Kapitel 89: Entschlossenheit


Hermine sah ihm dabei zu, sie konnte sich kaum von seinem Anblick lösen, nahm einen tiefen Atemzug und seufzte innerlich.
In dieser Nacht war alles anders, diese tagelang gelebte Leichtigkeit war in diesen Stunden wie weggeblasen, zu groß waren die Sorgen, die sich immer weiter in ihr aufbauten.

War würde passieren, wenn Severus es nicht schaffte diesen Plan auszuführen?
Wenn er aufgehalten wurde?
Von Ordensmitgliedern, die Harrys Verdacht, den er mit ziemlicher Sicherheit auch anderen gegenüber erwähnt hatte, für bare Münze nahmen?
Wenn sie versuchen würden ihn aufzuhalten?

Das bedeutete nicht nur, dass er von da an als Hochverräter gelten würde, dass er nach Askaban gebracht und für versuchten Mordes verurteilt würde, sondern auch, dass er vermutlich durch den Schwur den Tod fand.
Jede einzelne Option war schrecklich, ob er ihn nun tötete oder nicht, Severus war derjenige, der immer nur verlieren konnte.
Sie musterte ihn erneut, er lag so offen und verletzlich neben ihr, schlief einen tiefen, aber unruhigen Schlaf, wahrscheinlich quälten ihn dieselben Gedanken wie sie, vielleicht noch ganz andere Ängste.
Vielleicht hatte er neben den erdrückenden Aufgaben noch die Sorge, dass sie sich früher oder später doch von ihm abwandte, dass ihr der ganze Druck zu groß würde, als dass sie ihn länger ertragen wollte oder könnte.
Je länger sie ihn ansah, desto klarer wurde ihr, dass sie ihn niemals derart im Stich lassen würde können, sie traute sich die Gedanken, die sie sonst verschloss, in dieser Nacht weiter zu denken, gedanklich das auszusprechen, was sich schon seit Monaten in ihr aufbaute, sie aber nie so weit kommen lassen wollte.

Sie liebte ihn, aufrichtig und gänzlich, sie kannte so viele verschiedene Facetten und sie hatte sich mit jeder einzelnen auseinander gesetzt, wurde mit jeder einzelnen konfrontiert und akzeptierte sowohl die hellen als auch die dunklen Ecken seiner Seele.

Wie gern hätte sie dieses Geheimnis mit ihm geteilt, so, wie er beinahe alles mit ihr geteilt hatte, aber eine innere Angst hielt sie davon ab, auch wenn sie sich sicher war, dass er spürte, wie sehr sie sich in ihm verloren hatte und vielleicht fühlte er zu einem gewissen Teil genauso, ansonsten hätte er sie niemals mit zu sich nachhause genommen, sie niemals einen Teil seiner dunklen und gefährlichen Welt werden lassen, auch wenn er sich regelmäßig dafür verurteilte.
Allein diese Tatsache füllte ihr Herz mit Glück und mit Hoffnung, mit einer Entschlossenheit alles erdenkliche zu versuchen, um alles gut werden zu lassen.
Mit einem leichten Lächeln gab sie ihm einen sanften Kuss, kuschelte sich dann an ihn und schlief kurz danach ein.

*

Am nächsten Morgen wachte er, einen tiefen Atemzug nehmend, auf und fand direkt vor seiner Nase, die junge Frau vor, die sich an ihn gekuschelt hatte und friedlich schlief.
Von ihrem Duft betört, schloss er erneut die Augen, ließ sich von diesem Gefühl durchströmen, welches sie regelmäßig bei ihm auslöste und an welches er sich immer noch nicht gewöhnt hatte.

Würde er das alles, was sie ihm gab, je wieder gut machen können?
Löste er dieselben Gefühle in ihr aus?
Fühlte sie sich genauso gut bei ihm zu sein, wie er, sie bei sich zu haben?

Einen kurzen Moment musterte er sie, löste sich dann vorsichtig von ihr, setzte sich so behutsam es ging auf die Bettkante, um sie nicht zu wecken und nahm einen tiefen Atemzug.
„Woran denkst du?", fragte eine verschlafene Stimme hinter ihm, sie schob sich ein wenig weiter zu ihm.
„An so viel", sagte er leise und dunkel, spürte kurz darauf warme Finger über seinen Rücken strichen, drehte sich ein wenig zu ihr und stellte sich ihrem Blick, der nicht anklagend auf ihm lag, sondern viel mehr liebevoll und offen.
„Bereust du es? Dass du mir das alles gesagt hast?", fragte sie vorsichtig, beobachtete genau seine Mimik.
Einen kurzen Moment dachte er darüber nach, „nein... ich hätte schon viel früher ehrlich sein müssen... diese dunkle Unaufrichtigkeit schlängelt von Anfang an neben uns... alles, was uns verbindet fing mit einer Lüge an."

Hermine stützte sich auf dem Ellenbogen ab, legte ihre Finger auf seine, „es fing mit einem Geheimnis an... aber dein Leben besteht nun einmal aus einer Menge Geheimnissen... das macht alles, was wir erlebt haben, nicht weniger wertvoll oder bedeutend...", ein warmes Lächeln zierte ihr Gesicht, sie rutschte noch ein wenig zu ihm, nahm seine Hand, zog sie zu ihrem Mund und küsste hauchzart seine Knöchel.
Severus atmete tief ein und aus, musterte sie mit einem undefinierbaren Blick, löste sich von ihr und strich sich über das Gesicht, stützte die Ellenbogen dann auf seinen Knien ab.

Ein wenig vor den Kopf gestoßen, setzte sie sich auf, sah über ihn, strich vorsichtig über seinen Rücken und schob dann die Decke zur Seite, um ins Bad zu gehen.
Sie hatte eine Dusche selten mehr gebracht als heute, zog sich schnell aus, stellte das Wasser an, wartete, bis es eine angenehm heiße Temperatur hatte und stieg dann in die Dusche, ließ sich von dem Strahl ummanteln und auf ihren Rücken prasseln.
Als sowohl Haare als auch Körper gereinigt waren, verließ sie die Dusche, wickelte sich in ein Handtuch, trocknete ihre Haare, schlüpfte in ihre Kleidung und ging langsam nach unten in die Küche, in der Severus nachdenklich am Tisch stand und wie in Trance seinen Kaffee trank.
Hermine nahm sich ebenfalls eine Tasse, schüttete den heißen Kaffee ein und versuchte seinen Blick einzufangen.
„Hast du Hunger?", fragte er leise, starrte immer noch vor sich hin.
„Ein gemeinsames Frühstück wäre schön", sie nickte leicht lächelnd, stellte ihre Tasse auf den Tisch, ging zum Kühlschrank und holte einige Lebensmittel heraus, Severus machte sich daran Eier und Speck zu braten, ließ mehrere gefüllte Teller auf den Tisch schweben und nahm dann den Platz gegenüber von ihr ein.

Für die nächste Stunde aßen sie gemeinsam, auch wenn Hermine sich so einsam wie schon lange nicht mehr fühlte, er war zwar körperlich anwesend, aber nichts an seiner Art verriet ihr, dass er bei ihr war.
Als die Teller leer waren, schien er sich immer noch strikt zu weigern sie anzusehen, Hermine räusperte sich leicht, „Ginny hat mich gebeten ihr einen Brief zu schreiben, wenn ich wieder nach Hogwarts komme...", erzählte sie, stellte ihre Tasse beiseite.
Er sah auf, musterte sie einen Moment, „ich kann dich heute noch nach Hogwarts bringen, wenn du willst.", nickte Severus, zauberte ihr Stift und Papier.
„Ich dachte wir könnten den Zug nehmen", sie lächelte scheu, „dann hätten wir noch ein paar Stunden zusammen."
„Der nächste Zug kommt heute Nacht... dann wären wir morgen früh in Hogwarts.", er sah abwartend zu ihr.
Dieses plötzliche Abschiednehmen fühlte sich furchtbar an, als könnte er es kaum erwarten sie loszuwerden, aber vielleicht brauchte er einfach ein wenig Zeit für sich, das alles zu verarbeiten, „ist das in Ordnung für dich?", fragte sie leise und vorsichtig, irgendetwas fühlte sich sehr merkwürdig an und sie betete, dass es nicht für den Rest ihrer Zeit in Hogwarts so bleiben würde.

Er nickte langsam, stand dann auf, als sie den Brief schrieb und verließ das Wohnzimmer in Richtung Terrasse.
Mit eine mulmigen Gefühl schrieb sie einige Zeilen an ihre beste Freundin, faltete das Papier zusammen, folgte ihm dann auf die Terrasse, auf der eine unauffällige Eule schon auf ihre Aufgabe wartete.
Hermine gab ihm den Brief, den er vorsichtig, aber gewissenhaft an das Bein der Eule band und sie mit dem Auftrag den Brief nach Hogwarts zu bringen, davon schickte.
„Ich... werde dann mal meine Tasche packen.", meinte sie leise, ging zurück ins Haus, nahm die Treppe nach oben und fing an ihre Sachen zusammen zu suchen und ordentlicher als nötig in die Tasche zu legen.

Eine ganze Weile packte sie ein und wieder aus und wieder ein, ordnete nach Farben, nach Materialien und Präferenz, als sich eine ihr nur allzu bekannte Tasche in ihr Blickfeld schob.
„Die solltest du nicht vergessen...", sagte Severus dunkel, „ich hoffe... du benutzt das nicht in Hogwarts, was auch immer da drin ist...", sah sie eindringlich an.
Mit einem kleinen Lächeln nahm sie ihm die Tasche von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze ab, verstaute sie oben auf und sah dann wieder zu ihm, „nein... das...", seufzte leicht auf, „als ich das erste Mal in der Winkelgasse war, hab ich mich an deine Worte erinnert... dass wir nicht mehr zurück können, wenn...", wandte den Blick ab, diese Zukunftsaussicht hinterließ einen faden Beigeschmack.
„Ich hoffe, dass du nichts davon benutzen musst...", meinte er leise, die Vorstellung, dass sie in wenigen Wochen auf sich gestellt war, samt Potter und Weasley machte ihn bereits jetzt schon nervös und auch das ging zum größten Teil auf sein Konto.
„Das hoffe ich auch... aber ich bin lieber vorbereitet.", sagte sie traurig lächelnd, sah kurz zu ihm, verschloss dann ihre Tasche, stand auf und setzte sich langsam auf das Bett.
„Wann müssen wir los?", fragte sie nach einigen stillen Momenten, er stand immer noch an der Tür.
„In ungefähr vier Stunden... wir haben noch ein wenig Zeit."
Sie nickte, „gut..", sah einmal durch den Raum und wieder zu ihm, „willst du jetzt vier Stunden da stehen?", eine kleine Anklage legte sich in ihre Stimme.
„Nein.. ich werde noch ein paar Aufsätze korrigieren.", kaum hatte er das gesagt, drehte er sich um und verließ das Schlafzimmer.

Hermine ließ sich seufzend ins Bett sinken, strich sich über die Stirn und fühlte über die weiche Bettdecke, drehte sich auf die Seite, zog ein Kissen zu sich und nahm den Duft auf, der an ihm hing.
So hatte sie sich den letzten Tag nicht vorgestellt, sie hatte sich einiges nicht so vorgestellt, wie es passiert ist, aber nun mussten sie beide das Beste aus dieser Situation machen.
War es nicht auch eine Chance?
Ein Stärken und Zusammenschweißen ihres Bandes?
Müssten sie nicht gestärkt aus diesen Erlebnissen treten?
Egal, wie oft Hermine ihm versicherte, dass sie keines seiner Geheimnisse abschrecken würde, desto mehr schob er sie von sich, desto weniger ließ er mit sich reden, desto weniger offen sprach er über seine Gefühle.
Er stand sich selbst im Weg und machte es ihr damit umso schwerer.

Severus hatte sich derweil an seinen Schreibtisch gesetzt, zog die letzten Aufsätze zu sich und fing an sie zu bearbeiten, strenger als üblich, auch wenn das kaum möglich war, er strich nahezu jeden geschriebenen Satz an, das rote Tintenfässchen leerte sich wie durch Zauberhand.
Nach vier Aufsätzen warf er die Feder beiseite, Strich sich genervt über das Gesicht und durch die Haare und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, warum konnte er nicht einfach mit ihr reden?
Sie war so offen und hoffnungsvoll, nichts an ihm konnte ihre Meinung verändern und vielleicht war das der Punkt.
Vielleicht störte es ihn so sehr, dass sie diese naive hoffnungsvolle Art an sich hatte, eine, wenn er es nicht besser wüsste, rosa-rote Brille trug und in jeder noch so dunklen Ecke ein Trost-spendendes Licht fand, obwohl sie zugegeben hatte, dass er kein guter Mensch war.

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