Kapitel 22: Freunde


Ron hatte, wie Harry schon gedacht hatte, keine Lust auf einen Spaziergang, er pfefferte Slughorns Aufgaben in die Ecke und beschäftigte stattdessen mit einer neuen Quidditch-Taktik, was Hermine kopfschüttelnd so hinnahm und mit Harry zusammen den Gemeinschaftsraum verließ.
Nach einem kurzen Marsch traten die beiden auf den Innenhof, nahmen einen tiefen Atemzug, spürten die schwindende Wärme der späten Oktobersonne und starteten ihren Spaziergang, bei dem beide recht wenig sprachen.
„Können wir zur Eulerei?", fragte Harry nach einer Weile, sah mit einem undefinierbaren Blick zu ihr.
„Natürlich", Hermine nickte lächelnd, zog ihn dann mit sich und schlug den Weg zur Eulerei ein, die zu dieser Tageszeit völlig leer war und ließ ihn dann vorgehen.
„Ich schicke ab und zu Briefe an Mr. Weasley und Remus...", erzählte er leise, zog Stift und Zettel aus seiner Jacke, um zwei weitere Briefe zu schreiben.
„Wie geht es Remus?", wollte Hermine wissen, warum sie nicht eher auf die Idee gekommen war, Harry zu fragen wusste sie selbst nicht.
Harry seufzte, „er schreibt meistens, dass es ihm gut gehe... er ist mit Tonks zusammen", lächelte dabei zu ihr, „es ist wirklich gut, dass er sie hat... sie tut ihm gut."
„Wurde ja auch Zeit... das konnte man sich ja nicht länger mit ansehen...", Hermine erinnerte sich daran, wie sehr Tonks letztes Jahr unter Remus Entschluss gelitten hatte, ihrer Liebe keine Chance zu geben, Tonks war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
„Nach Sirius Tod braucht er jemanden, der für ihn da ist", Harry schluckte, es fiel ihm schwer über Sirius Tod zu reden, aber es nützte nichts es zu unterdrücken.
„Harry...", Hermine zog ihn leicht am Arm zu sich, musterte ihn vorsichtig, „wenn du nochmal über alles reden willst...", schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.
Er nickte, „ich weiß... Danke.", strich ihr über den Arm und schrieb dann seine Briefe weiter.

„Ich hoffe er hat seine Tränke schon bekommen", sagte Hermine gedankenverloren, ging zu einer Eule und füllte ihren Wassertrog wieder auf.
„Welche meinst du?"
„Den Wolfsbanntrank... Snape und ich haben ihn bei der letzten Stunde des Nachsitzens gebraut... auch wenn du ihn nicht magst, Harry, er ist ein wirklich guter Tränkemeister."
Er schnaubte, „das ist auch das Mindeste, dass er Remus die Tränke braut."
„Schreib ihm auch schöne Grüße von mir", schob Hermine nach, sie wollte nicht wieder mit Harry über Snape diskutieren, hatte sie sich doch vorgenommen sich nicht mehr allzu viele Gedanken über ihn zu zerbrechen.
„Das mache ich sowieso", ein wenig versöhnlicher sah er zu seiner besten Freundin, band dann die beiden Briefe an zwei unterschiedliche Eulen und schickte sie zu ihren Zielorten.
„Wo wohnt Remus eigentlich jetzt?", Hermine sah den davonfliegenden Eulen eine Weile nach, sah lächelnd über Harry, der sich dazu gestellt hatte.
„In einer kleinen recht abgelegenen Wohnung in der Winkelgasse... mit Tonks zusammen.", das hatte Harry schon vor einigen Briefen erfahren.
Hermine seufzte, „ich hoffe, das alles hat bald ein Ende... aber ich befürchte das ist erst der Anfang von allem...", die Zukunftsaussichten waren selten so düster gewesen.
Der aufziehende Krieg rückte immer näher, das spürten alle, selbst Hermines Eltern hatten den Eindruck, dass irgendetwas schreckliches in der Zaubererwelt passieren würde und das sollte schon etwas heißen.

„In Hogwarts sind wir sicher, Dumbledore würde nicht zulassen, dass hier etwas passiert", sagte Harry vollkommen überzeugt.
Hätte Hermine ihm erzählt, dass ein Todesser seit Wochen nach Hogwarts kam und ausgerechnet mit ihr Zeit verbrachte, wäre er vermutlich rückwärts vom Eulerei-Turm gesprungen.
Sie musterte ihn, da wuchs immer weiter in schlechtes Gewissen in ihr, dass sie ihm so etwas wichtiges vorenthielt, aber es war zu seinem Besten, ansonsten würde er sich nur noch mehr Gedanken machen und jede Nacht wachliegen, dem unbekannten Todesser vermutlich sogar in den Gängen auflauern.
„Du hast recht", sie nickte schnell, in Hogwarts waren sie sicher, zumindest noch zwei Jahre, wenn sie die Schule verlassen würden, sähe das anders aus, wobei sie vermutete, dass Dumbledore das Goldene Trio so oder so nach der Schule in den Orden des Phönix aufnehmen und ihnen einen besonderen Schutz zukommen lassen würde; er würde nicht riskieren, dass einem der drei etwas passierte.
Harry lächelte, nahm Hermine in die Arme und drückte sie an sich, „sollen wir langsam wieder zurück? Wird langsam frisch...", fragte er leise, löste sich sanft von ihr.
Hermine nickte, erwiderte das Lächeln und ging vorsichtig vor, wartete dann auf der Steintreppe nach unten auf Harry, als ihr auf dem Weg von Hogsmeade nach Hogwarts Dean und Ginny auffielen.
„Können wir?", Harry folgte ihrem Blick, wandte ihn dann, als er die beiden ebenfalls sah, schnell ab und setzte sich in Bewegung, „komm..."
Harry stoppte, nahm ihre Hand und drückte sie leicht, „Danke.."
„Dafür sind Freunde da", lächelte Hermine, setzte sich dann wieder in Bewegung und hielt seine Hand fest, während sie zurück zum Schloss gingen.
„Bevor du dich wieder in deine Bücher flüchtest... sollen wir noch zusammen Mittag essen?", wollte Harry wissen, steuerte schon in Richtung Großer Halle.
„Aber nur weil du es bist", sagte sie lachend, ließ sich von ihm zum Gryffindortisch ziehen und setzte sich neben ihn auf die Bank. Keine Sekunde später erschienen Becher, Besteck und Teller vor ihnen, die sich automatisch füllten.

Eine ganze Weile herrschte eine angenehme Stille zwischen ihnen, nur das Schaben der Gabel und Messer über den Tellern war zu hören, Hermine nahm einen tiefen Atemzug, sie war bis oben hin voll, ebenso wie Harry, dessen Miene sich just in dem Moment verfinsterte, als er zum Eingang sah.
„Was ist los?", fragte sie leise.
„Snape ist im Anmarsch", flüsterte er genervt.
„Oh nein... auf den hab ich wirklich gar keine Lust.", sie stand hastig von ihrem Platz auf, wollte gerade in Richtung Eingang laufen, als sie direkt und ziemlich nah vor ihm stand und schluckte.
„Miss Granger...", zog eine Augenbraue nach oben.
„Professor Snape...", sie nickte, „würden Sie mich entschuldigen?", schob sich dann an ihm vorbei.
Er wollte sie aufhalten, wollte ihr befehlen stehen zu bleiben, aber mit welcher Begründung?
Sie hatte nichts falsch gemacht, sie hatte sich mit nichts eine mögliche Bestrafung verdient und Potter beobachtete ihn ebenfalls mit Argusaugen, folgte dann Hermine und ließ ihn kalt stehen.
Als Harry sie wieder eingeholt hatte sah er sie an, „was war das gerade?"
„Keine Ahnung... ich hab dir doch gesagt, dass wir heute Morgen eine kleine... Auseinandersetzung hatten.", sie verdrehte die Augen, stapfte wütend auf die Treppe.
Er nickte, „aber du hast mir nicht gesagt, warum ihr eine Auseinandersetzung hattet..."
„Das war nicht der Rede wert...", versuchte Hermine abzuwiegeln.
„Und deswegen streitest du dich mit ihm", bohrte Harry weiter nach.
„Du weißt doch wie er ist...", sie fuchtelte wild mit den Armen, „er muss seine beleidigende Meinung immer wieder nach außen tragen."
„Es ging um Sirius, oder? Deswegen willst du mir es nicht sagen...", der Schwarzhaarige suchte ihren Blick, fand eine große Portion Schuldgefühle, „was hat er gesagt?"

Hermine seufzte, „es... ging nicht direkt um Sirius... also schon, aber nicht so wie du denkst, eigentlich haben wir über Remus geredet... vergiss es einfach, Harry... er kann weder Remus noch Sirius leiden, wir sollten uns nicht darum scheren, was er von sich gibt.", sah mitfühlend über ihn.
„Du hast recht, er hat es nicht verdient sich über ihn aufzuregen", sagte Harry grimmig, lief dann schnell weiter, als die Treppe angedockt war, Hermine folgte schweigend, verabschiedete sich dann an ihren Räumen von ihm und sah ihm noch hinterher, als er weiter zum Gemeinschaftsraum ging.

Sie öffnete die Tür zu ihren Räumen, trat ein und warf die massive Holztür in die Angeln, nahm einen tiefen Atemzug und warf sich wieder auf ihr Bett.
Als sie eine gute Stunde einfach so gelegen hatte, entschied sie sich, sich mit einem Buch abzulenken. Sie stand auf, ging zu ihrem Regal und zog ‚Verstand und Gefühl' heraus, um sich mit Mariannes und Brandons Schicksal zu befassen.

Eine weitere Stunde verging, bis Hermine aus ihrer Konzentration gezogen wurde, mit einem verträumten Blick sah sie auf, versuchte zu realisieren, welches Geräusch sie so unsanft aus ihren Gedanken gerissen hatte.
Es klopfte erneut an ihrer Tür, mit einem Zauberstabschwenker öffnete sie das Holz, wartete gespannt, wer dahinter stand und sprang auf, als sie den schwarzgekleideten Mann mit der Maske sah, der vorsichtig in ihren Raum lugte.

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