Kapitel 23
Die Kapuze tief in die Stirn gezogen stand ich an der Wand gelehnt da und beobachtete die Schüler um mich rum. Die Flure waren gerade breit genug für die kleinen Grüppchen und diejenigen, die hastig die Gänge entlang gingen. Es sah alles aus wie immer, bis auf eine kleine Szene, die mir auch direkt ins Auge fiel. Neugierig ging ich langsam auf die beiden zu und bemerkte, wie Noah sich stützend gegen die Wand lehnte. Er sah so aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Immer wieder nickte er. Skeptisch musterte ich ihn. Der Direktor, der ihm gegenüber stand, hatte die Hände vor seinem Körper zusammen gefaltet und wippte mit seinem Oberkörper immer wieder nach vorne, während er sprach. Diese Situation wirkte einfach nur falsch und je mehr Zeit verging, desto klarer war es für mich, dass irgendwas passiert war. Der Direx klopfte Noah auf die Schulter, richtete dann seine Krawatte und ging den Flur entlang, in Richtung seines Büros. Mit schnelleren Schritten trat ich neben Noah.
„Was war das denn? Was wollte der denn jetzt von dir?” Er winkte nur ab. „Nichts besonderes. Irgendjemand war bei ihm und hat Sören verpfiffen. Ich bin raus.” Er lächelte mir zu und ich nutzte den Moment, um sein Gesicht nochmal genau zu mustern. Noah hatte immer noch tiefe Augenringe. Wenn ich mich nicht täuschte, war er blasser geworden. Er stieß sich von der Wand ab und schwankte wieder ein wenig, als er zur Turnhalle ging. Ich lief langsam hinterher.
Verdammt nochmal, was war los mit ihm?
Ich war der Letzte, der in die Umkleide kam. Seit dem Vorfall mit Sören versuchte ich immer, so wenig Zeit wie möglich mit den Jungs zu verbringen. Hastig streifte ich mir mein T-Shirt über den Kopf.
„Aaron, wieso hast du's hier drin denn immer so eilig? Du solltest den Anblick doch eigentlich total genießen”, Sören stand hinter mir und hatte mir die Hand auf meine nackte Schulter gelegt, die sich sofort anspannte. Ich kniff meine Augen zusammen und schluckte. Was sollte das immer? Ist er wirklich so verzweifelt, dass er das nötig hat? Ich tat mein Bestes ihn zu ignorieren und griff nach meinen Sportklamotten. Sören riss an meiner Schulter, um mich gewaltvoll umzudrehen. Sein Gesicht war vor Wut zusammengezogen. „Guck mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!”
Noah hatte sich schon komplett umgezogen und schob sich zwischen mich und Sören. „Lass ihn endlich in Ruhe”, seine Stimme klang schwach und zerbrechlich, er wirkte so kränklich. Sören lachte kurz auf, packte Noah am Kragen und schleuderte ihn gegen die nächste Wand. Noah zog beim Aufprall scharf die Luft ein und sackte auf den Boden. Zuerst konnte ich mich nicht bewegen, war gelähmt vom Schock, aber machte dann einen großen Schritt auf Noah zu und half ihm auf. Ich wollte ihn stützen, aber er ignorierte das und lief alleine in die Halle. Man konnte erkennen, dass irgendwas nicht stimmte, sein Gang war zu gekrümmt, obwohl er versuchte, Normalität vorzutäuschen. Kurz bevor wir uns auf die Tribüne setzen konnten, kam unser Sportlehrer auf uns zu und musterte Noah mit einem skeptischen Blick. „Machst du mit?” Er zog seine Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme vor der Brust, seine Trillerpfeife hing ihm locker um dem Hals. Noah nickte und zwang sich ein kleines Lächeln auf die Lippen. Besorgnis machte sich auf dem Gesicht meines Lehrers breit. „Aber du siehst so blass aus. Bist du sicher, dass du mitmachen kannst?”
„Ja, ich bin nur ein bisschen erkältet. Das geht schon.”
„Na gut, aber mach' vorsichtig.” Der Sportlehrer nickte leicht, aber sah immer noch nicht ganz überzeugt aus. Dann drehte er sich um und ging. „Okay, erstmal fünf Runden warm laufen”, rief der ältere Mann mit strenger Stimme. Aus einigen Ecken waren Seufzer zu hören.
„Du spinnst doch. Du kannst so doch nicht mitmachen”, sagte ich zu Noah, als wir zusammen die erste Runde begannen. Nur wenige Schritte und Noah fing schon an, schwer zu atmen. „Ich werde ja schon wissen, wie viel ich aushalten kann. Ich bin schon alt genug, du musst nicht auf mich aufpassen!” Noah verdrehte die Augen und man konnte aus seiner Stimme heraus hören, dass er aufgebracht war. Er legte ein wenig an Geschwindigkeit zu und ich beschleunigte ebenfalls, um wieder neben ihm zu laufen. Noah bekam kaum Luft und die zweite Runde hatte noch nicht angefangen. Er würde das nicht durchhalten, aber wieso sollte er auf mich hören? Er war ja alt genug und bräuchte keinen Babysitter. Plötzlich sackte Noah neben mir auf die Knie und landete unsanft auf dem Boden. Panisch riss ich meine Augen auf und blieb augenblicklich stehen. Er hatte nicht versucht sich abzufangen. Vor Schock konnte ich mich erst nicht bewegen, dann ging ich zu ihm runter auf die Knie. Wieso stand er denn nicht auf? Er musste doch wenigstens versuchen aufzustehen. Verdammt, konnte er sich nicht wenigstens bewegen? Ich wurde blass und mir wurde ein bisschen schlecht. Was war jetzt los? Verzweifelt schlug ich ihm mehrmals auf die Wange und hoffte, dass er dadurch die Augen öffnen würde. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis mein Lehrer endlich zu uns kam und mich von Noah weg zog. Auch er versuchte sein Bestes, um Noah aufzuwecken. Angst machte sich in mir breit. Was zur Hölle stimmte nicht mit ihm? Ich fühlte mich unfassbar hilflos. „Kann mal jemand den Krankenwagen rufen?”, fragte jetzt auch mein Lehrer. Die Mädchen standen in Gruppen zusammen und flüsterten sich einige Dinge zu. Die Jungs sahen teilweise geschockt aus, aber andere schmunzelten auch über den Vorfall. Verdammt, konnten die nicht irgendwas machen? Die sollten nicht so tatenlos darumstehen. Scheiße, die sollten Noah helfen.
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