Kapitel 18

Inzwischen saß ich schon ziemlich lange in diesem ekelhaft feuchten Kerker. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und zu allem Übel noch einen schleimigen Husten bekommen. Inzwischen hielten sich sogar die Ratten von mir fern. Meine gesamte Kleidung war feucht und klamm. Warm wurde ich auch nicht. Da konnte ich mich warm reiben, wie ich wollte. Der Tag zog wie ein Brei an mir vorbei. Tag und Nacht gingen übergangslos ineinander. Inzwischen fragte ich mich, ob man mich vergessen hatte. Ich hätte schon längst die Bekanntschaft mit der Streckbank machen müssen oder die Bisse der Peitsche auf meinem Rücken spüren müssen. Aber nichts dergleichen geschah. Immer wieder patrouillierten Wachen an meiner Zelle vorbei und immer wieder versteifte ich mich, wenn ich die schweren Schritte hörte aus Angst der Henker könnte jeder Zeit vor der Kerkertür stehen. Ich dämmerte im Halbschlaf vor mich hin. Inzwischen hatte ich Fieber und mir wurde immer wieder heiß und kalt. Irgendwann bekam ich mit, wie es einen kurzen Tumult vor der Kerkertür gab. "Lasst mich durch! Das ist ein Befehl! Sie stirb da drinnen!" Mit einem lauten Krachen donnerte die Türe gegen die Steinwand und ich hörte Schritte, die auf mich zueilten. "Nelly!? Oh Gott, du glühst ja." Die Stimme kam mir bekannt vor, doch ich konnte sie in meinem Dämmerzustand nicht zuordnen. Dann fiel es mir wieder ein. "Lucian" hauchte ich. "Alles ist gut, Nelly. Ich hol dich jetzt hier raus und dann wirst du wieder gesund, hörst du?" Wenn ich nicht so furchtbar müde gewesen wäre, hätte ich über diese Bemerkung gelacht. Genau das Selber hatte ich zu meiner Großmutter gesagt. Vier Tage später starb sie. Ich spürte wie ich hochgehoben und fest gegen seine Brust gedrückt wurde. Immer wieder murmelte er beruhigend auf mich ein. Dann spürte ich einen warmen Lufthauch auf meiner Haut. Wärme, endlich und frische Luft. Gierig zog ich sie in meine Lungen, was diese mit einem heftigen Hustenanfall quittierten. Ich würgte und hustete. Lucian wurde schneller, rannte fast. Mehr bekam ich nicht mehr mit. Ich hörte Lucian leise aufschluchzen, dann verschluckte mich die Schwärze.

Wie durch einen Nebel registriere ich die Gestalt, die neben mir saß und meine Hand in seiner hielt. Worte erreichten zwar mein Ohr, aber mein Hirn konnte sie nicht wirklich verarbeiten. Nur ein Satz erreichte mich, bevor ich wieder ins Schwarze versank. "Ich liebe dich".

Als ich das nächste Mal wach wurde, fühlte ich mich besser. Zwar immer noch nicht ganz gesund, aber besser. Außerdem war ich alleine und hatte schrecklichen Durst. Ich wollte gerade aufstehen und mir Wasser holen, als mich zwei starke Hände wieder zurück in die Kissen drückten. "Schön langsam, Prinzessin." Lucian! Er war noch da. "Durst" krächzte ich. Lucian langte an mir vorbei und reichte mir einen Becher Wasser, den ich in einem Zug leerte. "Noch einen, bitte." Ich hielt ihm den Becher hin. Nach dem zweiten Becher Wasser war mein Hals nicht mehr ganz so trocken. "Du hast mich vielleicht einen Schrecken eingejagt. Dagegen waren diese Höllenhund und die Katze nichts. Mach das nie wieder und..." Ich legte ihm meinen Zeigefinger auf die Lippen. "Bitte nicht so viel auf einmal. Ich bin immer noch nicht ganz die Alte." Er lächelte und hauchte mir einen Kuss auf den Finger. Dann setzte er sich auf den Sessel neben dem Bett und verschränkte meine Finger mit seinen. "Wie lange war ich krank" flüsterte ich. Meine Stimme funktioniert immer noch nicht ganz. "Fast 14 Tage. Der Arzt hat nicht mehr daran geglaubt, dass du überhaupt wieder aufwachst. Du hattest eine starke Lungenentzündung und zudem noch eine Grippe. Es grenzt schon an ein Wunder, das du noch lebst. Und ich bin froh über dieses Wunder." Lucian lächelte mich zärtlich an. Also hatte ich mir das "Ich liebe dich" doch nicht eingebildet. Mein Herz machte einen Sprung. Ich lächelte zurück. Mein Mund fühlte sich komisch an. Trocken irgendwie. Ich leckte über meine aufgeplatzte Lippe. Ich spürte schon wieder wie die Müdigkeit von mir besitz ergriff. Lucian bemerkte das. "Du bist immer noch nicht ganz gesund. Schlaf noch ein bisschen. Ich bleib bei dir." Er hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und ich glitt hinüber in einen traumlosen Schlaf.

Als ich am nächsten Morgen erwachte fühlte ich mich gut. Mein Hals tat zwar noch ein bisschen weh, aber ich fühlte mich kräftig genug, um mich aufzurichten. Lucian saß zusammengesunken in seinem Sessel und schlief. Eine Haarsträhne tanzte im Rhythmus seiner Atmung und ich musste schmunzeln. Er sah so jung aus. Ich konnte nicht wiederstehen und strich ihm die seidige Strähne aus dem Gesicht. Sofort regte er sich und schlug seine grünen Augen auf, die mich darauf hin anblickten. Er lächelte "Morgen" "Morgen" gab ich zurück und lächelte auch. Lucian richtete sich in seinem Sessel auf und musterte mich prüfend. "Du siehst besser aus, als gestern" stellte er fest. "Ich fühl mich auch besser. Nur ein Bad würde mir, glaube ich, ganz gut tun. Ich rieche bestimmt etwas  streng." Lucian streckte sich und bevor ich begriff was er vorhatte, begann er schon an mir zu schnuppern. "Hey, was machst du da?" Wiederwillig musste ich kichern. "So schlimm ist es noch nicht. Ich hab schon deutlich Schlimmeres gerochen. Aber ein Bad wäre vielleicht wirklich nicht schlecht." Sagte er trocken, was mich noch mehr zum Kichern und kurz darauf zum Husten brachte. "Langsam, Nelly! Dein Husten ist immer noch nicht ganz weg. Ich werde jetzt mal veranlassen, dass man dir einen Badezuber bringt. Bis gleich, Prinzessin" Wieder hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn und verließ das Schlafzimmer. Daran könnte ich mich gewöhnen. Genüsslich streckte ich mich und sank zurück in die weichen Kissen. Keine 5 Minuten klopfte es an der Tür und Lucian streckte den Kopf rein. "Der Badezuber. Ich vermute mal es ist dir lieber, wenn ich nicht dabei bin wenn du badest" sagte er. Ich wurde rot und schüttelte den Kopf. Er lachte. "Das dachte ich mir. Ich lass dich mal mit Hanna alleine. Ich schau nachher nochmal nach dir." Mit diesen Worten verschwand er wieder und machte Platz für den Zuber. Genau das benötigte ich jetzt. Hanna half mir aus dem Bett und beim Ausziehen des Unterkleides, das ganz verschwitzt war. "Ist es in Ordnung, wenn ich das zum Waschen mitnehme?“ fragte Hanna. "Ja, natürlich“ sagte ich schnell. Mit Hannas Hilfe schaffte ich es sogar Unfallfrei in den Zuber und glitt in das warme und gut duftende Wasser. Ich schloss meine Augen. Jetzt fühlte ich mich wirklich wieder wie ein Mensch.

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