Kapitel 9: Glänzendes Etwas


„Ich suche mein Abzeichen... Peeves hat es mir geklaut und versteckt.", erklärte sie vorsichtig, ging genauso vorsichtig einen Schritt zu ihm, dass er sie nicht mit einem abwertenden Blick strafte, war höchst ungewöhnlich für ihn.
„Abzeichen?"
„Das Vertrauensschüler-Abzeichen...."
Wie konntest du vergessen, dass sie Vertrauensschülerin ist? Du wirst wohl langsam alt...
Er brummte einfach nur, „vielleicht sollten Sie besser auf Ihre Sachen aufpassen.", kommentierte er gelangweilt.
Er dachte an die Slytherin-Vertrauensschüler, Draco und Pansy, auch wenn Draco sein Patensohn war, der Junge hatte, weiß Merlin, anderes im Kopf als jetzt auf andere Schüler aufzupassen und Pansy klebte an Zabini oder vielmehr an seinem Körper, wie Kaugummi unter den Tischen. Auch sie war kein besonders tolles Vorbild.
„Sollte ich vielleicht...", sie stimmte ihm zu, große Lust sich mit ihm zu streiten hatte sie sowieso nicht und nach dem Abend im der Verbotenen Abteilung hatte sie sogar ein wenig Mitleid mit ihm.
Sie dachte fast pausenlos darüber nach welchen geliebten Menschen er verloren hatte, Dumbledore hatte sich so anklagend angehört, als könnte er nicht verstehen, wie Snape so etwas zu Harry hatte sagen können, als könnte Snape ganz genau wissen, wie sich diese grenzenlose Trauer anfühlte.
Dass er zu so einer Gefühlsregung im Stande war, verunsicherte Hermine zusätzlich, irgendwie schien es nicht zu dem griesgrämigen Zaubertränkeprofessor zu passen.

Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und so bemerkte er überhaupt nicht, dass sie sich neben ihn an das Geländer des Turm gestellt hatte und seinem Blick in die Ferne gefolgt war, er zuckte leicht zusammen, als er sich aus der Grübelei zog und plötzlich neben ihr stand. Im ersten Moment wollte er weglaufen, wollte mehrere Meter zwischen sich bringen, aber irgendetwas an ihr hielt ihn davon ab.
Misstrauisch musterte er sie, dachte an das kleine Mädchen im ersten Schuljahr, sie war damals um einiges nerviger gewesen als jetzt, zudem hatte sie sich wirklich gemacht.
Die strohigen, krausen Locken waren gebändigt worden, die Hasenzähne verschwunden, vereinzelte Sommersprossen auf der kleinen Nase und den Wangen, lange schwarze Wimpern, die ihre rehbraunen Augen umrundeten.
Objektiv betrachtet war sie schön, subjektiv entsprach sie so gar nicht seinen Präferenzen, sie war keine Lily.
Lily ist tot, hätte dich niemals an sich gelassen... und die Gryffindor neben dir würde es genauso wenig.., er schnaubte auf, drehte kopfschüttelnd den Kopf wieder nach vorne, auf was für Gedanken kam er da nur?
Er hatte wirklich zu viel Stress und zu wenig Entspannung, der alte Mann machte ihn langsam, aber sicher mürbe mit seinen ständigen Befehlen und Anordnungen.

Eine tiefe Furche zog sich in die Haut zwischen seinen Augenbauen, Hermine musterte ihn, nachdem er aufgeschnaubt hatte, er schien ebenso in Gedanken zu hängen, wie sie.
Während er an ihr Aussehen dachte, bekam sie den mysteriösen Todesser nicht aus dem Sinn, hatte nicht den Hauch einer Ahnung, dass sie geradewegs neben ihm stand.
Sie entschied sich dafür Snape allein zu lassen, wollte ihn nicht weiter stören, das war die erste friedliche Begegnung zwischen ihnen gewesen und sie wollte es nicht überstrapazieren, also suchte sie leise das Weite, was er wieder nicht bemerkte.
Er wollte sie gerade zum Teufel jagen, ihr sagen, dass sie sich einen anderen Ort suchen sollte, drehte sich mit einer Vielzahl von Schimpftiraden gewappnet zu ihr, um festzustellen, dass sie gar nicht mehr da war.

Ein wenig verwirrt drehte er sich um, suchte den Turm ab, aber da war niemand, er strich sich über das Gesicht, du brauchst ganz dringend Ruhe... musst deine Nerven beruhigen, so unaufmerksam warst du noch nie und wenn du weiter so machst, bist du tot, bevor der Plan greift...

Seufzend sah er wieder nach vorne, genoss noch für ein paar Momente die Ruhe, die er auf diesem Turm immer fand und machte sich dann am späten Vormittag auf den Weg nach unten.
Er nahm er ein paar Geheimgänge und Abkürzungen, musste dann über die erste Etage, sah schon von weitem Myrte und wäre am liebsten wieder umgedreht.
„Oh, Severus...", Myrte klimperte mit ihren Wimpern, als sie den Mann in Schwarz im Gang erkannte.
„Myrte...", brummte er, wollte einen großen Bogen um sie machen, als sie zu ihm herüber schwebte, „traut sich da jemand aus seiner Komfortzone?", fragte er süffisant.
„Sei nicht immer so gemein, Severus, ich weiß, dass du nicht so bist."
„Was willst du?", so penetrant, wie sie war, hätte sie durchaus Dumbledores Tochter sein können.
Sie zog eine Schnute, „Du hast mich schon lange nicht mehr besucht... genauso wenig wie Harry... nur Hermine spricht manchmal mit mir", jaulte fürchterlich umher, umrundete ihn, streichelte durch seine Haare, was ihm wieder eine Gänsehaut auf den Körper und das war weiß Merlin keine angenehme.
„Im Gegensatz zu dir altere ich.", brummte er, klang dabei beinahe schon ein wenig verbittert.
„Mach dich nicht lächerlich, du siehst immer noch blendend aus...", schwärmte sie, seufzte laut auf und schmiegte sich an seinen Arm.
Severus musterte sie abwertend, wollte sich gerade wieder in Bewegung setzen, als Myrte ihn erneut ansprach, „Peeves hat was im Klo versteckt, kannst du dir das vorstellen? Etwas goldenes, glänzendes..."
„Schön.", verdrehte genervt die Augen, es war ihm herzlich egal, was Peeves in ihrer Toilette versteckt hatte.
„Kannst du es mitnehmen?", sie flog vor ihn, schenkte ihm einen Hundeblick, „Ich will es nicht bei mir haben."
„Ich will es auch nicht haben.", knurrte er, versuchte sie von sich wegzuwedeln, aber Myrte ließ sich dadurch nicht beeindrucken.
„Wenn du mir nicht hilfst, dann werde ich dich vielleicht besuchen, während du duschst...", ein, wenn er es nicht besser wüsste, lüsterner Blick flog kurz über ihr Gesicht, sie legte ihre Geisterhand auf seine Brust.

Aus seinem Mund drang ein abschätziges Geräusch, er lief in das Mädchenklo, sah sich genervt um, „wo ist das glänzende Etwas?"
„Hier", sie flog zu der Stelle, winkte ihn zu sich.
Von der Neugier gepackt ging er schnell zu dem Geist, betrachtete das Etwas und stellte fest, dass es das verloren-gegangene, oder besser gesagt, von Peeves geklaute Abzeichen von Granger war.
„Was ist das?"
„Das Abzeichen einer Vertrauensschülerin", er musterte die Verstorbene, „eine Ehre, die dir nie zu Teil wurde aber vermutlich auch nie geworden wäre... fragile Heulsusen werden keine Vertrauensschüler."
Kaum hatte er das gesagt brach Myrte wieder in Tränen aus, flog in einem dramatisch großen Bogen in ihre Toilette, schrie und heulte dabei und ließ das Wasser in der Schüssel hoch an die Kabinenwände spritzen.
Eine kleine Retourkutsche hatte sie sich nach dieser dreisten Anmache auf dem Flur verdient und so hatte Severus auch kein schlechtes Gewissen wegen dem, was er gesagt hatte.

Er steckte das Abzeichen ein, führte seinen Weg nach unten fort, es war mittlerweile spät genug für das Mittagessen und so fand er sich am Lehrertisch ein, ignorierte die Gesprächsversuche seiner Kollegen, aß und trank etwas, sah immer mal wieder zwischen dem Gryffindor- und Slytherintisch hin und her; so gut gelaunt Potter, Weasley und Granger waren, so zurückgezogen und nachdenklich saß Draco zwischen seinen sogenannten Freunden.
Das Schicksal des Jungen tat ihm, wenn er ehrlich war, sehr leid, es war nicht an ihm irgendetwas großes in diesem Krieg zu vollziehen, diese Aufgabe und Bürde, die er tragen musste, würde er nicht bestehen.
Albus und Severus waren sich einig, dass sie Draco unbedingt davon abhalten mussten das, was der Dunkle Lord ihm aufgetragen hatte, zu erfüllen.

Hermines Blick huschte immer mal wieder zu Snape, so wie er da am Tisch saß und bedrückte Blicke über den Slytherintisch schweifen ließ, spürte sie wieder dieses aufkommende Mitleid, was wusste er?
War es Angst und Sorge, die er spürte?
Und wenn ja, wovor und weswegen?
„Hey Mine, was ist los?", fragte Ron mit vollem Mund, „Du sagst ja gar nichts."
Verwirrt sah sie zu ihm, „ich war in Gedanken..."
„Kannst du auch mal nicht denken?", fragte er lachend.
„Das geht leider nicht so leicht wie bei dir.", fauchte sie plötzlich, zog einige Blicke auf sich.
„Okay... is' ja gut.", Ron widmete sich kopfschüttelnd seinem Teller.
„Ist alles ok?", fragte nun Harry, dass Hermine so zickig auf einen typischen Ron-Spruch reagierte, war nicht selten, aber meistens nie ohne Grund.
„Ich bin einfach nur irgendwie gestresst", sie winkte ab.
„Hast du dein Abzeichen mittlerweile gefunden?"
„Nein", seufzte sie genervt, „wenn ich könnte würde ich Peeves dafür verhexen..."
„Geh doch einfach zu McGonagall und sag ihr was passiert ist.", schlug Harry vor, „Oder ich nehm die von Ron und geb sie dir", schob er lachend nach, „der legt da eh keinen Wert drauf."
Sie lachte ein wenig, schüttelte leicht den Kopf, „wenn ich es bis morgen nicht gefunden habe, dann muss ich wohl wirklich zu McGonagall..", sie senkte den Kopf, „Ich hoffe, dass ich deswegen keinen Ärger bekomme..."
„Ach was, du kennst doch McGonagall, sie würde eher Peeves aus dem Schloss jagen...", versuchte er sie aufzumuntern.
„Ich hoffe du hast recht", sie lächelte ein wenig, Harry war immer für sie da, sie war froh, dass sie sich auf ihn verlassen konnte.
„Harry, nimm es mir nicht übel aber... ich geh in meine Räume.", sie drückte seinen Arm, stand auf und verließ den Gryffindortisch, Ron und Ginny sahen ihr hinterher.

„Wasn los mit der?", fragte Ron kopfschüttelnd.
„Hat einen schlechten Tag, kommt ja mal vor", Harry zuckte mit den Schultern, widmete sich seinem Teller.
Ganze 10 Minuten hatten sie Ruhe, bis Ron seine Augen panisch aufriss, „Leute... Snape kommt zu uns...", flüsterte Ron unangenehm laut, spuckte dabei halb über den Tisch, was Ginny mit einem „iiih" kommentierte, seine Stimme überschlug sich mal wieder, verschluckte sich an seinem vollen Mund in Kombination mit dem panischen Atmen.
„Potter, Weasley...", Snape sah ein wenig angewidert zu den Jungen, vor allem Weasley war ein Bauer sondergleichen, dass seine Schwester Ginevra wirklich vom selben Schlag sein sollte, war für Severus unbegreiflich, „wo ist Granger?", fragte er bedrohlich leise.
„Ich glaube nicht, dass es Sie etwas angeht, wo Hermine ist.", gab Harry zurück.
Severus verdrehte die Augen, zählte innerlich bis zehn, „Was wollen Sie von ihr?", fragte der vorlaute Bengel.
Was er von ihr wollte?!
„Ich glaube nicht, dass es dich etwas angeht, was ich von Granger will, Potter", zischte Severus.
Wütend sprang Harry auf, „Hermine ist meine Freundin.", Severus beäugte ihn unbeeindruckt, er hatte wirklich das Temperament seines Vaters, was ihm immer nur Ärger einbrachte.
„Harry, lass gut sein...", Ginny zog ihn an der Hand wieder auf seinen Platz, „Sie ist nach oben gegangen in ihre Räume... ich glaub es ging ihr nicht so gut."
„Warum sagst du ihm das?", motzte Harry, wollte sich aus ihrem Griff befreien, aber offenbar hatte die Weasley eine hervorragende Technik.
„Sie sollten sich eine Scheibe von Miss Weasley abschneiden... die besitzt im Gegensatz zu Ihnen beiden wenigstens ein wenig Grips.", säuselte Severus, was für Ginny nach einem ‚Danke' klang, damit flog er davon.

„Was hab ich ihm denn jetzt getan?!", fragte Ron mit brechender Stimme, „Ich hab doch echt gar nichts gesagt..."
„Du bist einfach da", meinte Ginny schulterzuckend, ließ Harry los, der immer noch versuchte sich zu befreien und widmete sich dann Neville, der zitternd neben ihr saß.

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