Kapitel 98: Abschied
„Was ist mit ihm?", fragte sie eine Nuance kälter, was wollte er ausgerechnet von ihr wissen?
„Bitte sei ehrlich...", fing er an, machte Hermine damit noch nervöser, „glaubst du, dass er ein schlechter Mensch ist? Durch und durch?"
„Ich...", sie nahm einen tiefen Atemzug, strich sich über die Augen, „was kann ich anderes glauben, Remus?", ein trauriges Lächeln zuckte über ihre Lippen.
Er schüttelte den Kopf, „unabhängig von dem, was er gemacht hat...."
„Wie könnte man das trennen?", traurig sah sie über ihn, es war unfair, dass sie dieses Spielchen mitspielen musste, dass sie so tun müsste, als glaubte sie wirklich, dass er von Grund auf böse war, dass er alle hintergangen hatte.
„Versuch es... bitte...", flehte er beinahe schon, „glaubst du, dass er ein böser Mensch ist?"
Einen Moment schwieg sie, erinnerte sich an das Gespräch in Severus Keller an dem Morgen, als sie alles erfahren hatte, „ich glaube zumindest, dass er kein guter Mensch ist... aber... vielleicht kann man das in dieser Welt auch gar nicht mehr sein.", endete sie leise, vermied es Remus anzusehen.
„Glaubst du, dass er böse ist?", wiederholte er ruhig, fing ihren Blick ein, „Ich weiß, dass da irgendetwas ist, was du mir nicht sagen willst..."
„Wenn da irgendetwas wäre, was ich dir nicht sagen wollte, dann hätte ich vermutlich meine Gründe... meinst du nicht?", gekränkt sah sie über ihn, „Ich bin enttäuscht und sauer und fassungslos über das, was passiert ist... ja... ich dachte, dass ich ihn besser kennen würde...", sie dachte dabei nicht an Severus, sondern an Dumbledore, das, was er Severus antat, ging so viel tiefer als irgendjemand von ihnen bedacht hatte, „aber da hab ich mich wohl getäuscht..."
Remus sah über sie, für den Bruchteil einer Sekunde dachte Hermine, dass er direkt in ihre Seele sah, dass er wusste, dass sie über Dumbledore sprach und die Wahrheit kannte, bis ein Ruck durch sein Gesicht zuckte und er beinahe schon schmerzerfüllt zu ihr sah, „ich schätze wir haben uns beide getäuscht...", starrte dann auf einen Punkt und überließ sich seinen Gedanken.
Mitfühlend strich sie über seinen Arm, zog seinen Blick damit auf sich, er zwang sich zu seinem Lächeln, diese junge Frau sollte nicht auch noch seine Sorgen tragen müssen, „ich bring dich zu Hagrid."
*
„Harry?", Hermine schob sich langsam in sein Blickfeld, „Bist du so weit?", sie versuchte die Trauer, die sich seit der vergangenen Nacht in sie geschoben hatte, hinter einer dicken Mauer zu verstecken, um für Harry ein Stütze zu sein, der, so wie er auf seinem Bett saß, ebenfalls versuchte die Trauer für die nächsten Stunden zu verschließen.
Angespannt sah er zu seiner besten Freundin, nickte leicht und stand dann auf, besah sein Outfit noch einmal im Spiegel und nahm einen tiefen Atemzug.
Auf diesen Tag hatten alle gewartet, die Beerdigung des Schulleiters, der Abschied von Dumbledore.
Die letzten vergangenen Tage waren wie eine Art Schwebezustand, der Schock saß immer noch tief in den Seelen der Schlossbewohner, die alles einnehmenden Fragen schwirrte in den Köpfen.
Warum musste Albus Dumbledore sterben?
Warum hatte Severus Snape ihn getötet?
Fragen, die vor allem Remus umzutreiben schienen, während Tonks und Moody McGonagall zur Seite standen, spazierte Remus stundenlang durch den Verbotenen Wald, suchte nach den kleinsten Spuren, nach Hinweisen, die Severus völlige Unbescholtenheit und Unschuld bestätigen würden, was im Grunde niemand in Hogwarts glaubte; oder seine unumstößliche Schuld noch verfestigten, auch wenn seine Schuld beinahe nicht noch weiter zu steigern war.
Hermine, die als einzige die Wahrheit kannte, saß immer wieder zwischen den Stühlen.
Für Harry war Snape unbestritten der verlogene Verräter, der sogar über die Leiche seines langjährigen Mentors ging, eine Meinung von der er sich nicht eine Sekunde lang abbringen lassen würde. Snape gehörte nun ebenso zu seinem Feindbild wie auch Bellatrix, die Sirius auf dem Gewissen hatte.
Remus hingegen schien mit jedem weiteren Tag, der verging immer weiter in einem gedanklichen Dilemma zu versinken, er konnte und wollte einfach nicht glauben, dass Severus zu so einer Tat fähig war, selbst Tonks schien immer weniger an ihn heran zu kommen.
Diese zwei Lager führten zu einer unausgesprochenen Spannung zwischen allen Beteiligten, von der vor allem Hermine hoffte, dass sie sich nach dem heutigen Tag in Luft auflösen würde.
„Wir können los", Harry ging zu Hermine, zwang sich zu einem kleinen Lächeln, hielt ihr seine Hand entgegen und wartete darauf, dass sie sie ergreifen würde, zog sie dann sanft mit sich und machte sich mit den anderen Gryffindors auf zum Schwarzen See, an dem die Zeremonie stattfinden sollte.
Schon von Weitem sahen sie den weißen Marmortisch, der ein merkwürdiges Gefühl in jedem von ihnen auslöste.
Je näher sie kamen, desto langsamer wurde Harry, er konnte den Blick nicht von dem noch leeren Tisch nehmen, nahm die unzähligen Gesichter ihrer Freunde, flüchtig Bekannten und geladenen Gäste, die ihn mitleidig, besorgt und neugierig musterten, kaum wahr.
Hermine festigte ihren Griff um seine Hand, zog ihn in die Reihe von Stühlen, die ihnen zugeordnet wurde und schob ihn auf seinen Platz; Ron, Ginny, Neville und einige andere Gryffindors folgten.
Hermines Blick flog über die Umgebung, an einigen Wegpunkten standen Auroren, die für einen möglichen Angriff gewappnet waren, am Waldrand hatten sich die Zentauren versammelt, die für Dumbledore eine ganze Menge Respekt hegten, auch wenn sie Firenze aus ihrer Gruppe ausgeschlossen hatten.
Remus und Tonks, die vor ihnen saßen, drehten sich zu dem Goldenen Trio, wechselten mitfühlende und ebenso mitgenommene Blicke mit ihnen aus und drehten sich dann wieder nach vorne, als die Trauerfeier begann.
Blubbern und Bewegungen nah unter der Wasseroberfläche kündigten die ersten Gäste an, die um den verstorbenen Schulleiter trauerten und ihren Tribut zollten.
Ein Chor von Wassermenschen beschallte mit einem ergreifenden Abschiedslied den Schwarzen See und die Ebene, auf der die übrigen Gäste saßen.
Der liebliche Gesang legte sich, trotz der übertragenen Trauer, wie Balsam über die Gäste, die hier und da die einen oder anderen Tränen nicht aufhalten konnten.
Kaum hatte der Chor der Wassermenschen geendet stapfte Hagrid mit dem, in Leinentüchern gewickelten, Leichnam des Schulleiters auf den Armen durch die Trauergemeinde, dicke, große Tränen drangen unaufhörlich aus seinen Augen und ein herzzerreißendes Schluchzen schürte die Beklommenheit der Gemeinschaft.
Hermine verfolgte mit wässrigen Augen den Gang des Wildhüters, die Trauer, die von ihm ausstrahlte war beinahe greifbar.
Als Hagrid am weißen Tisch angekommen war, legte er den Leichnam vorsichtig auf die Oberfläche, zog ein großes Taschentuch heraus, strich sich die Tränen von den Wangen und dem Bart und setzte sich auf einen nahestehenden Baumstumpf, um der Rede eines Ministeriumsangestellten zu lauschen, der offenbar den echten Dumbledore nur halb so gut kannte, wie er dachte, was vor allem auch McGonagall und Moody schwerfiel so hinzunehmen.
Nachdem diese Rede ihr Ende genommen hatte, ließ McGonagall das Bestattungsfeuer auflodern, dessen Flammen sich hoch um den Körper und den Tisch schlossen.
Nach wenigen Momenten entstand aus diesen Flammen weißer, dichter Rauch, der schnell in den Himmel zog und im warmen Sonnenlicht hier und da funkelte.
Als die Flammen erloschen, gaben sie einen weißen Marmorblock frei, der sich schützend und erhaltend um den Leichnam gebildet hatte, das erste und einzige Grab, welches es in Hogwarts je gab und geben würde.
Es war ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass Dumbledore, der vor mehr als hundert Jahren nach Hogwarts gekommen war, nun für den Rest der Zeit hier ruhen würde und so merkwürdig es auch war, genauso tröstlich war es.
Ein Ruf und ein Scharren vom Waldrand zog die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich, die Zentauren zogen ihre Bogen, legten die Pfeile an, spannten die Seiten und schossen hoch in den Himmel.
Die Salve Pfeile ging in einigem Abstand vor dem weißen Marmor nieder, ein letztes Rufen, ein letzter Gruß, dann verschwanden die Zentauren wieder tief in ihren Wald und damit war die offizielle Trauerfeier beendet.
*
Es war der letzte Schultag, der Tag nach Dumbledores Beerdigung, noch immer hing über Hogwarts eine Glocke der sanften Trauer, auch wenn die, an sich schöne, Zeremonie ein wenig Frieden in die aufgewühlten Herzen gepflanzt hatte.
Harry, Hermine und Ron standen auf dem Astronomieturm, Harry hatte die beiden gebeten ihn zu begleiten, er musste diesen Ort erneut aufsuchen, er musste ein letztes Mal dorthin zurück.
Er stellte sich an die Stelle, an der er Dumbledore zurückgelassen hatte, geschwächt, immer noch ein wenig verwirrt und vermutlich mit Schmerzen im ganzen Körper, noch immer machte er sich Vorwürfe.
„Es war Snape... die ganze Zeit über Snape.", Harry schluckte, „Er hat ihn gebeten... Dumbledore hat ihn gebeten ihm zu helfen... ihn zu verschonen... aber er hat ihn einfach getötet."
„Du hast uns immer noch nicht gesagt, wo ihr wart... an diesem Tag", sagte Hermine, sie konnte die Rachegedanken auf seinem Gesicht ablesen und hoffte ihre Frage würde ihn von Severus ablenken.
Harry nahm einen tiefen Atemzug, „wir waren in einer verborgenen Höhle inmitten des Meeres... immer, wenn Dumbledore das Schloss verlassen hatte, hatte er nach diesen Horkruxen gesucht... nach diesen Objekten, die Seelenstücke von Tom Riddle erhalten... er war sich sicher, dass er einen weiteren Horkrux gefunden hatte..."
„Von Horkruxen habe ich noch nie etwas gehört...", Hermine durchforstete ihre hirneigene Bibliothek.
„Es ist ein Zauber, der tief in die Schwarze Magie geht... selbst Slughorn war es unangenehm darüber zu reden... das war die Erinnerung, die ich beschaffen musste. Die Wahrheit über das Geheimnis seiner Macht, die Wahrheit über Horkruxe... Voldemort... er... verschließt abgespaltene Stücke seiner Seele in gewählten Objekten... damit ist man unsterblich... unbesiegbar.", diese Erkenntnis machte Harry immer noch wütend.
„Wie spaltet man seine Seele?", fragte Hermine, hatte aber schon so eine Ahnung.
„Indem man jemanden tötet."
Eine kurze Stille entstand zwischen den Freunden, Harry zog den gefundenen Horkrux aus seiner Tasche, musterte ihn einen Moment, bis Hermine sich neben ihn stellte und drückte ihn ihr in die Hand, „er ist eine Fälschung.", schnaubte leicht.
Hermine öffnete das Medallion, fischte einen klein gefalteten Zettel heraus und fing an ihn zu lesen, „An den Dunklen Lord, ich weiß, ich werde tot sein, lange bevor du dies liest, aber ich will, dass du weißt, dass ich es war, der dein Geheimnis entdeckt hat.
Ich habe den echten Horkrux gestohlen und ich will ihn zerstören, sobald ich kann.
Ich sehe dem Tod entgegen in der Hoffnung, dass du, wenn du deinen Meister findest, erneut sterblich sein wirst.
R. A. B. "
„R.A.B...", wiederholte Hermine.
„Keine Ahnung", Harry schüttelte den Kopf, „aber bei ihm ist der Echte.", sah dann wieder über die Ländereien, „Mir ist nie aufgefallen, wie schön es in Hogwarts ist...", ein wehmütiges Lächeln huschte über seine Lippen, „Ich werde nicht zurückkommen...ich muss das zu Ende bringen, was Dumbledore angefangen hat... aber egal, wo ich bin... ich werde euch immer wissen lassen, wie es mir geht."
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