Kapitel 97: Eine große Stütze


„Wir wissen es nicht", Tonks zuckte leicht mit den Schultern.
„Ihr wisst es nicht?", wiederholte Moody etwas lauter, „Hat ihn denn niemand verfolgt?"
„Wir wollten, aber-"
„Ich habe sie davon abgehalten", McGonagall stand mit einem Mal ebenso lautlos in der Tür, wie sonst nur Dumbledore, „ich habe es Potter bereits gesagt, niemand wird Severus Snape auf eigene Faust jagen."
Moody drehte sich entrüstet zu ihr, „Minerva, der Mann hat Dumbledore ge-"
„Ich weiß, was er getan hat, Alastor", herrschte sie ihn an, „und ich weiß vor allem wie mächtig ist er... jeder, der glaubt ihn alleine stellen zu können, überschätzt sich.", lief dann an dem gezeichneten Auror vorbei, um über die Arbeit von Remus und Tonks zu blicken, die sie in den vergangenen Stunden erledigt hatten.
In Moody baute sich ein Donnerwetter auf, welches kurz davor war loszugehen, was auch Remus wahrnahm, „sie hat recht... Severus ist ein sehr mächtiger Zauberer... niemand von uns kann ihn alleine besiegen."
„Die oberste Priorität liegt bei den Schülern und ihrer Sicherheit... das Schuljahr endet nach der Beerdigung. In den Ferien müssen wir alles daran setzen diese Mauern so sicher, wie nur irgend möglich zu machen.", sagte sie gedankenversunken, tauchte dann wieder auf, „Das sind wir Albus schuldig."
Remus und Tonks nickten, sahen dann abwartend, ebenso wie McGonagall, zu Moody, der nach einem kurzen Abwägen schließlich auch zustimmte und brummend nickte.

*

Am Abend, nach vielen Stunden Arbeit, waren alle angefallenen Aufgaben erledigt.
Die Abschlussprüfungen mussten, wie schon im letzten Jahr, verschoben werden und wurden für den Anfang des nächsten Jahres anberaumt, das Zaubereiministerium sicherte ihnen dabei zu, dass die Schule auch im nächsten Jahr wieder öffnen würde, trotz des Vorfalls, den alle zutiefst zu bedauern schienen.
Sie hatten ein weitläufiges Sicherheitskonzept ausgearbeitet, welches die Schüler, Lehrer und die Schule selbst vor weiteren Angriffen schützen sollte, dabei kamen vor allem Moodys und auch Tonks Einwände und Vorschläge zur Geltung, die viele Dinge auf andere Arten sahen und angingen.
Zuletzt wurde noch die Beerdigung geplant, für die Remus und Tonks schon ein grobes Konzept aufgestellt hatten und von McGonagall nach ihren Vorstellungen verfeinert wurde.

„Ich glaube, Albus hat etwas geahnt...", meinte sie, als sie mit ihren ehemaligen Schülern zusammen auf dem bequemen Sofa saß.
„Wie kommst du darauf?", Remus stellte sein Glas vorsichtig auf den Tisch, musterte sie ausgiebig.
„Wir haben vor wenigen Tagen darüber gesprochen, wie wir uns diesen letzten Abschied vorstellen...", sie ließ das Gespräch Revue passieren, „bei einem Glas Kürbislikör", lächelte leicht dabei, „er fehlt mir...", zog die Decke, die um ihre Schultern lag, enger um sich.
„Es fehlt uns allen", Tonks nahm mitfühlend ihre Hand, drückte sie leicht.
McGonagall atmete tief ein und aus, „am meisten tut es mir für Potter leid... wieder musste er alles mitansehen... wieder konnte er nichts tun, um irgendetwas aufzuhalten...", schüttelte leicht dabei den Kopf.
„Er gibt sich die Schuld... zumindest einen großen Teil davon... weil er dort war.", Remus seufzte leise, auch ihm ging Harrys Schicksal nahe.
„Ich bin froh, dass er es nicht getan hat... wer weiß was Snape...", McGonagall schüttelte diese Gedanken von sich, auch wenn Severus Snape und James Potter in ihrer Schulzeit regelrechte Feinde waren, dass er einen Jungen ermorden würde, traute sie ihm trotz Allem dennoch nicht zu.
„Hätte er Harry aus dem Weg räumen wollen, hätte er ihn mich damals zerfleischen lassen", warf Remus bitter ein, „er hat ihn vor mir beschützt. Er hat sich vor diese Kinder gestellt..."
McGonagall rutschte etwas näher an den Rand des Sofas, sah Remus eindringlich an, „es ehrt dich, Remus, dass du weiterhin daran festhältst, dass etwas Gutes in ihm steckt... ich habe diesen Glauben mittlerweile verloren.", sah zu Tonks, die dem Gespräch still gefolgt war, „Ich werde zu Bett gehen... das solltet ihr auch.", nickte beiden zu und stand dann auf.

Remus und Tonks standen ebenfalls auf, verabschiedeten sich mit einem „Gute Nacht" und verließen am späten Abend die Privaträume der alten Hexe, machten sich langsam auf den Weg in den Raum, welchen sie für die Dauer ihres Aufenthalts zugewiesen bekamen.
Nach einem stillen, nachdenklichen Marsch und einem ebenso stillen Umziehen und ins Bett Legen, nahm Tonks einen tiefen Atemzug, drehte sich auf die Seite und sah interessiert über Remus, der ebenso wach im Bett lag und an die Decke starrte.

„Du glaubst wirklich, dass... er gut ist?", fragte sie leise, musterte jede Regung seines Gesichts.
„Nein... das habe ich nie geglaubt", ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen, „ich glaube, dass er nicht von Grund auf böse ist...", sah zu Tonks und drehte sich ebenfalls auf die Seite.
„Remus..", seufzte Tonks.
„Er hat sich damals vor Harry, Ron und Hermine gestellt... die drei verkörpern alles, was ein echter Todesser hassen würde... der Junge, der Voldemort gestürzt hat, ein Blutsverräter und eine Muggelgeborene... er hatte Angst, Tonks... Angst, dass diesen Kindern etwas passiert. Er war auch jetzt besorgt, dass Hermine etwas passiert... er war freundlich zu ihr, zu dir... zu mir...", führte Remus weiter aus, „ich werde dieses Gefühl einfach nicht los, dass dahinter mehr steckt als einfacher Verrat... und ich bin mir sicher, dass Hermine der gleichen Auffassung ist."
„Ja, es war kein einfacher Verrat... es war ein langgeplanter Mord an einem geschwächten Mann!", warf sie aufgebracht dazwischen, die Haare leuchteten für einen Moment rot auf, bis sie einen tiefen Atemzug nahm und sich versuchte zu beruhigen, „Und was hat Hermine damit zu tun?"
„Sie war so... betroffen", Remus dachte an das Gespräch in der Großen Halle, an das was und wie sie es sagte.
„Natürlich war sie betroffen...", Tonks schüttelte den Kopf.
„Es lag nicht an Dumbledore... es war viel mehr die Tatsache, dass es Severus war... sie... schien nicht halb so schockiert wie die anderen.", murmelte er gedankenverloren.

Tonks schnaubte, „Remus... du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass Severus Snape ausgerechnet mit Hermine Granger über seine wahnwitzigen Mordpläne gesprochen hat... ich liebe dich für deine Gutherzigkeit, Liebling, aber ein Mensch wie Snape hat sie nicht verdient.", streichelte dabei über seine Wange und den Dreitagebart, der sich in den letzten Wochen und Monaten immer öfter um sein Gesicht schmiegte, „In jedem Schatten siehst du Licht... nur nicht in deinen eigenen.", traurig lächelnd strich sie durch seine Haare.
„Es fällt mir leichter in anderen das Gute zu sehen...", er rutschte ihr entgegen, streichelte seinerseits über ihren Arm und Rücken und lehnte die Stirn an ihre.
„Ich werde nicht müde dich daran zu erinnern, dass du einer der Guten bist", flüsterte sie, gab ihm einen liebevollen Kuss, den er erwiderte.
Auch wenn Remus anderer Meinung war, er wusste, dass er Tonks zum jetzigen Zeitpunkt nicht von seiner Sicht der Dinge überzeugen könnte und so entschied er sich die Zweifel, an Severus Boshaftigkeit, die sich in seinem Herzen aufgetan hatten, fürs erste ruhen zu lassen.

*

Weitere Tage vergingen, in denen Hogwarts immer noch in einer Art Schockstarre verweilte, die physischen Scherben und Zerstörungen durch Bellatrix waren zwar beseitigt, aber die Splitter im Herzen der Hexen und Zauberer steckten immer noch tief und die Wunden würden eine ganze Weile brauchen, um zu heilen.
Hermine, Ron und Ginny taten ihr bestes, um Harry ein wenig abzulenken von seinen Schuldgedanken, wenn sie ihn schon nicht aufmuntern konnten.
Sie waren täglich für einige Stunden bei Hagrid, der sich die größte Mühe gab die vier Freunde mit allerlei ulkigen Geschichten auf andere Gedanken zu bringen, konnte sogar das eine oder andere Mal einige Lacher aus Harry herauskitzeln, auch wenn das Lachen nur von kurzer Dauer war.

Auch Remus sah es als seine Pflicht an für Harry da zu sein, die beiden spazierten einige Male durch den ruhigen Teil des Verbotenen Waldes, versuchten mit Erinnerungen an Dumbledore den Schmerz zu lindern, Tonks verbrachte die Stunden ohne ihren Freund bei Hermine, Ginny und Ron im Innenhof des Schlosses.
„Ich hoffe, dass ein wenig Ruhe und Frieden einkehren wird, wenn die Beerdigung vorbei ist", seufzte sie, „wenn wir alle ein wenig Abstand bekommen können...", strich sich müde über die Augen.
„Wie geht es McGonagall?", fragte Ginny, sie hatte die Hauslehrerin seit dem Abend in ihrem Büro nicht mehr gesehen.
Tonks nahm einen tiefen Atemzug, „es wird langsam... sie, Remus und Moody reden viel... über ein halbes Jahrhundert bringt viele Erinnerungen", ein trauriges kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, sah dann zu den Freunden, „macht euch keine Sorgen... Minerva McGonagall ist eine Kämpferin", zwinkerte ihnen zu, wollte ihnen gerade eine kleine Verwandlungs-Show liefern, als Moody sie bellend zu sich rief.

Augenverdrehend stand sie auf, drehte sich zu Hermine, Ginny und Ron, verformte ihr Gesicht in das von Alastor Moody und zog eine Grimmasse, bei der die drei in kopfschüttelndes Kichern verfielen.
Als sie sich zurückformte und zu dem Ex-Auroren drehte, sah dieser sie mit einem zusammengekniffenen Auge an, das bionische Auge huschte von den Schülern immer wieder zu Tonks und zurück, „hast du gerade mein Gesicht missbraucht?", knurrte er, ließ sie keinen Moment aus den Augen.
„Mad-Eye... sowas würd ich mich nie trauen...", gab sie gespielt empört zurück, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und drehte sich erneut zu Hermine und den anderen, die ebenso grinsten.
„Kannst du einmal im Leben mit dem Herumalbern aufhören?", moserte er, humpelte dann durch die Eingangshalle und führte auf dem Weg nach oben eine mehr oder wenige lautstarke Diskussion über ihre Verhaltensweisen, die, von Moody, durchweg als ‚unangebracht und kindisch' qualifiziert wurden.

„Dass Moody sie noch nicht verhext hat", lachte Ron, schüttelte leicht den Kopf, sah dann zum Waldrand, aus dem Harry und Remus langsam traten und in Richtung Innenhof schlenderten.
„Ich bin froh, dass Remus und Tonks hier sind...", Ginnys Blick ruhte auf den beiden, „sie sind für viele eine große Stütze..."
„Da hast du recht", Hermine lächelte sanft, als Remus und Harry fast bei ihnen angekommen waren und den drei zuwinkten.
„Hey", Harry sah zu seinen Freunden, „habt ihr Lust zu Hagrid zu gehen?"
„Klar", Ron sprang auf, „ich bin dabei.", sah dann auffordernd zu Ginny und Hermine die ebenfalls aufstanden.
„Hermine... kann ich dich kurz sprechen?", Remus stand ein wenig abseits, musterte sie freundlich und abwartend.
Sie nickte lächelnd, „geht ruhig schon mal vor", ging dann zu Remus, während ihre Freunde zusammen zu Hagrid gingen.
Abwartend sah sie zu ihm, er schien mit sich zu ringen, irgendetwas belastete ihn und wusste nicht so recht, ob er mit der Sprache herausrücken sollte.

„Ist alles in Ordnung?", fragte sie leise, zog damit seinen Blick auf sich.
„Kann ich dich etwas fragen?", sein aufmerksamer Blick glitt über sie, „Es geht um Severus", als würde er sie vorwarnen und ihr die Möglichkeit geben sich die richtige Antwort zu überlegen.

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