Kapitel 6: Anklagen
„Severus...", sie konnte Dumbledores Tonlage nicht völlig einschätzen.
„Schulleiter", die Vibration seiner Stimme fuhr selbst jetzt durch ihren Körper.
„Eine wunderschöne Nacht, oder?", Dumbledore stellte sich neben ihn, Hermine vermutete, dass sie vor einem Fenster standen, ansonsten wäre die Situation völlig surreal.
Snape atmete nur genervt aus, er war kein Mann von Gefühlsduselei, Dumbledore hingegen schätzte die kleinen Dinge des Lebens, beispielsweise eine sternenklare Nacht.
„Was gibt es, Schulleiter?", Severus wusste, dass der alte Mann irgendetwas von ihm wollte, wusste er etwa, dass er Granger gestern in seiner Todesser-Uniform erwischt hatte?
„Severus, ich muss dich bitten Harry nicht mit dem Tod von Sirius zu demütigen.", sagte der Schulleiter streng, damit hatten weder Severus noch Hermine unter dem Tisch gerechnet, „Es ist schlimm genug, dass er nun gänzlich alleine steht, einzig seine Freunde sind für ihn da und ich bin sehr froh, dass er Mister Weasley und Miss Granger hat.", er wirkte gedankenverloren, lächelte leicht als er an die drei dachte, die schon so viel in Hogwarts durcheinander gebracht hatten.
„Er hat mich provoziert.", gab Snape gepresst zurück.
„Er hat deine Anweisung ausgeführt... die du wirklich hättest klarer formulieren können. Ihr provoziert euch gegenseitig."
„Potter ist-"
„-der Einzige, der den Krieg beenden kann und das weißt du, Severus. Auch wenn du ihn nicht magst, diese seelischen Grausamkeiten werden ein Ende haben... er ist ein Junge, kein Feind.", er drehte sich leicht seinem Professor zu, „Du weißt, wie es ist einen geliebten Menschen zu verlieren, das solltest du dir immer vor Augen halten."
Schnaubend verließ Severus die Verbotene Abteilung und die Bücherei, Hermine folgte seinem Spurt in die dritte Etage, schüttelte fassungslos den Kopf, wurde dann durch Dumbledore erneut aufgeschreckt, „ich schätze der Professor ist nun weit genug entfernt... Sie können beruhigt in Ihre Räume, Miss Granger."
Hermine wurde kreidebleich, woher wusste er, dass sie dort war?
Er streckte seine Hand unter den Tisch, Hermine befreite die ihre langsam von dem Tarnumhang, ergriff sie und wurde sanft nach oben gezogen, ein väterlicher, aber leicht tadelnder Ausdruckt hatte sich auf seine Züge gelegt.
„Du weißt, dass Sperrstunde ist... welches Buch hatte deine Neugier so geweckt, dass du dich mit Tarnumhang und der Karte hier unter den Tisch verkriechst?", neugierig sah er über sie, wartete geduldig, dass sie ihm das Buch zeigen würde.
Ein wenig ängstlich zog Hermine es hervor, schlug die Seite auf, die sie gerade gelesen hatte, seine Augen blitzten vor Neugier auf, „warum liest du solche Bücher? Das sind bei Weitem keine Gute-Nacht-Geschichten."
„Ich...", sollte sie ihm die Wahrheit sagen?
Was hatte sie zu verlieren?
„Ich... war gestern schon nach der Sperrstunde hier und... als ich die Bibliothek verlassen hatte, wurde ich von jemandem überrascht.", fing sie an, sah Dumbledore offen und ehrlich an, sie hatte wirklich keinen Grund zu lügen.
„Von wem wurdest du überrascht?"
Sie schluckte, „von... einem Todesser."
Dumbledores Miene verhärtete sich, „ein Todesser in Hogwarts? Hermine... diese Mauern sind geschützt, ich selbst halte diesen Schutz aufrecht."
„Sir, ich sage die Wahrheit, er trug diese furchtbare Maske und eine verzierte Robe mit diesem Umhang... er sah aus wie die Todesser aus dem Ministerium, ich lüge nicht.", sagte sie hastig.
„Was ist passiert?"
„Als ich begriffen hab, dass vor mir ein Todesser stand, hab ich ihn angegriffen und bin weggerannt."
„Du hast einen Todesser angegriffen?", Erstaunen und Sorge mischte sich in seinen Blick, er vermutete, dass nicht nur Harry ein Talent hatte in Schwierigkeiten zu geraten.
„Ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich musste den Überraschungsmoment ausnutzen...", sie stützte sich am Tisch ab, „ich bin gerannt und gerannt, aber er hat mich trotzdem eingeholt, mich gegen die Wand gedrückt und mir den Mund zugehalten... ich hatte so eine Angst", flüsterte sie, der Schrecken der vergangenen Nacht kam wieder hoch.
„Hat er etwas gesagt?", Dumbledore hatte natürlich eine Vermutung, nur ein einziger ‚Anhänger' Voldemorts konnte ungehindert durch diese Mauern laufen.
Sie sah auf, „er... hat gesagt, dass ich aufhören soll zu schreien, dass er mir nichts tun würde und..."
„Und was?"
„Und wir auf derselben Seiten ständen... er hat mich sogar getröstet", sie suchte nach Antworten in den weisen blauen Augen des Schulleiters, fand aber nicht viel, er hatte ebenso ein Talent das Offensichtliche zu verbergen wie Snape, „dann hat er gesagt ich soll in meine Räume gehen und niemandem davon erzählen."
„Hast du jemandem davon erzählt?", fragte er schnell.
Hermine schüttelte den Kopf, „nein... ich... Sir, ein Todesser in Hogwarts, das ist nicht möglich, oder? Aber genauso unmöglich ist es, dass ein offensichtlicher Anhänger Voldemorts einem... jemandem wie mir nichts antut... oder?", diese Frage verschwand einfach nicht aus ihrem Kopf und das Buch hatte ihr auch nicht weiter geholfen.
„Ich hoffe das war ein Erlebnis, was sich nie wieder wiederholen wird... du hattest wirklich großes Glück und du solltest es nicht auf die Probe stellen, indem du jede Nacht die Regeln brichst... vor allem nicht in der Verbotenen Abteilung, auch wenn Harry so nett war und dir seinen Umhang ausgeliehen hat.", er schenkte ihr einen mahnenden Blick, der so viel sagen sollte: das ist die letzte Chance.
„Ich weiß... es tut mir leid.", Hermine nickte beschämt, sie sollte doch als Vertrauensschülerin ein Vorbild sein und sich nicht selbst in Schwierigkeiten bringen.
Dumbledore linste nach einem Moment der Stille auf die Karte, „du solltest genug Zeit haben deine Räume aufzusuchen, Professor Snape ist auf der anderen Seite des Schlosses.", er nickte zum Ausgang, „Gute Nacht."
Sie verstand den subtilen Hinweis, dass sie noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen war, kurz bevor sie die Abteilung verließ, drehte sie sich noch einmal um.
„Sir?", sie war sich nicht sicher, ob sie ihm sagen sollte, was sie bemerkt hatte, er sah sie fragend an, „Ich weiß nicht, wer es gestern war... aber irgendetwas kam mir bekannt vor."
„So?", er strich sich über den Bart.
Hermine nickte, „seine Augen...", dachte nochmal intensiv darüber nach, „diese... schwarzen Augen. Vielleicht ist das wichtig.", schulterzuckend führte sie ihren Weg fort, rannte die Gänge entlang nach oben zum Gryffindorturm, betrat dann ihre eigenen Räume.
Den Umhang und die Karte könnte sie auch morgen früh noch abgeben. Sie war einfach nur froh, dass sie den Abend ohne größeren Ärger überstanden hatte.
Dass sie trotz ihrer Recherche wirklich nichts hatte herausfinden können, frustrierte sie sehr, zumindest hatte sie Professor Dumbledore sagen können, was passiert war und hoffte, dass er seine Schutzkreise und Banne noch einmal überprüfen würde, das wäre für alle das Beste.
*
Nach einer weiteren anstrengenden Aufsicht erreichte Severus müde und abgeschlagen seine Räume, warum konnten die Schüler nicht in ihren Betten bleiben?
Kopfschüttelnd schloss er die Tür, aber Ruhe fand er trotzdem nicht.
„Severus-"
„HERR GOTT", bellte Severus, hatte in Millisekunden seinen Zauberstab gezogen, ließ ihn aber schnell wieder sinken, „schläfst du nie?!", fragte er anklagend, „Nein viel wichtiger, warum lässt du mich nicht schlafen?!"
„Ich muss etwas mit dir besprechen... und seit wann bist du so schreckhaft? Bohrt da ein schlechtes Gewissen?", wissend drehte er sich um.
„Ich werde Potter in Ruhe lassen, was die Sache mit Black angeht... das hatten wir doch schon.", er verdrehte genervt die Augen, schüttete sich ein Glas Feuerwhiskey ein.
„Es geht um Miss Granger.", konkretisierte er.
„Was ist mit dieser elenden Nervensäge?", kippte nach Offenbarung des Gesprächsthemas das ganze Glas herunter.
„Sie hat dich gesehen und du sie... Severus, wie konnte dir das passieren?!", eine tiefe Anklage lag in seiner Stimme, er ging ihm einige Schritte entgegen.
Severus sagte nichts, schüttete sich ein weiteres Glas ein und leerte es im selben Atemzug wieder.
„Du bist doch sonst nicht so kopflos", schob Dumbledore nach.
„Vielleicht liegt es daran, dass ich auch nur ein Mensch bin", grummelte er gefährlich leise, „diese ständige, jahrelange Doppelbelastung, die Erstarkung des Dunklen Lords, Draco... der Schwur... dein Plan", er zog die Augen zu Schlitzen, „... auch wenn es dir möglicherweise nicht in den Sinn kommt, aber eventuell ist das alles... zu viel für mich. Du erwartest... zu viel und vielleicht möchte ich das alles nicht mehr.", er wurde immer lauter.
„Severus, reiß dich zusammen.", Dumbledore fasste ihn am Oberarm, seine langen dünnen schwarzen Finger griffen nach ihm wie der Tod höchstpersönlich, eine unangenehme Kälte zog durch seine Glieder.
„Du hast gut reden", zischte er, sah abwertend auf seine Hand, „in deinem Plan kommst du fein raus."
„Ich werde das nicht nochmal mit dir besprechen, Severus. Es wird so gemacht.", herrschte er ihn an, „Und du wirst dafür sorgen, dass keiner der Schüler dich je wieder so sehen wird, habe ich mich klar ausgedrückt?"
„Glaubst du, ich habe das mit Absicht gemacht? Dass ich wollte, dass irgendjemand mich erkennt? Und dann zu allem Überfluss auch noch die nervige Quasselstrippe Granger?", er zog die Augen zu Schlitzen, glaubte der alte Narr wirklich, dass er die jahrelange Spionage so einfach aufs Spiel setzte?
„Du hast ihr gesagt, dass du auf ihrer Seite stehst, glaubst du denn wirklich, dass Hermine so dumm ist?", fassungslos sah Albus zu ihm.
„Sie hätte das ganze Schloss zusammengeschrien! Sie hat geweint, hat mich geschlagen... ich musste sie beruhigen.", verteidigte er sich, natürlich hatte Albus recht, er ganz allein war schuld an der Situation, eine Erkenntnis, die ihn noch weiter fuchste.
Er schüttete sich vor lauter Schuld das dritte Glas ein, ließ sich auf das Polster des Sofas vor dem Kamin sinken und kippte den Alkohol herunter.
„Das, was du machst ist gefährlich... für uns alle, Severus, vor allem für Hermine. Raub ihr nicht die Illusion, dass das Schloss sicher ist... wenn sie herausfindet, dass du dahintersteckst", er nahm einen tiefen Atemzug, schüttelte gedankenverloren den Kopf.
„Sie wird nie wissen, dass ich es bin... bis es nicht mehr zu verbergen ist."
„Ich glaube, sie hat dich schon erkannt, auch wenn sie nicht weiß, dass du es bist.", Dumbledore war leise, beugte sich zu seinem Schützling, „deine Augen... sie hat deine Augen erkannt."
In Zeitlupe drehte Severus sich zu dem Schulleiter um, sie hatte ihn zwar so hypnotisiert angestarrt, aber dass ihr irgendetwas bekannt an ihm vorkam, das hatte er nicht am Traum geahnt.
Als hätte Albus ihn um einen zweiten sehr schweren Gefallen gebeten drehte er sich wieder um, stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab und massierte seine Nasenwurzel, das war ein einziges Desaster.
„Ich hätte ihr die Erinnerung nehmen sollen...", sagte er leise und schuldig.
„Du hättest einiges anders machen sollen.", stimmte Dumbledore zu, was kein wirklicher Trost für ihn war, „Sorge dafür, dass es das erste und einzige Mal war..."
Er nickte bloß, spürte, wie Dumbledore seine Räume verließ und ließ sich weit in die Couch sinken, dieses Jahr und alles was folgen würde, wäre furchtbar.
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