13 - Gereizt
Sie joggte die Straßen entlang. Kate vorne weg. Sie musste laufen. Ihre Gedanken freien Lauf lassen. Es war morgens um fünf. Auf den Straßen fing der Verkehr gerade an zuzunehmen, aber sonst sah sie weder Tier noch Menschen die schon auf waren.
Nach diesen verrückten Traum, sie wusste nicht wie sie ihn einordnen sollte, brauchte sie frische Luft. Brauchte sie Bewegung. Irgendwie musste sie ihre Gedanken ordnen. O Gott was war nur mit ihr los? Vor einer Woche war doch noch alles so klar gewesen. Sie, Alice Laneford, wollte nach München, wollte ihre eigene Wohnung, ihr Abi zu Ende machen und dann studieren. Das tat sie nun ja auch. Aber das war noch längst nicht alles. Sie hatte ihren Zwillingsbruder gefunden.
In dieser Nacht war so viel passiert. Ihr Kopf schien zu platzen. Sie lief immer schneller achtete nicht darauf wo sie hin lief. Rannte einfach nur noch, versuchte den Kopfschmerzen, ihren Gedanken, ihren Problem und ihren verwirrenden Gefühlen zu entfliehen. Ohne es richtig mitzubekommen rannte sie, rannte weiter, einfach weiter. Durch die Straßen. Sie brauchte das, brauchte Freiheit. Brauchte jemand der ihr half beim ordnen ihrer Gedanken.
Das rennen half, sie sah einiges wieder klarer und ihre Kopfschmerz fingen an nach zulassen.
Sie hatte Kyle gefunden. Alexandr. Einen über aus attraktiver Mann der sich dieser Tatsache nur allzu deutlich bewusst war und mit dem sie nun "zusammen" war. Wie hatte sie da nur mitmachen können? Sie hat sich ihm ja regelrecht zu Füßen geworfen! Wie peinlich. Bloß weil sie ihn verdammt attraktiv fand und da eine Anziehungskraft war die anscheinend auf Gegenseitigkeit beruhte. Ahhhhhhhr...... Manchmal verstand sie sich selbst nicht. Jetzt war sie mit ihm ja "zusammen" und hatte zudem noch herausgefunden das er wahnsinnig gut küssen konnte und sie liebte Küsse und dies half nicht unbedingt die geradezu unnatürliche Anziehungskraft zu lindern. Sie musste an etwas anderes denken nicht an Alexandr und an seine Küsse.
An seinen Bruder. Stepan. Auch wenn er genau wie Alexandr aussah fühlte sie sich nicht im geringsten zu ihm hingezogen. Er war Alexandrs Bruder, eine kurze Bekanntschaft. Mehr nicht! Oder vielleicht doch? Gerade musste sie an ihren Traum denken. Der Herzog aus ihren Traum sah genauso aus wie Alexandr und Stepan und er trug auch Alexandrs Namen. Ob Alexandr mit Nachnamen Drakon hieß? Gut möglich! Und mit den Jahren, Gott verdammt, es konnte hinhauen. Immerhin ihr Bruder, Alexandr und dann natürlich auch seine Geschwister waren Vampyre.
Vampyre! Gott verdammt, wie konnte ihre Welt nur so schnell aus den Fugen geraten?!
War ihr Traum überhaupt wahr? Mittlerweile zweifelte sie nicht mehr daran. Es war bestimmt wieder eine Erinnerung an ihr früheres Leben. Aber unter der Tatsache das alles bis zu dem jetzigen Punkt was sie erlebt und gesehen hatte wahr war, würde sie jedoch sagen das der Duke of Worth nicht Alexandr sondern Stepan gewesen war. Sie nahm felsenfest an das sie auch schon früher die Anziehungskraft gespürt hätte, in ihrem früheren Leben.
Wie das Klang! Völlig absurd, völlig unnormal. Nicht zu ihrer Logik passend würde sie fast schon sagen. Aber es war nun einmal so. Sie hatte doch schon so oft das unnatürliche Sachen erlebt warum nicht auch jetzt, auf diese Art und Weise?
Hatte sie damals Stepan kennengelernt, hatten die beiden einfach nur die Rolle getauscht? Es war ziemlich wahrscheinlich und für die beiden sicher auch leicht zu bewerkstelligen gewesen, wem hätte es schon auffallen sollen? Hatte er das mit seinen Worten gemeint?
Und was hieß es für sie wenn das aus ihren Traum wahr war? Wenn es stimmt, was sie in diesem Traum gesehen hatte?
Das sie aus einer königlichen Familie stammte oder was? Sie wusste es nicht! Es war auch egal. Sie schlug die Augen auf die sie irgendwann während ihres Laufes geschlossen hatte. Wo war sie?
In einem Wald? Überall standen Bäume! Tannen, Fichten, Kiefern, Erlen, Eichen, Buchen....
Sie atmete die frische Waldluft tief ein. Jetzt nicht aufregen. Selber dran schuld wenn man mit geschlossenen Augen durch die Gegend rennt, sagte sie sich. Du kannst froh sein das du von keinen Auto angefahren wurdest, verdammt! mischte ihr Bruder sich in ihre Gedanken ein und er klang gar nicht gut gelaunt.
Die meisten Leute schlafen um fünf und was macht meine kleine Schwester? fragte er aufgebracht und wartetet nicht auf ihre Antwort. Meine kleine Schwester muss mit geschlossenen Augen durch die Stadt laufen, bis in irgendeinen Wald am Ende der Welt.
Alice verdrehte die Augen. Nun bleib aber mal ruhig, am Ende der Welt ist es Sicherlich nicht. Kate sah sich schnüffelnd um, während Alice nach ihrem Handy tastete. "Scheiße!" Ihr Handy hatte sie zuhause liegen lassen.
Also erstens, wir wissen nicht ob ich deine kleine Schwester bin, du kannst genauso gut mein kleiner Bruder sein! Und zweitens, du hast ja nicht irgendeine Erinnerung geträumt! Und drittens: Wie spät ist es?
Sie konnte Kyles missgelauntes Schnauben regelrecht spüren. Punkt eins ist mir sowas von Pustekuchen. Du wirst dich damit abfinden müssen das du für mich immer die kleine Schwester sein wirst. Punkt zwei wir scheinen da irgendwie immer das gleiche zu träumen und nun zu Punkt drei, mittlerweile schrie er sie schon regelrecht an.Ich versuche seit knapp einer Stunde zu dir vor zu Dringen! antwortete er.
Um sechs! Sie war richtig erschrocken. Wie soll ich bis die Schule losgeht aus diesen Dschungel herausgefunden haben? Sie sah sich um überall nur Bäume. Nur Waldgeräusch egal wie sehr sie sich anstrengte. Sieh dich mal ganz genau um, ganz genau! wies Kyle sie an Verinnerlich das Bild, die Gerüche, die Geräusche und sie dich ganz genau um.
Sie zog zwar eine ihrer feinen dunklen Augenbrauen hoch, tat jedoch wie ihr befohlen. Keine halbe Minute später Stand Kyle vor ihr.
Sie sprang einen Schritt zurück und stolperte fast. Kyle fing sie gerad noch so auf. "Nächstes Mal warnst du mich gefälligst!"
"Nächstes Mal" erwiderte Kyle trocken und pfiff Kate zu sich "wirst du hoffentlich nicht irgendwo in der Pampa umher irren!" Er hob Kate hoch und legte einen Arm um sie. Nicht mal eine Sekunde später waren sie schon wieder in die Küche. Kyle ließ Kate runter. "Wenn wir Glück haben bleibt dein kleiner Ausflug unbemerkt!" mit diesen Worten verschwand er erneut vor ihren Augen. Wie ich es liebe!
Kate sah in maßlosen entsetzten auf die Stelle wo Kyle gerade noch gestanden hatte und fing dann an zuscharren.
"Oh Kate nein!" wehrte Alice ab "Kate! Hör auf! Kyle kommt wieder! Hör auf Kate!" doch sie weigerte sich und scharte weiter auf den fließen rum. Mit einem Seufzen öffnete Alice einen Schrank und holte ein Leckerli heraus. "Kate!" flötete sie und hockte sich hin "Schau mal was ich hier hab!" Sofort hatte sie die volle Aufmerksamkeit des Hundes. Sie warf das Leckerli auf Kates Kissen und der Hund stürzte ihm nach. Nun war Kyle vollkommen vergessen. Alice sah auf die Uhr. Es war mittlerweile schon dreiviertel sieben. Jetzt musste sie sich aber beeilen. Sie ging ins Bad und begann mit ihrer morgendlichen Routine.
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Er klingelte und wartete. Es viel im schwer ruhig vor der Tür zustehen, wenn ihm wie jetzt tausende Gedanken durch den Kopf gingen, die ihn fertig machten. Kyle und Alice glaubten er habe ihr verschwinden nicht mitbekommen, doch dies war nicht so. Seine Nerven standen die ganzen zweieinhalb Stunden unter Strom, er wusste nicht warum aber die Sorge um sie, bearbeitete ihn, machten ihn fertig. Er musste wissen wie es ihr ging. Musste ihren Duft riechen, ihren leisen Atem hören und ihr wundervolles Gesicht sehen können. Er musste bei ihr sein. Musste sie in den Armen halten. Musste sie beschützen. Er fuhr sich durch die Haare.
Endlich ging die Tür auf. Alice trat den Rucksack lässig über der Schulter und ihre Ray-Ban ins Haar geschoben aus der Tür. "Guten Morgen!" sagte sie gut gelaunt, doch ihre Augen waren wachsam, als sie ihren Blick prüfend über seine Gesicht gleiten ließ.
Er betrachtete ihr Gesicht. Die leichte Blässe viel nicht sehr auf da sie ohnehin schon sehr blass war, doch die dunklen Augenringe die sie überschminkt hatte vielen ihm sogleich in den Blick. Irgendetwas hatte sie um den Schlaf gebracht und hinaus in die Nacht getrieben. Irgendetwas ließ sie ihn mit Skepsis und Neugier überfliegen. Und er wusste nicht was! Er fühlte sich hilflos. Er war mit seinen eigenen Gefühlen überfordert. Denn so etwas wie er jetzt fühlte hatte er noch nie gefühlt. Gestern noch hatte er sich ein reden wollen das es reines Begehren war, aber er brauchte sich selbst nichts vor machen und wollte es auch gar nicht. Er wusste da war mehr, aber er musste sich selbst und auch ihr Zeit geben um herauszufinden was das war. Und vor allem musste er herausfinden, ob da auch für sie mehr war als nur diese körperliche Anziehungskraft. Aber zufuhr musste er sich erst wieder unter Kontrolle kriegen.
Sie drehte sich um, schloss zu. "Danke das ihr mich mit nehmt!" Er ballte die Hände zu Fäusten. Sie trug nur ein grünes luftiges top und einen knappen schwarzen Rock, dadurch sah er sofort die feine rote Linie die sich ihre Schulter und den Oberarm hinab zog.
Verdammt! Alle Gefühle! Seine Wut, seine Angst, seine Sorge, seine Hilflosigkeit und seine Wut auf diese Gefühle für sie, die ihn verwunderbar machten, traten aus ihn aus.
Sie drehte sich um und sah ihn mit ihrem unschuldigen, großen Augen an.
Er konnte nicht anders. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie sodass ihre Zähne klappernd aufeinander schlugen und die Sonnenbrille auf ihre Nasenspitze rutschte.
"Wie konntest du nur mitten in der Nacht auf die Straße gehen?" presste er zwischen zusammen gebissen Zähnen hervor. "Weißt du nicht was alles passieren kann? Hast du keine Ahnung was für Sorgen ich mir um dich gemacht habe?"
Hinter ihnen klappte eine Tür. Ein scharfer Ruf der Wut ertönte. "Alexandr!"
Er hielt inne. Sah Alice an, die ihn verängstigt ansah. Bemerkte ihre Finger die sich in seine Unterarme bohrten und ihre über den Boden schwebenden Füße.
"Lass sie runter Alexandr!" befahl Kyle hinter ihm "Sie hatte schlecht geschlafen, sie brauchte frische Luft zum nachdenken!" Kyle hatte eigentlich nicht vorgehabt ihn zu beschwichtigen zu versuchen, sondern ihm am liebsten eine runter gehauen, doch als er dessen Blick gesehen hatte und die Sorge darin hatte er ihm einfach keine Drohgebärde mehr gegen den Kopf schmeißen können. Alexandr hatte sich wirklich Sorgen um Alice gemacht, sowie er.
Alexandr ließ sie los und drehte sich zu Kyle um. "Und deshalb muss sie mitten in der Nacht blindlings in unbekannte Gassen umher irren. Allein?" fragte er bissig zurück.
"Wohe.." setzte Kyle an doch Alice kam ihn zuvor.
"Ja das musst ich. Das ist der Kick den ich morgens brauche!" fuhr sie ihn an und ging zum Treppenhaus "Das geht dich in Scheißdreck an! Ich fahr allein!" Damit knallte sie die Tür hinter sich zu und Alexandr und Kyle hörten noch ihre zornigen Schritte, bevor sie einen aufheulenden Motor und darauf das Garagentor hörte.
Beide sahen sie die geschlossene Tür und dann einander an.
"Wie konntest du nur?" fragte Kyle ihn. Diese Frage war kein Vorwurf und er erwartete auch keine Antwort. Es war einfach eine Frage mehr zu sich selbst gesprochen als zu Alexandr.
Alexandr fuhr sich durch die Haare und schüttelte über sich selbst den Kopf. Das war die entscheidende Frage die er selbst nicht beantworten konnte. Warum hatte er das getan?
Normal war er doch immer beherrscht. Ach, verdammt.
Er drehte sich weg, ging hinunter in die Garage.
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