Kapitel 17: Eine glückliche Erinnerung
Er räusperte sich, „für das Wochenende.", erfand er.
Hermine legte den Kopf schief, „warum? Hast du etwas vor?"
„Es ist nur eine Frage ohne Hintergedanken.", sagte er freundlich.
„Also möchtest du keine Zeit mit mir verbringen?"
„Doch, aber-", er hielt inne, als er ihr Schmunzeln sah, nahm einen tiefen Atemzug, „es war eine einfache Frage."
„Im Grunde habe ich eine Menge Zeit... für dich.", sie lächelte engelsgleich, hoffte, dass er ihr Angebot annehmen würde.
Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen, musterte ihre Finger, die entspannt auf ihrem Bein lagen, „bei... so einer Einladung kann ich natürlich nicht nein sagen...", sah dann wieder zu ihr und belegt sie unbewusst mit einer Gänsehaut.
Ein aufgeregtes Schmunzeln bildete sich auf ihrem Gesicht, sie versuchte sich ein wenig zu beruhigen und atmete tief durch, sah dann wieder zu ihm, er schien sie unentwegt zu beobachten, „warum siehst du mich so an?", fragte sie ein wenig nervös.
„Ich habe dich zwei Wochen nicht gesehen", auch wenn das nicht so ganz der Wahrheit entsprach, er hatte sie gesehen, als Professor Snape, aber nicht so wie jetzt.
„Hast du mich vermisst?", fragte sie mit glühenden Augen, versenkte ihren Blick in seinen.
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht getan hab...", er seufzte leicht.
„Warum klingt alles, was damit zu tun hat immer so... unglücklich? Als würdest du das alles immer bedauern?"
„Ich bedaure nichts davon, im Gegenteil...", gab er leise zu, er bedauerte es nicht bei ihr zu sein, nur dem Umstand, in dem er bei ihr war.
„Aber?"
Er schüttelte leicht den Kopf, egal, wie oft er ihr sagte, dass es nicht richtig war, es würde sie sowieso nicht interessieren, „vielleicht bin ich einfach ein unglücklicher Mann.", zuckte leicht mit den Schultern.
Besorgt musterte Hermine ihn, entsprach das wirklich der Wahrheit?
War er grundsätzlich unglücklich?
„Bist du das?", fragte sie ebenso traurig, er hatte nicht verdient sich so zu fühlen.
Niemand hatte es verdient sich ewig einsam und unglücklich zu fühlen.
Einsamkeit führte zu Verbitterung und Verbitterung früher oder später zu Hass, so war es immer schon.
Er nickte nachdenklich, „ich denke schon... ansonsten hätte ich mich vermutlich nicht für diesen Weg entschieden."
„Gibt es denn nichts, was dich glücklich macht?"
Severus Blick huschte über ihr Gesicht, sie wirkte ernsthaft besorgt, als würde sich wirklich Sorgen um ihn machen, er wandte den Blick ab, sah auf seine Hose, dachte über ihre Worte nach.
Machte ihn irgendetwas glücklich?
Gab es etwas in seinem Leben, was ihn nur ansatzweise ein bisschen mit Glück füllte?
Wenn er ehrlich zu sich war, war es die Zeit mit ihr, dieses unbeschwerte Zusammensein und miteinander reden, auch wenn die Themen so oft unangenehm und dunkel waren, ihre Art an sich zog ihn immer wieder aus dieser Dunkelheit.
Und sobald er diesen schützenden Ort verließ, sobald er wieder alleine war, mit sich und seinen Gedanken, drang da dieses schlechte Gewissen in ihm hoch, dass er sie ebenfalls so unfair in die Dunkelheit zog und sie belastete, so sehr belastete, dass sie sich Sorgen um ihn machte.
Sollte er ihr sagen, dass die wenige Zeit, die er mit ihr verbrachte, sein kurzzeitiges Glück waren?
Wäre das nicht furchtbar armselig?, fragte die nervige Kopfstimme, Du interpretierst zu viel in diese ganze Bagatelle.., schnaubte wütend, über seine eigenen Gedanken, laut auf.
„Gar nichts?", fragte Hermine, zog ihn wieder aus seinen Gedanken.
Severus sah zu ihr, „nein.", sagte er sehr viel härter, als beabsichtigt, er wollte nicht hart zu ihr sein, aber er hatte ihre Güte nicht verdient.
Als er ihren Blick sah, seufzte er laut auf, „es tut mir leid... ich wollte dich nicht so...angehen."
„Du musst dich nicht entschuldigen", schüttelte leicht den Kopf, „gibt es etwas, was ich tun kann, damit es dir besser geht? Eine... glückliche Erinnerung schenken?", fragte sie mit einem warmen, weichen Lächeln auf den Lippen, welches auch ihre Augen erreichte.
Innerlich seufzte Severus, sie war so ein guter Mensch, ausnahmslos, selbst jemandem wie ihm wollte sie etwas Gutes tun.
Ihm fielen hunderte Sachen ein, die sie machen könnte, um ihn aufzuheitern, oder nur eine einzige, es spielte keine Rolle.
„Würdest du mir etwas vorlesen?", fragte er vorsichtig, sah sie ebenso vorsichtig an, hoffte, sie würde ihn nicht auslachen.
„Ich? Dir etwas vorlesen?", perplex sah sie ihn an.
„Ich kann natürlich lesen... keine Sorge.", er lachte dunkel.
„Was möchtest du denn hören?", wollte sie wissen, verstand immer noch nicht so ganz, warum er wollte, dass sie ihm etwas vorlas.
„Was immer du lesen möchtest..."
Sie stand auf, ging zu ihrem Bücherregal und zog etwas heraus, „das ist ganz neu... ich hab es auf eine Empfehlung gekauft.", hielt ihm das Buch entgegen.
„Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde", las er leise vor, nahm einen tiefen Atemzug und nickte dann.
„Kennst du es?", Hermine setzte sich wieder auf das Bett und schlug die erste Seite auf.
„Ich hab es mal gelesen...", gab er zu, „aber das ist schon sehr lange her..."
„Na gut... also... falls du dich langweilst, dann sag es mir. Ich habe sehr viele Bücher, wir finden auch etwas anderes", meinte sie lachend, schob sich das Kissen in den Rücken und fing an, mit einer angenehmen Tonlage und Tempo zu lesen.
Severus lehnte den Kopf an die Wand, schloss die Augen und lauschte ihrer Stimme, die ihn immer weiter in die Geschichte um Henry Jekyll und Edward Hyde zog.
Er hatte dieses Buch vor vielen Jahren gelesen und es hatte ihn von Anfang an verzaubert, die Idee das Gute und das Böse der menschlichen Seele zu teilen, voneinander abzuspalten, zu trennen und am besten das Böse ein für alle Mal wegzusperren, war ein nobler Gedanke.
Nur leider ging dieser Versuch furchtbar schief.
Der böse Teil der Seele, verkörpert als Mr Hyde entwickelte ein Eigenleben, beging all die verwerflichen Taten, die Dr Jekyll sich verbot und ergötzte sich an dem Leid, welches er mit seinem lasterhaften Leben heraufbeschwor, selbst vor Gewalt und Morden schreckte Hyde nicht zurück.
Severus stellte sich seit jeher die Frage, ob diese Gedanken, diese Bereitschaft zur Gewalt schon vorher in dem vornehmen und zuvorkommenden Dr Jekyll schlummerte und er diese Gedanken in Form von Hyde nun endlich ausleben konnte oder, ob Hyde aufgrund der Abwesenheit von moralischen Regeln und Richtlinien immer wieder erneut die Grenzen überschritt.
Und war Jekyll wirklich gut ohne diesen dunklen Teil seiner Seele?
Wie konnte ein Mensch gut sein, wenn er keine schlechte Seite hatte, die er bekämpfen konnte?
Woher wüsste ein Mensch, was gut und schlecht ist, wenn er nur eine Art von Gedanken beherbergte?
Vielleicht bedingte das Eine ja das Andere und der Mensch konnte sich nicht in Gut und Böse aufspalten, weil es ansonsten keine Grund mehr gab nach gewissen Regeln zu leben.
Zu einem gewissen Teil kam er sich in diesen Momenten mit Hermine ebenfalls wie Jekyll und Hyde vor, bloß wusste er nicht so genau, ob er als Todesser Hyde oder Jekyll wäre.
Hermine atmete durch, „dieser Hyde ist ja widerlich", schüttelte anklagend den Kopf, „was ist das bloß für ein Mensch..."
„Er ist nicht gerade ein Sonnenschein", stimmte Severus zu, vermied es sie anzusehen.
„Das kann man wohl sagen...", las dann weiter vor.
Eine ganze Stunde saß sie neben ihm und las ihm vor, die Augen wurden langsam immer kleiner und der Mund immer trockener, sie konnte immer öfter ein Gähnen nicht verbergen.
„Vielleicht lesen wir ein andermal weiter", sagte er leise, nahm ihr vorsichtig das Buch aus der Hand, „geh schlafen."
„Ich bin noch gar nicht so müde", versuchte wieder die Augen aufzureißen.
„Ich sehe, wie müde du bist", er lachte leicht, rutscht vom Bett, stellte das Buch wieder in das Regal und sah zu ihr, wie sie traurig zu ihm sah, „ich komme morgen wieder... versprochen."
Hermine lächelte erleichtert, „geht es dir ein bisschen besser?", fragte sie besorgt als sie sich an den eigentlichen Sinn des Vorlesens erinnerte.
Mit einem Lächeln unter der Maske nickte er, „du hast mir eine glückliche Erinnerung geschenkt.", verneigte sich leicht vor ihr, „Schlaf gut."
„Gute Nacht, bis morgen.", Hermine ließ sich langsam ins Bett sinken, zog die Decke an sich und sah ihm lächelnd dabei zu, wie er leise ihre Räume verließ, kurz bevor er die Tür schloss, wünschte er ihr ebenfalls eine Gute Nacht und befreite sich, als das Holz ins Schloss klickte von der Maske und den Roben.
Er lief mit schnellen Schritten durch die Gänge nach unten in die Kerker, versuchte die Schuld und das schlechte Gewissen nicht allzu stark werden zu lassen.
Er hatte es wirklich versucht ihr fernzubleiben, er hatte ganze zwei Wochen dem Drang widerstanden zu ihr zu gehen, aber mit jedem Tag, an dem er ihr fernblieb, fühlte er sich unwohler und das schlimmste für ihn daran war, dass es ihr offenbar ebenso ging.
Er hatte sie so oft beobachtet, wenn sie dachte, dass sie unbeobachtet war, wenn keiner ihrer Freunde bei ihr war; das Lächeln was sie aufgesetzt hatte, für Weasley und Potter, verschwand von ihren Lippen und ihre Augen strahlten nichts als tiefsitzende Trauer aus.
Als er in seinen Räumen angekommen war, fragte er sich, ob sich dieser Umstand wieder geändert hätte, wenn er ihr noch länger ferngeblieben wäre.
Ob sie irgendwann wieder auf andere Gedanken gekommen wäre, die sich nicht um den friedlichen Todesser drehten.
Hatte er zu schnell wieder nachgegeben?
Selbst wenn es so ist... sie ist froh, dass du wieder da bist und du bist auch froh, wieder bei ihr zu sein..., merkte die Kopfstimme an, unterdrückte damit das schlechte Gewissen in ihm.
Und du bist auch froh..., er rief sich die Stimme noch einmal ins Gedächtnis, lächelte leicht, ja das war er.
Er war froh, dass er diesem tiefsitzenden Wunsch nachgekommen war, endlich wieder zu ihr zu gehen. Es fühlte sich an wie eine Prüfung und es war ihm vollkommen egal, dass er sie nicht bestand.
*
Hermine schlief ungestört bis zum nächsten Morgen, sie erinnerte sich an schöne, friedliche Träume, die sich natürlich um den bekannten Fremden drehten, sie lagen in ihrem Traum einfach beieinander, waren sich nah und doch irgendwie unerreichbar, genau wie im echten Leben, sie spürte beim Aufwachen noch deutlich seine Hand an ihrem Rücken, spürte wie seine Finger vorsichtig und sanft über ihre Haut strichen und sie mit einer Gänsehaut belegten, mit einem wohligen Seufzer streckte sie sich.
Wie konnte sie sich so sehr nach einem Mann sehnen und verzehren, den sie kaum kannte? Warum hatte er nur so eine Wirkung auf sie, hatte sie sich überhaupt in ihrem Leben schon einmal so gefühlt?
Du wirst dich doch wohl nicht verlieben..., warnte die Kopfstimme, du weißt genau, dass so etwas keine Zukunft hat.
Natürlich war es nicht ihr Plan gewesen sich zu verlieben, sie, Hermine Granger, eine Muggelgeborene verliebt in einen Todesser?
Wie viel Ironie konnte das Leben noch aufbringen?
Und was würde er wohl dazu sagen?
Er würde sie vermutlich auslachen, an ihrem Verstand zweifeln und sie endgültig verlassen.
Verlassen... das klingt so theatralisch...als wärst du schon mit ihm zusammen, motzte die nervige Stimme wieder.
Augenverdrehend setzte sie sich auf, egal, was es war, was da zwischen ihnen entstand, es war schön, es war prickelnd und sie würde sich so weit darauf einlassen, wie er ihr die Möglichkeit dazu gab.
Sie wollte sich einmal in ihrem Leben nicht an Regeln und Konventionen halten, nicht darüber Gedanken machen, was andere über sie sagen würden, wenn dieses Geheimnis je an die Öffentlichkeit geraten würden, sie wollte einmal in ihrem Leben und das machen, was ihr gut tat.
Die letzten Jahre, eigentlich, seit sie in Hogwarts war, war ihr Leben ein einziges Abenteuer mit einer Menge schlimmer Erlebnisse und Erfahrungen, die mit jedem Mal schlimmer und dunkler wurden und vor allem Sirius Tod hatte ihr schmerzlich bewiesen, dass das Leben viel zu kurz war, um verschwendet zu werden, viel zu kostbar, um sich an jede Regel zu halten, anstatt sich lebendig zu fühlen, selbst wenn es Treffen mit einem zutiefst missverstandenen Mann waren.
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