Kapitel 59: Schmerzen
Zur selben Zeit entschied sich Hermine, die unruhig in ihrem Zimmer auf und ablief, zu ihm zu gehen, sie hoffte, dass die Verbindung zwischen ihren Kaminen noch bestand, nahm eine Handvoll Flohpulver, stellte sich in den Kamin, der sich automatisch an ihre Größe anpasste und sagte klar und deutlich, „Severus Snape - Privaträume", warf das Pulver in den Kamin und wurde von grünen, sanften Flammen in die Kerker gewirbelt.
Als sie vorsichtig aus seinem Kamin trat und die wenigen Rußreste von sich klopfte, sah sie ihn im Augenwinkel aus dem Schlafzimmer kommen.
„Du kommst zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt", er sah sie traurig lächelnd und leicht verkrampft an, trug wieder diese Roben, die sie schon seit Wochen nicht gesehen hatte, „ich muss zu ihm."
„Bitte geh nicht", ängstlich musterte sie ihn, sie war noch nie dabei, als er von ihm gerufen wurde und es bereitete ihr eine Heidenangst.
„Ich muss... er ruft uns.", sein Arm schmerzte bereits höllisch und wenn er nicht bald seinem Ruf folgen würde, könnte er sich vor Schmerzen gar nicht mehr bewegen.
Ihr war klar, dass er keine andere Wahl hatte, auch wenn es ihr überhaupt nicht gefiel, „Pass auf dich auf", flehte sie, hoffte er würde unbeschadet wiederkommen, er nickte nur, verließ dann recht schnell seine Räume und ließ sie ratlos zurück.
Die Tür schloss sich leise, Hermine wägte das Für und Wider ab hier zu bleiben oder wieder in ihre Räume zu gehen, es war sowieso Freitagabend, also könnte sie das ganze Wochenende hier bleiben, wenn es nötig war.
Sie würde sich sowieso nur Sorgen machen und ganz alleine in ihren Räumen würde sie verrückt werden.
Sie entschied sich, sich auf den Sessel am Kamin zu setzen, die Beine zur Brust gezogen und den Kopf an die Lehne gelegt.
Einige Stunden saß sie dort, versuchte sich nicht selbst verrückt zu machen, versuchte die schlimmen Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen, die sich in ihn zwangen.
Vor lauter Sorgen und Ängsten schlief sie vor Erschöpfung schließlich ein, fand nur mäßig Schlaf, die Ängste führten zu erschreckend realistischen Albträumen, das aufziehende Gewitter der Nacht passte genau in die Szene und ließ sie unbewusst im Traum aufzucken.
Als ein weiterer Donnerschlag die Mauern zum Zittern brachte, wachte Hermine panisch auf, fiel fast vom Sessel, als ein gebeugter Todesser durch die Tür kam und sich langsam Richtung Couch schleppte.
Unschlüssig, ängstlich und zitternd stand sie vor ihm, was sollte sie nun machen?
War er schwer verletzt?
Sollte sie ihn nicht besser zu Poppy bringen?
Oder Dumbledore informieren?
Sie schluckte, ihn so zu sehen erschreckte sie ungemein, sie ging zu ihm, stützte ihn, half ihm sich auf die Couch zu setzen, versuchte mögliche Verletzungen zu erkennen.
„Severus", ihre zitternden Finger hielten seine Hand, kalt und ebenso zitternd.
„Nimm mir die Maske ab", keuchte er kraftlos, ließ den Kopf auf die Lehne sinken.
Sie hockte sich auf das Polster, legte ihre Finger an das Metall und löste sie vorsichtig von ihm, warf sie achtlos auf den Boden, erschrak noch mehr, als sie sein bleiches, blutleeres, schmerzverzerrtes Gesicht sah.
„Du musst ins Bett", er konnte nicht auf der Couch bleiben, er musste sich hinlegen und ausruhen und am besten noch Schmerztränke nehmen, sie musste vor allem sichergehen, dass er nicht doch ernsthaft verletzt war, „komm schon. Steh auf. Bitte!", sie legte sich seinen Arm um den Hals, versuchte ihn mit sich hochzuziehen, schreckte aber zurück, als ein unterdrückter Schmerzlaut aus seinem Mund drang.
„Ich kann nicht", es war ein Wunder, dass er in einem Stück zurück zum Schloss appariert und nicht zersplintert war, aber nun, da er in seinen Räumen angekommen war, fehlte ihm die Kraft.
Hermine versuchte ruhig zu bleiben, konnte nur mäßig die Angst unterdrücken, die sich in ihr aufbaute, „wo hast du Schmerzen?", suchte immer noch seinen Körper nach Blut ab, knöpfte die Todesserrobe auf, tastete an ihm entlang.
„Überall", hauchte er, „ich glaube... meine Rippe ist gebrochen...", versuchte tiefe Atemzüge zu vermeiden.
Besorgt knöpfte sie auch noch das Hemd auf, musste nicht lange suchen, um einen tiefblaues, fast schwarzes, angeschwollenes Hämatom an seiner linken Seite zu entdecken, „was ist passiert?"
Ein bitteres Lächeln zuckte über seine Lippen, die Erinnerung an den knochenbrechenden Zauber löste weitere Schmerzen aus, die ihn an den Rand einer Ohnmacht trieben, er bekam überhaupt nicht mit, wie Hermine die Knochen heilte, ins angrenzende Labor rannte und diverse Tränke wieder mit sich brachte.
„Trink das", hielt ihm den ersten Trank hin, er hatte zwar keine Ahnung, was sie alles geholt hatte, aber er vertraute ihr genug, um zu wissen, dass sie ihm nicht noch weiter schaden würde.
Seine Geschmacksnerven wurden durch einen unangenehmen Metallgeschmack überdeckt, als würde immer wieder ein wenig Blut in seine Mundhöhle strömen.
Der nächste Trank wurde ihm in den Mund gekippt, schwerfällig schluckte er die Flüssigkeit, rang kurz nach Luft, bevor der dritte Trank in ihm verschwand.
Auch wenn der körperliche Schmerz durch die Tränke und die Heilung der Rippen auf ein Minimum reduziert war, der psychische Schmerz blieb bestehen, beinahe so wie ein Phantomschmerz bei amputierten Körperteilen und er wusste, dass es gegen diesen Schmerz keine Mittel gab.
„Kannst du aufstehen?", ihre Frage drang nur dumpf an ihn, „Severus", ein Rütteln an seinem Oberkörper ließ ihn benommen aufsehen, „komm schon!", spürte gleich darauf einen stechenden Schmerz an seiner Wange, hatte sie ihn geschlagen?
„Entschuldige...", Hermine suchte seinen Blick, „ein paar Schritte ins Schlafzimmer, in Ordnung?", nickte ihm zu, nahm wieder seinen Arm, legte ihn über ihren Hals und zog ihn mit aller Kraft, die in ihr steckte, nach oben.
Er taumelte einen Fuß vor den anderen setzend, stützte sich am Türrahmen und schaffte das letzte Stück mit allen Kraftreserven, die er aufbringen konnte.
Hermine half ihm sich hinzulegen, erst den Oberkörper, dann die Beine, befreite ihn von der störenden Kleidung und zog die Bettdecke über ihn, füllte dann im Badezimmer eine Schüssel mit warmem Wasser, schnappte sich einen weichen Waschlappen und setzte sich an seine Seite, um den kalten Schweiß von seinem Gesicht, dem Hals und dem Oberkörper zu waschen.
Er sah so furchtbar erschöpft aus, die Schmerzen waren an seinem Gesicht ablesbar und sie fragte sich die ganze Zeit, was um Himmelswillen bei diesem vermaledeiten Todessertreffen passiert war, dass er in dieser Verfassung zurückkam.
Traurig und immer noch aufgewühlt brachte sie die Schüssel und den Waschlappen zurück ins Badezimmer, lief dann um das Bett herum und setzte sich auf die freie Seite neben ihn und beobachtete ihn für Stunden, in denen er einen tiefen, aber anscheinend unruhigen Schlaf schlief.
Als es langsam wieder hell wurde, öffnete er flatternd die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und stöhnte kurz danach auf, Hermine sprang auf die Knie, strich ihm behutsam eine Strähne aus dem Gesicht, sein Kopf ruckte beschwerlich in ihre Richtung, „alles ist gut", flüsterte sie, „du bist in deinem Schlafzimmer", nahm seine Hand und drückte sie.
Anstatt einer Antwort schloss er ein wenig entspannter die Augen, die angespannten Muskeln wurden langsam ein wenig weicher und auch die Atmung ein wenig ruhiger.
Hermine seufzte, leidend sah sie über ihn, rutschte vorsichtig an ihn und legte sich an seine Seite, lehnte den Kopf an seine Schulter.
Genau vor so einer Situation hatte sie die ganze Zeit über Angst gehabt, schon als er noch verschleiert zu ihr kam.
Sie musste seine Schmerzen ertragen ohne ihm irgendwie helfen zu können, eine beinahe unerträgliche Situation, bei der ihr die Hände gebunden waren und sie nichts anderes machen konnte als abzuwarten.
Von den Sorgen und der Aufregung übermannt, schlief sie schließlich ebenfalls erschöpft ein, klammerte sich im Schlaf an seinen Arm.
Weitere Stunden später öffnete Severus erneut seine Augen, spürte jeden Muskel in seinem Körper, die immer noch furchtbar schmerzten, schmerzverzerrt zog er seine Augenbrauen zusammen, versuchte durch gezielte Atmung und Konzentration das Leid zu mindern, spürte dann den warmen Körper, der neben ihm lag und an seinem Arm hing.
Müde sah er über die schlafende Hermine, strich mit dem Daumen über ihre Hand, die immer noch in seiner lag, konnte ein kleines Lächeln zustande bringen, bevor er das bärenlaute Grummeln ihres Magens hörte.
„Hermine?", drückte leicht ihre Hand.
Sie wurde sofort aus dem Schlaf gerissen, sah besorgt zu ihm und setzte sich schnell auf, „was ist los? Hast du Schmerzen? Wird es schlimmer? Soll ich jemanden holen?"
Ihre maßlose Sorge entlockte ihm ein kleines Schmunzeln, „ich habe Schmerzen, aber das ist halb so schlimm..."
„Das sehe ich", musterte sein Gesicht.
„Du musst etwas essen... bitte..."
„Ich lasse dich nicht alleine... ich hab keinen Hunger", sie schüttelte den Kopf.
Er gab ihr einen vielsagenden Blick, „natürlich hast du Hunger, dein Magen knurrt wie ein Berglöwe..."
„Es geht mir gut", versuchte sie ihm weiß zu machen, nicht sehr erfolgreich.
„Es bringt niemandem etwas, wenn du deine komplette Kraft aufbrauchst. Du kannst mich auch ein paar Stunden alleine lassen...", sagte er leise, „ich bin noch da, wenn du wiederkommst.", lächelte müde und nickte, „Geh schon..."
Sie schien hin und her gerissen, die Sorge und der Wunsch sich um ihn zu kümmern war wichtiger als ihr eigenes Wohlbefinden.
Auf der anderen Seite hatte er recht, wenn sie sich bis zum Umfallen um ihn sorgte, wäre ihm am Ende ebenso wenig geholfen, dann müsste er sich noch um sie kümmern und sie wollte ihm nicht auch noch zur Last fallen.
Seufzend nickte sie, „also schön... ich komme so schnell es geht wieder zurück...", versprach sie, drückte ihm gefühlsgeladen die Lippen auf den Mund, küsste ihn derart, als wäre das der letzte Kuss, den sie teilen würden und löste sich dann.
„Ich hoffe du küsst mich ab jetzt immer so", schmunzelte er, während sie aufstand, sich magisch reinigte, ihre Kleidung ein wenig glättete und zur Tür ging.
„Ich bin bald wieder da.", verschwand dann im Wohnzimmer durch den Kamin, kam wenige Momente in ihrem Raum wieder heraus und wollte gerade das Zimmer verlassen, als sie inne hielt.
Theoretisch bräuchte sie überhaupt nicht in die Große Halle zum Essen gehen, sie war Vertrauensschülerin und hatte unter anderem das Privileg in ihren eigenen Räumen zu essen.
Also lief sie schnell wieder zu ihrem Kamin, steckte den Kopf in die grünen Flammen und bestellte bei der Küche ein großes Mittagessen, welches auch wenige Momente später in ihren Räumen erschien.
Als das Tablett leer war, schob sie es zurück in den Kamin, steckte gleich darauf ihren Kopf hinterher, „Entschuldigung?"
Ein kleiner Elf schob sich in ihr Blickfeld, „Miss?"
„Hallo... ich... könnte ich vielleicht noch eine Portion bekommen? Und vielleicht ein paar gesunde Säfte?"
Der Elf sah besorgt zu ihr, „ist Miss krank?"
„Nein...", sie schüttelte schnell den Kopf, „nein, mir geht es gut... aber... jemand ist krank..."
„Vielleicht sollte Jemand dann in den Krankenflügel", schlug der Elf vorsichtig vor.
„Sollte Jemand..", sie nickte, „aber das ist nicht so einfach... deswegen würde ich Jemandem gerne das Essen und die Säfte bringen, wenn das möglich ist.", sah über den kleinen Elf, „Wenn das nicht geht, dann ist das in Ordnung... ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen."
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