Lippen auf meinen. Ich wollte mich zurückhalten, aber die erwachende Erregung ließ mich den Kuss schließlich erwidern.
Als wir uns lösten, fragte ich sogleich:„Wirst du mich gleich wieder stoppen?"
Nadja schüttelte den Kopf. „Mach ich nicht, versprochen!" Und mit einem bezaubernden Lächeln fügte sie hinzu: „Von diesen Küssen habe ich geträumt, weil ich dachte, ich hätte sie mir nur eingebildet."
„Dann lass mich dir zeigen, dass sie wahr sind", murmelte ich und wir küssten uns erneut, so intensiv, als würden wir alles auf einmal nachholen wollen, was uns in all den Jahren entgangen war. Als wir uns voneinander lösten, sagte keiner von uns ein Wort, doch das war auch nicht nötig. Wir konnten den Blick nicht voneinander lassen. Das von draußen herein fallende Licht zauberte mahagoniefarbene Reflexe auf Nadjas Haar. Ihr Wangen waren leicht gerötet, ihre Augen groß und die Lippen leicht geöffnet, als würde sie ansetzten, etwas zu sagen. Ein Knistern lag in der Luft. Ob sie es auch bemerkte? >Wer nicht wagt, der nicht gewinnt<, dachte ich und murmelte daher schließlich:
„Ganz schön heiß hier drinnen, findest du nicht auch?" Und ohne weiteres Zögern ging ich daran, mich meines Pullovers zu entledigen.
„Stimmt", gab Nadja mit rauer Stimme zurück und ließ ihren Blick auf meinem inzwischen entblößten Oberkörper verweilen. „Es ist wirklich sehr warm..."
Ohne mich aus den Augen zu lassen streifte sie in quälerischer Langsamkeit ihre Bluse ab. Ein feines Lächeln umspielte dabei ihre Mundwinkel. Und unter dem Deckmantel bisheriger Zurückhaltung offenbarte sich die Kunst der Verführung. Sie brachte mein Blut in Wallung und ungeduldig zog ich sie schließlich in den Stand und ließ meine Hände ihre attraktive Rückseite entlang wandern, bis ihr Rock zu Boden glitt. Nadjas Atem wurde lauter und schwerer, was meine Erregung noch steigerte. Ich zog sie eng an mich und meine Hände verweilten unterhalb ihrer Hüfte.
„Bist du sicher, dass man das mit wohlerzogenen Mädchen macht?", fragte Nadja außer Atem und sah lächelnd zu mir hoch.
Ich fuhr mit den Lippen langsam die Innenseite ihres Halses entlang und gab dann scherzend zurück: „Sprichst du von dir? Denn dann müsstest du mich jetzt empört zurück weisen."
„Dann bin ich wohl nicht wohlerzogen...", stimmte sie gedehnt zu, „...denn ich will nicht, dass du aufhörst." Und mit einem lasziven Lächeln ergänzte sie:„Und was hältst du hiervon?"
Mit diesen Worten öffnete sie meinen Hosenbund und fuhr mit der Hand in den Schritt.
Ein Stöhnen entrang sich meinen Lippen, als sie begann, mich dort zu streicheln und ich erwiderte heiser:„Das ist definitiv nicht wohlerzogen..."
Und dann sanken wir wieder ins Stroh. Anders als in Jugoslawien ließen wir uns nun viel Zeit...
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