Kapitel 28

Die Sonne ging langsam unter, verdunkelte den Waldboden, der durch die Baumkronen sowieso schon das meiste Licht gestohlen bekam. Ich saß auf dem Boden, der vom letzten Regen noch leicht feucht war, angelehnt an einen Baum, dessen Rinde teilweise unangenehm in meinen Rücken drückte, aber das war mir egal. Mein Kopf lag in meinem Nacken, die Augen geschlossen. So viele Dinge, über die ich nachdenken musste. So viele Dinge, die mich einfach nicht in Ruhe lassen würden. Seufzend senkte ich meinen Kopf wieder und öffnete meine Augen. Fey, die immer noch geduldig neben mir lag, sah zu mir hoch. Den grünen Ball hatte sie zwischen ihre Pfoten geklemmt, passte auf, dass er nicht wegrollte. Meine Hand wanderte wie automatisch zu ihrem kleinen Kopf und kraulte sie.

Plötzlich sprang sie auf, schnappte sich ihren Ball und rannte einige Meter vor. Wie eine Wahnsinnige sprintete sie durch den Wald, kehrte dann aber an einem Baum um und stürmte auf mich zu. Ihre rosa Zunge hing ihr aus dem Maul und wehte leicht im Gegenwind hin und her. Den Ball hatte sie vorher scheinbar irgendwo abgelegt. Bei mir angekommen sprang sie auf und ab, bedeutete mir, dass sie spielen wollte. Seufzend lehnte ich meinen Kopf zurück an den Baumstamm hinter mir, schloss meine Augen wieder.

Dann spürte ich, wie etwas Feuchtes meine Hand strich. Feys Schnauze hing direkt über meinen Fingern, mit ihrer Zunge leckte sie über meinen Handrücken. Die Terrierhündin hatte ihren Ball jetzt wieder in ihrer Schnauze und sah mich abwartend an.

„Nein, Fey. Ich will nicht mit dir spielen.” Da waren einfach so viele Dinge in meinem Kopf , über die ich nachdenken musste, die mich nicht eher losließen, bevor ich nicht aus lauter Angst nächtelang schlaflos in meinem Bett liegen würde. Aber Fey interessierte das nicht. Sie wollte spielen und sie war stur, also versuchte sie es anders. Mit aller Kraft zog sie an meinem Hosenbein, in der Hoffnung, ich würde mich doch umentscheiden.

„Aus”, rief ich, aber der störrische Hund dachte nicht daran, aufzuhören, zog immer weiter am Stoff meiner Jeans, bis diese ein unschönes Geräusch von sich gab. Erschrocken wich der Terrier zurück, sah mich an und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Ruckartig zog ich mein Bein an meinen Körper, begutachtete den Riss in meiner Hose.
Verdammtes Tier...
Frustriert streckte ich mein Bein wieder aus.
Fey kam langsam auf mich zu, den Kopf gesenkt, und legte mir ihren Ball neben meine Hand. Aber ich reagierte nicht, wollte immernoch nicht mit ihr spielen. Sie hätte sich ja auch mit sich selbst beschäftigen können. Eine Weile war es ruhig, nur ab und zu hörte man das Knacken der Äste und das Rascheln der Blätter im Wind. Diese beruhigende Stille...

Plötzlich fing Fey an zu winseln, unterbrach die friedliche Ruhe. Wieso konnte man mich nicht ein einziges Mal in Ruhe lassen, wieso konnte ich nicht in Ruhe die Dinge verarbeiten, die mich so beschäftigten, von innen auffraßen. Die feuchte Schnauze wanderte wieder langsam über meine Hand, aber ich wollte doch einfach nur in Ruhe gelassen werden... Diesen Köter mitzunehmen, war die schlechteste Idee gewesen, die ich je hatte.

Reflexartig sprang ich auf, Fey hüpfte freudig auf und ab und wedelte mit ihrem Schwanz. Ohne weiter drüber nachzudenken, packte ich sie an den Hinterbeinen, merkte wie sie zappelte und versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien.

Gottverdammt, ich wollte Ruhe, ich wollte alleine sein und so schlug ich sie das erste Mal gegen den Baumstamm, vor dem ich eben noch gesessen hatte.

Sie jaulte und winselte, versuchte mir in die Hände zu beißen und zappelte hin und her.

Und erneut schlug ich sie gegen den Baum. Fester und mit jedem Laut, den sie von sich gab, wurde ich schneller und stärker.

Dieses Vieh sollte einfach die Schnauze halten!

Irgendwann merkte ich, wie sich die Rinde langsam rot färbte, dass sich das Jaulen des Hundes mit dem grausigen Geräusch brechender Knochen vermischte und dass das Tier in meinen Händen immer schwächer wurde.

Aber ich konnte nicht aufhören. Ich würde nicht wieder versagen und die Dinge zu Ende bringen, die ich begonnen hatte.

Auch mich verließ langsam die Kraft, doch ich biss meine Zähne zusammen und hörte nicht auf, auch nicht, als Fey schon längst aufgehört hatte sich zu bewegen. Sie hatte lange durchgehalten, aber letztendlich hatte ich den Kampf gewonnen. Und das fühlte sich unfassbar gut an.

Doch nach dem Höhenflug kam der Sturz. Ich realisierte langsam, was ich getan hatte. Meine Augen wanderten immer wieder von dem Blut, das am Baum klebte zu meinen zitternden Händen und dann zu dem leblosen Körper des Hundes. Mich packte die Angst. Was wäre, wenn man das herausfinden würde? Noah würde mich verlassen, könnte mich nicht mehr ansehen, ich wäre schlimmer als mein Vater. Nein... das Ganze dürfte nicht rauskommen!

Und noch bevor mich jemand sehen konnte, rannte ich los. So schnell ich konnte, so weit ich konnte. Egal wo ich landen würde, ich musste so weit wie möglich von der Leiche weg. Von der Leiche, die durch mich entstanden war.

Fey war tot. Tot...

Und ich war schuld. Ich war ein Mörder... Ein Monster... Ein Nichtsnutz...

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