Kapitel 14
Die Sonne fiel in warmen Strahlen durch die löchrige Baumkrone des Baumes, an dem Noah und ich schon eine Weile lehnten und stumm in die Ferne blickten. Was genau das zwischen uns war, wusste ich noch nicht, aber es fühlte sich verdammt nochmal scheiße gut an. Trotz meiner Suspendierung verbrachte ich den ganzen Tag in der Schule. Wäre ich zu Hause geblieben, hätte mein Vater gemerkt, dass etwas nicht stimmte und das wollte ich so gut wie möglich vermeiden. Nach dem Unterricht hatte er mich überredet, noch ein bisschen Zeit mit ihm zu verbringen. Erst hatte ich versucht, das Treffen zu verschieben, aber er ließ nicht locker und redete solange auf mich ein, bis ich zustimmte. Und nun saßen wir hier. Schwiegen und genossen die letzten warmen Tage des Sommers. Die Bäume verloren schon langsam ihre satte, grüne Färbung und nahmen einen leicht gelblichen Ton an. Zufrieden lächelte ich. In diesem Moment war alles perfekt. Ich vergaß meinen Vater, der wieder saufend zu Hause saß und Sören, der immer wieder versuchte mir mein Leben möglichst schwer zu machen. Eigentlich wusste ich ja, weshalb er das tat, aber je mehr Zeit mit Noah verstrich, um so mehr erschien mir seine Behandlung mir gegenüber ungerecht. Vielleicht sollte ich mich tatsächlich einmal wehren?
Noah drehte seinen Kopf zu mir und musterte mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Woran denkst du?”
„Daran wie schön alles gerade ist”, ich lächelte ihn ehrlich an. „Seitdem du hier bist, stimmt irgendetwas nicht mit mir. Ich denke nicht mehr so wie vorher„, antwortete ich offen.
Noah runzelte die Stirn.
„Wie meinst du das?”
„Naja, ich habe mich gefragt, ob ich mich nicht so langsam mal gegen Sören wehren sollte.” Beschämt drehte ich meinen Kopf weg, spürte dann aber zwei warme Finger an meinem Kinn, die meinen Blick in die gleiche Richtung zurück verschoben. Noahs Gesicht war meinem schon wieder furchtbar nah und er schaute unablässlich bin meine Augen. Dann küsste er mich kurz und sanft. Als er sich löste, legte er seine Stirn gegen meine und sah mir wieder tief in die Augen. Noah schmunzelte leicht.
„Ich mag deine neuen Gedanken. Ich denke, du solltest echt mal etwas gegen ihn machen. Das geht so nicht weiter. Zur Zeit bin ich ja oft bei dir, aber ich fürchte, dass ich nicht immer da sein kann. Er wartet auf den Moment, in dem er unkontrolliert auf dich einprügeln kann. Das kann ich nicht zulassen. Nicht jetzt.”
„Du wirst nicht ständig da sein, um meinen Beschützer spielen zu können. Nicht nur, wenn es um Sören geht. Ich weiß das. Trotzdem hat er seine Gründe um so zu handeln.”
Noah schüttelte leicht den Kopf.
„Ich bin so froh dich hier bei mir zu haben. Froh, dass du überhaupt da bist. Glaubst du, das will ich so schnell wieder aufgeben?”
Ich lächelte und schloss dann wieder die Lücke zwischen uns. Und obwohl es gar nicht so lange her war, dass ich so empfunden hatte, fühlte es sich doch so anders an. Viel echter. Als hätte ich Gefühle. Noah vermittelte mir Sicherheit. Bei ihm fühlte ich mich geborgen und beschützt. Ich glaubte, dass er mich verstand. Bei ihm dachte ich das nie. Da ging es mir allein darum, Erfahrungen zu sammeln.
Ein Räuspern sorgte dafür, dass wir auseinander fuhren. Ich mehr, Noah weniger. Vor uns stand Sören und hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Enttäuscht und traurig sah er mich an.
In seinen Augen spiegelten sich Wut und Verletztheit wieder. Wenn ich mich nicht täuschte, hörte ich ihn sogar einmal schniefen. Er war aber auch der Erste, der sich wieder gesammelt hatte.
„Als er ankam, dachte ich mir schon, dass das nicht gut enden würde. Dass du mich jedoch so schnell ersetzen würdest, wollte ich nicht glauben. Ich dachte immer, dass wir etwas Besonderes hatten. Und jetzt...”
Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr so leicht und unbeschwert. Ein furchtbar schweres Schuldgefühl legte sich auf meine Brust. Ich wusste, was er fühlte und trotzdem hatte ich nichts besseres zu tun, als mich in den Nächstbesten zu verknallen, der vorbei kam. Zugleich aber sah ich nicht, weshalb ich mich schämen sollte. Ich war es nicht, der andere fertig machte. Ich sagte ihm nicht, wie ekelhaft ich ihn fand. Auch, wenn das eine Lüge war. Ein kühler Windzug wehte über die Wiese und ließ die Grashalme tanzen.
„Ich hatte echt mehr von dir erwartet Aaron. Du enttäuscht mich. Ich hatte tatsächlich noch gehofft, dass aus uns irgendwann wieder ein richtiges Paar wird”, er senkte den Blick und wischte sich grob mit dem Ärmel über sein Gesicht. Die ganze Zeit über hatte er nur mich angesehen, doch als er seinen Kopf wieder hob, sah er Noah mit einem so hasserfüllten Blick an, dass ich mich selbst ein wenig unwohl fühlte. Er ließ sich jedoch nicht davon beirren und nahm meine Hand in seine.
„Du wirst das schon noch bereuen. Du kannst nicht einfach hier auftauchen und mir das Einzige nehmen, das mir jemals wirklich wichtig war”, schrie Sören schon fast und seine Hände waren krampfhaft zu Fäusten geballt. Nachdem er fertig war und schon zum Gehen ansetzte, stand Noah ruckartig auf und packte ihn am Kragen seines Pullovers.
„Ich werde bereuen, dir das zu nehmen, das du wortwörtlich mit Füßen getreten hast?! Du spinnst doch wohl. Verdammt, du bist doch selbst Schuld daran, dass Aaron keinen Bock mehr auf dich hat. Und an deiner Stelle solltest du gut überlegen, was du als Nächstes tust. Ich glaube nämlich, dass du mich eindeutig unterschätzt. Ich lass' mich nicht so von einem Wichser wie dir herumschubsen. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass du Aaron nicht mehr so nahe kommst, verstanden? Und jetzt sieh zu, dass du verschwindest!”
Noah schubste Sören grob nach hinten und es gab keinen weiteren Moment, in dem ich ihn so aggressiv gesehen hatte. Nachdem Sören endlich abgehauen war, stellte sich Noah vor mich und sah fragend auf mich herunter. Während der ganzen Szene hatte ich mich nicht getraut, nur eine einzige Regung zu vollführen. Scheiße, was sollte das gerade?
„Was war das denn gerade? Was hat dieser Pisser gelabert?”, fragte Noah sichtlich verwirrt. Ich klopfte neben mich aufs Gras.
„Setz' dich. Das ist eine lange Geschichte.”
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