Kapitel 112: Die Bitte um Hilfe


Nach einer guten Stunde des lustigen und genüsslichen Beieinandersitzens räumten die drei die Teller und das Besteck nach einem Putzzauber wieder in den Schrank und verstauten die übrig gebliebenen Lebensmittel im eigens dafür vorgesehenen Vorratsschrank und zogen sich dann in das untere Wohnzimmer zurück, welches schon seit Wochen als Stützpunkt für das weitere Vorgehen diente.
„Wie weit ist der Trank, Hermine?", fragte Harry, als er sich die angefertigten Karteikarten der Zauberer und Hexen ansah, deren Identität sie annehmen wollten, um ins Ministerium zu gelangen.
„Er ist fast fertig... habt ihr die Gewohnheiten der drei so weit verfolgt, dass ihr sicher wisst, wann sie wie ins Ministerium gelangen?", wollte Hermine wissen, sah abwechselnd zu Harry und Ron.
„Wir kennen sie in und auswendig!", Ron nickte.
„Sobald der Trank fertig ist kann es losgehen.", auch Harry nickte.
„Vielleicht halten wir einfach den Dienstag fest... dann können wir Montag nochmal in aller Ruhe alles durchgehen-"
„Und uns verrückt machen", fuhr Ron dazwischen, entlockte Hermine einen genervten Blick.
„Hermine hat recht... wir müssen nochmal alles durchgehen und jede mögliche Störung einkalkulieren", merkte Harry an, stärkte seiner Freundin den Rücken, „es darf nichts schief gehen. Wir haben nur diese eine Chance."

*

Hermine nutzte den Sonntag, um allerlei Tränke, die sie, mit den ihr zu Verfügung stehenden Zutaten, brauen konnte, fertigzustellen.
Harry und Ron übten derweil in einem anderen Teil des Gebäudes verschiedene Angriffs- und Abwehrzauber, die sie im Notfall vor schwereren Konsequenzen bewahren sollten, auch wenn keiner von ihnen hoffte, dass sie offene Duelle bestreiten müssten.
An diesem Abend verabschiedete sich Hermine nach dem gemeinsamen Abendessen schon früh von ihren Freunden, sie zog sich mit einem Buch in das ruhige, abgelegene Zimmer im ersten Stock zurück.
Sie musste ihre Gedanken wirklich etwas von diesem Plan ablenken, je mehr man über etwas nachdachte, desto weniger Sinn ergab es; so verhielt es sich auch mit dem, was die drei Freunde vorhatten.

Sie suchte sich eine bequeme Position auf dem Sofa, in der sie die nächsten Stunden ausharren konnte, zauberte sich ein kleines Licht und fing an zu lesen.
Die Stunden zogen an ihr vorbei, Hermine schlug eine Seite nach der anderen um, verlor sich immer weiter in der Geschichte und blendete ihre Umgebung gänzlich aus.
Als es bereits dunkel war und sie die Mitte des Buches erreicht hatte, hallte mit einem Mal ein sanftes Klopfen in ihrem Kopf und der würzige Kräuterduft, der ihr in der Nase schwirrte, verriet Hermine, dass sie nicht länger alleine war in diesem Zimmer.

Mit einem glücklichen Lächeln legte sie das Buch zur Seite, stand schnell auf, sah sich aufmerksam suchend im Zimmer um und fand ihn in leichten Rauchschwaden gehüllt am Fenster stehen.
Die letzten Schwaden manifestierten sich langsam zu seinem Umhang, sie meinte ein Seufzen hören zu können, dann sah er mit einem undefinierbaren Blick zu ihr.
„Was ist los?", fragte sie beunruhigt, die Freude ihn zu sehen wurde von ernster Sorge abgelöst, er schien irgendwie angespannt zu sein, mehr noch als sonst.
Er atmete tief ein und aus, „in... Malfoy Manor findet eine Zusammenkunft statt... und.. ich wurde angewiesen, dem beizuwohnen... mit... meiner Partnerin...", er presste die Kiefer aufeinander, sein angespannter Blick huschte über sie, „ich habe Lucius und Narzissa bereits gesagt, dass ich davon wenig begeistert bin, allerdings... haben beide mir zu verstehen gegeben, dass die Anweisung keine Bitte war und schon gar nicht von Lucius und Narzissa..."
Hermines Gedanken rasten, ebenso wie ihre Augen, die über seine Züge sprangen, „Aurora muss dich also begleiten", stellte sie fest.
„Die Botschaft dahinter war eindeutig...", er nickte, drehte sich zurück zu dem schmutzigen Fenster und sah auf die schwach beleuchtete Straße.
Natürlich wusste er damals, dass es ein Spiel mit dem Feuer war Hermine, zwar verkleidet, in die Kreise der Todesser zu schleusen, aber ihm blieb damals keine andere Möglichkeit; manchmal war Angriff die beste Verteidigung.

Dass der Dunkle Lord Aurora gesehen hatte und sie mehr oder weniger gern an Severus' Seite akzeptierte, bedeutete im Umkehrschluss, dass sie nun ein Teil seiner Welt war.
Der Welt, die sie alle um jeden Preis zerschlagen wollten, aber solange diese Welt noch bestand, solange mussten sie ihren Part spielen; Severus den Part des treuen Anhängers und Hermine den Part von Aurora, die zu dem Todesser Severus Snape gehörte.
„Sie haben so oft nach Aurora gefragt, meine Ausreden für ‚ihr' Fernbleiben waren bisher überzeugend, aber ich spüre eine wachsende Skepsis und Misstrauen...", brummte Severus grimmig.
„Sonst werden sie die Lügen aufdecken, früher oder später...", fuhr Hermine fort, „wir haben eigentlich keine andere Wahl. Oder?"

Einen Moment schwieg er, dachte angestrengt nach, versuchte alle Möglichkeiten aufzustellen, die sie erwarten könnten, wenn sie dort nicht erschienen, atmete dann wieder schwer durch, „keine, die nicht irgendwie unser aller Schauspiel gefährdet..."
Hermine nickte leicht, mehr zu sich selbst, „okay... wir haben schon einmal einen Abend überstanden. Wir schaffen einen weiteren, ich weiß ja, was mich ungefähr erwartet.", ein schiefes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, „Harry und Ron werden ein paar Stunden ohne mich klarkommen, die beiden sind glaub ich sowieso viel zu beschäftigt, um irgendetwas anderes mitzubekommen."
Severus schüttelte leicht den Kopf, „es tut mir leid, dass ich dich wieder einem solchen Wagnis aussetze...", mittlerweile kam er sich vor wie Albus, der ein Talent dafür hatte, die Menschen um sich herum in immer größere Schwierigkeiten zu ziehen.
„Du bittest mich um Hilfe... wir alle brauchen sie dann und wann und ich bin sehr froh, dass ich dir auf diese Art helfen kann...", meinte Hermine sanft, ein warmes Lächeln umspielte ihre Züge.
„Du bist zu gütig...", er seufzte leicht, nahm einen tiefen Atemzug, konzentrierte sich dann auf das Erscheinungsbild von Aurora, in die er sie wieder verwandeln würde, um sie zumindest für einen kleinen Teil zu schützen, „bist du bereit?"
Hermine nickte lächelnd, sie vertraute ihm voll und ganz, sah ihm dann dabei zu wie er den Zauberstab zog, für einen kurzen Moment die Augen schloss und sie dann mit einem sanft gemurmelten Zauberspruch belegte, der sie erneut mit diesem angenehmen Kribbeln belegte, welches sie schon beim letzten Mal gespürt hatte, als ihr Aussehen und ihre Stimme sich veränderte.

Als sie das Gefühl hatte, dass die Veränderung abgeschlossen war, sah sie an sich herunter, musterte das zufriedene leichte Lächeln auf Severus Lippen, „du scheinst zufrieden zu sein mit deinem Zauber...", Hermine ging einen Schritt auf ihn zu, legte ihre Hände an seine Brust und den Kopf schief, „es könnte alles so einfach sein...", seufzte bei dem Gedanken leicht auf.
Wenn sie anders aussehen würde, wenn sie jemand anderes wäre, würde nichts zwischen ihnen stehen.
Keine Moral, kein Anstand, keine gute oder dunkle Seite. Dann wären sie nur Severus und Aurora, nur ein Mann und eine Frau, die für den anderen die Welt bedeuteten.

Er strich durch die schwarzen glatten Haare, verlor sich in ihrer Erscheinung, „du musst das nicht machen..."
„Das weiß ich... du hast mich nie zu irgendetwas gezwungen, Severus. Ich möchte nicht, dass du das immer denkst..", bat Hermine, zog seinen Blick mit einem sanften Streicheln über seine Wange auf sich.
Es fiel ihm augenscheinlich sehr schwer nicht immer die Schuld bei sich zu suchen, nickte nach einer kurzen Stille und versuchte ein Lächeln aufzubringen.
„Dann lass uns los...", sagte er leise, belegte den Raum mit einem speziellen Zauber, der die beiden jungen Männer, die sich irgendwo im Haus aufhielten und nichts von seinem Besuch mitbekommen hatten, so hoffte Severus, aus einer unerklärlichen Intuition davon abhalten sollte, dass sie diesen Raum überhaupt betreten wollten; ein weiterer seiner selbsterfundenen Zauber, den niemand sonst beherrschte oder bemerkte.

Hermine sah ihm dabei zu, lächelte leicht und nahm dann seine Hand, die er ihr liebevoll entgegenhielt, bemerkte dann das typische Ziehen des Apparierens an ihrem Bauch und sah wenige Momente später das altbekannte und spärlich beleuchtete Herrenhaus, welches von dichtem Nebel umwabert vor ihnen thronte.
„Das ist heute ein etwas anderes Treffen als beim letzten Mal", erklärte er leise, als sie Hand in Hand über den Kiesweg zum Herrenhaus liefen, „keine Rekrutierung, keine Morde... hoffe ich zumindest.", ein wenig zerknautscht sah er zu ihr, „Wenigstens ist Bellatrix nicht da... aber ich schätze, dass Lucius nicht weniger wahnsinnige Gäste eingeladen hat.", bevor er die Tür erreichte stoppte er, „Es werden heute sehr viel weniger Todesser da sein... das bedeutet, dass die Gespräche intensiver werden. Zwar werden weniger Augen auf uns liegen, allerdings werden diese jedes Detail aufsaugen und ich bin mir sicher, dass jede noch so kleine Ungereimtheit an den Dunklen Lord getragen wird...", mahnte er, sah eindringlich zu Hermine, die nickte.
„Es wird schon schief gehen", meinte sie ein wenig unbeholfen, zuckte leicht mit den Schultern.
„Ja... das befürchte ich auch", brummte er, öffnete dann die Tür und wurde von einem Hauselfen begrüßt, der ihnen ihre Umhänge abnahm und den Weg wies.
Sie liefen den altbekannten Weg, bogen dann in Richtung ein kleineres Wohnzimmers ab, von dem sie schon von weiter weg verschiedene Stimmen wahrnahm.
„Weißt du, wer alles da ist?", fragte Hermine, irgendeine dieser Stimmen kam ihr unangenehm bekannt vor, allerdings konnte sie diese durch das Durcheinanderreden noch nicht gänzlich zu ordnen.
„Ich schätze Pius Thicknesse ist einer der Gäste...", flüsterte er ein wenig angespannter als noch vor der Tür.
„Der neue Zaubereiminister?", fragte Hermine schluckend.
Severus schnaubte, „Zaubereiminister... ein Strohmann... eine Marionette... nichts weiter... aber ja, genau der.", nahm einen tiefen Atemzug, legte die Hand an die Klinke, drückte sie herunter und öffnete schwunghaft die Tür.

„Ah, da ist er ja", Narzissa ging mit schnellen Schritten zu Hermine und Severus, „du musst es wirklich immer spannend machen, Severus", mit einer Mischung aus Erleichterung und Kränkung sah sie über ihren alten Freund und seine Partnerin, „aber wie sagt man doch gleich? Je später der Abend, desto schöner die Gäste... lass dich ansehen, Aurora...", ein herzlicher Blick flog über Hermines verändertes Aussehen und ihre Garderobe, „bezaubernd, wie immer."
„Guten Abend", Severus nickte leicht, suchte den Raum nach Lucius ab, der mit einem großen und wahrscheinlich nicht dem ersten Glas Whiskey auf dem Beistellsofa saß und gedankenverloren ins Feuer starrte.

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