21.
Lenny stolperte ein paar Schritte rückwärts, als Jasmin sich auf Eras stürzte. Sie hatten nicht nur wie Verbündete, sondern auch wie Freunde gewirkt. Diese Jasmin musste eine wirklich gute Schauspielerin sein.
Plötzlich schrie Timo entsetzt auf. Ein blauer Lichtstrahl schoss aus Jasmins Hand und traf Eras mitten in der Brust. Der Mann wurde zurückgeschleudert und prallte hart auf dem Boden auf.
Alice hatte sich inzwischen aufgerappelt und humpelte auf Lenny zu. Jasmin beachtete sie nicht, sondern näherte sich Eras. "Sie haben Boneseeker." sagte Alice mit zitternder Stimme. Zum ersten Mal seit Lenny sie kennengelernt hatte, begann sie zu weinen. Zitternd brach sie in Lennys Armen zusammen und umklammerte sie so fest, als ob sie sie nie wieder gehen lassen wollte.
"Lasst und abhauen, solange die beiden kämpfen." rief Layla und rannte zu Alice, um sie sanft, aber bestimmt von Lenny zu lösen.
"Nein!" kreischte Jasmin. Ihre Haare standen zerzaust vom Kopf ab und über ihr Kinn lief Blut. " Sie schleuderte einen weiteren Blitz auf Eras, der sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit warf und ein Messer auf die warf. "Denk dir was besseres aus." zischte Jasmin und rammte ihre Handfläche in den Boden. Die Ruinen um Eras herum explodierten und Lenny hörte einen erstickten Schrei. Jasmin betrachtete Eras wohl nicht mehr als Gefahr, denn sie sprintete auf Lenny zu.
Ohne das Lenny es befohlen hatte, aktivierte sich die Glut und baute ein knisterndes rotes Schutzschild um sie auf, das sie vor einem weiteren von Jasmins Lichtblitzen schützte.
Trotzdem spürte Lenny die Wucht des Aufpralls und stemmte die Füße fest in den Boden.
Sie war sich absolut sicher, dass sie heute sterben würde. Jasmin hatte gesagt, dass sie Fähigkeiten behalten würde, und Lenny glaubte nicht, dass diese Frau eine potentielle Bedrohung unbeachtet lassen würde. Doch diese Todesangst verlieh Lenny genau die richtige Stärke, um nicht auf der Stelle loszurennen.
Stattdessen ließ sie sich in den Nebel der rot leuchtenden Zwischenwelt der Glut fallen und stieß das Netz in Richtung Jasmin. Offensichtlich überrascht krümmte sich die Frau zusammen, als das rote Energiebündel sie traf. Im nächsten Moment hatte sie sich jedoch wieder gefasst und hob beide Hände. Blauer Nebel zog auf, und sie verschwand.
Lenny drehte sich sofort zu ihren Freunden um. Sie hatten sich zehn Meter entfernt hinter eine der Mauern gekauert. Layla hatte einen Verbandskasten aus ihrem Rucksack gezogen und Timo hielt ein gefährlich aussehendes Messer in der Hand. Lenny rannte zu ihnen, um sicherzustellen, dass sie sie gegen einen von Jasmins Angriffen verteidigen konnte.
Plötzlich spürte sie eine Hand an ihrem Bein. "Verwende das Glutnetz." zischte Eras. Lenny zog hastig ihr Bein zurück und stolperte rückwärts. Eine Hand packte sie an der Schulter.
"Hab ich dich." knurrte Jasmin voller Schadenfreude. Lenny versetzte sich in die Zwischenebene, doch bevor sie das rote Netz bewegen konnte, flammte brennender Schmerz in ihrer Schulter auf.
Lenny stieß einen spitzen Schrei aus und schlug um sich. Jeder klare Gedanke, den sie zu fassen versuchte, wurde von dem Gefühl erstickt, auseinandergerissen zu werden. Verzweifelt warf sie sich zur Seite, um Jasmins eisernen Griff zu entkommen.
Plötzlich riss der Schmerz ab. Keuchend sackte Lenny auf die Knie. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine schnelle Bewegung wahr. Zu ihrem Entsetzen erkannte sie Elenas schlaffen Körper, der zu Boden fiel.
Jasmin trat in ihr Blickfeld und Lenny rappelte sich benommen auf. "Lass sie in Ruhe." krächzte sie matt.
"Dann halte mich auf. Wie konntest du der Kraft des Herzens standhalten, wenn du schon nach so einem kleinen Angriff fast das Bewusstsein verlierst? Und wie willst du deine Freundin beschützen?"
Lenny ballte die Hände zu Fäusten und beschwor das rote Netz herauf. Jasmin hob die Arme, um einen möglichen Angriff abzuwehren. Doch statt direkt auf ihre Brust zu zielen, benutzte Lenny einen Teil des Netzes als Peitsche und zielte auf Jasmins Knöchel.
Die Frau sprang hastig zurück und es zog erneut Nebel auf. Lenny schleuderte einen weiteren roten Blitz auf Jasmin. Diesmal konnte sie nicht ausweichen und wurde in der Brust getroffen. Reglos stürzte sie zu Boden.
So schnell sie konnte, stolperte Lenny zu Elena. Entsetzt bemerkte sie das Loch in ihrer Kleidung und die Wunde an ihrem Bauch. Blut sickerte in unregelmäßigen Abständen aus der grausam verbrannten Haut. Lenny holte zitternd Luft und sah zu Layla und Timo hinüber.
Ihre Schwester hob den Verbandskasten und Timo rannte auf Lenny zu. Heftig schüttelte sie den Kopf und hob die Hände. Plötzlich hörte sie eine schrecklich kalte Stimme. "Glaubst du wirklich, dass sie uns einfach so gehen lässt?"
Lenny fuhr herum und starrte direkt in Eras abweisendes Gesicht. Er hielt sein Messer in der Hand. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. Sie war zu Erschöpft um das Netz noch lange einsetzten zu können und sie musste auf Elena aufpassen.
"Gib mir einfach das Herz und ich kann sie aufhalten, bis ihr weg seid."
"Damit sie uns in zwei Tagen tötet?" Eras öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch statt Worten sprudelte rotes, dickfüssiges Blut heraus. Erstickte Laute verließen seine Kehle. Schlaff stürzte er zu Boden. Lenny konnte hören, wie Layla kreischte und Elena leise stöhnte, doch sie selbst brachte kein Wort heraus.
Jasmin strich sich die Haare aus dem Gesicht und ließ das Blutverschmierte Messer zurück in ihre Hand fliegen. Entgegen der schrecklichen Situation stieß Lenny ein zittriges Lachen aus. Herzensträger schienen eine Vorliebe für Messer zu haben.
"Lenny." Jasmin legte Sanftheit und Verständnis in ihre Stimme. Eine hellblau leuchtende Linie zog sich quer über ihr Gesicht. "Es wäre in vielerlei Hinsicht Vorteilhaft für dich, zu kooperieren. Deine Freundin liegt schwer verletzt in meiner Reichweite und dein einziger, zweifelhafter Verbündeter ist tot."
Mit zitternden Beinen stand Lenny auf. "Du wirst uns sowieso töten." beschuldigte sie die weißhaarige Frau. Jasmin schien ehrlich empört zu sein. "Wie kommst du denn auf diese Idee?" Lenny unterdrückte ein weiteres hysterisches Lachen.
Jasmin hob drohend die Hand und deutete auf Elena. Lenny zuckte zusammen. Schnell legte sie die linke Hand auf den Rubin. Jasmin trat näher. Ihre Augen leuchteten erwartungsvoll. Ekel überkam Lenny, als sie mit den Fingerspitzen ihrer rechten Hand die Stirn der Frau berührte.
Es fühlte sich an, wie durch eine Wasseroberfläche zu brechen und endlich frei atmen zu können. Die viel zu lauten Geräusche waren nicht verstummt, doch sie vernebelten Lennys Gedanken nicht mehr so wie vorher. Sie hörte Eras flachen Atem und den viel zu schnellen Herzschlag ihrer Freunde. Die Welt erschien bunter und das Leben lebenswerter.
Ein erstickter Laut riss Lenny aus ihren Träumereien. Jasmin hatte ihre Hand auf die Brust gelegt und starrte in die Ferne. Eine Träne rann ihre Wange hinunter und hinterließ eine glitzernde Spur. Plötzlich, ohne Vorwarnung, stürzte sie sich auf Lenny.
"Was hast du getan?" kreischte sie. "Verräterin!" mit erstaunlicher Kraft schlug sie Lenny ins Gesicht und stieß sie zu Boden. "Wie konntest du mir das antun? Ich werde dich töten, nein, dich lebendig in kleine Streifen schneiden und an die Straßenköter verfüttern!"
Ihr Gesicht hatte sich in eine Tränenverschmierte Grimasse verwandelt und sie schlug sie von Sinnen auf Lenny ein, trat kratzte und zog an allem was sie finden konnte. Eine bisher unbekannte Panik machte sich in Lenny breit. Sie würde von dieser Verrückten umgebracht werden.
"Hör auf, Jasmin." Eras hatte seine Hand auf die Schulter der Frau gelegt und zog sie zurück.
Sein Kinn war blutverschmiert und seine Hand zitterte, doch in seinen Augen lag kalte Entschlossenheit. "Du hättest damit rechnen müssen, dass sich die Herzen gegenseitig neutralisieren." sagte er kalt.
"Willst du mir vorwerfen dass ich dumm bin?" kreischte Jasmin, ließ aber von Lenny ab.
"Ja." antwortete Eras nüchtern. "Und jetzt hör auf. Es gibt in unserer verdrehten Vorstellung von der Welt nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt." Er holte ein ziemlich alt aussehendes Handy hervor und tippte eine Nummer ein.
"Hey, was machst du?" wie durch einen grauen Schleier nahm Lenny Timo und Layla wahr, die sich erstaunlicherweise aus ihrer Deckung gewagt hatten. "Einen Krankenwagen rufen." erklärte Eras sachlich und hielt sich das Smartphone ans Ohr.
Lenny schloss die Augen und wartete auf die weite Leere ihres H erzens. Stattdessen empfing sie höchst willkommene Dunkelheit.
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