Kapitel 92: Glück
Schneller als gedacht verschwammen die letzten Wochen des Schuljahrs in eine merkwürdige Daueranspannung, bereits nach wenigen Tagen wusste das gesamte Schloss über Harrys und Dracos schiefgegangenes Duell in der Mädchentoilette Bescheid, was nicht zuletzt auch an Myrte und den übrigen Geistern lag, die bereits darüber sinnierten, wie Malfoy sich als Geist gemacht hätte und wie sie ihn feierlich in ihren Reihen aufgenommen hätten.
Myrte schwärmte dabei auch von dem Talent des Zaubertränkemeisters und wie heldenhaft sein Auftreten war, auch wenn dieser Teil der Geschichte von den meisten schnell wieder vergessen wurde.
„Hast du gesehen, wie kreidebleich Malfoy jetzt immer ist, wenn er dich sieht?", fragte Ron, konnte sich ein schadenfrohes schmunzeln nicht verkneifen.
„Das ist überhaupt nicht witzig, Ronald.", tadelte Hermine, schüttelte leicht anklagend den Kopf, sah mit einem unheimlichen Blick von ihrem Aufsatz zu ihm.
Harry atmete tief ein und aus, „das ging wirklich zu weit... ich will mir wirklich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Snape nicht aufgetaucht wäre, auch wenn er mich jetzt noch mehr hasst als vorher..."
„Er hasst dich nicht", rutschte es Hermine heraus, spürte die fragenden Blicke ihrer Freunde auf sich, „er... kann dich nur nicht besonders leiden.", lachte nervös und sah dann wieder auf ihren Aufsatz.
„Woran das nur liegt...", meinte Ron, sah zum Lehrertisch und schüttelte sich dann, als er den dunkel gekleideten Mann dort sitzen sah, „gruselig."
„Ron... konzentrier dich lieber auf deinen Aufsatz... ich werde ihn dir dieses Mal nicht Korrektur lesen...", sie gab ihm einen eindringlichen Blick, sah dann selbst zum Lehrertisch und fand ein schwarzes Augenpaar, welches sie angespannt musterte.
„Das kannst du nicht machen, Hermine...", protestierte Ron, zog ihre Aufmerksamkeit damit wieder auf sich, „Harry, sag doch auch mal was dazu...", jammerte er, sah dann fragend zu seinem besten Freund, der aufgestanden war, „ich muss los... ich erklär es euch später.", sagte er, lief dann schnell aus der großen Halle.
Stunden später saßen die zwei Gryffindors im Gemeinschaftsraum, warteten auf Harry und seine versprochene Erklärung, die er ihnen bereit war zu geben, „ich hab euch doch erzählt, was wir machen... Dumbledore und ich", sah dabei zu seinen Freunden, die bekräftigend nickten, „bei der letzten Erinnerung war irgendetwas... anders..."
„Was meinst du mit anders?", fragte Hermine aufgeschlossen.
„Es war, als wäre sie.. verändert worden... manipuliert. Das Ende hat nicht zu dem Anfang gepasst.", versuchte er zu erklären, erinnerte sich an seine Verwirrung, als er aufgetaucht war.
„Warum sollte jemand seine eigenen Erinnerungen verändern?", Ron versuchte auf eine Lösung zu kommen.
„Weil man sich für etwas schämt... weil man zu viel weiß... weil man Angst hat, was passieren würde, wenn jemand diese Erinnerungen sieht.", Hermine zuckte mit den Schultern, „Es gibt viele Gründe."
Harry nickte, „so etwas hat Dumbledore auch gesagt... und das macht sie zur wichtigsten Erinnerung... sie verschleiert etwas. Dumbledore ist der Meinung, dass wir ohne diese Erinnerung das Schicksal unserer Welt dem Zufall überlassen...", sah, angesichts dieser neuen Aufgabe, ein wenig unsicher zu seinen Freunden.
„Dann... musst du die richtige finden?", fragte Hermine.
„Ich weiß schon, wo sie ist... ich muss ihn nur dazu überreden, sie mir freiwillig zu geben...", schnaubte Harry, „ich muss die, vermutlich, wichtigste Erinnerung von Horace Slughorn bekommen."
*
Die Tage zogen ins Land und je öfter Harry versuchte Slughorn auf diese Erinnerung anzusprechen, desto ungehaltener wurde er, desto mehr ging er ihm aus dem Weg und die einstige Freude, die der alte Slytherin empfand, den jungen Potter zu sehen, schrumpfte auf ein Minimum.
*
„Immer noch kein Glück bei Slughorn?", fragte Hermine, als sie und Ron auf einen ziemlich geknickt wirkenden Harry stießen, „Wegen der Erinnerung..."
Harry stockte einen Moment, „Glück.. das ist es", auf seinem Gesicht erschien ein kleines Lächeln, „... alles, was ich brauche ist Glück!", ohne ein weiteres Wort zu sagen stürmte Harry durch die Gänge, geradewegs in Richtung Gryffindorturm, warf der Fetten Dame das Passwort entgegen und spurtete in den Jungenschlafsaal, um kurz darauf mit der kleinen Phiole Felix Felicis wieder zu kommen.
Er setzte sich auf das Sofa des leeren Gemeinschaftsraumes, Hermine und Ron hatten geduldig vor dem Kamin gewartet, entkorkte die Phiole, setzte sie an und kippte die klare Flüssigkeit in einem Zug herunter.
Gespannt sahen Hermine und Ron ihm dabei zu, beobachteten die Reaktion, die durch seinen Körper zog, „und? Wie fühlst du dich?"
Harry lächelte glücklich, „klasse... so richtig klasse!"
Hermine erinnerte ihn an den Plan, stieß damit bei Harry aber auf wenig Kooperation, „okay... ich besuche jetzt Hagrid.", Harry wollte sich auf den Weg machen, als Hermine ihn noch einmal aufhielt.
„Was? Nein! Harry, geh und sprich mit Slughorn! Wir haben einen Plan..."
„Ich weiß... aber ich hab da... ein wirklich gutes Gefühl. Ich muss... zu Hagrid... ich spüre es, das ist für mich heute der perfekte Ort. Wisst ihr, was ich meine?", dieses Lächeln verschwand dabei nicht eine Sekunde aus seinem Gesicht.
Verständnislos sahen Hermine und Ron zu ihm, schüttelten leicht den Kopf, „nein..."
„Vertraut mir, ich weiß, was ich tue... oder... Felix weiß es.", drehte sich gut gelaunt um und verließ energisch den Turm.
Einige Sekunden standen Ron und Hermine wie angewurzelt da, „ich hoffe wirklich, dass Felix weiß, was er tut...", merkte Ron an, setzte sich dann wieder auf die Couch und blätterte in dem Buch.
„Das hoffe ich auch...", seufzte Hermine, „ich geh nochmal in die Bibliothek.", informierte sie Ron, huschte dann durch das Portrait in Richtung Bücherei und traf, kurz bevor sie ihr Ziel erreichte, auf Severus, den sie beinahe über den Haufen rannte.
„Miss Granger...", brummte er, sah sich kurz um.
„Ich bin mit den Gedanken woanders... entschuldige.", strich sich über die Stirn, wurde kurzerhand von ihm in einen dunklen Gang gezogen und kam nach einem kurzen Marsch in den Kerkern an.
Er öffnete seine Tür, ließ sie eintreten und folgte ein wenig verhaltener, schwieg einen Moment, nachdem er die Tür leise geschlossen hatte, „warum spaziert Potter kurz vor der Sperrstunde völlig entspannt auf den Ländereien umher?", fragte Severus, musterte sie mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
Hermine nahm einen tiefen Atemzug, musterte ihn, er wirkte immer angespannter, „Dumbledore hat ihm einen Auftrag gegeben.", sagte sie kryptisch.
„Einen Auftrag?", wollte er misstrauisch wissen, was hatte der alte Narr bloß vor?
„Du weißt, was Harry und Dumbledore machen, wenn sie in Dumbledores Büro sind, oder?", Hermine sah ihn abwartend an, er nickte leicht, „sie arbeiten Erinnerungen auf."
„Eine... Erinnerung entsprach offenbar nur halb der Wahrheit und... Harry soll nun versuchen die Echte zu beschaffen.", fuhr Hermine fort.
Severus musterte sie, das Puzzle setzte sich langsam aber sicher in seinem Kopf zusammen, „wessen Erinnerung?", er hatte schon so eine Ahnung.
„Eine von Slughorn."
Alles ergab Sinn, Dumbledore hatte wirklich alles bis ins kleinste Detail durchgeplant, wie lange war er Voldemort schon auf der Spur?
„Deswegen hat Albus ihn zurückgeholt... nur deswegen habe ich die Stelle für Verteidigung gegen die Dunklen Künste bekommen... damit Slughorn seinen alten Posten antreten kann... damit Dumbledore an die fehlende Erinnerung kommt.", warum war er nicht schon früher auf die Lösung gekommen?
Es hätte ihm klar sein müssen, dass der alte Zausel nicht aus reiner Gutmütigkeit seinem Wunsch nach diesem Posten nachgekommen war, kein letztes Erfüllen eines langgehegten Wunsches, Severus Interesse an diesem Fach spielte ihm einfach nur in die Karten, es war der perfekte Zeitpunkt.
Von dieser Erkenntnis enttäuscht, schnaubte er, „er wird nichts aus Slughorn herausbekommen... die Todesser wollten ihn nicht nur wegen seiner Zaubertrankkünste einige Male rekrutieren... er ist verschwiegen und loyal."
„Ich glaube Harry hat einen guten Unterstützer...", schmunzelte Hermine vorsichtig, was ihr einen fragenden Blick von Severus bescherte, sie nahm einen tiefen Atemzug, „er hat... den Felix Felicis genommen, den er bei Slughorn Anfang des Jahres gewonnen hat", auch wenn sie damals ziemlich angefressen war, dass er sich besser angestellt hatte als sie, in diesem Moment war sie furchtbar froh darüber.
„Er hat was gemacht?", fragte Severus erbost, strich sich noch angespannter über die Nasenwurzel, sah dann anklagend zu ihr, „Und du hast ihn nicht aufgehalten?"
„Ich hab versucht es ihm auszureden! Aber du kennst Harry... er ist genauso stur und eigensinnig, wie du", gab ihm einen vielsagenden Blick.
„Wage es nicht, mich mit ihm vergleichen", zischte er.
„Hast du deinen etwa noch nicht genommen?", fragte sie provokant, fing sich einen unsicheren Blick von ihm ein, „Ich weiß, dass du ihn dir vor all den Jahren verdient hast... genau, wie Harry jetzt..."
Er schnaubte, „Potter hat ihn nur mir zu verdanken, meinem Wissen und Können... er hätte diesen Trank niemals alleine brauen können", klang dabei beinahe schon abfällig.
Hermine blieb still, lächelte leicht, als sie ihn so ansah, „ist es nicht eine schöne Vorstellung, durch die merkwürdigsten Zufälle einen Teil dazu beizutragen, dass sich alles doch noch zum Guten wendet?"
„Darauf zu vertrauen, dass flüssiges Glück etwas zum Guten wenden wird", er schüttelte traurig lächelnd den Kopf, „dass Potter auf so eine dumme Idee kommen würde, ist nicht einmal überraschend... aber von dir habe ich wirklich mehr erwartet."
Diese Worte, waren sie noch so ruhig gesprochen, versetzten ihr einen Stich, sie versuchte den Kloß in ihrem Hals herunter zu schlucken, sah ebenso enttäuscht zu ihm, wie er zu ihr und nickte leicht, verließ dann ohne ein weiteres Wort zu sagen seine Räume.
Als er alleine in seinem Raum stand, ging er geradewegs zu seinem Vorratsschrank, schüttete sich ein großes Glas Feuerwhiskey ein, kippte es in einem Zug herunter und setzte sich dann auf seinen Sessel, entzündete ein Feuer im Kamin und musterte das leere Glas in seiner Hand.
Sie hatte es nicht verdient, dass er seine Wut an ihr ausließ, aber je näher das Ende rückte, desto mehr hatte er das Gefühl, dass er diese Verbindung irgendwie sabotieren musste, dass er sie und ihre Gutherzigkeit nicht verdient hatte. Dass er sie von sich lösen musste, damit sie, wenn alles getan wäre, schon längst mit ihm abgeschlossen hatte und er ihr nicht das Herz brechen würde.
Auch wenn sie ihm versicherte, dass sie all das verstand und akzeptierte, so wirklich glauben konnte er ihr nicht, da war stets diese stärker-werdende Sorge und Angst, dass sie nicht den geringsten Hauch einer Ahnung hatte, was alles auf sie zukommen würde.
Er konnte nicht zulassen, dass sie seinetwegen leiden würde und deswegen würde er sie langsam, aber sicher von sich abdrängen.
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