Kapitel 99: Neue Wege


„Ich fand deinen Mut immer bewundernswert, aber manchmal kannst du echt bescheuert sein! Du glaubst doch nicht, dass du losziehen und alle Horkruxe alleine vernichten kannst!? Du brauchst uns, Harry.", lächelnd nahm sie seine Hand, drückte sie und sicherte ihm ihre Unterstützung zu, sie hatte Severus damals nicht glauben wollen, als er sagte, dass sie nicht zurückkönnten, aber nun sah sie keine Alternative, auch wenn sie absolut keine Ahnung hatte, wie sie das stemmen sollten, so ganz allein ohne irgendeine Führung.
Es schien, als wären sie selbst ab sofort die Führung.

Harry musterte sie ebenso lächelnd, sah dann zu Ron, der versuchte ein möglichst aufmunterndes Gesicht zu machen, als über ihnen ein langgezogener Klageschrei ertönte.
Die drei sahen nach oben, sahen Fawkes große Kreise über das Schloss ziehen, während er immer weiter Klageschreie ausstieß und sich dann mit schnellen Flügelschwingen von Hogwarts entfernte.
Von einer erneuten Wehmut gefüllt sahen die Freunde ihm hinterher, bis er in der Ferne zu einem winzigen Punkt verschwand.
In diesem Moment waren sie sich sicher, dass sie nicht nur Dumbledore verloren hatten, sondern auch seinen Phönix nie wieder sehen würden.

Hermine griff erneut nach Harrys Hand, suchte auch die von Ron, der zu ihnen gekommen war und sah zwischen ihren Freunden hin und her.
„Wir können das schaffen.", sagte Harry von einer inneren Ruhe und Zuversicht gefüllt, die ansteckend wirkte.
„Wir sind das Goldene Trio", nickte Ron, „wenn wir das nicht schaffen... wer dann?", sah zu Harry und Hermine, die ihn mit einem aufkommenden kleinen Lächeln musterten, „Was denn?"
„Nichts, Ron... bleib einfach immer so, wie du bist, okay?", fragte Hermine lachend, drückte dann erst Ron und danach Harry an sich und nahm einen tiefen Atemzug, wir werden das schaffen, dachte sie.

*

Als sie auf dem Weg nach King's Cross waren und im Hogwartsexpress saßen, wurde Hermine von einer tiefgreifenden Sehnsucht erfasst.
Vor wenigen Wochen saß sie hier mit Severus zusammen, weit weg von all dem Schmerz und den Sorgen, der Angst vor der Zukunft, die jetzt beinahe wie ein unausweichliches Ende vor ihnen lag.
Nun saß sie mit ihren Freunden hier, von denen sie mehr als die Hälfte vermutlich für die nächsten Monate nicht wieder sehen würde.
Es wäre das letzte Mal, dass sie alle zusammen in diesem Zug sitzen würden und vor allem als Schüler dieser Schule.

Am Bahnhof angekommen war die Stimmung weniger ausgelassen als sonst, mehr Eltern als üblich standen auf dem Bahnsteig, warteten auf ihre Kinder, die sie dankbar und erleichtert in die Arme schlossen, als sie aus dem Zug stiegen.
So auch die Weasleys, die auf Hermine, Ginny, Ron und Harry warteten und nach einander alle in die Arme schlossen.
„Deine Eltern warten auf der anderen Seite, Hermine", informierte Arthur sie, „sie sind ziemlich besorgt..."
„Wer ist das nicht?", schnäuzte Molly, „Albus Dumbledore ist tot... und ausgerechnet Severus hat ihn getötet...", hielt das zitternde Taschentuch vor ihre Nase und tupfte sich die Tränen aus den Augen, „Geht es euch allen gut?"
„Ja, Mum", Ginny und Ron versuchten ein Augenverdrehen zu vermeiden, sahen entschuldigend zu Hermine und Harry.
„Harry, Schatz, sollen wir dich nachhause bringen?", fragte Molly, als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte.
„Das ist sehr freundlich, Mrs. Weasley, aber ich fahre mit Hermine", sah lächelnd zu ihr und wurde dann erneut in eine stürmische Umarmung gezogen, „pass auf dich auf, mein Junge.", drückte ihn dabei fest an sich.
„Ich geb mein Bestes, Mrs. Weasley", keuchte er, drehte sich dann, als sie ihn losließ, zu seinen Freunde, „Ron... Ginny... wir sehen uns", nahm jeden von beiden in den Arm und ging dann mit Hermine und ihren Gepäckstücken langsam durch die Barriere, hinter der die Grangers schon beinahe ungeduldig warteten.

„Hermine", Jean Granger nahm ihre Tochter geradewegs in die Arme, strich über ihren Kopf, „geht es dir gut?"
„Alles in Ordnung, Mum...", nuschelte Hermine, wurde dann von ihrem Vater in die Arme genommen.
„Hallo, Mr. und Mrs. Granger", Harry lächelte freundlich, sah zwischen den beiden hin und her.
„Harry", Mrs. Granger breitete ihre Arme aus, drückte ihn liebevoll und sehr viel sanfter an sich, als Molly gerade eben noch und streichelte über seine Schulter, als sie sich löste, „geht es dir auch gut?", musterte ihn mit dem Blick einer besorgten Mutter.
Harry brachte ein kleines Lächeln zustande, „es geht schon...", nickte leicht, wandte sich dann Hermines Vater zu, der ihr den Koffer aus der Hand genommen hatte, „es ist übrigens sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mich nachhause bringen."
„Ach, das ist doch selbstverständlich, Harry...", Mr. Granger klopfte ihm auf den Rücken, gab seiner Tochter noch einen Kuss auf die Stirn, „kommt... wir sollten langsam los."

Die vier setzten sich in Bewegung, durchquerten den regen Betrieb, der am Bahnhof herrschte und suchten dann das Auto der Grangers auf, welches in einer ruhigen Seitenstraße auf sie wartete.
Harry und Hermine nahmen auf der Rückbank Platz, nachdem sie die riesigen Koffer in den Kofferraum verstaut hatten und ließen die Blicke rechts und links aus dem Fenster schweifen.

„Wie war denn die Beerdigung?", fragte Mrs. Granger nach einer kleinen Stille, sah mitfühlend über die beiden Freunde.
Hermine musterte Harry, „es... war wirklich schön... und bewegend.", sagte sie langsam.
„Ein würdiger Abschied", schob Harry nach, lächelte wehmütig mit einem gedankenversunkenen Blick.
Hermine griff nach seiner Hand, hielt sie fest in ihrer, schenkte ihm ein warmes Lächeln, als er zu ihr sah, „es war ein würdiger Abschied", wiederholte sie.
Nach einer halbstündigen Autofahrt kamen sie im Ligusterweg Nr. 4 an, Harry seufzte, als er das Haus der Dursleys sah, welches mittlerweile wirklich sein einzig gebliebener sicherer Ort war.
Hermine musterte ihn, sie spürte die Abneigung, die sich immer weiter in ihm aufbaute, was sie ihm nicht verübeln konnte, aber es nützte nichts, „du schreibst mir, oder?"
Harry lächelte fahrig zu ihr, „ja, klar", öffnete dann die Tür, ebenso wie Mr und Mrs. Granger und auch Hermine.

Während Harry und Mr Granger den schweren Koffer aus dem Kofferraum hievten, öffnete Vernon Dursley die Tür, musterte argwöhnischer als sonst das Geschehen vor seinem Haus.
Mrs. Granger sah lächelnd zu ihm, „Mr Dursley", dieser nickte knapp lächelnd, sah zwischen Hermine und Harry hin und her, die ihren besten Freund in den Arm nahm und herzlich drückte.
„Vielen Dank, Sir", Harry wandte sich an Mr. Granger, wurde dann von Hermines Mutter auch noch einmal in die Arme genommen und verabschiedet, zog dann den Koffer hinter sich her und quetschte sich an Vernon vorbei.
„Danke", Dursley nickte erneut, folgte Harry dann ins Haus und schloss die Tür.
„Lass uns fahren, Schatz", Mrs. Granger strich über die Schulter ihrer Tochter und schob sie sanft zum Auto.
Hermine nickte, nahm wieder auf der Rückbank Platz und sah während der Fahrt in den Vorort Londons wieder nachdenklich aus dem Fenster.

Die Ferien sollten sie getrennt voneinander verbringen, McGonagall, Moody, Kingsley und weitere Auroren würden in diesem Moment diverse Schutzzauber auf die jeweiligen Wohnorte legen und somit den Schutz ihrer Schüler garantieren.
„Hermine?", Mrs. Granger drehte sich auf ihrem Sitz zu ihrer Tochter, „Möchtest du darüber reden, was passiert ist?"
Hermine strich sich tief durchatmend über die Augen, natürlich machten ihre Eltern sich Sorgen, welche Eltern, die ihr Kind liebten, wären von den jüngsten Ereignissen nicht beunruhigt?
Eigentlich wollte sie dieses Thema zum jetzigen Zeitpunkt nicht wieder aufrollen, aber sie hatten es verdient zu wissen, was in Hogwarts vor sich ging und zumindest ein kleines Stück der Wahrheit zu erfahren.

Wie sollte sie nur anfangen?
Welche Erklärung wäre ausreichend erklärend für das, was passiert war?

„Professor... Snape hat...", sie nahm einen tiefen Atemzug, „Professor Dumbledore getötet... auf dem Astronomieturm..."
Mrs. Granger sah ein wenig beunruhigt zu ihrem Mann, der am Steuer große Augen machte, richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf ihre Tochter, die die Fragen auf dem Gesicht ihrer Mutter ablesen konnte, „warum hat er das getan?"
„Das fragen wir uns alle, Mum...", ein freudloses Lächeln huschte über ihre Lippen.
„Ich dachte Snape hat sich vor den ganzen Jahren auf die gute Seite gestellt", warf Mr. Granger ein, „das hast du doch immer gesagt... war er nicht sogar im Orden des Phönix?"
Ein wenig beeindruckt von den ganzen Informationen, die sich ihr Vater gemerkt hatte, lächelte sie sanft, konzentrierte sich dann wieder auf ihr zartes Lügenkonstrukt, „offenbar haben wir uns alle in ihm getäuscht...", sie schluckte, sah dann wieder aus dem Fenster.

Die restliche Fahrt über war es still zwischen den Grangers, Hermines Eltern versuchten auf ihre eigene Lösung zu kommen, denn auch, wenn sie nicht Teil der magischen Welt waren, so trieben die Sorgen ihrer Tochter auch sie um.
Am Haus der Grangers angekommen begleitete Mrs. Granger ihre Tochter ins Haus, während Mr. Granger sich um den Koffer kümmerte, ihn mit einer gewaltigen Kraftanstrengung aus dem Auto wuchtete und dann ins Haus folgte.
„Ich glaub, ich leg mich ein wenig hin...", informierte Hermine ihre Eltern, zauberte den Koffer in ihr Zimmer und folgte dem fliegenden Gegenstand, der sich vor ihrem Bett selbstständig entpackte und einsortierte.

Eine Weile sah sie dem automatisierten Sortieren dabei zu, fand beinahe schon etwas tröstliches in den tanzenden Pullovern, die aus dem Koffer flogen, teilweise für einen kurzen Moment miteinander rangelten und sich dann auf ihren richtigen Platz legten.
Nach einer halbe Stunde ließ sie sich nach hinten sinken, starrte an ihre Decke, schüttelte den Kopf, stand wieder auf, zog sich eine Strickjacke aus dem Schrank und wanderte ruhelos in ihrem Zimmer umher, sah aus dem Fenster auf die ruhige Straße vor ihrem Haus. Wie sollte sie in den nächsten Wochen die Füße stillhalten, wenn es doch eigentlich so viel zu tun gab?

Seufzend strich sie sich über die Stirn, band ihre Haare zu einem Zopf zusammen und ging wieder in Richtung Bett, warf sich auf die Matratze, kuschelte sich in ihre Decken, zog die Strickjacke weiter um sich und ließ den Blick in die Ferne ihrer vier Wände gleiten und die letzten Monate Revue passieren, die alles um 180 Grad geändert hatten.

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