Kapitel 105: Versteckt

*

Noch immer sprachlos saßen die drei auf der staubigen Couch des Wohnzimmers des Grimmauld Place, versuchten still, jeder für sich, das aufzuarbeiten, was sie gerade erlebt hatten. Alles ging rasend schnell, in einem Moment tanzten sie noch auf Bill und Fleurs Hochzeit, dann erschien ein Patronus-Lichtball mit einer deutlichen Botschaft: Sie kommen.
Helle Panik brach bei den Gästen der Hochzeit aus und jeder, der es irgendwie schaffte, disapparierte bevor die Todesser über sie brachen.
Hermine konnte sich ganz deutlich an das Feuer erinnern, welches sich an den Vorhängen entlang fraß, an das Geschrei und die umgeworfenen Tische, sie hatte schnell nach Ron gesucht, fand diesen und machte sich dann gemeinsam mit ihm auf die Suche nach Harry, der gerade von Remus aufgehalten wurde, als er helfen und gegen die Todesser kämpfen wollte. Gemeinsam disapparierten sie in die belebte Nachtwelt Londons und wurden beinahe von einem der berühmten roten Busse erfasst.

Sie hatten sich kaum umgezogen und Unterschlupf in einem Café gesucht, da ging der Kampf weiter, als zwei Todesser das Café betraten und Ron, Harry und sie die beiden unschädlich machen mussten.
Harry hatte sie schließlich zum Grimmauld Place gebracht, das einzig verbliebene sichere Versteck, auch wenn er diesen Ort eigentlich nie wieder betreten wollte.
„Dieser Schrei...", Ron ergriff als erstes das Wort, „das war echt gruselig."
„Ich bin mir sicher, dass Dumbledore Schutzvorkehrungen getroffen hat... damit... ungebetene Gäste nicht einfach eindringen können...", erklärte Hermine.
„Du meinst Snape.", sagte Ron bitter, „Er ist der einzige Todesser, der diesen Ort hier kennt. Er muss davon ausgehen, dass Harry früher oder später hier auftauchen wird."
„Dann soll er kommen", Harry knackte mit den Fingern, „ich bin bereit für ihn."
Hermine nahm einen tiefen Atemzug, „ich glaube nicht, dass er hier auftauchen wird... als Schulleiter von Hogwarts hat er wahrscheinlich genug anderes zu tun."
„Ja... wie man am besten die Lehren von Du-weißt-schon-wem an die Schüler trägt...", motzte Ron, „oder wie man Muggelgeborene foltert..."
„Ron...", Hermine schenkte ihm einen vielsagenden Blick, „das ist jetzt wirklich nicht hilfreich..."
„Ist doch wahr", brummte er, „blöde, schmierige Fledermaus..."

Harrys Blick wechselte zwischen Hermine und Ron hin und her, er konnte sich ein aufkommendes kleines Lächeln nicht verkneifen, „deine Beleidigungen waren auch schon mal besser, Ron."
„Ich fand sie durchaus treffend", meinte dieser Schulterzuckend, lächelte dann ebenfalls und sah entschuldigend zu Hermine, „ich hatte kurzzeitig vergessen, dass eine Lady im Raum ist.", Hermine schüttelte augenverdrehend den Kopf.
„Ist es euch recht, wenn wir erstmal hier bleiben? Wir haben ehrlich gesagt nicht viele Möglichkeiten...", Harry lenkte nun auf das eigentliche Thema.
Ron nickte, „die werden uns jetzt überall suchen... natürlich bleiben wir erstmal hier..", auch Hermine nickte zustimmend.
„Dann sollten wir das Wohnzimmer vielleicht ein wenig... wohnlicher gestalten..", schlug Harry vor, stand dann auf, zog seinen Zauberstab und wartete, bis die anderen beiden es ihm gleich taten.

Gemeinsam suchten sie einige Decken und Kissen, fanden vor allem eine Menge Staub und Spinnweben, die in Ron wieder panische Gedanken hervorbrachten, „ich dachte Kreacher wohnt hier noch... der hält wohl nichts von Sauberkeit...", jammerte er, „und immer wieder diese Spinnweben..."
„Kreacher ist auch nicht mehr der Jüngste, Ron...", erinnerte Hermine ihn.
Ron schnaubte, „ja schon klar, verteidige du nur deine geliebte Hauselfen..."

Als Hermine am nächsten Morgen aufwachte, waren sie und Ron alleine im Zimmer, „wo ist Harry?", fragte sie gähnend, streckte sich und band sich die Haare zu einem Zopf.
„Keine Ahnung", nuschelte Ron, „ich glaub er läuft irgendwo durchs Haus", kuschelte sich weiter in seine Decke und versuchte noch ein wenig Schlaf zu finden, sah aber nochmal auf, „entspann dich einfach... Harry kann schon auf sich aufpassen."
Für eine halbe Stunde versuchte Hermine wirklich sich zu entspannen, sie versuchte sich mit einem alten Buch vom Couchtisch abzulenken, konnte aber bei aller Liebe nichts mit der richtigen ‚Auftrennung der Blutlinien' anfangen in dem Muggelgeborene als wertlose und unreine Wesen angesehen wurden, die sich die Künste der Magie auf diebischste Art und Weise angeeignet hatten.
„Dass sowas verkauft wurde", nuschelte sie, legte es dann recht unsanft zur Seite, schälte sich aus der Decke und durchquerte das Wohnzimmer in Richtung der Treppen, dort angekommen sah sie abwägend nach oben.

„Harry?", Hermine rief an der unteren Stufe nach oben durch das Treppenhaus, horchte dann, ob ihr Rufen irgendeine Regung auslösen würde, „Harry....", mit schnellen Schritten ging sie die Treppen nach oben, suchte die Zimmer ab, die auf ihrem Weg lagen, fand aber nichts.
Eine ganze Weile lief sie durch die Zimmer und suchte nach ihm, mit jedem Zimmer, welches sie leer vorfand fieberhafter und schneller, stolperte beinahe über die Fußbodenteppiche, die hier und da böse Falten schlugen.
„Harry!", rief sie laut, ließ eine weitere Etage hinter sich und sah schließlich eine Silhouette in einem ihr nur allzu bekannten Zimmer.

„Da bist du...", meinte sie erleichtert, betrat das Zimmer und setzte sich neben ihn auf das Bett, „was hast du da?"
Harry drückte ihr ein Bild in die Hand, „ein Brief von Mum an Sirius... es war sein Geschenk an mich... mein erster Geburtstag", er lächelte leicht, musterte das Bild, welches Hermine vorsichtig in den Händen hielt.
„Ein fliegender Besen für ein Baby... jetzt wissen wir auf jeden Fall, warum du es so liebst zu fliegen", analysierte sie lachend, sah dann zu Harry, der ziemlich ergriffen schien, „ist alles in Ordnung?"
Er nahm einen tiefen Atemzug, „es ist einfach schön zu wissen, dass wir früher eine glückliche Familie waren... dass Sirius und meine Eltern wie Familie waren... warum hat er mir das Bild nie gezeigt?", fragte er langsam.
„Ich glaube, dass es Sirius sehr schwer gefallen ist über die beiden zu reden und sich an sie zu erinnern... die Zeit in Askaban hat ihn verändert. Ich bin mir sicher, dass er sich einfach auf dich konzentrieren wollte, auf die Zukunft...", versuchte sie ihn aufzumuntern.
Nach einer kurzen Stille nickte Harry, „wahrscheinlich hast du recht..."
„Lass uns wieder runtergehen. Es ist besser, wenn wir zusammen bleiben."
Kurz vor der Tür drehte Harry sich erneut um, musterte den Raum, „ich hatte das Gefühl, dass jemand hier war und die Räume durchsucht hat..."
„Glaubst du, es war Snape?", fragte Hermine angespannt.
Harry zog langsam die Tür zu, strich über die den silbernen Schriftzug ‚Sirius' auf dem Holz, „keine Ahnung, wäre es so abwegig?"

Einen Moment überlegte Hermine, „was sollte er in Sirius Zimmer suchen?"
„Ich weiß es nicht... wahrscheinlich hast du recht", löste sich dann vor der Tür und ging zusammen mit Hermine in Richtung der Treppen, als er die schmutzigen Wände begutachtete, fiel sein Blick auf eine leicht versteckte Tür hinter einer Biegung.
Er stoppte, „Regulus Arcturus Black...", nuschelte Harry, ging ein paar Schritte in Richtung des Korridors und blieb vor der Tür stehen, die er ins Auge gefasst hatte.
„Was?"
„Regulus Arcturus Black...", wiederholte Harry, „Sirius Bruder."
Es fiel Hermine wie Schuppen von den Augen, „R.A.B... Regulus Arcturus Black... er ist derjenige, der das echte Medallion mitgenommen hat."
„Der wahrscheinlich tot ist...", schob Harry hinterher, lehnte sich an die Wand und atmete tief durch.
„Wenigstens haben wir jetzt irgendeinen Anhaltspunkt... es ist als würde alles direkt vor unserer Nase liegen, als wäre alles miteinander verbunden...", ihre Augen leuchteten ein wenig, „das ist gut, Harry! Damit können wir arbeiten!"

*

Die Wochen zogen im Nu an ihnen vorbei und noch immer tappten sie im Dunkeln, kamen gefühlt keinen Schritt weiter.
Dass sie nun zwar das Geheimnis gelüftet hatten, wer R.A.B. war, brachte sie keinen Deut weiter, eine Sache, die vor allem Hermine aufzufressen schien.
Die Stille des Lesens wurde durch das hallende Schreien von Dumbledores Geistererscheinung gestört, „was war das?", fragte Hermine, die offenbar als einzige diesen Schrei vernommen hatte.
„Was meinst du?", wollte Harry wissen, der gedankenversunken aus seinem Buch auftauchte.
„Habt ihr das nicht gehört? Dumbledores Schrei...", sie schluckte, stand schnell auf und stierte unsicher, mit dem Zauberstab in der Hand, in die Dunkelheit des Flurs.
„Hermine... da war nichts...", meinte Ron, er war aufgestanden und ihr gefolgt, sah nun ebenfalls in den Flur, konnte nichts ausmachen und drehte sie vorsichtig zu sich um, „da war nichts", wiederholte er, schenkte ihr ein freundliches Lächeln, „komm..", setzte sich dann, als sie ihm langsam folgte, wieder an seinen Platz und stöberte weiter durch die Bücher, die Sirius sein Eigen nennen durfte.
„Warum hatte er eigentlich keine Quidditch-Bücher?", moserte Ron, „Er und dein Vater waren doch damals im Team..."
„Keine Ahnung, Ron... vielleicht hat Kreacher sie alle versteckt, oder so... um Sirius zu ärgern...", Harry zuckte mit den Schultern, legte das Buch, welches er studierte, beiseite und nahm die Brille ab, strich sich über die müden Augen.

Ein erneuter Schrei des Dumbledore-Geistes jagte ihr eine Gänsehaut über den Körper, „ihr könnt mir nicht sagen, dass ihr das nicht gehört habt...", jammerte sie ungeduldig, sprang wieder von der Couch und zielte mit dem Zauberstab in Richtung des Eingangs.
Harry stand ebenfalls auf, stellt sich halb vor sie, „doch, das hab ich gehört...", lauschte auf die Schritte, die schnell in ihre Richtung kamen, was schließlich Ron auch dazu brachte mit dem gezückten Zauberstab aufzustehen.
Als die Schritte vor der Tür langsamer wurden, nickte Harry Hermine und Ron zu, feuerte mit den anderen beiden einen nonverbalen Stupor ab, die von einem starken Schildzauber quer durch den Raum gelenkt wurden und krachend einen Tisch samt Stühle zerlegten.

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