XII

„Das hier ist Foeniculum", erklärt Janae und zupft ein Blatt von einem kleinen, struppigen Busch ab. „Hilft gegen Bauchkrämpfe, aber zu viel davon führt zu Halluzinationen und Schlafstörungen." Zögernd nehme ich das Blättchen entgegen und rieche daran.
„Ihhh", entfährt es mir und ich verziehe angewidert das Gesicht. „Das riecht ja fürchterlich."
Janae kichert verhalten. „Es schmeckt auch so wie es riecht."
Ich lasse das Blatt fallen und wische mir die Finger an meinem grauen Kleid ab
„Was ist das da?", frage ich sie und deute auf einen dunkelgrünen Strauch mit roten, runden Beeren.
„Das ist unser Sanyi-Strauch." Janae pflückt eine Beere und hält sie mir hin. „Die kann man essen, sind sehr lecker. Man kann auch den besten Tee gegen Erkältungen aus ihnen machen. Und die Blätter helfen, wenn ..." Erschrocken hält sie inne, stirnrunzelnd folge ich ihrem Blick Richtung Anwesen.
Die Königin.
Sie lässt gerade die Eingangstür des Schlosses hinter sich zufallen und kommt nun direkt auf uns zu. Die langen, schwarzen Haare umrahmen ihr schmales Gesicht. Heute trägt sie ein dunkelrotes Kleid, das am Saum höchstwahrscheinlich ganz nass wird, denn sie macht sich keine Mühe, es anzuheben, während sie durch das feuchte Gras stolziert.
„Will die zu uns?", flüstere ich Janae zu, die sich gerade eine widerspenstige Locke aus der Stirn streicht. Sie gibt mir keine Antwort, sondern begrüßt die Königin überschwänglich, als sie den Kräutergarten betritt. Ich nicke bloß, während ich meinen Blick über ihr Kleid schweifen lasse. Ganz im Gegensatz zu dem hautengen Korsett ist der Rock so breit, dass Königin Zinariya beinahe im Gartentor stecken bleibt. Am Saum ist das Kleid mit schwarzen Stickereien geschmückt, die bis zur Taille hinauf immer feiner werden. Die Ärmel sind an den Oberarmen aufgebauscht und an den Handgelenken ganz eng. Meine Mutter hätte für dieses Kleid getötet. Ich hätte mich getötet, wenn ich es anziehen müsste.
„Clarice. Janae", stellt Königin Zinariya nüchtern fest und betrachtet uns eingängig. Janae zappelt neben mir hin und her, aber ich bin erstaunlicherweise ganz ruhig. Am liebsten würde ich die Königin fragen, was sie hier will, aber ich weiß nicht, wie ich die Frage formulieren soll, ohne unhöflich zu klingen. Janae nimmt mir den Job ab.
„Was führt Sie zu uns?", fragt sie und knickst leicht. Die fröhliche und ungestüme Janae, die ich kenne, hat sie tief in ihrem Inneren eingeschlossen. Jetzt wirkt sie ernst und streng.
„Ich muss mit Clarice sprechen. Es wird nicht lange dauern", sagt die Königin kalt. Wenigstens verhält sie sich wie immer. Sie erinnert mich an einen gefühlslosen, gefährlich glitzernden Diamanten. Wahrscheinlich würde ihr der Vergleich sogar gefallen.

Janae wirft mir einen fragenden Blick zu, als ich der Königin folge, aber ich zucke bloß mit den Schultern. Ich habe ja selbst keine Ahnung, warum sie mit mir sprechen will. Ob es um den Vorfall heute Morgen bei der Jagd geht? Mein Herzschlag beschleunigt sich. Was, wenn ich jetzt Ärger bekomme wegen der Sache mit Arkyn?
„Also, Clarice", beginnt die Königin; ihre Stimme klingt geheimnisvoll, „Heute findet eine Sitzung des Dunkeln Rates statt." Verdammt, denke ich. Es muss wohl etwas mit Arkyn zu tun haben, immerhin ist der auch Mitglied in diesem Rat. Ich hole tief Luft. Wahrscheinlich wird es nicht viel bringen, mich zu entschuldigen, aber ein Versuch ist es wert. Unkontrolliert plappere ich drauflos: „Also ... wegen der Sache mit dem Hirsch ... ich wollte das wirklich nicht, das müssen Sie mir glauben. Ich war einfach nur so ..."
Mit jedem Wort, das mir über die Lippen rutscht, runzelt Zinariya ihre sonst so makellose Stirn ein Stückchen mehr.
„Welcher Hirsch? Wovon redest du?"
Verunsichert halte ich inne. Wenn die Königin gar nichts von der Sache bei der Jagd weiß, wäre es wohl das Klügste, jetzt den Mund zu halten. Doch vor lauter Aufregung verfranse ich mich in einem erneuten Redeschwall.
„Na der Hirsch von heute Morgen. Ich weiß, der sollte eigentlich als Mittagessen herhalten oder so, aber Chase hat ein Reh erlegt."
„Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst, Clarice", meint die Königin, ein Hauch von Verwirrtheit schwingt in ihrer Stimme mit. Meine Hände werden ganz schwitzig.
„Wissen Sie nicht? Ich ... also, es ist nur so ... ist ja auch egal."
Königin Zinariya seufzt übertrieben theatralisch. „Darf ich jetzt fortfahren."
„Aber ... aber natürlich." Langsam beruhigt sich mein Herzschlag wieder, unauffällig wische ich mir meine Handflächen an meinem Kleid ab.

„Es geht um die Versammlung heute Nacht. Nach deiner ersten Übungsstunde dachte ich, dass du nichts Besonderes bist. Du warst weder besonders klug oder charmant noch waren deine Fähigkeiten überragend, aber in unserer letzten Trainingseinheit habe ich erkannt, dass vielleicht doch mehr in dir steckt, als ich zuerst dachte."
Gedankenverloren streicht die Königin über den samtenen Stoff ihres monströsen Kleids. Ich frage mich, ob sie extra eine lange Pause macht, um die Spannung zu steigern.
„Mir ist klar geworden, dass deine Fähigkeiten stark sind. Stärker als die von anderen. Deshalb habe ich beschlossen, dich auf die heutige Versammlung des Dunklen Rates einzuladen. Ich will, dass du etwas aus deinen Fähigkeiten machst. Der Rat ist ein Ziel, auf das du hinarbeiten kannst", schließt sie und meine Gedanken wandern zurück an meinen Geburtstag vor etwa einer Woche.
Augenblicklich schießt mir die Prophezeiung durch den Kopf.

Ein Mädchen, am Tag einer totalen Sonnenfinsternis zur Welt gekommen, wird die Kräfte Normalsterblicher übertreffen.

Mein Herz flattert wie ein keiner Vogel in meinem Brustkorb, während ich nach den richtigen Worten suche. „Ich ... ich würde mich wirklich freuen, an einer Versammlung teilzunehmen", sage ich schlussendlich, „Wo finden die Treffen statt?"
Die Königin lächelt selbstzufrieden. „Rancor wird dich um Mitternacht abholen."'
Wie Königin Zinariya sich verabschiedet und zum Schloss zurückkehrt, nehme ich gar nicht mehr war. In Gedanken bin ich schon bei der Versammlung heute Nacht.
Wieder einmal wird mir bewusst, dass ich hier nicht hergehöre. Dass ich Teil eines Plans bin. Nur eine Variable in einer Gleichung, die es gilt, zu lösen.
Der Dunkle Rat. Auf einmal scheint mein Ziel greifbar. Wenn ich nur an einer Versammlung teilnehme, werde ich zwar nicht genügend Informationen sammeln können, aber es ist ein Anfang.
Wer sagt, dass ich es nicht schaffen kann, in den Rat aufgenommen zu werden?

Der Rest des Tages zieht an mir vorbei wie im Film. Ich erzähle niemandem von dem Gespräch mit der Königin und Janaes bohrenden Fragen weiche ich gekonnt aus.
Nach dem Abendessen gehe ich duschen und putze meine Zähne. Ich versuche mich abzulenken, um nicht zu viel nachdenken zu müssen. Eine halbe Stunde lang kämme ich mich, bis meine Kopfhaut bitzelt und meine Haare schon ganz elektrisch aufgeladen sind. Dann lege ich mich ins Bett, in Gedanken bei der Versammlung. Ich will wenigstens eine Stunde schlafen, aber meine Augen wollen einfach nicht zufallen.
Um zehn Uhr gebe ich es frustriert auf und lasse all die Gedanken und Sorgen herein, die wie wild in meinem Kopf herumschwirren und mich ganz nervös machen.
Endlich – um kurz vor Mitternacht – klopft Rancor an meine Tür.
Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, bevor ich auf den Gang hinaustrete. In den zwei Stunden, in denen ich ununterbrochen nachdenken musste, habe ich mich auch für ein geeignetes Outfit entschieden.
Ich bin heute in veränderter Gestalt unterwegs, weil erstens die Kleiderauswahl hier nicht gerade berauschend ist und zweitens, weil ich denke, dass ich dadurch gleich Eindruck bei den Mitgliedern des Rates schinden kann.
Also trage ich ein knöchellanges, mitternachtsblaues Kleid mit schwingendem Rock und einem schmalen, diamantbesetzten Band rund um meine Taille. Ich fühle wie mich wie der wolkenlose Nachthimmel höchstpersönlich.

Rancor führt mich in die große Eingangshalle im Erdgeschoss, die verlassen vor uns liegt. Der Mond wirft sein blassbläuliches Licht auf den schwarzweißen Schachbrettboden und mein Schatten wird dadurch in die Länge gezogen.
Rancor humpelt auf den Thron der Königin zu und ich folge ihm gespannt. Bis jetzt hatte ich nur Theorien, wo die Versammlungen stattfinden. Eine meiner Ausgefallensten war, dass sich die Mitglieder im Wald auf einer Lichtung treffen, wo sie – in schwarze Kutten eingehüllt – im Kreis angeordnet stehen und Beschwörungsformeln in einer fremden Sprache murmeln.
Zu meiner Enttäuschung verlassen wir das Schloss nicht. Rancor betritt die kleine Erhöhung, auf der der Thron steht, und deutet auf den Boden hinter dem Thron.
Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch. Es ist so dunkel, dass ich rein gar nichts erkennen kann.
Rancor bückt sich mit einem Ächzen und schiebt den Thron etwa dreißig Zentimeter nach vorne. Mit seinen faltigen Händen tastet er über den Boden und ich sehe, wie er etwas zu fassen bekommt und daran zieht. Beinahe lautlos öffnet sich eine Falltür und schummriges Licht und murmelnde Stimmen dringen aus dem Inneren hervor.
Vor lauter Spannung halte ich die Luft an. Das ist einfach nur genial.

Eine Falltür unter dem Thron, die anscheinend in einen weiteren Raum führt. Keiner würde es je wagen, den Thron der Königin wegzuschieben und so können die Ratsmitglieder ungestört ihre Versammlungen abhalten.
Plötzlich wird mir klar, was für ein Vertrauen die Königin in mich hat. Warum sollte sie mir sonst diesen geheimen Raum zeigen lassen?
„Da rein", flüstert Rancor mit kratziger Stimme und ich setze mich vorsichtig auf die Kante und schwinge meine Beine hinein. Eine steile Leiter führt in den unterirdischen Raum.
Ich klettere die Sprossen hinunter und höre das Klicken, als Rancor die Falltür über mir schließt.
Mein Herz rast, als ich mich umdrehe und mich etwa zwanzig Augenpaare gleichzeitig anstarren. Ich schlucke meine Angst hinunter und stelle mich so selbstbewusst wie möglich vor. „Guten Abend, ich bin Clarice."
Keiner antwortet mir, bis die Königin mich schließlich begrüßt. „Schön. Du kannst neben Arkyn Platz nehmen."
Mein Blick fällt auf Arkyn, der am unteren Ende einer langen Tafel sitzt und mich zu beobachten scheint. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Bauchgegend aus. Hoffentlich sagt er nichts wegen heute Morgen, bete ich stumm.
Schweigend lasse ich mich neben Arkyn auf einem der dunklen Holzsessel nieder. Auch er sagt kein Wort.

Königin Zinariya erhebt sich von ihrem Stuhl. „Nun, da wir vollzählig sind, möchte ich euch zu unserer Versammlung begrüßen. Wir haben einen Ehrengast. Das ist Clarice, sie ist letzten Dienstag bei uns eingetroffen."
Keiner sagt ein Wort, alle lauschen gebannt den Worten der Königin.
„Lasst uns die Neuigkeiten der letzten Wochen austauschen", sagt diese und die Versammlung ist eröffnet.
Zuerst versuche ich den Worten der Mitglieder zu folgen, aber meine Gedanken schweifen schnell ab. Eine halbe Ewigkeit diskutieren ein glatzköpfiger, stämmiger Mann, der mich ein bisschen an einen aufgeblasenen Wal erinnert, und eine knochige Frau mit Hakennase über einen abgestorbenen Baum im Obstgarten. Bald habe ich meine Ohren auf Durchzug gestellt und betrachte stattdessen lieber den Versammlungsraum.

Das Kellergewölbe ist höher als erwartet und wird durch Fackeln an den Wänden in schummriges Licht getaucht. An der Wand hinter mir reihen sich Truhen und Regale, aber mehr als das kann ich nicht erkennen, denn sobald ich versuche, einen Blick über die Schulter zu werfen, runzelt Frau Hakennase die Stirn und stößt ein pikiertes Tsss aus.
Stattdessen widme ich mich nun den verschiedenen Mitgliedern.
Ich erkenne schnell, dass die Sitzordnung hier auch von Bedeutung ist und es verleiht mir eine gewisse Genugtuung, dass Arkyn ganz am Ende der langen Tafel sitzt.
Insgesamt sind es ohne der Königin genau neunzehn Ratsmitglieder unterschiedlichen Alters.
Aus den Gesprächen, die sich nun um die Vorräte für den Winter drehen, geht hervor, dass jedes Mitglied bestimmte Aufgaben hat. Die meisten scheinen sich nur um ihre Tätigkeiten als Ratsmitglieder zu kümmern, aber einige – wie Arkyn – arbeiten weiterhin in ihren „normalen" Jobs.

Inzwischen ist ein heftiger Streit zwischen Frau Hakennase und Herr Wal entbrannt. Die beiden scheinen sich nicht sonderlich gut zu verstehen und werfen sich schon seit Beginn der Versammlung vernichtende Blicke zu.
Königin Zinariya scheint von dem Streit genauso genervt zu sein wie alle anderen.
„Ankistra", fährt sie Frau Hakennase an und diese zuckt erschrocken zusammen, „Wir haben heute Wichtigeres zu tun, als euch beim Streiten zuzusehen."
Zustimmendes Gemurmel erfüllt den Raum und ich seufze erleichtert, als Frau Hakennase endlich den Mund hält und verkniffen auf ihre Hände blickt.
„Wir haben heute einen Gast unter uns. Clarice ist erst seit einer Woche hier, aber sie hat starke Fähigkeiten und ich möchte ihr eine besondere Ausbildung gewährleisten."
Eine junge Frau mit schulterlangen, haselnussbraunen Haaren und einem frechen Lächeln räuspert sich. Sie scheint etwa ein Jahre älter zu sein, als Arkyn, aber ihre Stimme ist leicht rau und lässt sie älter wirken. „Für welchen Beruf hast du dich entschieden?"
Alle Augenpaare richten sich auf mich und meine Stimme ist ein bisschen zittrig, als ich antworte. „Ich weiß noch nicht genau. Entweder werde ich Pflegerin oder Jägerin."
„Wir werden das heute entscheiden, da sie sich bei beiden Berufen geschickt anstellt", beginnt die Königin und mir wird ein bisschen flau im Magen, als mir die Sache mit dem Hirsch in den Sinn kommt, „Wie du weißt Clarice, wären die nächsten Wochen dazu da, dich in deinem Beruf auszubilden, aber ich möchte dir auch die Chance geben, deine gestaltenwandlerischen Fähigkeiten zu entfalten."
„Aber wie soll das gehen? Soll ich zwei Ausbildungen zur gleichen Zeit erhalten?", frage ich. Der Gedanke noch wochenlang mit der Königin das Gestaltenwandeln zu trainieren, lässt Verzweiflung in mir aufkeimen.
„Das hat es schon öfter gegeben. Auch Arkyn erhielt während seiner Ausbildung zum Jäger ebenfalls Trainingsstunden zur Gestaltenwandlerei", meint die Königin und Frau Hakennase verdreht die Augen, als wäre meine Frage das Dümmste, was sie je gehört hat.

„Ich habe mir überlegt, dass es vermutlich das Beste wäre, wenn du zur Jägerin ausgebildet wirst. Die Jagd findet immer am Morgen statt und am Nachmittag hast du dann Zeit für deine Gestaltenwandler-Ausbildung. Als Pflegerin wirst du den ganzen Tag gebraucht, was schlichtweg nicht mit deiner Zweitausbildung vereinbar wäre", fährt die Königin fort.
Sie hört sich an wie meine Volksschullehrerin, die den fleißigen Schülern immer Extraaufgaben aufhalsen wollte.
„Und wer übernimmt meine Ausbildung?", frage ich und bete zu den zwölf Göttinnen, dass es nicht Frau Hakennase oder Herr Wal ist.
Königin Zinariya lächelt leicht. „Du und Arkyn habt euch ja schon kennengelernt."
Mir bleibt die Spucke weg.
Arkyn? Mein Lehrer?
Ich lache leise, es klingt beinahe hysterisch.
„Sie? Ich soll sie unterrichten?", fragt Arkyn ungläubig.
Sie ist keine Krankheit", fauche ich.
„Tsss", wirft Frau Hakennase ein. Ich blicke sie böse an.
Königin Zinariya lächelt zufrieden. „Er wird dir nicht nur das Messerwerfen beibringen können, sondern auch die Gestaltenwandlerei. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klatsche."
Arkyn bleibt still, wahrscheinlich plant er schon, wie er meinen Tod wie einen Unfall aussehen lassen kann. Mir rutscht ein Seufzer über die Lippen, noch möchte ich mich meinem Schicksal nicht einfach hingeben.
„Aber Arkyn ist doch wahrscheinlich selbst noch nicht so lange hier. Es gibt doch bestimmt erfahrenere Lehrer für mich", mutmaße ich; blicke aber dabei nicht in die Richtung von Frau Hakennase, nicht dass sie noch auf dumme Ideen kommt.
Jetzt mischt sich Arkyn aber doch ein. „Ich bin zwar erst ein Jahr hier, aber es hat wohl einen guten Grund, warum ich im Dunklen Rat sitze."
Na gut, vielleicht hat er Recht.
„Dann wäre das also geklärt", unterbricht uns die Königin, „Ich glaube wir haben heute nichts mehr zu besprechen."

Nach und nach verlassen die Gestaltenwandler den Versammlungsraum, allen voran die Königin. Arkyn bleibt schweigend auf seinem Stuhl sitzen, ein Bein ausgestreckt, das andere gebeugt. Er spielt mit einem Streichholz, das er locker zwischen den Fingern dreht.
Unschlüssig bleibe ich vor der Leiter stehen.

„Das mit dem Hirsch heute tut mir wirklich leid, Arkyn", beginne ich und erst als ich seinen Namen ausspreche, hebt er den Kopf und betrachtet mich stirnrunzelnd.
In seinen Augen spiegelt sich das Fackellicht und jetzt erst erkenne ich, dass sie dunkelbraun und nicht schwarz sind.
„Ich dachte ... also ich dachte mir, dass wir vielleicht noch einmal von vorne anfangen können. Wir hatten nicht gerade den besten Start und als zukünftige Jagdgefährten sollten wir doch gut miteinander auskommen", schlage ich etwas tollpatschig vor und nestle nervös an dem dunkelblauen Stoff meines Kleids herum.
Arkyn sagt immer noch nichts und langsam sterbe ich vor Nervosität. Er betrachtet seelenruhig das Streichholz in seiner Hand und dann wieder meine unruhigen Bewegungen und Gesten.
Endlich hebt er wieder den Kopf.
„Okay", meint er schließlich mit seiner weichen, melodischen Stimme und mir fällt ein gewaltiger Stein vom Herzen.
„Also ich bin Clarice Ovun und ich bin neu hier. Wie heißt du?", stelle ich mich vor und strecke ihm die Hand hin.
Kurz sieht er mich verwirrt an, dann stiehlt sich ein winziges Lächeln auf seine Lippen und das Eis ist gebrochen.
„Ich bin Arkyn Anduru", meint er bloß und ergreift meine Hand. Ich spüre seine kühlen, weichen Finger auf meinen, als wir uns höflich die Hand schütteln.
„Es wird mir wirklich schwer fallen, dich als Jagdgefährtin akzeptieren zu können", beginnt er und für einen kurzen Moment bin ich mir nicht sicher, ob er das ironisch meint, „Aber unter einer Bedingung könnte ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen."
Ich muss mir das Grinsen verkneifen und nicke stattdessen ernst.
„Ich denke dazu wäre ich bereit. Wie lautet die Bedingung?"
„Wir werden zusammen laufen gehen, denn deine Kondition befindet sich nicht gerade auf dem Höchstpunkt."


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