5.
Lenny blickte Boneseeker geschockt an, während sie mit einer Hand den Rubin umklammerte. "Was meinst du damit?" fragte sie mit zitternder Stimme. Sie befand sich wieder in der riesigen Bibliothek mit den seltsamen Büchern. "Wo sind wir hier eigentlich?" Beim letzten Mal war sie viel zu verwirrt gewesen um zu fragen.
"In deinem Herz." krächzte Boneseeker. Als Lenny sie nur verwirrt ansah stieß sie einen Laut aus, der wohl ein Seufzen sein sollte, aber eher nach einem unterdrückten nießen klang. "Der Rubin, auch Herz genannt, hat sich mit deiner Lebensenergie verbunden. Dieser Ort sollte dich selbst reflektieren." Zweifelnd sah Lenny sich in der dunklen Halle um. Die Bücher passen zu ihr, aber der Rest? Sie dachte an den grauen, sternenlosen Himmel außerhalb der Bibliothek und schauderte. "Das heißt dieser Ort befindet sich in dem Rubin?" hakte sie nach. Boneseeker nickte. Es sah irgendwie süß aus, wenn sie ihren Kopf bewegte.
"Er ist nicht auf dich abgestimmt." erklärte Boneseeker, als ob es das natürlichste der Welt wäre. "Es hat vorher jemand anderem gehört, der sich eben hier so wohlgefühlt hat." ihre goldenen Augen huschten nervös hin und her, als erwarte sie, dass jeden Moment besagte Person aus den Schatten springen würde. Lenny konnte die Emotionen des Vogels kaum einschätzen, obwohl sie sich sicher war, dass Boneseeker welche hatte. Aber ihr schien das Thema unangenehm zu sein.
Plötzlich fiel ihr auf, wie angenehm leise sich Boneseekers Stimme anhörte. "Hier klingt alles so normal." bemerkte sie. "Das Herz ist dazu da, sich entspannen zu können. Hier kannst du außerdem ohne zu trainieren deine Fähigkeiten verbessern und anpassen." Boneseeker hatte sich auf die Lehne eines der Sessel gesetzt. Ihre Krallen gruben sich tief in das zerschlissene Leder. Lenny setzte sich neben sie und rutschte unruhig auf dem kalten Polster hin und her. "Ich verstehe das nicht." murmelte sie hilflos. "Alles war so laut und... anders." Die richtigen Worte für die Situation lagen vermutlich irgendwo in ihrem Gehirn vergraben und würden erst auftauchen, wenn sie heute Abend im Bett lag.
"Durch das Herz werden deine Sinne um ein hundertfaches erhöht. Okay, das ist übertrieben, aber ich glaube du weißt was ich meine. Jedenfalls kann das in deiner lauten Welt problematisch sein. Wir müssen also unbedingt an deinen Anpassungsfähigkeiten arbeiten." Boneseeker stieß ein belustigtes Krächzen aus. "Irgendwie gefällt mir die Rolle der weisen Mentorin."
Lenny versuchte ihre wild umherjagenden Gedanken zu ordnen. Sie spürte ein kaltes Gefühl in sich aufsteigen. In allen Fantasy Büchern, die sie bisher gelesen hatte, blieben die besonderen Kräfte der Hauptperson für immer bestehen. Bisher hatte das Herz nur Schmerzen verursacht. Es war wohl am besten, wenn sie schnell lernte wie sie es kontrollieren konnte. "Was kann ich tun?" fragte sie mit fester Stimme.
"Episch, episch." murmelte Boneseeker. "Am besten denkst du an etwas beruhigendes, wenn es zu viel wird. Denk dir einen Ort aus, an dem du dich wohlfühlen würdest und stell dir vor, dass du dort bist." Lenny lehnte sich in den Sessel. Das kalte Leder drückte unangenehm in ihren Rücken. Um sich den Ort besser vorstellen zu können, schloss sie die Augen.
Der modrige Geruch in der Halle verwandelte sich in ein erdigen Aroma. Lenny konnte moosige Steine unter ihren nackten Füßen spüren. Als sie die Augen wieder öffnete, schlug ihr freundliches Sonnenlicht entgegen. Die Stahlen tanzten durch das Blätterdach eines gesunden, gedeihenden Waldes. Lenny sprang auf und rannte den federnden Waldboden entlang. Doch plötzlich hörte sie eine laute Stimme, die dennoch weit entfernt zu sein schien. "Lenny! Pass auf."
Erschrocken riss Lenny die Augen auf. Sie stand direkt vor einem der großen Spiegel in der Bibliothek. Ihr weißäugiges Gesicht starrte ihr aus dem Glas entgegen. Boneseeker saß auf einem Regal daneben. "Ich glaube du weißt was ich meine." krächzte sie. "Willst du zurück? Ich bin mir sicher deine Freundin wartet schon auf dich." Die Art wie sie das Wort "Freundin" betonte, ließ Lennys Gesicht vor Scham brennen.
"Ja. Ja, ich bin mir sicher, das tut sie." sie fühlte sich ausgelaugt und müde, und die Vorstellung noch den halben Tag vor sich zu haben war nicht gerade rosig. Als dann auch noch der unerträgliche Schmerz in ihrer Brust aufflammte, befand sich ihre Laune endgültig im Keller.
~
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich dieses Kapitel als ich es geschrieben habe, einfach nur hingerotzt habe. Ich bin offen für konstruktive Kritik und werde mir eure Verbesserungsvorschläge zu Herzen nehmen.
!Unüberarbeitet!
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