21/22 - Ganz normaler Alltag oder so - Teil 2
"Alles." gestand sie ehrlich und stützte sich leicht auf seiner Brust auf um ihm ins Gesicht sehen können. Sie war sich nicht sicher wie er auf ihre Neugier reagieren würde. Aber ihre Sorgen waren für umsonst. Er schmunzelte leicht und öffnete die Augen, ein weicher fast schon liebevoller Ausdruck in seinen wundervollen grauen Augen. Er zog sie wieder näher zu sich, hauchte einen federleichten Kuss auf ihren Mundwinkel und bettete ihren Kopf auf seine Brust. Sie rutschte ein wenig hin und her bis sie eine bequeme Stellung fand, denn so gut wie sich die Muskeln unter ihren Fingern auch anfühlten, vom Aussehen gar nicht zu sprechen, unter ihrem Kopf waren sie verdammt hart.
Als sie still da lag fing Alexandr anzusprechen. "Wir sind in einem Schloss in St. Petersburg geboren und aufgewachsen. Stepan ist der älteste, dann komme ich und schließlich Tamara. Wir hatten noch einen älteren Bruder, aber er starb als wir elf waren an einer Infektion. Er sollte der nächste Fürst werden." als Alexandr von seinen Bruder sprach war seine Stimme emotionslos. Er hatte ihn kaum kennengelernt. Er wurde von Geburt an als Stammhalter erzogen und war zudem fast sieben Jahre älter als sie. Die meiste Zeit war er nicht einmal Zuhause. Alexandr konnte keinen Menschen nachtrauern den er nicht wirklich kannte. "Als er starb begann Vater damit Stepan alles Wichtige zu lehren und somit auch mich. Wir haben es nicht zu gelassen dass seine Ausbildung uns trennte und im Nachhinein betrachtet war es wohl das Beste was wir machen konnte." er lächelte als er sich daran erinnerte wie sie gemeinsam trainiert hatten und wie sie später gemeinsam auf den Bällen und sonstigen politischen Veranstaltungen die Leute reihenweise zum Narren gehalten hatten. "Wir hatten unseren Spaß daran die Rollen zu wechseln und die Menschen hielten sich für so schlau und intelligent, sie haben nie auch nur daran gezweifelt das sie uns unter allen Umständen auseinanderhalten konnten. Die einzigen die das geschafft haben waren jedoch Tamara, Anna und Katharina. Manchmal auch Mutter, dass waren dann auch immer die Momente in denen wir uns dann mal wieder in große Schwierigkeiten gebracht hatten. Hätten wir statt Schwestern noch einen Bruder gehabt hätte Vater seine Drohung uns zu verbannen ohne zu zögern wahr gemacht."
"So schlimm könnt ihr nicht gewesen sein." meinte Alice entrüstet, die ihn selbst fünfhundert Jahre später nach dem es geschehen war noch in Schutz nahm.
"Vielleicht, vielleicht auch nicht." antwortete Alexandr von ihren Worten seltsam gerührt. "Unser Vater war ein strenger Mann mit hohen Erwartungen und klaren Vorstellungen. Er war angesehen, da er unbestechlich war und gerechte Entscheidungen traf, aber er war nicht perfekt und hatte wenig Verständnis für Spielereien. Zudem verglich er uns immer mit Juri, unseren älteren Bruder. Er war ihm schätze ich sehr ähnlich und als er starb, starb auch ein Teil in unseren Vater. Juri war sein ganzer Stolz, ein Wunderknabe hat er immer gesagt, wenn er wieder nicht zufrieden mit uns war." Alexandr hatte sein Vater geliebt, aber er sah trotzdem seine Fehler. Er nahm es seinen Vater nicht übel wie er sie behandelt hatte. Er erzählte es Alice damit sie ihn besser Verstand.
"Mmh..." machte sie. "Und wie war deine Mutter?"
Alexandr wickelte sich eine ihrer Locken um seine Finger und spielte nachdenklich damit. "Unsere Mutter war eine stolze Frau. Sie war eine wahre Schönheit ... Ich bin wohl der beste Beweis dafür." witzelte er und sie verdrehte leise lachend die Augen.
"Bist du dir da so sicher?" fragte sie. Und schon kam der Angriff. Ohne zu zögern kitzelte er sie durch und hätte er sie nicht fest gehalten wäre sie vor lauter Lachen und Winden von der Couch gefallen.
"Sag das ich der heißeste und bestaussehende Mann bin, den du je gesehen hast." verlangte er auf ihr sitzend und sie durch kitzelnd.
"Ver... gis..s ... es!" presste sie mühsam unter hilflosen Lachen hervor. Er kannte keine Gnade.
"Sag es." beschwor er sie und ließ einen Moment von ihr ab.
"Nein!" fauchte sie tief Luft holend und schon ging es weiter.
"Okay....okay." presste sie schließlich hervor. "Ich .. ergebe mich." Alexandr ließ von ihr ab und sah sie abwartend an.
"Muss das wirklich sein?" fragte sie. "Du weißt schon, dass das ganz und gar nicht gut für dein Ego ist."
"Ohja." nickte er mit einem dicken Grinsen im Gesicht, das ihn sogar noch attraktiver machte. "Das muss sein."
Alice ließ ihren Kopf zurückfallen und holte immer noch außer Atem tief Luft, dann richtete sie sich auf, soweit es mit Alexandr auf ihr möglich war. Sie sah ihn tief in die Augen. "Du bist der heißeste, bestaussehende und arroganteste Mann den ich je gesehen habe." Sie schmunzelte und ehr erwiderte es.
"Glück gehabt. Das lasse ich gerade so gelten." murmelte er und drehte sich gemeinsam mit ihr um. Nun lag sie wieder halb auf ihn.
Sie lauschte seinen gleichmäßigen Herzschlag und genoss einfach nur die friedliche Zweisamkeit. Ihre Finger spielten miteinander bis Alexandr sie schließlich mit ihren verschränkte.
"Mehr?" fragte er und sie nickte glücklich, da er von sich aus bereit war mehr über sich selbst preiszugeben.
"Sie hat ihre Kinder über alles geliebt, aber sie war nicht glücklich mit unseren Vater. Er hatte sie nur ihrer Schönheit und der politischen Beziehungen wegen geheiratet. Für ihn war sie ein Mittel zum Zweck. Zur damaligen Zeit hatten Frauen nicht annähernd die Stellung die sie heute haben." erklärte er ihr. "Die Meinung meines Vaters war normal in der Gesellschaft. Mutter war zwar hochintelligent und hatte die Fäden hinter Vaters Rücken fest in der Hand, aber er hat sich große Mühe gegeben ihr zu zeigen wo die Stellung einer Frau seiner Meinung nach war und hat das was sie für ihn und ihrem Leuten tat nur selten wirklich gewürdigt." Seine Stimme war bedrückt. Er hatte seine Mutter wirklich geliebt und es tat ihm leid das er ihr nicht hatte helfen können.
Alice strich ihm beruhigend über Arm und Brust. Er schloss sie fester in seine Arme. "Tamara hatte es damals wahrscheinlich am schwierigsten von uns." sprach er irgendwann weiter. "Sie war schon immer ein Wirbelwind. Sie wollte ebenso wie wir reiten, Schwert kämpfen und vor allem Hosen tragen. Als sie das unseren Vater erklärte ging er nahezu in die Luft." er lachte leise als er sich daran erinnerte. Sie hatten gemeinsam eins dieser steifen Abendessen eingenommen als Tamara sich mit der Bitte das sie zum Ausreiten Hosen tragen wolle an ihren Vater wandte. Er hatte sich fast verschluckt und dann hatte er losgedonnert was ihr den einfalle und mit was für Respektlosigkeiten seine Familie ihn den noch demütigen wolle. Dabei hatte er sein gesamtes Geschirr zerstört und mit dem Messer das er einfach von sich warf fast einen der Bediensteten umgebracht. Danach wagte selbst Tamara das Thema nicht mehr anzusprechen.
Alice sah ihn entsetzt an als er ihr das schilderte. "Keine Sorge." beruhigte er sie. "Der Diener war mit einem Schreck davon gekommen und wir haben Tamara immer mit genommen. Sie musste sich zwar als Junge verkleiden, aber sie durfte immer mit ihren geliebten Hosen und ohne Damensattel mit uns reiten."
"Und deine anderen Geschwister?" fragte Alice ihn.
"Wir hatten noch fünf weitere Schwestern. Darunter auch ein Zwillingspaar. Anna und Katharina. Sie waren nur knapp zwei Jahre jünger als wir." er lächelte als er an die zwei blonden Engel dachte. Ihre gesamte Familie hatte das dunkle Haar ihrer Mutter geerbt nur die zwei hatten das blonde Haar ihres Vaters besessen. "... es fiel ihnen glatt über den Rücken und manchmal war es als würden die zwei einen Heiligenschein tragen. Sie waren so wie man sich die typischen Mädchen halt vorstellt. Sie haben immer gelacht und miteinander geschwatzt. Sie liebten ihre Handarbeiten. Katharina war eine absolute Tiernärrin. Es war egal ob Hund, Katze oder Pferd. Alle Tiere haben sie geliebt und ihr wirklich auf den leisesten Befehl gefolgt. Anna dagegen hat jedes Buch das sie in die Finger bekommen konnte regelrecht verschlungen. Mit Tamara und Anna konnte man kaum eine normale Unterhaltung führen. Die beiden hatten die gleiche Leidenschaft. Sie liebten Sprachen und zusammen schaften sie es sogar unseren Vater zu überreden dass er Lehrer für sie bestellte aus aller Welt. Tamara konnte schon damals zehn verschiedene Sprachen mehr oder weniger flüssig Sprechen. Heute sind es soweit ich weiß fast vierzig."
Alice sah ihn ungläubig an. "Wirklich?"
Alexandr nickte bestätigend. "Sie hat da einen richtigen Fetisch. Ich weiß nicht warum, aber es hat uns schon öfters den Arsch gerettet."
"Kann ich mir gut vorstellen." Sie schwieg und dachte einen Moment nach. Als er von seiner Familie erzählt hatte, besonders von seinen Schwestern hatte sie die Melancholie aus seiner Stimme gehört. "Was ist mit ihnen passiert?" fragte sie schließlich. Sofort spannte sich Alexandr unter ihr an und sie legte ihm beruhigend die Hand an die Wange und drehte sein Gesicht so das er ihr in die Augen sehen musste. "Du musst es mir nicht erzählen wenn du nicht möchtest."
"Ich will es dir aber erzählen." erklärte er schließlich nachdem er ihr für einige Sekunden schweigend in die Augen gesehen hatte. Zärtlich strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und drückte ihren Kopf dann wieder auf seine Brust. Er konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, wenn er ihr von einem der schlimmsten Moment seines Lebens erzählte. Sie würde die Tränen sehen und den ganzen Schmerz, das wollte er nicht.
"Tamara sollte heiraten." begann er. "Es war ein Fürst. Natürlich mit einem gewissen Status. Aber er war noch relativ jung und eine bessere Wahl als alle anderen möglichen Kandidaten. Eigentlich sollte Tamara einen fast fünfzigjährigen Fürst heiraten, der unserer Familie noch größere Macht beschafft hätte. Aber Stepan und ich haben solange auf Vater eingeredet ... Er kam mehr oder weniger zur Vernunft. Die Heirat für Tamara komplett ausreden und sodass sie ihre Entscheidung allein treffen konnten, schaften wir nicht." Alexandr wussten das ihre Haltung gegenüber Frauen damals den allgemein verbreiteten Ansichten nicht entsprochen hatte, aber wenn man mit sechs Schwestern aufwuchs und man jede einzelne vergötterte konnte man gar nicht dieser Ansicht sein, oder?
"Also haben wir Tamara begleitet. Wir wollten den Bräutigam persönlich kennenlernen und ihm klar machen was ihm blühte wenn er unserer Schwester auch nur in irgendeiner Art und Weise schaden würde. Aber soweit kam es nicht. Wir waren spät abends unterwegs als wir auf einmal angegriffen wurden. Es ging alles so schnell. Die einzige Warnung waren unsere scheuenden Pferde und dann war es aus. Die Kutsche wurde zerstört. Der Kutscher und die vier Soldaten die mit uns ritten, lagen tot auf den Boden. Dann waren wir an der Reihe." Alexandr fuhr sich durch die Haare und fixierte die alte Standuhr die in der Ecke stand ohne sie wirklich zusehen. Der Kamin war schon fast aus. Es war warm genug im Raum und die Glut verbreitete ein angenehmes Licht. Alexandr erinnerte sich noch genau an die Angst um seine Schwester und seinen Bruder. Auch an den Moment der nach dem Aufwachen folgte. "Was wirklich passierte realisierten wir erst als wir Stunden später mit einem wahnsinnigen Durst aufwachten."
Sein Atem stockte und er schluckte einmal. Er würde ihr nicht von dem gesamten Grauen nach der Verwandlung erzählen. "Als wir wieder klar bei Verstand waren lernten wir unseren Erschaffer Frenjon kennen. Er war schon damals ein uralter Vampyr. Er erzählte uns von dem Vampyren, den Regeln und den Fähigkeiten. Er lehrte uns so einiges. Wir brauchten fast ein ganzes Jahr um unseren Durst soweit zu kontrollieren das wir für längere Zeit unter Menschen gehen konnten." Ein grausames Lächeln erschien auf seinen Lippen. Tamara war von ihnen die Schlimmste. Aber Stepan und er waren nicht viel besser. Sie hatten in diesen einem Jahr mehrere Dörfer vollkommen zerstört. Ihre Blutlust in den ersten Monaten war zerstörerischer als ganze Armeen. Gerade deswegen konnte er nicht begreifen wie Kyle es schaffte sich so unter Kontrolle zu halten. Er hatte nur in den ersten zehn Tagen Probleme mit seinem Blutdurst, doch selbst in dieser Zeit war es viel zu harmlos für einen frischen Vampyr. "Die Hochzeit war somit logischerweise Geschichte. Die Drakon Drillinge wurden offiziell für Tod erklärt. In dieser Zeit hörten wir nur wenig von unserer Familie, zeitweise vergaßen wir uns selbst. Wir wechselten unsere Identitäten und wurden zu anderen Persönlichkeiten und lernten die Welt, die Menschen, uns selbst mit anderen Augen zu betrachten. Es war eine schwierige und auch aufregende Zeit." Alexandr fuhr sich durch die Haare. "Nach fast drei Jahren kamen wir wieder in die Nähe unserer Heimat und Frenjons Worten zum Trotz wollten wir unsere Familie besuchen." Er schwieg und versuchte die Tränen die aufsteigen wollten zurück zudrängen. "Wir erfuhren schnell das ein halbes Jahr zuvor unserer gesamte Familie bei einem Angriff ums Leben kam. Es war der Angriff von Vampyren." offenbarte er.
"Habt ihr herausgefunden wer...?" er unterbrach sie. "Traver." Sie keuchte erschrocken und er nickte. "Wir konnten sie nicht retten, weil wir in der Weltgeschichte herum reisten." Alice hörte nur zu deutlich die Selbstvorwürfe in seiner Stimme.
"Ihr hättet ihnen vielleicht helfen können, vielleicht hätten sie euch aber alle getötet." versuchte sie ihm zu helfen. "Fakt ist aber das ihr die Zeit nicht zurück drehen könnt. Ihr könnt im Leben nicht alles beeinflussen. Wärt ihr Menschen geblieben, wärt ihr mit ihnen gestorben. Als Vampyre habt ihr erst wieder lernen müssen mit der Umwelt klarzukommen."
"Das mag alles sein." stimmte er ihr zu. "Aber wir hätten nicht so lange weg bleiben müssen."
"Hattet ihr wirklich eine Wahl?" fragte sie ihn. "Ihr seid doch mit Frenjon gereist. Er scheint euch bewusst von eurer Familie ferngehalten zu haben."
Alexandr wusste das es so war. Wie oft hatte er an den Gräbern seiner Familie gestanden und überlegt wie er sie hätte retten können? Was er hätte anders machen müssen? Zu oft wahrscheinlich. Trotzdem war er nicht bereit sich selbst von der Schuld freizusprechen. "Das mag sein, aber wir hätten auch ohne ihn zurückgehen können."
"Alexandr..."
"Nein, Alice." wiedersprach er ihr und sah sie eindringlich an. "Ich habe gelernt damit zu leben. Ich kenne das Vielleicht in der Geschichte und ich weiß das man Entscheidungen nicht rückgängig machen kann. Trotz allen wünsche ich mir manchmal das ich es könnt und bereue auch einige meiner Entscheidungen."
Sie nickte und strich beruhigend über seiner Wange. Er hauchte einen zärtlichen Kuss auf ihre Stirn.Er war froh sie bei sich zu haben und auch diesen Teil seiner selbst mit ihr Teilen zu können. Sie verstand vielleicht nicht immer was er meinte, aber sie akzeptierte es. In diesem Moment wurde ihm klar das er sie brauchte.
Keine zehn Sekunden später hörten sie die Türe plauzen. Kyle und Marvin waren wieder da.
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Ein ganz schönes Schmusekapitel, ich weiß.
Aber was haltet ihr von Alexandrs Vergangenheit?
Der Song ist von Christina Stürmer - Engel fliegen einsam. Ich habe das Album "Schwarz Weiss" während ich dieses Kapitel geschrieben habe auf und ab gehört. Das ist mein Lieblingssong davon. Ich fand ihn irgendwie passend. Die Qualität des Videos ist leider nicht die Beste, aber ich hoffe das Feeling kommt trotzdem rüber.
Vergesst das Abstimmen und Kommentieren nicht ;)
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